Donnerstag, 31. März 2016

Kusadaly macht die Raute - Erdogan greift ein

Es wurde wenig bekannt, aber 2014 machte der türkische Comedian Kadir Kusadaly eine Kabarettnummer über Angie. (Das ist jetzt ein bisschen viel K, kann ich aber nix dafür.) Kusadaly stand dabei eine Viertelstunde lang mit heruntergezogenen Mundwinkeln auf der Bühne, sprach Uckermärkisch und machte die «Raute», jene Geste aus beiden Daumen und beiden Zeigefingern, über die Politologen seit dem letzten Jahrhundert rätseln, was sie bedeuten soll. Sein Uckermärkisch hatte Kadir übrigens bei einem Studienjahr in Berlin gelernt.

Die türkische Staatsführung fand den Beitrag nicht so lustig, man brauchte damals einen guten Draht nach Berlin, und den wollte man sich von einem dahergelaufenen Comedian nicht kaputt machen lassen. Erdi handelte schnell und präzis: Er verbot die Nummer, verbot ihre Verbreitung auf Social Media und um ganz sicher zu gehen, schloss er das Istanbuler Theater, wo Kusadaly regelmässig auftrat. Dann fand er, das sei noch nicht genug und liess das Theater auch noch abfackeln und schickte Kadir zum Wassergräben bauen ins türkisch-irakische Grenzgebiet. Als dann die Nummer doch noch auf Facebook auftauchte, musste er leider noch einmal zugreifen: Weitere 15 Personen durften nach Yüksekova und dem Kabarettisten beim Schaufeln helfen.

Leider sprach Angie beim nächsten Treffen die Sache nicht an, sie hatte sie nämlich gar nicht mitbekommen. Wenn Sie sich um alle Spassmacher, die die Mundwinkel abwärts ziehen, die Uckermärkisch parodieren und die «Raute» machen, kümmern müsste, dann käme sie ja zu gar nix mehr. Hätte sie gewusst, was da gelaufen war, dann hätte sie sicher Einhalt geboten, aber, wie gesagt, Mutti war ahnungslos. Erdi wusste aber nicht, dass Angie nix wusste, und wartete das ganze Treffen auf ein Lob, ein Lob wie: «Super, Erdi, das hast du gut gemacht, durchgreifen, handeln, harte Faust, das geht ja nicht an, dass da Leute in deinem Land mich veräppeln, die Mundwinkel verzerren, uckermärkern, die «Raute» machen.» Dieses Lob kam aber nie. Gut, dachte Erdi, gut, dann eben nicht, aber: Ich hab’ was gut!   

Diesen Bon wollte der gute Erdogan jetzt einlösen:
In einem Fernsehbeitrag wurde er so etwas von durch den Kakao gezogen, dass die Mutti-Parodie ein Dreck dagegen war. Nun konnte man doch erwarten, dass die Deutschen die Nummer verbieten, ihre Verbreitung verbieten und schauen, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Ihm war klar, dass es in der BRD schwieriger ist, den ganzen Sender oder ein ganzes Theater zu schliessen, dass es noch schwieriger ist, alles abzufackeln und die Verantwortlichen zum Gräben schaufeln nach Oberbayern oder Vorpommern zu schicken, aber mindestens ein Verbot, mindestens das konnte man doch erwarten.

Und jetzt? Erdi versteht die Welt nicht mehr. Das kann doch nicht sein, dass den Heinis in Berlin die Hände gebunden sind, dass sie sich an Gesetze halten müssen, an die verfassungsmässig garantierte Freiheit von Medien, von Kunst und Kultur, das kann doch nicht sein, dass da gar nix geht? Die sind doch Regierung, oder? Und die Regierung macht die Gesetze, oder? Da kann man doch kurz einen StGB-Paragraphen entwerfen, wie z.B.
§ 45367 Wer ausländische Regierungschefs auf unangemessene Weise darstellt, sie verhöhnt oder beleidigt, wird mit Zwangsarbeit in Oberbayern, Vorpommern oder Niedersachsen nicht unter 3 Monaten bestraft.
Das muss doch gehen, wenn man Regierung ist, oder?

Erdi ist so enttäuscht, dass er sich immer mehr überlegt, ob er in diese Scheiss-EU überhaupt hineinwill. Das sind doch alles Weicheier. Kein Wunder kommen die nicht voran. Es wäre doch viel einfacher, wenn man sich in Brüssel trifft, etwas abmacht, dann gehen alle heim nach Berlin, Paris, Amsterdam und Rom und sagen: So wird es gemacht, und wer aufmuckt, bekommt eins auf die Fresse. Und wenn dann halt getwittert wird, dann MUSS man um der Sache willen das Land halt mal für eine Weile enttwittern, und wenn dann gefacebookt wird, dann MUSS man halt das Land für eine Weile entfacebooken. Und man muss halt auch mal Leute nach Oberbayern, Vorpommern oder Niedersachsen schicken, und wenn das nicht reicht, dann braucht man halt wieder ein paar Kolonien, vielleicht ein paar nette Inseln im Pazifik, wo man Comedians und Kabarettisten hinverbannen kann.

Nein, in diesen Verein von Schlappschwänzen, von Weichdemokraten will Erdi gar nicht mehr, es sei denn, man würde dem Mitgliedsland folgen, das es richtig macht: Ungarn. Die Magyaren sind für ihn die Nation, die es gecheckt hat, die dürfte man nicht strafen, sondern sich als Vorbild nehmen.

Nein, diese EU, diese Versammlung von Turnbeutelvergessern und Schattenparkierern, von Warmduschern und AGB-Lesern interessiert ihn nicht mehr.

2014 wurde Kadir Kusadaly nach Yükesekova geschickt, weil er die «Raute» gemacht hatte.
Und nun wollte Erdi einfach das Gleiche von den Deutschen.
Und da geht es nicht.

Und Erdi versteht die Welt nicht mehr.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen