Donnerstag, 30. Mai 2013

Fahrkartenkauf in Bielefeld: Fahren Hunde allein?

Ich war neulich in Bielefeld. Einerseits wollte das Theater dort eine Supervision für ihren Kinderchorleiter, andererseits hatte ich mich für eine Betriebsbesichtigung bei Dr. Oetker mit Puddingdegustation angemeldet. (Hier ein 2011er Fixfertig, mild im Abgang mit leichter Vanille- und Rumnote…) An der Strassenbahnhaltestelle staunte ich über das für eine kleine Grossstadt üppige Liniennetz: Acht Tramlinien sind doch beachtlich. Beim genaueren Hinsehen entpuppte sich allerdings das Ganze als Mogelei, in Wirklichkeit verliefen Schienen in Nordsüd- und andere in Ostwestrichtung, die Linien 1 und 2. Der Dreier verdoppelt nun eigentlich nur, er beginnt als Einer und fährt ab Stadtmitte als Zweier weiter, der Vierer macht es umgekehrt und wird von 2 zu 1. Nun werden alle vier Kurse noch jeweils dupliziert, durch die Nummern 5,6,7,8, die , wie ein Blick auf den Fahrplan klarmacht, nur am Dienstag und Donnerstag fahren. Hier kam ich nun ins Grübeln: Was ist an den erwähnten Wochentagen in Bielefeld los, dass man viel mehr ÖV braucht? Gibt es da etwas umsonst? Oder wird der Westfälische Friede gefeiert? Oder ist Wochenmarkt?
Jedenfalls benötigte ich etliche Zeit um herauszufinden, dass der 4er für mich die ideale Bahn war. (Es war Freitag, der 8er fuhr also nicht.) Jetzt begann das wirkliche Martyrium, das Lösen eines Fahrscheins. Bielefeld hat drei Tarifzonen, die sich in konzentrischen Kreisen um die Stadtmitte legen: Die Kernzone A, die Mittelzone B und die Aussenzone C. Tickets können für A, B, C, A+B, A+C, B+C und ABC gelöst werden. Haben Sie aufgepasst? Ein Billett ist doch Schwachsinn, wie komme ich von der Zone A in die Zone C ohne durch B zu fahren? Scheinbar geht das im Westfälischen, in der Schweiz geht das nicht, es sei denn, sie hüpfen 5 km weit und fahren dann weiter, aber welcher Heini macht das und warum? An Tarifmöglichkeiten gab es: Erwachsener 3.-, Kind 1.50.-, Erwachsener plus Kind 4.-, Erwachsener plus Hund 3,50.-, Hund 1.-. Hallo? Wie kann ein Hund alleine fahren? Sicher, es gibt streunende Hunde, Gassenköter wie Strolch, aber fahren die nicht immer ohne zu lösen? Denn wenn sie erwischt werden, kann man ihnen ja schlecht ein Strafmandat ausstellen.
Noch völlig baff und buff über so viel Ungereimtheit, löste ich meinen Fahrschein (Erwachsener Kernzone), nein, nein, ich versuchte es, denn der Automat nahm nur 20 Cent-Münzen. Nun habe ich immer Eurometall in der Tasche, aber keine 15 Münzen gleicher Bauart. Ich fuhr schwarz.
Prompt kam ich in eine Kontrolle und musste 100.- Busse bezahlen. Jetzt ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf und meinte zum Kontrolleur: „Sehen Sie, ich habe kein Ticket und bleche natürlich, aber wenn wir schon so nett am Plaudern sind: Was ist mit diesen Dienstag- und Donnerstag-Linien?“ Das wisse er auch nicht, so der freundliche Herr, Wochenmarkt sei nämlich am Mittwoch und da seien alle Bahnen immer gestopft voll. „Und das A+C-Ticket? Wie geht das?“ „Das ist für Menschen, die in B auf den Trimm-Dich-Pfad (für Schweizer: Vita Parcour) gehen und dann in C zum Krankenhaus unters Sauerstoffzelt müssen, kommt oft vor.“ „Und der Hundefahrschein?“ „War ein Aprilscherz, ist aber nun nicht mehr wegzuprogrammieren.“ „Und warum nimmt der verdammte Automat nur 20Cent-Stücke?“ Weil sie, so Herr Wobbke, wie er sich inzwischen vorgestellt hatte, Personalnot hätten und die Automaten daher nur an Fronleichnam und Allerheiligen gelehrt würden, die Münztanks seien schlicht und einfach voll. Dann gab Herr Wobbke mir meine 100 Euro zurück, weil er meinte, ich hätte mich nun eingehend mit der Tarif- und Lösekatastrophe der Puddingstadt auseinander gesetzt und man könne mir keinen Strick daraus drehen.
Denken Sie jetzt nicht, das alles sei übertrieben, in Berlin haben sie 120 verschiedene Tarife, vor denen regelmässig asiatische Touristen kapitulieren und weinend vor den Automaten zusammenbrechen. Wenn wir wollen, dass die Menschheit den ÖV benutzt, warum machen wir ihr es dann so schwer?
Erfunden ist die Story natürlich dennoch, denn Bielefeld hat keine Strassenbahn. Und ausserdem – so beweisen es einige deutsche Studenten auf ihrer Homepage – gibt es Bielefeld  ja gar nicht.

Dienstag, 28. Mai 2013

Happy birthday, SPD!


Die SPD hat mit grossem Pomp und viel Trara ihren Geburtstag gefeiert. Und wie  immer bei Geburtstagen von Hochbetagten ging der Blick auf die glorreichen Jahre, die Vergangenheit, war nostalgisch und wehmütig. Da blickt doch dann der Opa auf sein Hochzeitsfoto und seufzt: „1915 war das, mein Gott, war ich da noch jung und schmuck!“ Oder er erzählt von Zeiten, als man noch wanderte und musizierte, als es noch keinen Fernseher und kein Handy gab. Und der Sohn fragt: „Weisst du noch Papi, wo du mich auf Borkum eingebuddelt hast?“ Und Grossväterchen nickt weise, auch wenn er sich natürlich nicht erinnert. Und die Enkelin fragt: „Weisst du noch, Opi, wo du mir das Walzertanzen beigebracht hast?“ Und Grossväterchen nickt weise, auch wenn er sich natürlich nicht erinnert. Wenn es schlimmer kommt, blickt Opa auf seine Sippe und fragt dann die junge Kellnerin: „Gehören Sie auch zur Familie – nich? – Schwein gehappt!“ So in Papa ante Portas von Loriot.
Genauso war es bei der SPD. Was hat man nicht alles erreicht, wofür hat man nicht alles gekämpft, wie wichtig war man doch. Die Arbeitnehmerrrechte, die Mitbestimmung, soziale Gerechtigkeit, die Ostverträge, der Kniefall von Warschau, Wohlstand und Frieden und Freude und Eierkuchen. Und der Bundespräsident schildert in markigen Worten, wie wichtig die Sozialdemokratie war. War! War, liebe Leser, Präteritum! Denn die Zukunft ist düster.
Um beim Opi-Vergleich zu bleiben: Man feiert zwar rüstig den 95sten, aber der 100ste? Das Herz, das Herz macht es einfach nicht mehr so, wie es soll, und eine Schrittmacheroperation in diesem Alter? Die Blutwerte sind auch nicht mehr in Ordnung, Opi schluckt aber schon 15 verschiedene Pillen, es kämen noch 7 dazu. Die Knie haben Arthrose und die Hände Gicht, Sehen und Gehör waren auch schon besser.
So die SPD: Man strebt zwar immer noch nach vorne, will wieder in die Regierungsbank, Verantwortung übernehmen, aber wie? Probleme über Probleme. Und das Hauptproblem ist gar nicht nur Peer, den man inzwischen rund um die Uhr überwacht, um ihn von allen Buttertöpfen, Fettnäpfen und Sahneschüsseln fernzuhalten. Das Hauptproblem ist, dass man dummerweise in so vielen Landesregierungen sitzt, und die roten Landesfürsten nicht immer so spuren, wie die Bundespartei es will. Wenn also die Zentrale beschliesst: Atommüll könnte doch nach XY, da ist Platz, dann meckert bestimmt ein SPD-Ministerpräsident, dass er den nicht will.
Zu allem Übel hat man inzwischen drei Parteien, die einem Wähler wegnehmen, und die grosse Frage sind:
„Werden die Piraten sich wunschgemäss totdiskutieren oder werden sie seriös?“
„Werden die LINKEN wunschgemäss unrealistisch bleiben oder entwickeln sie Verstand?“
Nicht auszudenken, wenn die Piraten nicht mehr alles auf ihren Internetforen durchkauen und durchkauen, bis es Brei ist, sondern einfach mal entscheiden, wenn sie Struktur bekommen, wenn sie sich – hässliches Wort! – Führung zulegen. Dann kommen sie womöglich über die 5%-Hürde.
Nicht auszudenken, wenn die LINKE von ihren sozialromantischen Forderungen (20 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, jährliche Rentenerhöhung um 10%) Abstand nimmt und sich fragt, ob Dinge auch bezahlbar sind. Dann kommen sie womöglich über die 5%-Hürde.
Und die Grünen? Die Schlange, die man am Busen genährt hat, den lullenden Wicht, den man mitgenommen und in vielen Koalitionen grossgezogen hat? Der jetzt in Stuttgart schon den Seniorpartner spielt und grosse Klappe hat? Werden sie notfalls in einer Rot-Grün-Rot-Was auch immer (Was ist die Piratenfarbe???)-Regierung mitspielen oder werden sie sich doch Angie an die Brust werfen, weil die Schweine im Herzen nun eben doch scheisskonservativ sind?
Fragen, Fragen, Fragen..  
So ist es eben doch besser, sich auf die Erinnerung zu verlegen, die alten Fotos hervorzukramen. Ach, Ebert! Ach, Ollenhauer. Guck mal, Brandt! Oh, der Wehner! Schmidt! Es tut gut, auf ein langes erfülltes Leben zurückzublicken. Aber ob man noch eine ZUKUNFT hat, muss der Wähler entscheiden.


P.S. Was wäre eigentlich, wenn 25 Parteien antreten und alle bekommen 4%? Diese Frage lässt mir keine Ruhe.


Donnerstag, 23. Mai 2013

Kartoffeltypen


Sie haben sich gefragt, was Schall- und Rauchkartoffeln sind? War doch nur ein Witz. Gibt es doch gar nicht. Es sollte doch nur darstellen, wie viele Kartoffelzubereitungsarten es gibt. Was kann man aus der Knolle nicht alles machen! Vor allem, wenn man dumm ist und Bauer und somit die dicksten Kartoffeln hat.
Man kann die Kartoffeln schälen oder nicht, kann sie kochen, braten, reiben, stampfen, man kann sie frittieren, verklossen, verröstien, man kann sie mit jedem Gewürz würzen und mit jedem Fleisch befleischen. Jede Region in Europa hat ihre eigenen Kartoffelrezepte, ausser Italien, da ist sie verpönt, nicht umsonst sagt Signorina Elletra bei Leon: „Bulgarien, Tschechien, Rumänien, egal, irgendwo da, wo man sich schlecht anzieht und Kartoffeln isst.“
Die Franzosen allerdings sind besonders erfinderisch, da heisst ja alles „pommes XY“ Dauphine, Merlaine, Gludine, Bergaine, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Und wenn ein deutscher Wirt schreibt: „Täglich wechselnde Kartoffelbeilagen“, schreibt der Franzose „pommes surprise“, da muss erst mal draufkommen.
Ich habe nun kürzlich ein Buch gelesen, in dem die Zubereitungstypen von Kartoffelspeisen psychologisch untersucht werden. Wollen Sie einen Auszug?
*Der Kartoffelbrei-Macher
Tatkräftig, zupackend, er scheut sich nicht, auch Formen zu vernichten, um Neues zu gestalten. Leider auch latent gewalttätig, unbeherrscht und aggressiv.
*Der Backkartoffel-Typ
Er liebt es eine Sache „abzulegen“ und in der Restzeit etwas anderes zu machen. Kann delegieren, organisieren, Multitasker. Leider auch pingelig, pedantisch. Klassischer Putzteufeltyp. Im Umgang schwierig.
*Der Frittierer
Liebt das Spritzen, den Knall, das Zischen, das Aufschäumen. Explosiver, dynamischer und kreativer Mensch. Extrem gut im Bett, eine sexuelle Kanone. Kann aber nicht planen und etwas ruhig durchdenken.
*Der Pellkartöffler
Lässt Sachen „ungeschält“, der klassische Prokrastinierer, öffnet seine Post nicht und macht seine Steuererklärung nicht, in heiklen Situationen aber der ideale Freund, weil nicht aus der Ruhe zu bringen.
*Der Klössler
Ist erst zufrieden, wenn mehrere Arbeitsvorgänge durchlaufen wurden. Introvertiert, philosophisch, nachdenklich. Bringt eine Sache konzentriert zu Ende. Aber auch ein autistischer, problematischer Mensch.
Auf was die Lebensberater nicht alles kommen! Nun erweitert sich meine Liste noch um einen Punkt, hiess es bisher: Wassermann (europäisches Horoskop), Schlange (chinesisches Horoskop), Otter (indianisches Horoskop), 6er (Eneagramm) und Herbst (Colour me beautiful), kommt jetzt noch Backkartoffel dazu. Die moderne Psychologie kennt keine Grenzen.
Also passen Sie auf, wenn Sie beim Partnerinstitut nach Ihrem Lieblingsessen gefragt werden. Sagen Sie zum Beispiel „Spargel“, dann steht da in einer geheimen Liste: Phallisch, zielgerichtet, verletzend, aber auch heilend, denn
Die Wunde schliesst nur der Spargel, der sie schlug (Parsifal in der Neufassung von Ralf Ramü)

 

Montag, 20. Mai 2013

Schöne Pfingsten oder: Wir sollten aufhören, uns zu verstehen


Hatten Sie schöne Pfingsten?
Oder freuen Sie sich wie Erhard auf Pfingsten nicht im Geringsten? Oder waren Sie wie Bolle in Pankow und haben sich verprügeln lassen?
Also, nochmal: Hatten Sie schöne Pfingsten?
Wissen Sie eigentlich, was an Pfingsten gefeiert wird? Nein, es ist nicht der Spargel.  Es wird da zwar oft Spargel gegessen, und die entscheidenden Pfingstfragen sind Spargelfragen – grün oder weiss, roher oder gekochter Schinken, Brat- oder Pellkartoffeln, zerlassene Butter oder Bechamel – aber gefeiert wird da etwas anderes. An Pfingsten  feiern wir – was ich esse? Gehört jetzt gar nicht zur Sache, aber gut: weiss, gekocht, BACKkartoffeln und KÄSEsauce, ja ungewöhnlich, aber ich bin halt ein bisschen schräg, und Sie lenken furchtbar vom Thema ab – an Pfingsten feiern wir das Fest der Verständigung.
Als Petrus sich damals in Jerusalem ein Herz gefasst hatte und vor die Meute getreten war, hielt er eine glühende Predigt, die alle Leute verstanden. Der Heilige Geist machte es möglich, dass auch Menschen von JWD (janz weit draussen, alter Berliner Ausdruck, siehe Bolle) ihm mühelos folgen konnten. Das Phänomen heisst übrigens Glossolalie, Zungenrede und war eigentlich das Reden in existierenden Idiomen und nicht das Kleinkindgebrabbel, dessen sich sowohl Charismatiker (Pfingstler, da haben wir es wieder) als auch Esoteriker bedienen.
Jedenfalls: Mit diesem Verstehen fingen die Probleme an.
Es ist nämlich gar nicht gut, wenn Menschen sich verstehen.
In der Urzeit trafen oft Stämme aufeinander, und oft entspann sich eine Szene wie diese: Der Häuptling I schrie: „Ztagggdesiiii“, was so viel heisst wie „Wir killen euch!“, aber der Häuptling II verstand: „Wir sind eure Freunde!“ und unterliess sein „Wwwwzttefruuuuuuu“, was geheissen hätte: „Wir schneiden euch den Schwanz ab!“ Stattdessen umarmte er Häuptling I und beide Tribes feierten in einer Metorgie ihren neuen Pakt.
Auch heute möchte ich oft nicht verstanden werden und ich möchte nicht verstehen.
Wenn ich im Urlaub sehe, wie zwei einheimische Damen im Café am Nachbartisch Platz nehmen, Buttertorte MIT Sahne bestellen, obwohl sie schon links und rechts vom Stuhl herunterquellen, überlege ich mir immer: In welcher Sprache sage ich jetzt zu meinem Partner, dass ein kleiner Salat angebrachter wäre? Englisch und Deutsch können sie womöglich, hier ist dann oft die Mundart der beste Ausweg.
Wenn ich im Tram sitze und bemerke, dass die beiden  albanischen Mädchen  über mich reden, MÖCHTE ich gar nicht wissen, was sie sagen. Vielleicht ist es ja: „Was für ein toller Typ!“ Wahrscheinlicher ist aber: „Guck mal, was der für widerliche Falten hat, kennt der kein Botox? So alt wie der möchte ich auch nicht werden.“
Die Verständigung an Pfingsten war also ein Fehler, kehren wir zurück zum Nichtverstehen. Und feiern wir Pfingsten 2014 den Spargel, mit Brat-, Back, Pell-, Schaum-, Schall- oder Rauchkartoffeln. Völlig egal.

 

Donnerstag, 16. Mai 2013

Anachoret gesucht. Sind Sie teamfähig?


Neulich stiess ich auf eine Anzeige des Klosters Mughalden:

Aufgrund Ablebens des jetzigen Stelleninhabers sucht die Abtei Mughalden einen

ANACHORETEN

Wir bieten:
·         Stellung auf Lebenszeit
·         Keine Entlöhnung, aber Kost und Logie
·         Einen garantierten Platz im Himmel
Sie bringen mit:
·         Teamfähigkeit
·         Belastbarkeit
·         D, E, F in Wort und Schrift
·         Innovatives und vernetztes Denken
·         Müheloser Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln

Nun wurde ich hellhörig: Anachoret? Da war doch was, die kommen in Faust II und damit bei
Mahler VIII vor. Anachoreten waren oder sind Menschen, die sich einmauern liessen/lassen und ihre Zeit im Gebet verbringbrachten. Zwei Klappen in die Zelle, eine für Nahrung und eine für die Hostie.
Aber wozu muss so einer teamfähig sein? Er ist den Rest seines Lebens allein. Belastbarkeit? Er muss die Isolation aushalten, aber er hat keine wirklich anstrengende Arbeit. Jetzt wird es noch besser: Wozu braucht ein Anachoret Fremdsprachen? Er redet den ganzen Tag mit Gott, und der versteht, soviel ich weiss, alle Sprachen der Welt. Und was soll Innovation in einer Aufgabe, die seit 2000 Jahren so existiert? Auch der Umgang mit Facebook, Twitter, Blogs, YouTube, Handy, Blackberry oder SMS ist für einen völlig isolierten Menschen eher belanglos.
Ich rief im Kloster an, und bekam von einem sehr liebenswürdigen Mönch die Auskunft, man sei selber ein wenig erstaunt über den Text, man habe die Anzeige bei der Personalagentur WE WANT YOU in Auftrag gegeben, und er gab mir Email und Telefonnummer.
Bei WE WANT YOU sagte mir die Sachbearbeiterin Fräulein Dienstlich, man habe so viel zu tun, dass man Standardtexte verwende und sie ein wenig abändere. Zu neuen Formulierungen sei keine Zeit. Als ich ihr erzählte, was für einen grandiosen Schwachsinn sie da in die Medien gegeben habe, meinte sie nur, sie habe gedacht, ein Anachoret arbeite in der Küche. - Scheins hat sie ihren Faust II nicht gelesen. Und die Achte von Gustav nicht gehört.
Aber im Ganzen ist die Story eine grosse Beruhigung für alle Arbeitssuchenden. Die Texte in den Zeitungen sagen nichts. Sie haben eine Qualifikation nicht? Egal. Sie können völlig teamunfähig sein, wenn Sie sich als Nachtportier bewerben. Fremdsprachen sind nicht so wichtig, wenn Sie an ein Schlachthaus wollen. Die Schweine und die Kälber verstehen Deutsch.
Überhaupt gilt die Regel: Wenn Sie 7 von 10 geforderten Punkten erfüllen, sollten Sie Curriculum und Zeugnisse abschicken.
Eine Sache begegnete uns in Jena. Das Freibad hatte am Eingang eine Lehrstelle ausgehängt. (Die Geschichte ist jetzt wirklich wahr!!) Den ganzen Nachmittag in der heissen Sonne und im kühlen Wasser fragten wir uns: Gut, ein Bademeister muss viel können, er muss die Technik überwachen, Teenager zusammenscheissen, Eintrittsgelder kassieren, er muss Leben retten und den Rasen mähen. Aber warum braucht ein Bademeisterlehrling DAS ABITUR? 

Dienstag, 14. Mai 2013

Heute kein Thema


Heute ist mir nichts eingefallen.
Lesen Sie deshalb bitte nicht weiter.
Kann ja mal vorkommen, so eine Ideenblockade, so eine Themenlosigkeit, so eine Leere, man weiss einfach nicht, über was man schreiben soll, man überlegt und überlegt, aber es gibt einfach keine Sache, die einem auf den Nägeln brennt, die einen umtreibt, die sich aufdrängt.
Sie lesen ja immer noch, hören Sie doch auf damit.
Es gibt ja auch nichts Neues unter der Sonne: Ein Land wird wieder mal bankengerettet, woanders tritt die Regierung zurück, Deutschland und die Schweiz einigen sich in irgendeiner Sache nicht, die UNO und der Papst mahnen zum Weltfrieden, in einem Land streikt die Müllabfuhr, in einem anderen die Fluglotsen. Und dann meldet sich noch Steinbrück zu Wort und hüpft wieder in einen Fettnapf.
Wieso lesen Sie denn? Ich habe doch gesagt, es gibt nichts, jetzt ist aber mal Schluss.
Man könnte ja einfach einen alten Post wiederholen, oder etwas klauen, copypasten, oder Goethe zitieren, aber das liegt mir nicht, wiederholen kann ich, wenn alle meine Leser Alzheimer haben und das Abschreiben überlasse ich den Politikern, und Goethe? Deshalb wird heute hier nichts, nichts, gar und aber nichts zu lesen sein.
SIE LESEN! VERDAMMTER MIST, HÖREN SIE AUF DAMIT, BEVOR ICH RICHTIG BÖSE WERDE!
Sie können es nicht. Wieso können Sie es nicht? Weil Sie Angst haben, etwas zu verpassen. Diese Angst, die Rolf Dobelli wunderbar in seinen 52 Irrwegen, die Sie anderen überlassen sollten beschreibt, ist völlig irrational, aber auch völlig normal.
Dobelli beschreibt einen Test, den amerikanische Wissenschaftler mit Studenten gemacht haben. Der Aufbau – ein Computergame – war total einfach: Drei Türen, rot/blau/gelb. Öffnen kostet Punkte, hinter jeder Tür kann man Punkte machen. Schnell hat man herausgefunden, dass es hinter der blauen Tür am meisten zu holen gibt, und man bleibt im blauen Raum. Ändern tut sich das Verhalten, wenn den Probanden gesagt wird, die gelbe und die rote Tür schlössen sich für immer, wenn sie 10 Minuten nicht bedient würden. Jetzt rast man ständig in die Räume, in denen es wenig oder keine Punkte gibt: Angst, etwas zu verpassen!
Aus diesem Grunde lesen wir ein völlig schwachsinniges Buch weiter, wir bleiben in einem polnischen Autoren-Experimentalfilm  sitzen, in der Hoffnung, dass im letzten Drittel etwas Anderes als die herbstliche Allee gezeigt wird, wir gehen nicht in der Pause des Violinrezitals heim („Vielleicht liegt ihm ja Brahms.“), wir kaufen einen Mist, der  laut Werbung nur noch einen Tag angeboten wird. Stellen Sie sich vor, es gibt ab morgen Detmold nicht mehr, müssen Sie dann heute hin?
Fallen Sie nicht auf die Nur-nichts-verpassen-Masche herein!
P.S. Alle Posts vor Januar 2013 werden nächste Woche gelöscht.

Donnerstag, 9. Mai 2013

Danaergeschenk am Banntag

Der Banntag ist eine gute und schöne Baselbieter Tradition. An Auffahrt (Himmelfahrt) lief man früher den Bann, die Gemeindegrenze, ab um zu kontrollieren, ob alle Grenzsteine noch an Ort und Stelle waren. War das nicht der Fall und kamen die vom Nachbardorf gerade mit ihrer Begehung vorbei, wurden kartografische Unstimmigkeiten direkt an Ort und Stelle gelöst - mit einer Schlägerei. Heutzutage sind natürlich alle Gemeindegrenzen bis auf den Millimeter festgelegt, der Banntag ist nun vor allem ein geselliges Ereignis, die Blasmusik spielt, es gibt zu Essen und zu Trinken. Ja, auch ein wenig Alkohol, also schon ein bisschen mehr Alkohol als wenig, also eigentlich ziemlich viel. Deshalb wurde ja auch der freie Brückentag am Freitag danach eingeführt, weil die Leute noch so betrunken waren, dass an Arbeiten eh nicht zu denken war.
Nun kam es am Banntag 2013 in Bübbingen zu einem Eklat: Die Einwohner des kleinen, inmitten blühender Obstbäume malerisch gelegenen Weilers stellten fest, dass die vom Nachbarort Guxau irgendetwas an den Grenzsteinen gemacht hatten. Allerdings löste man das Problem dieses Mal nicht mit Gewalt, man holte die Karto- und Geografen, und zwar vom Kanton und auch gleich die aus Bern. Einstimmig stellten diese fest, dass etwas passiert war, was es in der Geschichte der Banntage selten so gegeben hat: Guxau hatte den Grenzstein zu seinen Ungunsten verschoben! Der sofort herzitierte Guxauer Gemeindepräsident Schweizer gestand unter Tränen, dass in dem bewussten Areal, dem sogenannten Husliholz, es immer wieder zu illegaler Deponierung von Elektroschrott gekommen sei. Man habe nie jemand erwischt, und so sei das Husliholz eine Müllkippe mit ca. 300 Laptops, 400 Druckern, unzähligen Waschmaschinen, Geschirrspülern und ca. 2 000 000 Handys. Und nun habe er einfach die Idee gehabt, den ganzen Flecken den Bübbingern unterzujubeln. Man habe alles mit Erde bedeckt und noch ein bisschen Buschwerk gepflanzt, und nun sehe das Ganze etwas nett aus.
Die Sache hatte sofort Konsequenzen, das Husliholz blieb auf Guxauer Boden, aber Schweizer blieb nicht Gemeindepräsident. Er trat noch am selben Tag zurück.
Aber die Idee ist genial.
Sie ist wirklich genial.
So könnte man doch Schleswig endlich den Dänen zurückgeben und vorher den deutschen Atommüll dort endlagern. So könnte Allschwil den Allschwiler Weiher den Baslern schenken, mitsamt den Jenischen, die dort hausen. So könnte Freiburg sein Wagenburgproblem lösen, indem man denen Platz gibt und dann diesen Platz den Kirchzartenern oder Merzhausenern schenkt. Aller Mist kommt an die Grenzen und dann wird der Grenzstein verschoben. Man nennt das ein Danaergeschenk. Viele Nachmieter kennen das: Da wird einem grosszügig, spendabel und generös ein Teppich, ein Einbauschrank oder ein Vorhang überlassen. Aber wehe, man möchte das Präsent nicht! Da werden die Vormieter aber ziemlich, ziemlich ausfällig. Denn das Entsorgen des Objektes ist viel aufwändiger als das Dalassen. Noch schöner wird die Sache, wenn im überlassenen Teil der Schimmel, die Kakerlaken oder die Wanzen hausen. Das Geschenk an den Nachmieter erspart den Kammerjäger.
Hier könnte man das Floriansprinzip erweitern:
Oh, Heiliger Sankt Florian,
Verschon mein Haus, zünd' and're an!
Und wenn mein Häuslein munter brennt
Mach ich's dem Nachbarn zum Präsent.


Dienstag, 7. Mai 2013

Vergesslichkeit

Ich bin so vergesslich in letzter Zeit. Ich vergesse dies und das und das und dies, ich vergesse meinen Regenschirm im Zug, ich vergesse Telefonnummern, Adressen, Termine und Opernkarten. Letzte Woche bin ich morgens aufs Tram, ich hatte meinen Geldbeutel, Handy, Schlüssel und Zigis dabei, die Präparation für die Schule und die korrigierten Diktate. Und als ich am Tram stehe, merke ich: Ich habe nur die Unterhose an! Nun ist mein knackiger Hintern in einer knackigen Unterhose sicher ein erfreulicher Anblick, aber es gehört sich einfach nicht. So bin ich heim und habe meine Jeans angezogen.
Frau Umtrieb von den Bayreuther Festspielen hatte mir Frühstückskarten zu viel geschickt. (Die Frühstücke sind eine Produktion der Frühwerke mit Thielemann, hat nichts mit Marmelade zu tun.) Ich schickte sie zurück, wartete, fragte nach, erhielt eine Antwort, sie habe die Rückbuchung einfach vergessen. Ein Priester sagte neulich am Ende der Messe ganz charmant, er habe einige liturgische Teile vergessen und werde sie jetzt nachholen.
Vergesslichkeit, wohin man schaut.
Vergessen ist menschlich.
Problematischer sind da die grossen, wichtigen, dramatischen Vergesser.
Da vergessen Politiker in ihren Doktorarbeiten ein paar Fussnoten, oder überhaupt die Kennzeichnung von Zitaten. Menschlich? Peinlich?
Da vergisst ein Ministerpräsident, auf welchem Rasthof und an welcher Autobahn er einen Koffer mit Schmiergeld bekommen hat. Kann ja nur heissen: Entweder er lügt oder er bekommt permanent Koffer mit miesem Geld auf irgendwelchen Raststätten an irgendwelchen Autobahnen, so oft, dass er sich wirklich nicht erinnern kann. So wie die CIA in der Tat vergessen hat, wie oft und wann sie Koffer, Rucksäcke, Plastiktüten (sic!!!!!!!) mit Geld im Palast in Kabul abgeliefert hat. Es waren so viele Aktionen, dass man sie nicht mehr nachvollziehen kann.
Den Vogel hat jetzt Kaiser Franz abgeschossen: Der gute Uli habe so viel um die Ohren, da könne man schon einmal etwas vergessen... Man möchte Beckenbauer zurufen:
Ja ist denn schon wieder 1.April? Hatte Hoeness keinen Steuerberater? Die nerven nämlich solange, bis man nichts vergessen hat. Das ist ihre Aufgabe. Wenn ein Steuerberater Gelder vergisst, hat der Klient gesagt, er solle es vergessen. Oder es seiner Steuerkanzlei verschwiegen. Ein anständiger Steuerberater gibt übrigens sein Mandat zurück, wenn der Auftraggeber zu leicht Konten "vergisst". Meine gute Frau Paulsen in Zwingenberg hätte das getan. Übrigens hat Uli ja dann alles zugegeben und ist Franzl in den Rücken gefallen. Oder hat er dann wiederum nur VERGESSEN, was Beckenbauer meinte?
Die grossen Vergesser kann man in dem Satz zusammenfassen, den ein Schulkollege unserem Klassenlehrer sagte:
"Ich hab's vergessen, aber ich hab's gern vergessen."
Mein Unterhosenauftritt brachte mir dann noch ein Fotoshooting für eine Wäschefirma ein. Was mit Kevin oder so, nein so was mit Ossie... Ich habe es vergessen.
Und eine andere nette Story ist noch:
...
...
Sie ahnen es, ich habe sie vergessen.

Freitag, 3. Mai 2013

Habemus Rex oder: Willem Alexander und die Frauenquote

Wij hebben een Koning.
Habemus Rex.
Natürlich weiss ich, dass das habemus regem heissen müsste, aber das andere klingt einfach viel besser, und wenn eine Gruppe, die sich der Kunst im Alter widmet, den Namen Senectus Ars trägt, kann ich das doch auch so machen.
Jedenfalls, die Niederlande waren einen Tag im Freudentaumel. Tausende verabschiedeten ihre Beatrix und hiessen Willem und Maxima willkommen. Darunter viele Deutsche Monarchisten, die nur über der Grenze das bekommen, was es zu Hause nicht gibt. Es ist übrigens ein Drittel der Bevölkerung - ich bin also nicht alleine mit meiner monarchistischen Gesinnung.
Es war ein tulpentaumeliger, orangegefärbter, geneverseeliger Tag. Amsterdam stand Kopf und die Niederlande jubilierten. Nur hinter ganz, ganz, ganz arg vorgehaltener Hand hörte man: "Maar, hij is een man..." (Aber er ist ein Mann) Einge hatten also doch ihre Zweifel: Kann ein Mann ein Land regieren? Kann er König sein? Ist ein XY-Chromosomiker der Belastung, den Anforderungen, dem Amt eines Königs gewachsen? Ein König? Statt einer Königin?
Nun denken Sie nicht, alle Niederländer seien Männerfeinde. Sie können beruhigt mit einer Holländerin Sex haben, sie wird Ihnen danach nicht gottesanbeterlich den Kopf abbeissen. Sie können auch in Arnhem oder Maastricht nachts auf die Strasse, ohne dass Ihnen wildgewordene Emanzen irgendetwas abschneiden. Auch die NL-Feministin Anja Meulenbelt - ein Ur- und Frühgestein der Frauenbewegung - hatte mehr Männer als Frauen. Nein, man kann sich einfach keinen Koning mehr vorstellen. Niemand dort hat einen Mann als Oberhaupt erlebt. Vor Bea war Juliana, vor Juliana war Wilhelmina.
Genauso kann sich niemand eine Frau an der Spitze von bestimmten Konzernen vorstellen, einfach weil es das noch nie gab. Und deshalb brauchen wir die Frauenquote. Die Monarchien haben sie längst, und zwar eine natürliche. Bei Erstgeburtsthronfolge haben wir einen Frauenanteil von 50%, da genauso viel Jungs wie Mädchen zur Welt kommen.
Die Frauenquote ist kein Selbstzweck. Sie soll sich selber abschaffen, wie neulich die Chefredakteurin der taz sagte, selbst eine Quotenfrau. Wenn die Frauen gezeigt haben, dass sie führen können, dass sie intelligent, ausgebildet, kommunikativ und vernetzt sind, dann brauchen wir die Zahlen nicht mehr.
Eine Frau kann einen Autokonzern leiten, so wie auch ein Mann das Königreich Niederlande nicht in den Abgrund fahren wird.
In diesem Sinne wünschen wir unserem Quotenkönig Willem Alexander: Alles Gute! Gutes Regieren!
In meinem Blog haben wir übrigens eine Quote von 45%. So hoch sind meine weiblichen Anteile.