Dienstag, 5. April 2016

Sommerzeit


So, seit dem Ostersonntag ist sie wieder da: Die Sommerzeit. Wir haben die Uhren vorgestellt, haben uns wieder eine Stunde klauen lassen und sind jetzt wieder bis zum Herbst eine Stunde verschoben.
Ich habe es dieses Mal sogar geschafft, die Uhr an meinem Herd ohne Nervenzusammenbruch umzustellen, eine Tatsache, auf die ich sehr stolz bin.
Sagen Sie jetzt aber bitte nicht den Satz, den ich am meisten hasse: «Schön, dass es am Abend jetzt so lange hell ist.» Wollten Sie gerade sagen? Oder Sie haben es zumindest gedacht? Das Krokodil soll Sie holen. Denn das, was es nun am Abend heller ist, ist es am Morgen dunkler.

Nehmen Sie z.B. einen Menschen, der jeden Tag um 6.03 den Zug via Moutier nach Solothurn nimmt. Wie? Ob das zufällig ich bin? Das bin nicht zufällig ich, das bin ganz bewusst ich, denn ich kann ja am besten nicht über andere Leiden schreiben, sondern über meine, die Leiden des jungen Herters (Randbemerkung: Im Original ist das Genitiv-S wirklich noch da.) Also, ich wollte von mir erzählen. Ich stehe um 4.45 auf, gehe um 5.38 auf das Tram 2 und besteige um 6.03 den IC nach Laufen-Delemont-Moutier-Grenchen-Biel. In Moutier steige ich um 7.54 in den Bummler, der durch den Weissenstein fährt und bin um 7.20 in Solothurn West.
War es VOR dem unsäglichen 27.3. beim Loslaufen daheim schon noch dunkel, wurde es in Laufen schon heller, in Moutier war es sehr hell und während der Fahrt durch den Berner Jura kam die Sonne hervor, um in Brudersphären Wettgesang zu tönen. Jetzt ist wieder alles dahin: Loslaufen, Tramfahrt, Birstalfahrt, Jurafahrt, alles im Dunkeln, Kuhnacht. Es ist so, wie wenn man einem die Verlockungen der hellen Jahreszeit gezeigt hätte und ihm dann auf die Finger haut und es ihm wieder wegnimmt.

Sagen Sie jetzt bitte nicht, ich sei die Ausnahme. Wollten Sie gerade sagen? Oder haben es zumindest gedacht? Das Gnu soll Sie holen. Sie werden es nicht glauben, aber es ist NICHT so, dass ich morgens wie in I Am a Legend durch eine verwaiste, menschenleere Stadt laufe. Staunen Sie: Wir sind viele. Das Tram ist voll, am Bahnhof SBB strömen Hunderte auf die Züge, die Blumenhändlerinnen sind schon am Auspacken, die Kioskerinnen am Verkaufen, da wird Kaffee gebrüht, da werden Gipfeli gebacken und die 20min-Zeitungen sind so schnell weg, dass man gar nicht schauen kann. Nein, wir sind viele! Wir sind Legion! Wir sind eine Armee!

Aber jedes Jahr verhallen die Bitten der Frühaufsteher ungehört. Die Bitten, die lauten: Lasst uns den hellen Morgen (ohne Sorgen) und stellt die Uhr nicht um.
In Pflege- und Betreuungsheimen hat man das umgekehrte Problem. Es gibt sowieso schon ein sehr frühes Abendessen und ein frühes Ins-Bett-Gehen, ist nun 18.30 eine mögliche Zeit für ein Z’Nacht, ist (der Sonne nach) 17.30 eine unmögliche Zeit. Oder singen Sie mal – das weiss ich noch aus dem Zivildienst – mit Kindern
Nun legen wir uns schlafen, ‘s ist schon spät
Der Himmel ist mit Sternlein übersät
wenn die pralle Nachmittagssonne noch durchs Fenster dringt.

Die offizielle Begründung der SZ war ja damals der Energiespareffekt. Ein Argument, das man damals schon mit ein wenig Logik hätte entkräften können. Denn wenn ich Strom spare, weil ich abends die Lampen später anzünde, verbrauche ich umgekehrt Strom am Morgen, wenn es nicht hell wird. Statistiken belegen nun ganz offiziell, dass das Stromsparziel nicht erreicht wurde. Was hindert uns nun daran, den Unsinn wieder zu beenden?
Die Eidgenossen haben ja eh nur mitgemacht, weil es alle anderen taten. Es war auch doof, wenn ein Zug, der um 8.00 in Stuttgart losfuhr schon um 9.00 in der Schweiz war und dann um 13.00 in Mailand, das brachte ja ganz falsche Ideen über die Reisezeit. Noch lustiger am Bodensee, da fuhr die Fähre Friedrichshafen-Romanshorn, die keine Stunde braucht, um 11.00 am Schwabenufer los und kam um 10.45 im Thurgau an. Nein, die Eidgenossen würden den Unsinn auch wieder beenden, wenn es der Rest von Europa täte.

Vielleicht mache ich es aber auch auf eigene Faust. Und damit es nicht so auffällt, gehe ich pro Tag nur fünf Minuten zurück. Das heisst, nach 12 Tagen bin ich wieder beim alten Modus. Das gibt dann eine kleine Zeit der Verwirrung, aber damit muss ich leben. Und ab Mitte April lebe ich die Winterzeit, also die normale.
Also passen Sie auf: Wenn Sie mich in den nächsten Tagen zu einer bestimmten Uhrzeit bestellen, komme ich NICHT zu dieser Uhrzeit, ab dem 17.4. komme ich GENAU zu dieser Uhrzeit, aber nach der Sonne. Wenn Sie damit nicht klarkommen, ist es nicht mein Problem.

Schön, dass es am Abend heller ist?
Das Krokodil und das Gnu, und das Känguru und das Tapir sollen Sie holen.




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