Dienstag, 26. April 2016

Abgaswerte-Fälschung: Cosi fan tutte/i


Sie alle kennen diesen Spruch:  50% der Männer finden ihr Ding zu klein – 50% haben ein kaputtes Lineal.
Sie alle kennen wahrscheinlich auch diesen Spruch:  Die Hälfte der Menschen sind (chronisch oder akut) psychisch krank, die andere Hälfte ist noch zu wenig psychiatrisch untersucht worden.
Man könnte aber auch so weitermachen: 30% der Athleten nimmt vor den Wettkämpfen verbotene Substanzen (you remember, der Trank aus der Hütte, die nachts unbewacht ist und deren Tür nicht schliesst…) – 70% haben es immer geschafft, die Kontrolleure auszutricksen.
Oder man könnte auch so schreiben: Die Hälfte der Autobauer mogelt bei den Abgaswerten – die  andere Hälfte hat man noch nicht erwischen können.

Erst war es nur VW – jetzt sind auch andere Firmen ins Visier der Kontrolleure geraten und irgendwie hat man das Gefühl: Cosi fan tutti/tutte! Es machen alle, alle tun es, alle mogeln da ein bisschen herum, die Hälfte ist bisher einfach noch nicht geschnappt worden.
Es ist ja immer das Gleiche: Geht der erste in die Falle, ist die hämische Freude bei den anderen gross: Oh, da hat jemand Mist gebaut, da hat jemand echt Blödsinn gemacht, da hat jemand tief in die Jauche gelangt. Verfälschung von Messwerten? Geht gar nicht, würde Angie sagen. Nun, wenn jemand hier so die Pfade des Legalen verlässt, ist das schlecht für ihn, aber gut für die Konkurrenz. Das hebt so lange, bis der zweite in Flagranti ertappt wird.

Stellen Sie sich vor, das Gesundheitsamt schliesst alle örtlichen Filialen von McDonalds®, weil man beobachtet hat, wie dort zwei alte Ratten mitten in der Nacht Tango tanzen; nicht der Tango ist das Problem, sondern dass Ratten in Küchen nichts verloren haben, egal ob sie Tango tanzen oder Poker spielen, man will sie da einfach nicht. Gut, die fünf Filialen sind dicht und BURGER KING® frohlockt, wer bislang auf BigMac schwor, stellt auf Whopper um. Bis, ja bis das Amt auch in den Restaurants des Konkurrenten Unstimmigkeiten entdeckt: Keine Ratten, sondern Salmonellen und Trichinen, die weder tanzen noch spielen, aber einfach so rumschwirren und das ist auch nicht so schön. Die Aufsichtsbehörde macht nun auch die 5 BURGER KING®-Schuppen zu. Nun tritt KFC® auf den Plan, KFC®, das bislang am Hamburger-Kartell gescheitert ist und seine Chance wittert. Die Südstaaten-Brathähnchen-Macher kaufen alle 10 Lokalitäten, sanieren, putzen, verhandeln mit Ratten, Salmonellen und Trichinen über eine Umsiedlung an bessere Plätze zum Tangotanzen, Herumschwirren und Pokerspielen, sie schrubben und desinfizieren, sie machen Werbung und warten auf Kundschaft.

Vergeblich.

Vergeblich.

Denn der Kunde traut auf einmal KEINEM Fast-Food-Etablissement mehr. Wer sagt denn, dass KFC®, wenn es schon keine Nager und Kleintiere hat, nicht vielleicht Würmer oder Maden beherbergt? Die dann weder Tangotanzen noch Schwirren sondern vielleicht einen Literaturkreis gründen, was ja auch schön ist, aber eben nicht in Lebensmitteln? Nein, auch die Brathuhnstationen bleiben leer. Nun übernimmt eine Vegikette, wir nennen sie mal MayaGaya®, die 10 Beizen. Aber auch sie wandert von der hämischen Freude über den Absturz der Fleischmafia in die glatte Katastrophe: Der Kunde misstraut inzwischen ALLEN, sämtlich ALLEN Systemgastronomen. Gut, Salmonellen und Trichinen sind bei Käse, Rüebli und Auberginen selten, aber ist nicht gerade der Käse ein Anziehungspunkt für die Nager, die vielleicht zwischen Jalousie und Blue Tango gerne einen Tilsiter, einen Brie oder einen Emmentaler nagen? Wie sauber sind Karotten und Auberginen? (Von der artgerechten Haltung will ich gar nicht reden, es soll ja Farmen geben, in denen Rüben ohne Tageslicht im Boden dahinvegetieren, dicht an dicht, ohne Auslauf, ohne Scharren und ohne Picken…)
Jedenfalls macht auch MayaGaya® nah zwei Monaten dicht.

Der Sturz des ersten Sünders, von den Branchenkollegen so hämisch, so zynisch belächelt, ist häufig der Anfang eines Problems für die ganze Branche.
Weil der Kunde, weil die Kundin eines begreift:
Cosi fan tutti/tutte.
Alle betrügen, alle mogeln, alle bescheissen (s.v.v.)

Übrigens auch die kleinen Leute selber. Wer sagt: «Ich fahre nie zu schnell und parke stets korrekt.» meint in Wirklichkeit: «Ich habe – toi, toi, toi – noch nie ein Knöllchen bekommen.» Wer sagt: «Meine Steuererklärung stimmt.» meint in Wirklichkeit: «Das Finanzamt hat meine Rechnung durchgewunken.» Dazu kommen die vielen, die gar keine Möglichkeit zum Mistbauen haben. Ich zum Beispiel fahre nie schwarz, ich kann es nämlich gar nicht, ich habe ein GA, selbst wenn ich es vergesse, wird nur eine Gebühr fällig. Ich fahre auch nie zu schnell, es sei denn ich sitze in der Linie 8 nach Weil am Rhein, die ist schon ein paar Mal in der Zone 30 geblitzt worden (kein Witz!). Ich würde auch sämtliche Briefkastenfirmen-Mogeleien mitmachen (o, wie schön ist Panama), aber dafür habe ich zu wenig Kohle.

Nein, Phrasen wie «ehrliche Firma» und «anständige Industrie» sind Paradoxa, genauso wie «anständige Menschen» oder «ehrliche Leute».
Es gibt nur die zwei Hälften: Die, die erwischt wurden und die, die man noch nicht geschnappt hat.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen