Freitag, 30. Dezember 2011

Holland 2

So, zum zweiten Mal aus Scheveningen, auch heute wieder ohne Punkte und zu den Themen
3.) warum ich in Holland nicht kiffe
und 4.) warum ich Niederlaendisch gelernt habe,
also um die Themen Sprache und Kiffen, wobei hier kein Zusammenhang vorliegt, auch wenn mein Studienkollege F. (Name der Redaktion bekannt - es gibt ihn wirklich) neulich in der Raucherpause der Psycholinguistikvorlesung einen herrlichen spontanen Kurzessay zu diesem Thema vortrug; es war davor um "language as joined activity" gegangen, beim Hoeren kann man das ja missverstehen...
also zu 3.) Das geht gar nicht mehr wirklich, die Niederlaender haben den Kiffertourismus eingeschraenkt. Ich habe aber nie in Holland gekifft, weil ich das bloed fand. Warum soll man im Urlaub etwas machen, das man zuhause nicht macht? Zudem war es ja gemeinerweise so, dass man ein wenig pikiert auf die "Drogennation" Holland herabblickte, wo angeblich auch die Beatrix morgens um 10.00 mit einer fetten Tuete im Mund am Schreibttisch Platz nahm und schnell den Ministerpraesidenten anrief, bevor der so high wurde, dass er nichts mehr verstanden haette. Dabei waren die meisten Coffeshops in Amsterdam, Arnhem und Groningen, also grenznah, in Den Haag gab es ganz wenige, die in den genannten Staedten waren voll mit Touristen. Man schickte seine Kiffer nach Holland, und sah dann milde auf das ach so tolerante Nachbarland. Die gleiche Mentalitaet haben Leute, die keinen Fernseher haben, weil sie ja so geistig sind und ihre Kinder dann zum Nachbarn schicken, der, schlichter im Gemuet, einen Fernsher hat. Oder jemand, der aus oekologischen Gruenden kein Auto besitzt und sich von seinen Kumpels (Umweltschweine mit PKW) kutschieren laesst. Es ist schlicht und einfach Heuchelei, fies und scheinheilig.
zu 4.) Ich habe Niederlaendisch gelernt, weil ich der Meinung bin, wenn man so oft in einem Land ist, sollte man auch die Sprache koennen. Ich halte das schlicht und einfach fuer normal und kann Leute nicht verstehen, die auch nach acht Reisen nach Mallorca immer noch gracias und  por favor nicht unterscheiden koennen, weil "man spricht Deutsch". Hier uebrigens auch, alle Hollaender sprechen ein gutes Deutsch und ein hervorragendes Englisch und freuen sich tierisch, wenn jemand ihre Sprache lernt.
Ich glaube, das Erlernen fremder Sprachen wuerde die Integration vor allem in Deutschland foerdern, denn wer sich gerade mit den Vergangenheitsformen im Portugiesischen abmueht, versteht vielleicht ein kleines bisschen, warum Mehmet schon wieder den Artikel weggelassen hat. Wer sich mit den Stammformen im Daenischen plagt, ist eventuell ein wenig milder zu ShinLu, die schon wieder ein starkes Verb falsch konjugiert hat. Man kann nur begreifen, wie schwer es Menschen mit dem Deutschen haben, wenn man selber wieder auf die Stufe "Ik ben Rolf - wie bent je?" heruntersteigt.
Es wuerde aber auch umgekehrt das Erstaunen mildern, dass jemand sehr gut Deutsch kann, obwohl er Ali oder sie Fatma heisst. Letzte Woche wurde eine Publizistin, die zwar tuerkische Eltern hat, aber in Berlin aufwuchs, in einer Podiumsrunde in SWR2 vom Moderator auf ihre Deutschkenntnisse angesprochen. Sie konterte wunderbar: "Sie sprechen aber auch gut Deutsch!" Tosender Applaus, viel Gelaechter im Publikum und die Zusage des Moderators, sich seine Fragen besser zu ueberlegen.

In diesem Sinne: Fijne Jaarwisseling! En gelukkige 2012!

Dienstag, 27. Dezember 2011

Holland 1

Ja, ich bin wieder in meinem geliebten Den Haag. Und ich moechte die Gelegenheiten nutzen, ein paar der duemmsten Bemerkungen bzw. der duemmsten Fragen, die stets gestellt werden, zu beantworten. (Sie sehen uebrigens an den fehlenden Umlauten, dass ich wirklich in Holland bin. Es gibt zwar Sonderzeichen, aber der Post bekommt so etwas Echtes.)
1.) Warum Den Haag? Es gibt schoenere Staedte.
Ich habe mich vor 15 Jahren in diese Stadt verliebt. Und seitdem fahre ich her. Vielleicht macht Liebe blind, und wahrscheinlich tut sie das auch, aber man muss sich auch die Frage gefallen lassen, was schoen eigentlich heisst. Wenn damit eine Bilderbuch-Holland-Gemeinde gemeint ist, mit Grachten, verwinkelten Haeusern, einem Grossen Markt, auf dem der Kaese auf dem Kopfsteinplaster rollt, einem schnuckeligen Hafen und - ach, natuerlich! - einer Windmuehle, dann ist Den Haag sicher nicht schoen. Aber dann ist auch Basel eine schreckliche Stadt, fehlt ihr doch alles, was die Schweiz ausmacht, Alphoerner und Ziegenherden, Holzhaeuser und Blick auf schneeweisse Berge. Aber lassen wir diese Ich-bin-ja-so-typisch-Orte doch den Japanern. Den Haag ist ein spannungsvoller Ort, ein spannender Ort, die Reichweite geht von den Fischern in Scheveningen in Tracht bis zu den Diplomaten im Anzug. Und das ist sehr reizvoll. Und Den Haag liegt am Meer, es gibt nichts Herrlicheres als im Winter am Meer zu laufen. Heute bin ich zwei Stunden am Strand gewandert, bis ich am Ziel war, habe dort Kaffee getrunken (Ich bin ja Kaffeetrinker) und den Herren am Nachbartisch zugehoert, die zwar dramatisch, aber keine Dichter waren. (Bernhard-Kenner wissen, wo ich war, die anderen erfahren es unter 2.)
2.)  Kennst du Amsterdam?
Es ist schon ziemlich bloed, anzunehmen, dass ich nach Den Haag fahre, weil ich nur das kenne und hier in meiner Ferienwohnung sitze. Ich bin zum dreissigsten Mal in Holland und kenne natuerlich Amsterdam. Ich kenne auch Utrecht und Rotterdam, sowie viele Gemeinden, von denen Sie noch nie gehoert haben: Alphen, Vlaardingen, Vlissingen, Zoetermeer und Breda. Und Katwijk, das Sie von "Am Ziel" kennen. (s.1.) In allen Staedten suche ich aber inzwischen das Eigene, das Untypische, ich habe genuegend Grosse Kirchen vor Wasseradern gesehen, als dass ich jedesmal vor Jubel aufschreie. Das, was nicht so wirkt wie im Bilderbuch, ist das Reizvolle. In 2 Punkten luegen die Bildersammlungen eh: Es gibt in den Staedten keine Tulpen (auch nicht in Amsterdam!), die wachsen auf Feldern. Und die Hollaenderinnen und Hollaender tragen keine Holzschuhe, die sind naemlich unpraktisch, wenn man CEO ist und auch sonst, sorry.
Am Freitag beantworte ich die Fragen:
3.) Gehst du kiffen in Holland?
und 4.) Warum hast du Niederlaendisch gelernt, die koennen doch Deutsch?
In diesem Sinne: Nog fijne Kerstvakanties en tot ziens!

Freitag, 23. Dezember 2011

Mitnehmsel

Sie haben immer noch nicht alle Geschenke? Dann wird es aber Zeit. Ach, sie wissen noch gar nicht, was Sie wem schenken? Na, dann viel Vergnügen. Sie werden heute durch die Stadt rasen, mit wilden Haaren und irrem Blick und Unsummen für Parfüm, Bücher, CDs, Taschentücher, Kerzen und weiteren Nonsens ausgeben. Denn was schenkt man Leuten, die schon alles haben? Ich habe eine Idee für Sie:
Vor drei Jahren war ich bei einer wunderbaren Feier eingeladen. Dabei durfte niemand etwas mitbringen, sondern jede Gästin und jeder Gast musste einen Gegenstand mitnehmen. Wer doch so unvorsichtig war, ein Geschenk zu präsentieren, musste zwei Sachen einpacken. Es gab also zwei Tische, einer, auf dem die herrlichsten Speisen angerichtet waren, und ein anderer, auf dem Bücher, farbige Schals, CDs, und Keramik lag. Alles die schönsten Dinge, aber eben Dinge, die die Gastgeberin nicht mehr brauchte. Jede und jeder fand etwas.
Das ist doch das Weihnachten der Zukunft: Sie schenken nichts mehr, sie nehmen mit. Das "Mitbringsel" wird durch das "Mitnehmsel" ersetzt. Der Beschenkte wird zum Entrümpelten, der Schenker wird zum Entsorger. Denn was für mich keinen Sinn mehr macht, kann ja für andere das Tollste der Welt sein. Möchten Sie den "Mann ohne Eigenschaften" lesen? Bedienen Sie sich bei mir! (Ich habe inzwischen kapituliert.) Brauchen Sie einen Seidenpyjama? Bitte sehr, ich schlafe in der Unterhose. Brauchen Sie ein Metronom? Ich habe komischerweise drei, und ich führe ganz selten Stücke für mehrere Taktgeber auf.
Ebenso können Sie alle Rilling-Aufnahmen und die 20 Bände der Lettischen Kulturgeschichte mitnehmen, Sie können dann in das Riesenpaket noch die Bücher von Herta Müller dazupacken und ich bin fast restlos glücklich. Wenn dann noch die NARNIA-Filme verschwinden und alle Klavierauszüge von Werner Egk, bin ich im siebten Himmel.
Also, heute zuhause bleiben und sich selbst etwas schenken: Statt Raserei mit wirren Haaren und irrem Blick sollten Sie heute einen dreistündigen Mittagsschlaf machen und davor zwei Stunden Schaumbad einlegen. Es gibt nichts Schöneres.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Schnee

Nun ist der Schnee doch nicht liegen geblieben, und ich wollte doch heute über Schnee schreiben, wollte in dieses Thema so quasi hineinschneien, wollte über den Schnee von heute schreiben, nicht über den von gestern, aber nun ist er schon wieder weg. Schnee ist so ein schönes Thema, man kommt zum Beispiel von Schnee zu weiss, weiss als schöne, reine Farbe, ich hätte so gerne über die weisse Weste von C.W. geschrieben, die ich wirklich für ganz weiss halte, aber wer weiss, ich hätte ihn aber weissgewaschen, hätte Persil benutzt und ihm einen Persilschein ausgestellt - Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass die Henkels mit "da weiss man, was man hat" uns das WEISS nochmal ins Unterbewusstsein gemogelt haben, ich habe das bis jetzt nicht gemerkt, sehr trickreich - und so die weisse Weste verliehen.
Aber wo ist der Schnee?
Nicht der vom vergangenen Jahr, der vom laufenden Jahr, und von Schnee käme man vielleicht auf Glatteis und ich könnte sie aufs Glatteis führen, so wie wir ja auch ständig auf Glatteis geführt werden, wir sind ja keine Esel, die bekanntlich freiwillig und mutwillig aufs Glatteis gehen, nein wir werden aufs Eis geführt, und dann brechen wir ein, wie der Euro und die Finanzen und die ganzen anderen Dinge.
Aber der Schnee ist weg, und so kann ich nicht über Kälte schreiben, was ich eiskalt getan hätte und auch nicht über Schneemänner und Schneebälle, vielleicht wäre das ja noch ein Schneeballbrief geworden, bei dem sie am Ende 10000000.- bekommen hätten, wer weiss.
Der Schnee ist wieder weg, und es bleibt zu hoffen, dass er wieder kommt, dann fahre ich noch Schlitten mit Ihnen und C.W. wird das Rentier, das vor lauter Lügen eine nicht eine harte, sondern eine rote Nase bekommt und das passt ja sehr gut zu seiner weissen Weste.
Der Schnee kommt wieder und wenn dann die Flocken tanzen, weil Frau Hölle (oder war es Frau Werwolf?) ihre Betten macht, freuen wir uns alle. Nur sollte Frau Hölle mal neue Betten - auch wegen der Milben -  kaufen, denn so viele Daunen verliert ja kein anständiges Kissen.
Also freuen wir uns auf den Schnee von morgen. Ich weiss, es lässt mich nicht kalt.

Freitag, 16. Dezember 2011

Deutsche Utopien III/3

Im Kanzleramt wird die Weihnachtsrede von Angela Merkel geplant. Das Bild wird das gleiche sein wie jedes Jahr: Tannenbaum, Kerzen, goldene Kugeln und eine riesige Bücherwand, die Intellektualität ausstrahlt. Für die Worte aber hat man eine besondere Idee, angeregt durch den Papst wird Merkel nur Frohe Weihnachten wünschen, aber dies in allen in Deutschland gesprochenen Sprachen. Nun sind die Sprachforscher am Zug, welches sind denn diese Sprachen, sind Rujuk und Eyak nicht ausgestorben, ist das Rutlische nicht eher ein Dialekt und gibt es noch Eloten bei uns? Faxe werden verschickt, Telefone bedient und die E-Mail-Eingänge laufen voll. Dann die Entwarnung, Rujuk und Eyak ausgestorben, das Rutlische ist ein Dialekt und Eloten haben in Deutschland noch nie gelebt.
Dennoch beschränkt man sich auf die Sprachen, die von grösseren Bevölkerungsgruppen benutzt werden, so ab 100.000 Menschen, auch das schon genug, um 15 Minuten vor Baum, Lametta, den Kugeln und der intellektuellen Bücherwand zu füllen.
Probleme tauchen auf, als sich der türkische Botschafter meldet, er habe gehört, dass auch Kurdisch gesprochen würde, das sei ein Kniefall vor der PKK und das Kurdische sei keine Staatssprache. Die Antwort, von Staatssprachen sei nie die Rede gewesen und nicht alle in Deutschland lebenden Kurden seien Terroristen, zieht nicht, schon sehnt man sich nach dem unverfänglichen, weil ausgestorbenen Rujuk, nach Rutlisch und der Sprache der Eloten, dicke Luft unter dem Tannenbaum, zwischen Kugeln und Lametta.
Dann der Belgier, der auch eine Botschaft in Flämisch fordert, dem Flämischen, das dem Holländischen so ähnlich ist, dass Merkel nie den Unterschied herausarbeiten kann, und was macht man mit Englisch und Amerikanisch, was mit Spanisch und den südamerikanischen Sprachen?
So ändert man die Pläne, Merkel wird nichts wünschen, keine frohen Weihnachten und kein gutes Neues Jahr,  sie wird schweigen, schweigen vor dem Tannenbaum, stumm vor Kugeln und Lametta, vor der riesigen Bücherwand, sie wird schweigen und lächeln, also in einer Sprache reden, die auch der Rujuk und der Eyak, der Rutler und der Elot verstehen. Hier ist nun der Weg zu einem Wortspiel so nahe, dass es gemacht werden muss, es wird an Weihnachten, vor Lametta und Büchern, Dr. Merkels gesammeltes Schweigen geben, und die Aufzeichnung wird so schön, dass auch der Papst sich ein Beispiel nehmen wird und schweigen, schweigen und lächeln vom Balkon auf dem Petersplatz.

Dienstag, 13. Dezember 2011

Start making sense


Kennen Sie die „Talking Twins“? Nein, das ist nicht die New-Wave-Band, die hiess „Talking Heads“. „Talking Twins“ ist eines der zurzeit beliebtesten Videos auf YouTube. Zwei Kleinkinder stehen in schneeweisse Pampers gehüllt in der Küche und reden, also eigentlich reden sie nicht, sie können nämlich noch nicht sprechen, aber sie „beachten bei ihrem „Dialog“ schon alle Regeln der Gesprächsführung. Offensichtlich haben sie Gestik, Mimik, Artikulation und Stimmführung bei ihren Eltern abgeschaut.
Man kann ihr Gespräch nach Prinzipien der Dialogforschung untersuchen, obwohl die Aussagen überhaupt keine Bedeutung haben:

A:          Dududududu                  senkt Stimme, gibt Sprecherrolle ab
B:          Bababababab                 
         ääää                                    will Sprecherrolle behalten
         Bababa                           senkt Stimme, gibt Sprecherrolle ab

Man kann also „Gespräch“ spielen, wenn man die Regeln beherrscht, obwohl man nichts aussagt.
Man kann auch „Konferenz“ spielen, wenn man die Regeln beherrscht, obwohl von vornherein klar ist, dass nichts heraus kommt.
Durban war eine Pamperstagung. 
Die Oberfläche stimmte: Gefüllter Tagesplan, Statements, Arbeitsgruppen, Plenum, in den Konferenzräumen Computer und Beamer, Kaffee und Mineralwasser, in den Foyers die berühmten Tafeln mit Tagungsprogramm, und so weiter.
Aber was wird eigentlich ausgesagt? Wenn in der Schlusserklärung der Wille, der feste Wille, der unabänderliche Wille bekundet wird, jetzt bis 2015 etwas zu tun, ist das lächerlich. Die Polkappen schmelzen seit 20 Jahren. Es ist, als stünden erwachsene Menschen an Mikrofonen und vor Powerpoints und machen „bababababa“. Eine Pamperstagung eben.
Übrigens hiess eines der wichtigsten Lieder der „Talking Heads“ (you remember – the Waveband) „Stop making sense“, und das hat witzigerweise auch etwas mit unseren Zwillingen und Durban zu tun.
„Start making sense!“ möchte man ihnen zurufen. Die Kinder werden das in Kürze machen, sie werden Wörter und Wortverbindungen ihren Eltern ablauschen und bald anfangen zu sprechen.
Und die Politiker? Wann wird es internationale Treffen geben, bei denen nicht nur gespielt wird?
Geplant ist 2040 ein Treffen auf der Südseeinsel Tubalokjji, aber die ist dann leider schon im Meer versunken.


Freitag, 9. Dezember 2011

Jüterbog, Fontane und der Kühlschrank

Vorletzten Sommer lernte ich in Berlin Jens Bode kennen. Jens war damals 25 und kellnerte im „Cafe Extrawurst“ in Schöneberg. Als ich beim Bestellen eine witzige Bemerkung machte, strich er sich durch seine Millimeterhaare und meinte: „Muss ich notieren“, worauf er in seinen hautengen Klamotten nach Bleistiftstummeln suchte. So kamen wir ins Gespräch. Jens hatte einen Erstling veröffentlicht, den er mir schenkte: „Mit Viola nach Jüterbog“, ein herrlich schrilles und zugleich melancholisches Roadmovie, in dem der Held mit seiner neuen Freundin eine Radtour zu seinen noch ganz ostalgisch lebenden Eltern unternimmt. Ich las das Buch noch am gleichen Abend und war hellauf begeistert. Weihnachten 2010 verschenkte ich es an alle möglichen Leute, nicht nur an Leser und Berufsleser, sondern auch an meinen Metzger, meinen Hauswart und meine Putzfrau.
Es war ein Desaster.
Meinen konservativen Freunden verherrlichte das Buch in unerträglicher Weise den Osten, meinen linken Freunden war die Einführung des Kapitalismus in den neuen Bundesländern nicht kritisch genug aufgearbeitet. Meinhard und Bernadette, beides Deutschlehrer (bzw. –in), fanden drei Kommafehler und einen falschen Kasus und meinten, der Text sei schlecht lektoriert. Horst, der gerade an seiner Dissertation über „Strukturelle Abweichungen im Roman des Realismus“ arbeitete, konnte ich beim Auspacken beobachten. Als er „Jüterbog“ im Klappentext fand, blinkte förmlich auf seiner Stirn Mark Brandenburg – Fontane – Mark Brandenburg – Fontane. „Hoffentlich hat er sich ausreichend mit den Visualisierungen bei Fontane auseinander gesetzt“, murmelte Horst, und als ich ihm sagte, Jens habe keine einzige Zeile des guten Theodor je gelesen, brüllte er: „Und da wagt der es, da traut sich dieser Kerl ein Buch zu schreiben, das in der Mark spielt? Das ist doch gar nicht erlaubt.“ Ich erwiderte süsslich, dass das BGB solches an keiner Stelle verbiete, worauf Horst beleidigt schwieg.
Im März dann sagte mir mein Metzger beim Fleischschneiden: „Weiss du, ich les ja sonst nur n KICKER und so Gratiszeitung, aber das Buch da, weiss, das du mir geschenkt has, das is geil, war so lustig, hab so gelacht.“
Na also.
Im Frühjahr fahre ich wieder nach Berlin. Jens hat mich zur Premiere seines ersten Theaterstücks eingeladen. „Kühlschrank im Wedding“. Um ihn ein bisschen auf die Kritikerklugscheisserei vorzubereiten, habe ich ihm alles zum Thema geschickt, was mir einfiel: Vom „Tod eines Handlungsreisenden“ bis zu „Gespräche mit Bosch“ von Axel Hacke. Er solle das durcharbeiten, die Literaturfuzzis würden überall Anspielungen sehen.
Gestern kam eine Mail:
Mein Kühlschrank ist der kälteste!

Dienstag, 6. Dezember 2011

Belästigung am 6.12.

Die Beschuldigten konnten keinerlei Ausweispapiere vorlegen. Auf Befragen des diensthabenden Polizisten gaben sie an, "im Schwarzwald" zu wohnen und "allen bekannt zu sein". Diese Angaben wurden von Wachmeister Müller als "absurd" zurückgewiesen. Er musste also von zwei Obdachlosen ausgehen. Diese waren, wie sie freimütig zugaben, am 6.12.2012 in die Wohnung von Beat Schlimpfli eingedrungen und hatten sie auch auf mehrere Aufforderungen hin nicht verlassen, was den Tatbestand des Hausfriedensbruches erfüllt. Ferner zwangen die beiden Gestalten Herrn Schlimpfli ein Lied vorzusingen und ein Gedicht vorzutragen. Als er das - nach massiven Drohungen - getan hatte, schütteten sie diverses Obst und Nüsse auf seinen Tisch und ertfernten den Unrat auch auf seine flehenden Bitten nicht.
Die beiden Gestalten gestanden, diese Untaten schon mehrmals an diesem Tag verübt zu haben und sie auch nächstes Jahr wiederholen zu wollen. Sie wurden in Gewahrsam genommen. Ob der Staatsanwalt Anklage erhebt, ist noch ungewiss.

So die ungefähre Wiedergabe eines Polizeiberichts. Uns stellt sich die Frage, ob die Einreisebedingungen in die Schweiz nicht wieder verschärft werden müssen, denn kann es angehen, dass Individuen aus dem nördlichen Ausland sich dermassen gegen die Gesetze vergehen?  Die Aussage der beiden, einige Leute "hätten ihre Freude gehabt" zeigt, wie verdreht diese Gesellschaft geworden ist.

Freitag, 2. Dezember 2011

Geschäftsideen

Ja, mit Geschäftsideen ist das so eine Sache...
Ich habe mit der GGG (Gesamtschweizerische Gewerkschaft der Gänse) verhandelt und der Stundenlohn für eine Gans für Füllen und Selbstbraten liegt bei stolzen 50.-, dazu kommen noch Lohnnebenkosten. Auf meine Frage, warum denn für Gänse, die ja nach der Prozedur schliesslich tot seien, noch AV, AHV und IV abgeführt werden müsse, konnte man nur antworten, diese Beträge würden immer abgeführt, ohne Ausnahme. Ob es im alten Rom auch Altersversorgung für Gladiatoren gab? Jedenfalls kommt die Ganzidee mich zu teuer.
Die Baumidee gibt es schon, einige japanische Elektronikkonzerne sind dabei, den Baum zu entwickeln, der sich selber schmückt: Greifarme fahren aus und mit Sensoren wird passender Schmuck gesucht, der Erfolg sind allerdings leere Schreibtische und Nähkästchen, bei einem Japaner fuhren die Greifer sogar Spiderman II-mässig bis ins Schlafzimmer, sein Baumschmuck wäre für das Titelbild von "Magnus" oder "Boy" passend gewesen, nicht mehr für "Schöner Wohnen". Das System ist also noch entwicklungsbedürftig.
Die Internetseiten kann man machen, es ist nur die Frage, ob Sozial- und Kommunikationsmuffel eben genau diese Seiten besuchen werden. Wer keine Karten will, will vielleicht auch nicht das Internet. Und dann müsste man das Ganze ja mit Werbung finanzieren...

Nur wo passt welche Werbung?
Ich habe am letzten Wochenende eine Fahrt nach Genova gemacht, und auf der Raststätte fiel mir auf, dass die Werbeflächen auf den Urimaten immer noch frei sind. Wahrscheinlich ist die Konnotation irgendeines Produktes mit der Tätigkeit "Wasser lassen" eben nicht sehr werbewirksam, die einzige Marke, die dort wirbt, ist Prostagut, ein Vorsteherdrüsenpräparat. Wir diskutierten dann, ob nicht auch Werbung auf Särgen Erfolg haben könnte, aber wer wirbt da? Lebensversicherungen?
Die Sache bleibt also schwierig.
Eben kam noch eine Mail von der GGG: Die Gänse bieten ein Komplettpaket an: Karten schreiben, Baum schmücken, "Stille Nacht"-Gesang, Selbstfüllung und Selbstbratung zu einem Gesamtpreis von 500.- pro Gans. Das hört sich schon besser an. Ich werde darüber nachdenken.
Und eventuell noch die Störche fragen, die können nämlich auch "O Kinderlein, kommet". (Schmecken aber nicht so gut.)