Freitag, 30. August 2019

Ich mag alles an Boris Johnson - ausser seiner Existenz


Also, mal ganz ehrlich gesagt: Ich mag Boris Johnson. 
Das einzige, was mich bei ihm stört, ist, dass es ihn wirklich gibt.
Sie finden das einen Widerspruch?
Dann lassen Sie mich erklären.

Ich bin ein grosser Fan des Englischen Humors.
Obwohl ich Ritter der Kokosnuss und Leben des Brian zigmal gesehen habe, könnte ich mich jedes Mal wegwerfen vor Lachen. Wenn die Mönchskolonne an mir vorbeizieht und sich, einen Gregorianischen Choral singend, nicht flagelliert, sondern sich ein Brett vor die Stirn haut, dann laufen mir die Tränen die Backen hinunter; und wenn das Killerkaninchen angreift, dann kugele ich am Boden herum.
Wenn Pontius Pilatus mit seinem Sprachfehler loslegt, schreie ich vor Vergnügen und manchmal tanze ich im Zimmer herum und trällere:

Life's a piece of shit
When you look at it
Life's a laugh and death's a joke, it's true
You'll see it's all a show
Keep 'em laughing as you go
Just remember that the last laugh is on you
And always look on the bright side of life – dadam – dadam – dadamdadamdadam
Always look on the right side of life  – dadam – dadam – dadamdadamdadam

Genauso liebe ich die Gestalten aus Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams. (Habe ich, glaube ich, schon einmal erwähnt? Ihrem Stöhnen nach habe ich es wahrscheinlich schon 100x geschrieben.) Ich liebe den naiv-ahnungslosen Arthur Dent, den depressiven Roboter Marvin, ich liebe den verschlagenen Ford Prefect, den alt-weisen Slartibartfass und natürlich den total durchgeknallten Premierminister, sorry, nein, Präsident meinte ich, Präsident der Galaxis Zaphod Beeblebrox.

Muss ich noch erwähnen, dass ich die Scheibenwelt mag? Dass ich Roald Dahl mag und natürlich den epochal komischen Rowan Atkinson alias Mr. Bean?

Mister Johnson könnte nun aus jedem dieser Werke stammen und von jedem dieser Autoren erfunden sein. Er könnte als Cäsar-Parodie bei den Pythons auftauchen oder bei Adams mit seiner blöden Haartolle auf irgendeinem Planeten herumturnen. Dahl hätte ihn nicht besser erfinden können und Terry Pratchett auch nicht. Auch in einem Mr. Bean-Sketch würde er eine lustige Figur abgeben.

Das Blöde ist nun, dass er real ist. 

Es ist eben ein grosser Unterschied, ob etwas Groteskes, etwas Skurriles, ob etwas Dummes, Blödes und Törichtes, etwas Schleimiges oder Widerliches aus einem Film, einem Buch, aus einem Roman oder Gedicht, ob es aus einem Comic oder Anime stammt, oder ob es ganz real und wirklich ist. Wir alle lieben Mr. Bean, aber wollten wir ihn als Nachbarn haben? Da hätten wir doch ständig Angst, dass er durch die Wand bohrt und mit dem Bohrer in unserem Schlafzimmer landet, dass Badewannen überlaufen und Kühlschränke explodieren. Der depressive Roboter Marvin ist – als Buchfigur – wirklich urkomisch. Aber wollten wir ihn um uns? Wahrscheinlich nicht, sein Gejammer und Gestöhne («Ich glaube nicht, dass mir das Spass macht.») würde uns furchtbar auf die Nerven gehen.
Nichts ist komischer als eine Torte, die irgendwo herunterfliegt. Aber es ist eben nur im Film komisch. Schon wenn wir einen solchen Tortensturz in der Realität beobachten, erfüllt uns ein Gefühl von Mitleid und Schrecken, erst recht, wenn es im Restaurant dem Kellner neben unserem Tisch passiert, dann kommt zum Mitleid auch die Angst dazu, schliesslich könnte Sahne und Créme, könnte Schokolade und Obstmasse auch auf unseren Kleidern landen.
Nichts ist lustiger als ein Fall in den Swimmingpool, aber auch hier das Gleiche: Wenn die Person, die ins Schwimmbecken fällt, das nicht in einem Buch tut, sondern in der Wirklichkeit und neben uns, dann werden wir selber ganz furchtbar nass.

Ich weiss nicht, ob der ungeordnete Brexit eher mit einem Sahnetortenwurf oder einem Swimmingpoolsturz zu vergleichen ist, aber wir werden alle irgendetwas abbekommen, entweder kaltes Wasser oder Obstmatsch und Sahne.

Ganz ehrlich gesagt: Ich mag Boris Johnson. Das einzige, was mich bei ihm stört, ist, dass es ihn wirklich gibt.
Sie finden das einen Widerspruch?
Jetzt nicht mehr.
Gell?

    

Dienstag, 27. August 2019

Bitte keine Pilotversuche!


Mein Freund Urs verpasst oft den Bus. Er hat ausgerechnet, dass er von zuhause genau 1 Minute 35 Sekunden bis zur Haltestelle Muffstrasse der Linie 39 braucht, und er geht genau 1 Minute 35 Sekunden vor Abfahrt des Busses aus der Haustüre. Nun gibt es aber kleine Pannen, kleine Handbewegungen, kleine Notwendigkeiten, die in dieser Zeit nicht eingerechnet sind. Wenn es schüttet und er muss den Schirm aufspannen: Bus weg. Wenn ihm der Schuhbändel aufgeht und er muss ihn neu binden: Bus weg. Auch ein freundliches Wort zur netten Nachbarin kostet zu viel Zeit, ebenso das Ausweichen, wenn Frau Müller mit Pupsi Gassi geht. Urs hat nun einen Pilotversuch gestartet: Er wird in den nächsten Wochen 3 Minuten vor der Abfahrt des 39ers aus dem Hause gehen.

Meine Bekannte Lina lädt gerne Leute zum Essen ein. Nun ist es manchmal schwierig, alle Freundinnen und Freunde unter einen Hut zu bringen, denn Bernd ist Vegetarier, ebenso Lola und Ruth, dagegen haben Fritz, Rudi, Sina und Michaela gerne etwas Fleischiges auf dem Teller. Bei bestimmten Essen kann sie also die ersten drei nicht einladen (zum Beispiel zu ihren unvergleichlichen Saltimboccas oder zu ihrem fantastischen Lammbraten), bei anderen Essen (Fenchelauflauf mit Broccolisauce) kommen die letzen vier nicht so gerne. Lina hat nun einen Pilotversuch gestartet, bei dem sie bei allen Essen eine vegetarische und eine und eine nichtvegetarische Version anbietet, hier eignen sich z.B. Spaghetti (Napoli UND Bolognese) oder Pizza.

Auch Marko und Mirko haben Pilotversuche gestartet, bei ihnen geht es darum, frischer und fröhlicher, fitter und freudiger in den Tag zu kommen. Marko wird jeden Morgen seinen Hinterkopf viermal gegen die Wand hauen und Mirko wird seine Schlummer-Whiskey-Menge von vier Gläsern auf ein Glas reduzieren.

Schauen wir nun einmal die Zwischenergebnisse der Pilotversuche an:

* Urs hat festgestellt, dass er pünktlicher wird, auch kleinere Zwischendinge wirken sich nicht mehr so verheerend auf seine Zeitbilanz aus, seine Bus-Erreichungs-Quote ist von 47,82% auf sagenhafte 96,34% gestiegen!

*  Lina hat zweimal alle ihre Freundinnen und Freunde an einen Tisch bekommen, und alle haben zwei wunderbare, schöne und genussreiche Abende verbracht. Bernd, Lola und Ruth hat es nichts ausgemacht, dass es auch Pizza mit Schinken und Spaghetti Bolognese gab, ebenso konnten Fritz, Rudi, Sina und Michaela mit parallel gereichter Pizza mit Gemüse und Sauce Napoli leben. 

*  Und unsere beiden Morgenmuffel? Marko beginnt den Tag mit Schrammen und Kopfschmerzen und ist keinen Deut wacher, Mirko beginnt den Tag leichter und beschwingter, weil der eine Whiskey schon abgebaut ist.

So weit so gut.
Aber – mal ganz, ganz, ganz ehrlich, mal sehr, sehr, sehr naiv gefragt – hätte es dafür Pilotversuche gebraucht? Hätte man nicht jedes 7jährige Kind auf der Strasse fragen können, und es hätte «früher losgehen», «2 Saucen», «keine Schläge» und «weniger saufen» geantwortet? Hätte nicht der oft zitierte, viel beschworene und heiss geliebte GESUNDE MENSCHENVERSTAND genügt?

Aber wir haben halt Spass an Pilotversuchen. Ein Jahr lang hat die SBB an den Bahnhöfen drei Modelle getestet:
·         * weiter überall rauchen, wo man mag
·         * der ganze Bahnhof total rauchfrei
·         * im Prinzip rauchfrei, aber gezielte Raucherbereiche
Und nun hat man das Modell 3 eingeführt, was niemand wundert, denn es wird allen Interessen gerecht. Auch dies hätte der Gesunde Menschenverstand und jedes 7jährige Kind schon vor 12 Monaten und 365 Tagen sagen können. Zudem hätte man einfach auch über die Grenze blicken können, bei der DB wird das seit Jahren so gemacht.

Ganz heiss ist ein Pilotversuch in meinem Quartier: Die Müllsäcke sollen nicht mehr vor dem Hause abgeholt werden, sondern der Mist zu zentralen Containern gebracht werden, eine Parforceleistung für Senioren und Gehbehinderte. Dies ist deshalb auch so heikel, weil die Basler Bevölkerung dieses Ich-entsorge-meinen-Abfall-selber-Modell in einer Abstimmung 2015 mit fast 70% abgelehnt hat.
Aber Pilotversuche kann man scheints immer starten, so nach dem Motto: «Ich weiss, du bist dagegen, aber probiere doch mal…»

Hören wir auf mit Pilotversuchen!
Denken wir lieber nach!

Oder fragen wir 7jährige Kinder…

Ich habe die Idee eines Pilotversuches, der im Rahmen der Rettung bedrohter Sprachen die Dienstag-Freitag-Glosse einmal im Monat z.B. auf Kaschubisch oder Absarokee erscheinen lassen sollte, auch wieder verworfen.  

    



 

Freitag, 23. August 2019

Die schönsten Antworten auf Newsletter-Abbestellungen


Mein Freund Joschi hat eine neue Beschäftigung entdeckt: Er bestellt Newsletter und ähnliche Werbung ab, den Newsletter der Edinburgh Transport zum Beispiel, er hatte dort 2004 eine Wochenkarte gekauft, oder die Werbemails des Musikfestivals Altdorf, dort hatte er mal nach Karten angefragt, war aber nicht hingefahren. Das Abbestellen ist ganz leicht, ordentliche und gesetzeskonforme Organisationen haben dafür einen Button am Ende der Mail oder am Ende des Newsletters. Und wenn man auf den Button klickt, dann kommt die kurze Meldung Sie haben sich erfolgreich abgemeldet. Manchmal schickt man dem Abmeldenden auch eine Mail, und hier ist es spannend, was in solchen stehen kann. Joschi hat mir die schönsten zukommen lassen.

Liebe Kundin, lieber Kunde
Sie haben soeben unseren Newsletter abbestellt. Waren Sie sich wirklich sicher, als Sie das getan haben? Waren Sie im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte und vollständig bei sich? Sind Sie sicher, dass Sie keinen Fehler gemacht haben? Denn:
·        ***Sie werden nun nicht mehr täglich über die aktuellsten Sonderangebote informiert und müssen eventuell bis zu 5 Franken mehr für ein Kleidungsstück zahlen. 
·         ***Sie verpassen die neue Kollektion von Googoo®-T-Shirts, die exklusiv nur bei DocoBoco® angeboten werden.
·         ***Sie sind nicht mehr up-to-date, was die Modetrends des kommenden Herbstes und des folgenden Winters betrifft.
·         ***Sie nehmen nicht an der monatlichen Verlosung von Trubi-Trabi®-Jeans teil.
Sollten Sie also den Newsletter doch wieder erhalten wollen, können Sie das hier melden:
NEWSLETTER WIEDER BESTELLEN
mit freundlichen Grüssen Ihr Docoboco-Team

Lieber Joschi Pfister
Du hast soeben mitgeteilt, dass du unsere Informationen nicht mehr erhalten möchtest.
Kompliment! Grosses Kompliment!
Du bist uns auf die Schliche gekommen. Du hast nämlich nie angegeben, dass du Informationen der Rap-Fabrik Bern geschickt bekommen möchtest. Du hast vor zwei Jahren bei Guber Records® eine Rap-CD bestellt, vielleicht nicht einmal für dich, und von denen haben wir deine Daten gekriegt. Aber nun hast du’s gemerkt und wir werden dich nicht weiter belästigen.
Wir nicht – aber eventuell die Rap-Fabrik Zürich, die Initiative Rap Basel, der Rap-Schuppen Luzern, Aargau-Rap, Thurgau-Rap und die Rap-Kooperative Bündnerland. All denen haben wir deine Daten (natürlich illegal) weitergegeben. 
Ciao und mach’s gut – dein Rap-Fabrik-Team

Liebe Besucherin, lieber Besucher
Wir sind traurig, wir weinen, wir klagen. Sie haben unseren Newsletter abbestellt und das macht uns Schmerz, Leid und Weh. Kassandra klagte beim Fall Ilions nicht so sehr wie wir und Ariadne vergoss auf Naxos nicht so viele Zähren wie wir an der Leine. Daidalos schrie beim Sturz des Icaros nicht so laut, wie wir schrien und Orpheus’ Rücken war – schmerzgebeugt und wehgekrümmt – immer noch gerader als die unsrigen. Wir haben uns so viel Mühe gegeben, so viel Schweiss und Kraft investiert, und sie klicken uns einfach weg. Wir haben so viele Stunden, so viel Herzblut, so viele Ideen investiert, und Sie lehnen ab. Wir fühlen uns wie Sisyphos, der dem zu Tale rollenden Stein nachblickt, wie Tantalos, dem das Wasser versickert.
Wenn Sie möchten, dass bei uns wieder Lust und Freude, wieder Frohlocken, Tanz und Spiel einkehrt, dann klicken Sie hier:
SCHRECKLICHER IRRTUM WAR DAS ABBESTELLEN DES LETTERS,
NEHME DAS NUN ZURÜCK, GERNE LESE ICH IHN. 

Das sind doch drei Juwelen der Internetkommunikation.

Hier noch ein Hinweis an ältere Leute:
Sie können die Dienstag-Freitag-Glosse nicht abbestellen. Sie haben sie nämlich gar nicht bestellt. Nicht ich bin auf Sie gekommen, sondern Sie auf mich. Sie haben meinen Blog angeklickt.
Haben Sie nicht?
Doch, haben Sie schon, vielleicht war aber der Pfeil am falschen Ort. Bitte achten Sie beim nächsten Surfen darauf, dass Sie meine Seite nicht mit der Koch-Website www.dienstag-mittwoch-eintopf.de oder mit der Seniorenturn-Website www.montag-freitag-kniebeuge.at verwechseln.