Freitag, 27. April 2018

Wie viel ist 66%?


Stellen Sie sich vor, Sie kommen vom Einkaufen und wollten die folgenden Dinge besorgen: Kaffee, Tee, Butter, Salz, Bohnen, Salat, Käse, Schokolade, Wein und Bier. Und beim Auspacken stellen Sie fest, dass sich Kaffee, Tee, Butter, Bohnen, Salat, Schokolade und Bier in Ihrer Einkaufstasche befinden. Was sagen Sie sich? Dass Sie immerhin 2/3 oder 66% der vorgehabten Dinge besorgt haben? Oder dass Sie 1/3 oder 33% der Sachen vergessen haben?

Stellen Sie sich vor, Sie müssen bei einem Test sämtliche europäischen Hauptstädte wissen. Während Ihnen die von Italien, Deutschland, Frankreich und anderen grossen Ländern einfallen, haben Sie die von Liechtenstein, Estland, Lettland und San Marino vergessen. Und weil Ihnen eben Vaduz, Tallin, Riga und (wie peinlich!) San Marino nicht präsent sind, erreichen Sie eine Quote von 66%, anders gesprochen 2/3. Sind Sie stolz auf dieses Ergebnis? Oder ärgern Sie sich, dass Ihnen ein Drittel der Städte (33%) nicht in den Sinn kam?

Stellen Sie sich vor, Sie bowlen zum ersten Mal. Da geht das natürlich erst einmal so los: Gutter Ball – Gutter Ball – Gutter Ball – Gutter Ball. Dann ein Vierer! Fünf! Sieben! Wieder Gutter Ball – Gutter Ball, dann aber ein Score! Und noch einer. 5, 6, 3, 9, und dann: STRIKE! So kommen Sie am Ende auf einen Schnitt von 6,66 getroffenen Kegel. Freuen Sie sich? Oder nerven die im Schnitt nicht getroffenen 3,33?

Jetzt muss man natürlich sagen: Es kommt auf den Vergleich an. Von 9 Dingen 3 im COOP zu vergessen, ist für einen normalen Menschen blamabel. Wenn Sie 98 sind, sieht die Sache anders aus, oder wenn Sie gerade 150% in sechs verschiedenen Arbeitsstellen schaffen (Burnout). Die europäischen Hauptstädte sollte ein halbwegs gebildeter Mensch zu 90% kennen – wenn Sie gerade aus dem Sudan geflohen sind, schaut’s wiederum anders aus. 6 im Durschnitt beim ERSTEN Mal Bowlen – Chapeau! Hut ab! Das ist grossartig!

Stellen Sie sich nun vor, Sie wären Andrea Nahles.
Natürlich ist das eine schreckliche Vorstellung, albtraumhaft und blutgefrierend, schrecklich angesichts Gesicht, Frisur und Kleidung, aber stellen Sie sich das doch einfach mal vor. Wären Sie glücklich über die 2/3, die Sie gewählt hätten? Oder würden Sie sich grämen ob des einen Drittels, das Sie ja ganz eindeutig NICHT gewählt hat? Und hier kommt es wieder auf den klaren Vergleich an; und der zeigt: Unter 70% sind ein verdammt mieses Ergebnis für einen Parteivorsitz. Es ist übrigens das zweitschlechteste in der Geschichte der SPD – nur Laffi hatte weniger. Und mit dieser Unterstützung soll die Sozialdemokratie zu neuen Höhen geführt werden? Vergessen Sie’s.

Man kann jetzt aus seinen Resultaten auch Konsequenzen ziehen.
Wer Kaffee, Tee, Butter, Bohnen, Salat, Schokolade und Bier kauft, aber Wein, Käse und Salz vergisst, sollte, wenn er 98 ist, zum Neurologen gehen oder, wenn er 150% arbeitet, mal Ferien machen. Der Rest der Schussligen macht sich einen Einkaufszettel.

Wer sich die Hauptstädte nicht merken kann, sollte sich ernsthaft überlegen, ob er bei Jauch antritt. Es wäre doch zu blöde, an der Frage
WAS IST KEINE EUROPÄISCHE HAUPTSTADT?
A             OSLO                                    B             ZÜRICH
C             VADUZ                                 D             HELSINKI
zu scheitern.

Wer allerdings so schnell das Bowlen lernt, sollte weitermachen. 6,6 sind für den Anfang mehr als OK. Und vielleicht entdeckt man hier den zukünftigen Europameister oder die zukünftige Europameisterin.

Und Frau Nahles?
Sie hätte die Wahl nicht annehmen sollen.
Das kann man nämlich, genauso wie man Einkaufszettel schreiben, bei Jauch absagen oder Bowling üben; man muss eine Wahl nicht annehmen. Allerdings ist diese Chance vertan, die gute Frau hat mit gequältem Gesicht die «Glückwünsche» entgegengenommen und ist jetzt SPD-Chefin. Wie lange sie es bleiben wird, das steht auf einem anderen Blatt. Den genauso wie man von einer Teilnahme beim A OSLO B ZÜRICH C VADUZ D HELSINKI-Quiz zurücktreten kann, kann man es auch von politischen Ämtern. Antichrist Schulz (wir berichteten) hat es auch nicht lange ausgehalten. 

Wir sind gespannt, wie es mit 2/3-Andrea weitergeht. 



Dienstag, 24. April 2018

Der Zigarettenstummel - eine Tragikomödie


Freitag, den 21. April 2018, 11.06 Uhr – Basel Barfi, vor dem Copy Quick
Ich zünde mir eine Zigarette an. Ich weiss, dass man eigentlich nicht raucht, dass das ungesund ist, dass man Krebs und Herzinfarkt davon bekommt, dass man eigentlich damit aufhören sollte, aber wenn man zwei Stunden kopiert hat, hat man eine Belohnung verdient, und für Alkohol ist es viel zu früh – und Schokolade ist ja auch nicht gesund.

Freitag, den 21. April 2018, 11.13 Uhr – Basel Barfi, am Eingang der Gerbergasse
Die Zigarette ist aufgeraucht.
Nun müsste ich einen Abfalleimer, einen Mistkübel finden um meinen Stummel zu entsorgen. Auf den Boden schmeissen ist in Basel nicht nur streng verpönt, sondern inzwischen auch illegal und wird mit einer Busse von 80 (in Worten achtzig) Franken belegt.

Freitag, den 21. April 2018, 11.14 Uhr – Gerbergasse, Höhe Nudel-Imbiss
Es ist kein Mistkübel in Sicht.

Freitag, den 21. April 2018, 11.15 Uhr – Gerbergasse, Höhe Schuhgeschäft
Es ist kein Mistkübel in Sicht.

Freitag, den 21. April 2018, 11.16 Uhr – Gerbergasse, Höhe des überteuerten Yuppie-Cafés
Es ist kein Mistkübel in Sicht. Wohin also mit dem Stummel? Einstecken? Dann stinkt die Hose wochenlang. Ins Zigarettenpäckli? Auch eklig. Ich hebe schon die Hand zum Stummelwurf – da sehe ich einen Polizisten. Nein, den Gefallen, mir Geld abzuknöpfen, mache ich dem nicht. Also weiter mit dem Stummel in der Hand.

Freitag, den 21. April 2018, 11.22 Uhr – Markplatz, Höhe COOP City
Mein Handy klingelt, und es steckt in der Hosentasche. Da ich noch einen Rucksack auf der Schulter habe, bräuchte ich eine dritte Hand – oder meine normale rechte, die immer noch den Filter in den Fingern hält. Ich lasse das Handy klingeln und hoffe, es war nicht zu wichtig.

Freitag, den 21. April 2018, 11.24 Uhr – Markplatz, Höhe Computersupermarkt
Es ist kein Mistkübel in Sicht. Der Computersupermarkt bietet heute (und nur heute) USB-Sticks mit 56 GB für nur 8,99.-! Nichts wie rein, das ist ja wie geschenkt – aber halt, geht ja nicht mit der Kippe in der Pranke, wieder die Hand zum Stummelwurf gehoben, wieder ein Polizist an der Ecke, wieder der Entschluss, ihm den Spass nicht zu gönnen.

Freitag, den 21. April 2018, 11.30 Uhr – Schifflände
Mein Handy klingelt erneut, Mist, scheint doch was Wichtiges zu sein, ich werde zurückrufen, wenn, ja wenn…

Freitag, den 21. April 2018, 11.36 Uhr – auf der Mittleren Brücke
Es ist kein Mistkübel in Sicht. Ich halte nun seit einer halben Stunde einen Zigarettenfilter in der Hand. Bis 11.13 war es eine Zigarette, seitdem ist es ein Stummel. Nun geht mein Schuhbändel auf. Jetzt bin ich wirklich ein wenig in der Bedrängnis; ich möchte nicht weiterlaufen und stolpern und mir die Nase brechen, nur weil ich nur eine Hand frei habe. Da kommt mir der Wortlaut des Verbotstextes in den Sinn: «…wird es mit 80.- gebüsst, wenn man eine Zigarette auf den Boden wirft…» Halleluja! Unter mir ist kein Boden! Unter mir ist Wasser! Danke, lieber Rhein! Danke, lieber Fluss! Und um 11. 38 landet meine Kippe in der Strömung unter mir.

Aber jetzt mal im Ernst:
Als Heidelberg vor 10 Jahren eine Busse für weggeworfene Zigarettenstummel einführte, hatte die deutsche Stadt VORHER die Innenstadt mit einem Heer von Abfalleimern, einer Legion von Mistkübeln ausgestattet. Wenn ich meine Kippe nicht mehr auf den Boden schmeissen soll, dann brauche ich Entsorgungsmöglichkeiten, und zwar genügend.
Oder ist es der Trick, mit den eigegangenen Bussen die Abfalleimer zu finanzieren? Das wäre perfide. Es müssten ja auch nicht die Basel-Edel-Mistkübel mit dem ausgesägten Bischofsstab sein (die schon einmal einen Post wert waren…), es könnten ja ganz schlichte, simple, ganz poplige Aschenbecher aufgestellt werden.
Aber eine halbe Stunde mit dem Zigarettenrest rumlaufen macht keinen Spass.

EPILOG

Montag, 23.4. 2018, 13.00 – zuhause
Ich erhalte einen eingeschriebenen Brief des Ordnungsamtes, der mir eine Busse von 150.- wegen «Verunreinigung von Gewässern nach § 345 d ankündigt.










Freitag, 20. April 2018

Kann sich ein Promoter selber promoten? / Kann sich ein Motivator selber motivieren?


Es gibt Berufe, die sind quasi autarkistisch, der Fachmann oder die Fachfrau könnte sich das, für was er oder sie Geld bekommt, auch selber machen: Ein Bäcker könnte sich ein Brot backen und eine Schreinerin einen Tisch bauen, eine Köchin könnte sich eine Suppe kochen und ein Installateur sich seine Heizung reparieren; Blumengestecke oder Parkettböden, Hemden oder Keramik können autarkistisch entstehen. Aber auch für Dienstleistungen gilt das manchmal, so kann Reisekaufmann Heinz sich selbst einen Flug nach Unalaska buchen (er will unbedingt auf die Aleuten) und die Bankangestellte Sophie, seine Verlobte, kann für beide Dollars wechseln (die Aleuten gehören zu den USA, did you know?).

Es gibt Berufe, die sind eindeutig nonautarkistisch, das, was man anderen tut, kann man sich selber auf keinen Fall machen. Hier sind, denke ich die pflegerischen und medizinischen Berufe als erste zu nennen, wer schon einmal versucht hat, sich einen Furunkel aufzudrücken, der sich auf dem Rücken befindet, weiss, wovon ich rede. So kann die Zahnärztin sich eben nicht selber in den Zähnen bohren und der HNO sich nicht selber in die Nase gucken. Eine Anästhesistin könnte sich zwar selber ins Nirwana schicken (doch wozu?), aber ein anästhesierter Chirurg kann sich dann nicht selber den Blinddarm rausnehmen.
Bei Coiffeuren und Coiffeusen ist es grenzfällig: Man kann sich selber die Haare schneiden, aber man tut es meistens nicht, in den Coiffuren und Salons richtet man sich meistens gegenseitig die Frisuren.

Wie aber ist mit der Branche, die ich unter dem Gesamttitel «Psycho, Marketing und Psychomarketing» zusammenfassen würde? Was ist mit den Coaches, Promotern, was ist mit den Therapeutinnen und Motivationstrainerinnen, was mit den Supervisoren und Animateuren? Ist die Branche autarkistisch oder nonautarkistisch? Kann sich ein Coach selber coachen? Kann sich ein Promoter selber promoten? Kann sich eine Motivatorin selber motivieren?
Die Antwort ist ein klares NEIN.

Warum?
Sie alle kennen das doch, sie alle haben schon x Tage bei solchen Veranstaltungen zugebracht: «Guten Morgen, als Einstieg habe ich ein paar Plakate mit Stichworten aufgehängt, kleben Sie bitte so viele Punkte auf diese Plakate, je nachdem, wie wichtig Ihnen diese Dinge sind, Sie können bis zu 5 Punkten vergeben». Und dann tigern Sie vor den Zetteln herum und kleben brav Ihre Klebepunkte, und dann ergibt die Auswertung:
TOPFPLANZEN                  3 P.
ZUNEIGUNG                      25 P.
ANERKENNUNG               30 P.
SCHWEINESCHNITZEL    7 P.
JAZZ                                      4 P.
MONOPOLY                       5 P.
Und man weiss: Zuneigung und Anerkennung sind in dieser Abteilung die zentralen Bedürfnisse.
Kann man so einen Unsinn auf sich selber anwenden? Sicher nicht.
Genauso wenig kann ein Motivationstrainer, der unmotiviert, sich vor den Spiegel stellen und sich selber zurufen: «Du bist kein Huhn! Du bist ein Adler! Adler, fliege! Adler, fliege!» oder «Du bist gut! Du bist schön! Du bist stark!»

Also bräuchte ein Coach einen Coach-Coach, bräuchte eine Motivationstrainerin eine Motivationstrainerinnen-Motivatorin, ein Therapeut benötigte einen Therapeuten-Therapeut und eine Promoterin eine Promoterinnen-Promoterin.
Aber hier kommt einem die Metaebene in die Quere.
(Als Kind dachte ich übrigens immer, das sei wirklich eine Landschaft, ein ganz schöne, mit üppigen Blumen und sprudelnden Quellen, so eine Art Arkadien, und wenn Erwachsene sagten, sie seien kurz auf die Metaebene gegangen, und dann sei alles klar gewesen, stellte ich mir immer vor, wie sie auf elysischen Gefilden einen Sonnenuntergang betrachten…)
Die Metaebene verhindert jedenfalls, dass ein anderer ein Verfahren anwenden kann, das man selber gut kennt.
Wenn LLoxxull, mein Baskisch-Lehrer zu mir sagt: «Heute schreibst du als erstes alle Tiere auf, die du schon auf Baskisch kennst», dann rattert es in meinem Hirn sofort los: Warum macht der das? Reine Repetition? Kontrolle, ob ich die Vokabeln auch richtig schreibe? Oder was ganz anderes? Nach welchem pädagogischen Verfahren arbeitet er heute? Was kommt als nächstes? Was ist sein Ziel, seine Absicht? Wie würde ich selber mit der Tiersammlung weitermachen?»
Die Metaebene eben.
Wenn ein Therapeut in Therapie geht, dann ist es fast unmöglich, wirklich zu einem Durchbruch zu kommen, weil der zu Behandelnde stets auf der strategischen Ebene mitdenkt. Er weiss so genau, wie er SELBER vorgehen würde, dass der Kollege ihn nie wirklich überraschen, überrumpeln, etwas aus ihm herauskitzeln, etwas aus ihm hervorlocken kann.

Was ist nun die Lösung aus diesem Dilemma?
Es gibt keine.
Und so wird es weiterhin von therapiebedürftigen Therapeuten, ungecoachten Coaches, es wird weiterhin von promotionlosen Promotern und unmotivierten Motivationstrainerinnen wimmeln, und man kann nur hoffen, dass alle diese irgendwann ins Handwerk wechseln.
Denn da – siehe oben – können sie sich selber etwas Gutes tun.

Denn der Bäcker backt sich immer noch selber auch einen Kuchen.