Schauen Sie
auch so gerne alte Fotoalben an?
Es doch
wunderbar, sich zu erinnern, oder – wenn man jüngeren Datums ist –
mitzubekommen, wie damals alles aussah. Also, ich mache das wahnsinnig gerne.
Was war ich für ein herziges Kind! Wie süss sehe ich auf dem Foto aus, wo ich
auf unserer Veranda die die kleinen Brothäppchen in mich hineinmampfe (meine
Mutter nannte sie «Reiterchen»), wie goldig schaue ich auf dem Bild aus, wo ich
im Grunewald auf dem Boden sitze und im Sand buddele, wie allerliebst ist die
Aufnahme, wo ich mit meinen Kollegen mit der Schultüte vor dem Hause stehe…
Aber auch
Fotos von Landschaften und Gebäuden sehe ich mit gerne wieder an: Ich war also
doch schon einmal auf Schloss Hibbelburg! War das ein schöner Tag damals im
Jugtal! So also sah die Klossstrasse in Bad Wurben 1975 aus!
Was mich
manchmal ein wenig, nein, sehr, nein, extremst (sic) zum Wahnsinn treibt, sind
die Bildunterschriften. Da steht so wenig Informatives, da steht so wenig
Intelligentes oder Witziges, dass es einem ganz schrecklich graust.
Die am
wenigsten üblen sind noch die ganz sachlichen.
Der Eiffelturm
steht da
unter einem Bild, und das Einzige, was man sich fragt, ist, ob der
Bildunterschreiber wirklich Angst hatte, dass man das Bauwerk – eines der
bekanntesten der Welt – nach 30 Jahren nicht meht identifizieren kann. Die ganz
Genauen schreiben dann noch
Eiffelturm, 23. 6. 1976
Was ja total
wichtig ist, schliesslich sieht der Turm jeden Tag anders aus. Wenn Sie
allerdings
Eiffelturm, 3. 5. 1974, 11.30 Uhr
entdecken,
lässt dies auf einen Fall von Asperger-Syndrom beim Beschrifter schliessen.
Schlimm wird
es nun, wenn unter den Bildern Sätze stehen, die heiter und originell, die
extravagant und humoristisch, intelligent oder gebildet klingen sollen.
Zur Weltausstellung aus der Taufe gehoben
(und immer noch da)
liest man
da. Und:
Und ragt und ragt und ragt…
Gustaves Kind lässt sich nicht unterkriegen
Das Wahrzeichen im Morgennebel
Der echteste Pariser weit und breit
Monument aus Stahl vor Wolken aus Wasser
…
…
…
Brauchen Sie
noch mehr Beispiele? Sicher nicht.
Nun scheinen
aber die Menschen, die in Gratis-Zeitungen und Gratis-Zeitschriften, die in
Wurfheftchen und Stadtteilblättchen die Bilder beschriften, aus dem gleichen
Holz geschnitzt zu sein wie die Leute, die früher ihren Unsinn in die Fotoalben
schrieben. Und da wird es jetzt richtig blöde. Da blicken Sie auf das Foto
eines jungen Mannes, der deshalb Karriere macht, weil er einen berühmten Vater
hat, also Schwarzenegger Jr. oder Smith Jr. Und Sie lesen dann
Sieht seinem Vater ähnlich
– Gute Güte! Die meisten Kindern sehen ihren
Vätern ähnlich, das hat mit den Chromosomen zu tun, aber dafür hätte man halt
ein wenig in Biologie aufpassen müssen. Oder will man damit sagen, dass
Schwarzenegger und Smith nun doch eindeutig die Väter sind – gegen alle Gerüchte?
Da schauen
Sie auf das Bild einer Sportlerin im Endspurt eines 1000m-Laufes und lesen mit
verzerrter Mine
XY Legt sich mächtig ins Zeug
Was soll sie
denn sonst machen? Mit Dolce Farniente und Laissez-faire gewinnt man halt keine
Rennen.
Der absolute
Höhepunkt des Wir-schreiben-blödsinnige-Bildunterschriften sind aber die
Pseudo-VIP-Seiten. Sie alle kennen das: Da hat man für die örtliche Zeitung
eine Gesellschaftsreporterin angestellt, eine Schreibtrulla, die sich um die
Prominenz und den Adel in der Stadt zu kümmern hat, die versuchen soll, sich in
die Anlässe der High Society, die Partys der Oberen Zehntausend zu mischen;
dummerweise hat es gar keine wirkliche Prominenz und erst recht keinen Adel in
der Gemeinde und die VIP-Anlässe sind die Herbst-Modenschau des
Bekleidungshauses PALLGUBBER und die Premiere der Laienbühne, die wichtigsten
Termine sind die Buchvernissage einer steinalten Kolumnentunte und das Spiel
des Fussballclubs um den Einstieg in die 5. Bundesliga.
Und dann
geht unsere Schreibtrulla halt hin und versucht, das Beste aus solchen Abenden
zu machen und schiesst halt auch viele Fotos und dann lesen sie:
In Feierlaune: Modezar Pallgruber mit Frau
In bester Stimmung: Bürgermeister Schmidt
mit Gattin und Söhnen
Kommen extra aus der Nachbarstadt: Franz
Neuhengst und Detlev Pschrichke
Immer dabei: Partytigerin Amanda von
Hallenstein
Darf auch mal einen heben: Starkicker Zammer
mit seiner Verlobten
Edel in Schwarz-weiss: Stilikone Sara von Burgberg
Nein, da sind doch die Bilder schlimm genug, da muss man doch nicht noch etwas drunterschreiben. Freuen wir uns also über jedes schöne Foto, das nicht von einer dummen und pseudowitzigen Unterschrift verunstaltet wird.
Nein, da sind doch die Bilder schlimm genug, da muss man doch nicht noch etwas drunterschreiben. Freuen wir uns also über jedes schöne Foto, das nicht von einer dummen und pseudowitzigen Unterschrift verunstaltet wird.
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