Donnerstag, 29. November 2012

Schnupfen und Aberglaube

Neulich, im Cafè Schlumberger: Ich sitze mit meinen Freunden Luca, Manuel und Patrick bei Kaffee und Grappa, und wir diskutieren über Hausmittel gegen die drohende Erkältungswelle.
"Ich reibe mich jeden Morgen mit einer Knoblauchzehe ein", so Luca, "und seitdem ist Grippaler Infekt ein Fremdwort für mich." "Ich trinke jetzt immer nach dem Schwimmbad noch einen Aztekentee in der Hallenbadcafeteria und werde nicht mehr krank", meinte Manuel. Patrick schwörte auf faulen Fisch: "Ein Stückchen, wenn Schnupfen droht, und du spürst nur eine leichte Erstverschlimmerung."
Ach, meine Freunde! Sie alle sind dem erlegen, was man als Aberglauben bezeichnet: Die Wirkung ist tatsächlich da, aber man hat die falsche Ursache im Kopf.
Luca wird sich sicher nie mehr anstecken, weil infizierte Menschen auf Abstand gehen. Allerdings auch sämtliche anderen. Luca stinkt morgens so erbärmlich, dass jedermann ihm drei Meter vom Leib rückt.
Manuel könnte statt Aztekentee auch Kaffee, Gin-Tonic oder Schampus saufen, das Wichtige ist, dass in der Cafeteria seine fünf Kubikmeter grosse Blondwuschelmähne trocknet und er nicht mehr mit klatschnassen Haaren in die Kälte läuft.
Und Patrick? Erstverschlimmerung, hoho! Er hat schlicht und einfach regelmässig eine Fischvergiftung, die sein Immunsystem so auf Trab hält, dass man nichts anderes merkt. Das ist ungefähr so, als ob man sich, um den Kopfschmerz nicht mehr zu spüren, ein Messer ins Knie rammen würde.
Ich glaube, dass mit einigem Nachdenken sich viele Volksglaubigkeiten - was für ein Wort, Gruss an M.J. - normal erklären lassen. Nehmen wir zum Beispiel die schwarze Katze. Könnte es nicht sein, dass sie am Mausen ist? Wenn nun auf dem Trottoir gehen, normalerweise im Rechtsverkehr, läuft die Maus nach rechts ins Haus - und bringt Schlechtes. Nach links läuft sie auf die Strasse - Glück für die Hausbewohner. Das ist jetzt nur eine ganz vage, spontane Theorie. Und schwarz? Nun, schwarz und dunkel assoziieren wir immer mit Argem. Wenn Sie das für unnatürlich halten, stellen Sie sich um 24.00 doch mal an eine einsame Bushaltestelle.
Ein Kumpel von mir hat übrigens eine unglaublich plausible Erklärung für die Astrologie: Zwei Kinder spielen oft allein in ihrem Zimmer. Kind 1 (*14.7.2005) spürt die Übereinstimmung mit der Erwartung der Umwelt, es ist ein Krebs und wird weiterhin so handeln. Dem Kind 2 (*25.12.2005) wird - unbewusst! - signalisiert, dass es etwas falsch macht. Es ist ja ein Schütze! Also wird es immer mehr tollen und toben. Self-fullfilling Prophecy! Von Lehrern weiss man ja übrigens, dass sie Schüler anders behandeln, wenn sie Vorinformationen bekommen, und die Schüler dann auch wirklich so werden (lernschwach oder hochbegabt)
Aberglaube heisst, falsche Denkmuster im Kopf zu haben.
An dem Abend gesellten sich übrigens noch Cyrill und Sascha zu uns. Cyrill hatte festgestellt, dass seine Nase nicht mehr läuft, wenn er von Acrylpullis auf Wolle umstellt. Sie ahnen es - er hatte nie Erkältungen, er hat eine Allergie. Sascha benutzt nur Kampfpräparate der Basler Grossindustrie, NASOPIN, HUSTOWOL und GRIPPOGYP, aber dass die eine Erkältung verkürzen, ist auch ein Aberglaube...

Montag, 26. November 2012

Alte Dame Schweiz


Die Schweiz, sagen manche Leute, die Schweiz müsse jetzt in die EU, als reichstes Land könne man doch nun Forderungen stellen. Zu fordern hat die Schweiz genug, Ausfuhrregeln, Einfuhrregeln, die Entlastung der Alpen, die Flugzone im Norden von Kloten, usw.
Gut, stellen wir uns vor:
Beim nächsten Treffen der EU-Chefs erscheint die Schweizer Delegation, zunächst mit einer kleinen Panne. Das Treffen ist in Winsen an der Aller, und statt mit dem ICE nach Bremen zu fahren, wo Chauffeure warten, ziehen die Eidgenossen einfach die Notbremse, Klagen der örtlichen Bahnbeamten räumen sie aus dem Weg, indem sie die DB einfach kaufen. Nun ziehen sie ins Tagungslokal ein, die Damen im Nerz, die Herren in Armani, im Gefolge Lakaien, Bodyguards und Sekretäre, ziehen ein und verkünden: Wir geben Europa eine Trilliarde, 500 Billiarden an Brüssel und 500 Billiarden verteilt auf jede Region. Der anfängliche Jubel der Staats- und Regierungschefs kippt schnell, als man die Bedingung erfährt: Ausschluss von Griechenland, Polen, Portugal und Spanien. Der Ratsvorsitzende ergreift sofort das Wort: Ablehnung! Arm, aber anständig wolle man bleiben.
Die Tellsnachfahren erwidern, man habe Zeit…
Es ist klar, dass niemand sich von den Schweizern die EU kaputt machen lassen will, aber irgendwie fangen jetzt alle an, auf Kredit zu leben (oder fahren damit fort). Die Emilia-Romagna leistet sich ein neues Naturschutzgebiet, das Burgenland bekommt ein Staatstheater, in Holland, Belgien und Luxemburg spriessen Museen, Archive und Spielplätze nur so aus dem Boden. Neue Ideen werden geboren: Europaweit will man Kinderbetreuung ab 0 Jahren, Klassengrössen von 15 und Musikunterricht für alle. Auf den Landkarten sieht man neue Strassen, neue gelbe Strassen. Irgendwie, denken alle, irgendwie wird sich das alles lösen.
Aber es löst sich nicht, und 2020 sind Griechenland, Polen, Portugal und Spanien keine EU-Staaten mehr, die Drachme und der Sloty sind wieder eingeführt und bei Flugreisen nach Lissabon und Madrid muss der Pass wieder gestempelt werden.
So könnte es gehen…
Aber es wird nicht passieren, weil die Schweizer – und ihr grösster Autor hat diese Parabel  ja geschrieben – zu anständig sind. Ja, liebe Frau Merkel, die Eidgenossen sind nicht in der EU, weil sie saubere und korrekte Menschen sind, also schlagen Sie sich irgendwelche Beitrittspläne aus dem Kopf, sonst passiert das oben Geschilderte.

Freitag, 23. November 2012

Möven in Kleinhüningen

Neulich, am 22.10. - Sie erinnern sich, das war der heisseste Oktobertag seit 1764 - sass ich auf der Terrasse des Restaurants SCHIFF in Kleinhüningen. Die Sonne knallte von einem tiefblauen Himmel, dreissig Möven tobten über der Wiese (für die Nichtbasler: das ist ein Fluss), vor mir ein leckerer Salat und ein kühler Weisswein, mein weisses T-Shirt und meine blauen Bermudas waren mir fast schon zu warm, aber ich kann ja nicht in der Badehose essen gehn... Da klingelte mein Handy: Es war Horst. "Rat mal, wo ich bin! In Südfrankreich! In Montpellier!" "Und?" "Ich sitze an einem Kanal, und da sind ganz viele Möven, und es ist toootaaal heiss, ich trage T-Shirt uns Shorts, und ich esse gerade einen Salat und trinke einen Weisswein." "Gut, all das habe ich auch gerade, ich bin in Kleinhüningen, selbst die Möven sind ebenfalls da." "Aber ich in Südfrankreich! In Mont-Pel-Lier! Du weisst schon."
Nein, wusste ich nicht. Also bat ich ihn, wieder anzurufen, wenn er irgendetwas Besonderes gesehen hätte. Er legte beleidigt auf.
OK, das war fies von mir. Horst arbeitet als CEO 14 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 51 Wochen im Jahr, er schrammt die ganze Zeit so knapp an einem Burnout vorbei wie das Lissaboner Tram an den Hauswänden, jetzt nimmt er sich einmal ein paar Tage frei, und natürlich ist dann alles, aber auch wirklich alles neu, interessant und schön. Aber hätte er nicht die Luft, den Himmel, das Licht beschreiben können, die dort unten wirklich ganz eigen sind? Einen Platz, ein Haus, eine Kirche schildern? Oder gleich ans Meer sitzen, das wir ja in der Tat nicht haben?
Erst wenn wir daheim mit wachen Augen durch die Strassen und die Landschaft gehen, können wir doch auf Reisen das Wichtige erkennen. Erst wenn wir wissen, was im Nachbargarten wächst, sehen wir wirklich die Blumenpracht auf Menorca, erst wenn wir unsere Kirchen angeschaut haben, entdecken wir irgendwo an der Ostsee eine Backsteinkirche mit einem backsteingeflochtenen Alphabet an der Fassade, was wir noch nie erblickt haben.
Franz Hohler hat dies das letzte Jahr getan: Er ist in Zürich spazierengegangen. Kleine Touren, bei denen er vieles neu gesehen hat und er schildert diese Miniaturen mit einer wunderbaren Sprache und viel Liebe zum Detail. Spaziergänge heisst diese Büchlein und ist bei Luchterhand erschienen. (nein, ich werde nicht von Luchterhand gesponsort)
Ich weiss auch, wem ich das Bändchen schenken werde: Meinem Kumpel Horst. Obwohl ich weiss, dass er zum Lesen eigentlich auch nie Zeit findet. Aber vielleicht heilen ihn schon ein paar Seiten. Und als Widmung schreibe ich hinein:
Für deine Imbisse an der Wiese, denn
Möven gibt es auch in Kleinhüningen.

Dienstag, 20. November 2012

Die Tücken von Tramanzeigen

Ich bin ein begeisterter ÖVler, ich habe das GA und mache alles, was irgendwie geht, mit Tram, Bus oder Zug. An meiner Pinwand hängen die Fahrpläne der Linien 6 und 11, sodass ich punktgenau auf eine Strassenbahn gehen kann. Immer, wenn ich zum Barfi komme, erstaune ich allerdings, dass die Linie 6 noch viele Minuten brauchen soll, sagt zumindest die Anzeigetafel, aber sie hat meistens Unrecht: Das Tram erscheint zu der Zeit, die bei mir angegeben ist, Abweichungen bis zu 3 Minuten sind an der Tagesordnung. Übrigens kommt auch oft nicht das Tram zuerst, das oben auf der Tafel steht, engültig weiss die Elektronik und damit die Anzeige erst, welcher Wagen anrückt, wenn betreffender Wagen das Stöckli passiert hat. Und dann weiss es auch der Fahrgast, der am Barfi steht, wenn er nicht extrem kurzsichtig ist. Die Basler Anzeigetafeln sind also alles andere als perfekt. Jetzt aber hat die Anzeigenmisere eine Steigerung erlebt: Ganz häufig ist auf der Tafel nur ein einziger Satz zu lesen: Bitte Fahrplan beachten. Hallo? Das tue ich doch sowieso, wozu dann eine Leuchtanzeige? Wahrscheinlich, um Nervenzusammenbrüche und Selbstmorde von Menschen zu verhindern, die ob der Orientierungslosigkeit nicht auf den rettenden Gedanken kämen: Da drüben hängt noch ein Fahrplan, auf Papier, gedruckt, old-style.
Eine weitere Sache sind dann die Tafeln, auf denen gar nichts mehr steht. Soll ich jetzt auch nicht mehr den Fahrplan beachten? Ist der auch falsch? Oder warum gibt es nur noch apokalyptische Schwärze? Und was ist dann davon zu halten, wenn solche Tafeln zusätzlich eingehüllt werden? Was soll verhindert werden? Dass jemand stundenlang auf die dunkle Tafel schaut und in Trance fällt? Nein, wahrscheinlich spielt die LCD-Anzeige so verrückt, dass sich obszöne Wörter und Bilder formieren. Man stelle sich vor, da stünde einfach f..... Da muss man schon verhüllen.
Bei der SBB hat man sich nun angepasst, damit der Übergang Tram - Zug reibungslos verläuft. Da liest dann der Reisende:
8.05      ICN         Olten - Bern - Thun
    Z&&&   öööö
                zt
Dann das grosse Klackern, Sie kennen das, alle Buchstaben und Zahlen werden durchgeklickt, jedesmal ein spannender Moment, und dann lesen wir:
8.05       ICN        Olten - Bern - Thun
          66        hh
                 %
Wie gut, dass der Fehler nicht Olten - Bern - Fankfurt heisst, das ist für Amerikaner und Japaner, die die Geographie hier nicht so gut im Kopf haben, sehr verwirrend.
Wir fliegen zum Mond, bekommen aber keine Anzeigetafel hin, wir schiessen Teilchen quer durch die Welt, um endlich das 13. Früchtequarks zu finden, schaffen es aber nicht, einen unkomplizierten und kundenfreundlichen Fahrkartenautomaten zu bauen, wir haben bald den Quantencomputer, werden aber nie ein Schreibprogramm besitzen, das auf Mac und PC gleich gut funktioniert.
Warum fangen wir nicht einmal an, die ganze Schrotttechnik des letzten Jahre zu verbessern, bevor wir immer weiter denken? Ja, ich weiss, die Alltagstechnik entsteht als Abfallprodukt der anderen, aber mussten wir wirklich 100 000 Billionen der NASA spenden, damit dann als Nebensache das Teflon herauskommt? Hätte man Teflon nicht auch ohne Apollo X basteln können?
Überlegen Sie sich das mal, ich muss jetzt aufs Tram.
Sagt meine Pinwand - und die stimmt.

Donnerstag, 15. November 2012

Maitressenwesen als Lösung für die CIA

Früher war alles besser. Der König, Herzog, Graf, Fürst oder was auch immer, hatte eine Ehefrau, die war Königin, Herzogin usw. und zuständig für Repräsentation und Kindergebären. Also für Reich und Stammbaum. Nebenbei hatte der König, Herzog, Graf, Fürst oder was auch immer eine Maitresse, die für die anderen Dinge wie Freizeit und Sex zeichnete. Dabei waren die Maitressen keine Huren, sie waren kluge, gebildete und kunstinteressierte Frauen, die in ihrem kleinen Palais ein eigenständiges und aktives Leben führten. Viele sind uns bekannt: Die Pompadour, die Dubarry und Franziska von Hohenheim, die warmherzige Maitresse des Württembergischen Despoten Carl Eugen. Schiller hat ihr in Kabale und Liebe in der Figur der Lady Milford ein Denkmal gesetzt.
Nun war der König, Herzog, Graf, Fürst oder was auch immer natürlich seiner Maitresse auch nicht immer treu, neben Stammmutter und Gespielin vernaschte er Bäuerinnen, die zur Audienz kamen, Küchenmädchen, Gärtnerinnen und Stubenzofen. Aber das war nicht offiziell, das lief so nebenbei. Niemals hätte er sich den Namen gemerkt oder sie am nächsten Tag angesprochen. Kinder von solchen Weibern wurden nicht legitimiert, die von den Maitressen schon, und wenn die Königin unfruchtbar war, ging der Thron an eine Seitenlinie, so in Baden von den Zähringern zum Haus Hochberg, dem heutigen Haus Baden. Niemals, gar niemals, nie, nie nie hätte der König, Herzog, Graf, Fürst oder was auch immer einem Küchenkätzchen einen Brief oder ein Billett geschickt. (Da gibt es einen Unterschied, hat was mit der Faltung zu tun, diagonal oder gerade, ich musste das mal für Briefroman im 18.Jh bei Frau Dr. Torra-Mattenklott - heisst wirklich so - lernen.) Bäuerinnen, die zur Audienz kamen, Küchenmädchen, Gärtnerinnen und Stubenzofen hätten das auch gar nicht lesen können. War ja alles Französisch.
Heute ist alles schwierig. Da hat ein hohes CIA-Tier eine Ehefrau, zwei Geliebte, und die teilt er sich auch noch mit einem anderen Offizier. Und schreibt SMS. Nun hat Obama ein Problem: Was ist da wie und von wem und warum und auf welche Weise halb um den Globus geschickt worden?
Die Lösung liegt auf der Hand: Der Minister, CIAler, FBIler oder was auch immer hat in Zukunft eine Ehefrau, für Galas im Weissen Haus und für die Kinder, er hat dann noch eine Maitresse, mit der in Malibu oder Florida Ferien macht. Beide sind in die Politik involviert und die Kommunikation liegt offen. Sonstiges Personal wird an Ort und Stelle vernascht, Soldatinnen, Cateringschnepfen, Stewardessen, da gibt es aber auch keine SMS, Chat, E-Mail, Facebook oder sonstiges.
So und nicht anders muss das laufen.
Und wenn Sie jetzt einwenden, dass Minister, CIAler, FBIler oder was auch immer keine Könige, Herzöge Grafen, Fürsten oder was auch immer seien: Sie verhalten sich aber auch so.
Männer, die als gewissenhafte und anständige Funktionsträger innerhalb einer Demokratie für das Allgemeinwohl arbeiten, sind auch sonst anständig.

Montag, 12. November 2012

Schavan, die dritte oder: Ein Experiment

Vor vielen Jahren startete die satirische Zeitschrift Der Rabe ein Experiment. Sie verschickten Auszüge aus Musils Mann ohne Eigenschaften an sämtliche namhaften Verlage in Deutschland mit der Bitte, den Text herauszubringen. Das Ergebnis war eine Komödie erster Güte. Die einen zweifelten sehr an der Qualität des Romans, die anderen behaupteten, er würde nicht in ihr Verlagsprogramm passen, darunter auch Rowohlt, obwohl dieser Verlag ja ständig mit Stolz darauf hinwies, 1930 die Erstausgabe gedruckt zu haben. Es hatte einfach kein Lektor den Text erkannt.
Dies führte mich zu einem ähnlichen Experiment. Ich verschickte eine Anfrage an sämtliche deutschen Musikwissenschafts-Fakultätsvorstände mit drei Vorschlägen für Doktorarbeiten:
1.) Giovanni Biccini - Leben und Werk
2.) Musikgeschichte Flevolands
3.) Die 12-Ton-Technik beim späten Richard Strauss
Prof. Dr. Schübelbein aus Marburg schrieb mir, er sei sehr an 1.) interessiert, ich könne mich aber auf das Werk beschränken. Guter Mann! Hatte er die herrliche Affäre vergessen, bei die Mitarbeiter des Riemann-Lexikons ihrem Übervater den Komponisten Biccini hineinschmuggelten, mit so tollen Kompositionen wie die Missa supra sine (Messe oben ohne), um herauszufinden, ob Riemann es finden würde? Tatsächlich überlas es der Gute, und viele Jahre geisterte Biccini durch die Nachschlagewerke. Trotzdem gab es ihn nie.
Frau Prof. Ya-Sager - diese herrlichen binationalen Doppelnamen, schön auch Un-Fähig - aus Tübingen äusserte Interesse an 2.), gab aber zu bedenken, dass ich unbedingt einen Fachmann für Niederländisch hinzuziehen müsse, immerhin ginge es ja auch dann um Alt- und Mittelniederländische Quellen. Ja, da wird exakt gearbeitet in der Neckarstadt! Nur, liebe Frau Ya-Sager, Flevoland gibt es seit 1986, da wurde immer das heutige Idiom gesprochen, ich kann jede Quelle lesen. Zur Zeit des Altniederländischen sangen da nur die Möven und blubberten die Fische, das Land wurde erst im 20. Jahrhundert dem Meer abgewonnen.
Und 3.)? Das war natürlich zu simpel. Aber Prof. Dr. Dr. Dr.hc Flobinger aus Berlin schrieb mir, ich könne doch über die Vermeidung der Dodekaphonie bei Strauss schreiben. Gut, immerhin hat der Mann gemerkt, dass der letzte Spätromantiker keinen einzigen atonalen Takt hinterlassen hat, aber wie soll man hier Vermeidung feststellen? Bewusst vermeiden muss man nur simple Dinge, kein Mensch sagt doch: "Ich muss den ganzen Tag aufpassen, dass ich nicht aus Versehen die Yoga-Position Sonnengruss mache." "Ich achte beim Kochen darauf, dass keine Tschuz-Wurzeln ins Essen gelangen." Soll ich die Vier letzten Lieder so durchgehen: "Hier schreibt Strauss d-fis-a um nicht AUS VERSEHEN eine Zwölftonreihe zu schreiben?"
Ich hätte also sofort anfangen können, mit einer völlig schwachsinnigen Promotion. Und das ist der Unterschied zwischen Verlagen und Fakultäten: Bei Unkenntnis, Unbildung oder - und das müssen wir auch einmal sagen, denn die Personalschlüssel sind so, dass nirgendwo mehr sauber gearbeitet werden kann! - Überlastung wimmeln die Verlage ab. Und das sollten die Hochschulen auch tun.
Wer meint, 150 Doktoranden können in einer Fakultät noch sinnvoll betreut werden, lügt sich in die Tasche.

Donnerstag, 8. November 2012

Vorschläge für Obama

Hallo, Mr. President!

Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl. Nun liegen vier weitere Jahre vor Ihnen und viele Probleme. Vor allem finanzielle. Daher habe ich ein paar Ideen zu Papier gebracht, wie Sie einfach zu Geld kommen und Geld sparen können.

a) Land verkaufen
Brauchen Sie Alaska wirklich noch als Bollwerk gegen den Bolschewismus? Geben Sie es doch den Russen zurück, zum 10fachen Preis natürlich, es gibt ja inzwischen Öl dort. Und die Schweiz hätte gerne Hawaii, wir brauchen nämlich als Segelnation ein Meer, ja, wir können Englisch, das ist kein Problem. Und Iowa geht an die Japaner, in diesem öden Staat ist so viel Platz und die Insel unter der roten Sonne platzt aus allen Nähten.

b) Eintritt im Süden
Sie bauen den Grenzwall zu Mexiko richtig gut aus und verlangen dann Eintritt. Zusätzlich siedeln Sie alle Homelesspeople dort unten an, da spart man sich auch die Wärmestuben, in Arizona ist es nämlich warm, wenn dann so ein Mexikaner seine 20 Dollar Eintritt bezahlt hat, darf er die USA besuchen, sieht das ganze Elend und denkt: "Habe ich daheim auch, gehe ich wieder nach Nogales."

c) CIA verkleinern
Sie haben einen der teuersten und ineffizientetsen Geheimdienste der Welt. Ach, nicht? Ich erinnere nur an den 9.11., da haben die Jungs ja gar nix gebracht. Gut, man kann immer mit 500 Anschlägen argumentieren, die man verhindert hat, kann ja niemand nachprüfen. Mein Vorschlag: Extrem verkleinern und mit Freiwilligen arbeiten, die Deutschen schicken ein paar Ausbilder, die haben da ja Übung drin, vielleicht sogar jemand der NS-Blockwart UND Stasi-IM war. Motto ist: Wir brauchen keine Profis, wir bespitzeln uns selber.

d) NASA
Die Weltraumorganisation ist noch teurer als die CIA, und was bringt sie? Gut, man hat festgestellt, dass es auf dem Jupiter Eisen gibt, aber was nutzt das Leuten mit Eisenmangel? Kann ja keiner runterbeissen vom Jupiter. Nun hat Disney ja Krieg der Sterne gekauft, und was liegt näher als eine Kooperation? Es wird gleich im Weltall gedreht, vielleicht sogar eine Live-Soap, oder eine Wiederauflage von Schweine im Weltall mit Angie als Miss Piggy, die entsorgen wir dann da auch gleich.

e) Indianer zurück in die Heimat
Was bringen Ihnen die Indianer? Nichts ausser Patchworkdeckchen und Regentänze für die Touris! Also schütten wir die Behringstrasse wieder auf und schicken die Leute, die ständig Subventionen verlangen, wieder heim, in die Mongolei, wo sie herkamen. Halt, Scheisse! Geht ja gar nicht! Wir haben Alsaka ja verkauft! Also vielleicht erst die Indianer heim und dann verkaufen.

f) Mehr Nevada!
Es gibt noch so viele Staaten mit endlosen Weiten, die nach Wirtschaftsförderung schreien. Bauen Sie doch Spielcasinos, Wetttempel und Zockerbuden wie in Las Vegas. Dann müssen die New Yorker nicht mehr 4-5 Stunden fliegen, um all ihr Geld los zu werden, sie haben die Glitzerwelten in Carolina oder Ohio.

Also, Mr.President, an die Arbeit, es gibt viel zu tun.

Dienstag, 6. November 2012

Sponsoringideen meiner Leser oder: Anything goes

Vielen, vielen Dank für die vielen Zuschriften! Viele meiner Leser haben Ideen für Kultur- und speziell Opernsponsoring geäussert, die meisten noch viel radikaler als meine.
Hier die besten:
1.) Sponsoren, die nichts beisteuern oder aus dem Sponsorenkreis aussteigen, werden genannt. Das ist - wie mir ein Kollege berichtete - sogar schon vorgekommen. In einer kleinen Gemeinde trat der Vorsitzende des Musikvereins vor die Zuhörer und bat sie, die örtlichen Geschäfte, die fleissig gespendet hatten, beim nächsten Einkauf zu berücksichtigen. Dann sagte er: "Nichts gegeben haben..." Das ist doch wunderbar! Stellen Sie sich vor, wie das aussähe, wenn bei den Sinfoniekonzerten auf den Plakaten stünde: "Ausgestiegen: NOVARTIS" (Ist so!)
2.) Productplacement in Verbindung mit Liveübertragung. Die Met hat es vorgemacht, mehrere deutsche Bühnen machen es nach, bestimmte Vorstellungen werden mit vielen Kameras auf Kinoleinwände gespielt. Hier könnte man nun das tun, was bei einer Theaterbühne nicht geht, nämlich Kleinigkeiten zeigen. Den Ring zum Beispiel! Jedesmal wenn Wotan, Fafner, Brünhilde den Ring hochheben, dann: Grossaufnahme! So gross, dass man deutlich den Namen lesen kann. Und natürlich trägt Wotan eine ROLEX, wie James Bond.
3.) Ein Leser schreibt mir, man könne doch die vielen Namen, die auf den Programmzetteln stehen und nur Vor- oder Nachnamen sind, ergänzen. Wie heissen den Rigoletto und Gilda mit vollen Namen? Könnten sie nicht Gucci, Ferrari oder Barrila heissen? Das ist in der Tat eine gute Idee. Die Argumenatation von Max P. aus D. ist allerdings falsch. Er behauptet, Daimler-Benz habe die Carmen gesponsort, und daher heisse die Freundin Mercedes. Er behauptet ebenso, 4711 habe Puccini zur Tosca angeregt. ("Mit Tosca kommt die Zärtlichkeit", kennen nur noch die Grufties, also meine Generation.) Das stimmt alles irgendwie zeitlich nicht. Aber egal.
4.) Die radikalste Innovation schlägt Herr Pups aus Pforzheim vor: Ganze Opern gleich von den Firmen in Auftrag geben lassen. Dann wird Ikarus nicht abstürzen, sondern sicher in Toulouse landen und eine Flugzeugfirma gründen. Dann wird Ariadne auf Naxos zusammen mit Bacchus einen Club Mediterranee eröffnen, dann werden die Drei Orangen zu einem wunderbaren Fruchtcocktail verarbeitet. (Wussten Sie eigentlich auch nie, aus welchen Früchten die komischen Stücke bestanden? - Das war wieder an die Grufties.) Und sagen Sie jetzt nicht, das wäre nicht schon vorgekommen. Bei Vergil stand eines Tages Augustus vor der Türe und sagte: "Schreibe ein Epos, aber bitte so, dass die Römer gut und die Griechen und Karthager böse sind und dass ich, der göttliche August, von der Venus abstamme. Und Vergil schrieb, und sein Machwerk ist gar nicht so schlecht.
Sie sehen, es gibt noch viel zu tun. Dieser Blog bleibt aber frei, ungesponsort, deshalb erwähne ich auch nie irgendwelche Namen.
Sie haben mich gestern gesehen, wie ich eine Weltreise für 120 000.- gebucht habe?
Zufall.

Donnerstag, 1. November 2012

Werbung auf der Übertitelungsanlage

Kultur braucht Geld. Und da die Kirche, das Bürgertum, die Monarchen, der Staat, die früher finanzierten, irgendwie ausgestiegen sind, müssen nun Sponsoren her. Die zahlen viel Geld, um dafür auf Plakaten oder in Programmheften genannt zu werden. Aber der Kampf wird härter. Wer viel Moos rüberwachsen lässt, kann auch Bedingungen stellen. So war ich doch ein wenig baff, als ich neulich im Stadttheater Castrop-Rauxel das Folgende auf der Übertitelungsanlage las. (Es handelt sich übrigens - für die Ungebildeten - um die Blumenarie aus Carmen.)

Die Blüte,
kommt mit Fleurop
die du mir zugeworfen hattest,
ist mir in meinem Gefängnis geblieben;
bei Rechtsstreitigkeiten: ARAG
verwelkt und trocken
trocken den ganzen Tag mit Pampers
bewahrte diese Blüte stets ihren süssen Duft;
guter Duft auch für Sie mit Febren
und ganze Stunden lang
Zeit für sich nehmen mit ROLEX
 
auf meinen Augen
Brille: Fielmann
bei geschlossenen Lidern,
UHU klebt alles zu
berauschte ich mich an diesem Duft,
BOSS und AZARRO bei DOUGLAS
und in der Nacht
der Tag geht - Jonny Walker kommt
sah ich dich. Ich begann dich zu verfluchen,
Always connected with Yahoo
dich zu verachten, mir zu sagen:
Warum musste das Schicksal
Ihr Horoskop bei astrostar.de
sie mir über den Weg schicken?
Navis bei MEDIA MARKT
Dann klagte ich mich der Blasphemie an,
und ich fühlte in mir selbst
Rennie gegen Völlegefühl
nur ein einzig Verlangen, eine einzige Hoffnung,
dich, o Carmen, wiederzusehen, ja, dich wiederzusehen! ...
Stayfriends: alte Freunde wiedersehen
Denn du hattest nur erscheinen,
nur einen Blick auf mich werfen müssen,
um mein ganzes Wesen in Besitz zu nehmen,
Grundbesitz erwerben mit Commerzbank
o meine Carmen,
und ich gehörte dir an.
Carmen, ich liebe dich!
Liebe geht durch den Magen! MAGGI

Man kann nur inständig hoffen, dass das Beispiel keine Schule macht und nicht auf die Inszenierungen übergreift. Wer will schon eine Götterdämmerung mit roten, grünen und gelben Bärchen, nur weil HARIBO der Hauptsponsor ist? Oder wer eine Traviata, bei der die Abendgesellschaft ganz, ganz, ganz, also hautnah zum Publikum kommt, damit man die Sektmarke erkennt? Obwohl product placement doch noch neue Wege eröffnen würde...