Freitag, 28. April 2017

Der Hitlervergleich, das dümmste politische Spiel



Erdogan hat schon Merkel…
Erdogan hat schon die Niederländer...
Der Sprecher von Trump hat schon Assad…
Putin hat schon den Westen…
Schäuble hat schon Putin…
Der Westen hat schon Gaddafi…

Hier könnte stehen: geschlagen, getreten oder gebissen. Auch geliebt, geküsst oder gestreichelt. Erst recht mit Sahnetorten beworfen oder mit Schlamm beschmissen. Erst gehört aber natürlich hinein
…mit Hitler verglichen.

Der Hitler-Vergleich gehört zu den beliebtesten Spielen in der internationalen Politik. Und wie viele Spiele ist er ein Spiel mit dem Feuer. Der HV – wir kürzen jetzt mal ganz nett ab – ist zwar unglaublich reizvoll, kann aber dem HVer nur schaden. Mit einem HV sägt man an dem eigenen Stuhl, man befördert sich auf den politischen Schleudersitz und übergiesst sich selbst mit Jauche. Deswegen stellt sich die Frage, warum es so viele juckt, sich des HVs zu bedienen.

Der HV ist immer und grundsätzlich falsch. Und zwar nicht nur aus dem Grund, dass ein Vergleich mit diesem Übermonster, mit diesem singulären Totalschwein die Opfer verhöhnt – vor allem, wenn man wie der Vollpfosten Spicer noch sagt, Hitler habe kein Giftgas eingesetzt – sondern aus einem einfachen und simplen Grund.
Tolstoi schrieb am Anfang seiner Anna Karenina
Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.



In Abwandlung dieses wunderbaren Bonmots möchte ich schreiben:
Alle wahren Demokraten gleichen einander, jeder Tyrann ist auf seine eigene Weise tyrannisch.

Sie glauben mir nicht? Ist aber so; jede Demokratin und jeder Demokrat hat einen engen Spielraum, enge Grenzen, enge Möglichkeiten, sich auszuleben. Die Grenze, das Limit, das man nicht überschreitet, ist das Gesetz, die Verfassung. Man kann einem Amt wie dem des Bundeskanzlers oder des Präsidenten in geringem Masse eine persönliche Note verleihen, ist aber an ca. 4000 Paragraphen gebunden. Einem Diktator steht die Welt offen, und so kann jeder auf ganz eigene Weise seine Schweinereien ausleben. Man kann die eigenen Städte bombardieren oder die des Nachbarlandes, man kann seine eigene Metropole anzünden und dazu zur Harfe singen, man kann  Ethnien einsperren, erschiessen, vergasen, man kann Gegner foltern, verhaften und töten, der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Man kann jeden Tag vor dem Frühstück eine Jungfrau vernaschen oder vor dem Abendessen einen Jungmann, man kann sich Märsche oder Hymnen schreiben lassen, zu denen man dann durch die Hauptstadt zieht, man kann sich Denkmäler setzen oder befehlen, dass in jedem Zimmer des Landes das eigene Bild hängt.

Alle wahren Demokraten gleichen einander, jeder Tyrann ist auf seine eigene Weise tyrannisch.

Jede noch so perverse Vorliebe, jeder noch so gestörte Tick kann hier zur Vollendung kommen, denn wer soll mich daran hindern? Wenn ich mein gesamtes Hauspersonal (30 Kammerdiener, 50 Leute Küche, 20 Gärtner, 25 Chauffeure und 80 Mensch Putzkolonne) eigenhändig mit Brandzeichen versehen möchte, wer fällt mir in den Arm? Wenn ich alle 67 Kirchen der Hauptstadt (egal ob katholisch, protestantisch oder orthodox) sprengen lassen will, wer entschärft die Bomben? Wenn ich sämtlichen Nachbarstaaten den Krieg erklären will, einfach weil mir so unendlich langweilig ist und mich meine Computerspiele (War of States, War of Worlds, Civil War, War of Planets…) doch nicht mehr befriedigen, welcher meiner Generäle wird sich weigern, die Mobilmachung zu vollziehen?

Alle wahren Demokraten gleichen einander, jeder Tyrann ist auf seine eigene Weise tyrannisch.

Insofern ist der HV das dümmste und infamste Spiel, das die internationale Bühne erfunden hat. Erstaunlich ist, dass so wenige HVer ihren Hut nehmen mussten. Und man kann nur hoffen, dass in Zukunft jeder – ja, jeder, Frauen machen den HV so selten wie sie Tyranninnen werden, gibt uns das nicht zu denken – gehen muss, der dieses Spiel spielt.

Erdogan hat schon Merkel…
Erdogan hat schon die Niederländer...
Der Sprecher von Trump hat schon Assad…
Putin hat schon den Westen…
Schäuble hat schon Putin…
Der Westen hat schon Gaddafi…

Bitte hört auf, bitte!



Montag, 24. April 2017

Überbucht!!!!



Hatten Sie schöne Osterferien? Das wollte ich Sie fragen. Ja, hatten Sie? Ach, Sie waren im Süden. Das war auch genau das Richtige bei den Sibirischen Temperaturen, die bei uns herrschten…
Hat alles geklappt mit Flug und Hotel? Ja? Ich meine, hat man Ihnen einen Platz in dem Flieger gegeben, den Sie gebucht und ein Zimmer in dem Hotel, das Sie im TUI-Katalog ausgewählt hatten? Ja, lachen Sie nicht. Das ist gar nicht mehr selbstverständlich heutzutage.

War es übrigens noch nie. Der Talmud erzählte folgende Variante einer Geschichte aus der Thora:
Als Noah von Jahwe den Auftrag bekam dieses Riesenschiff zu bauen, da kam es ihm doch etwas zu riesig, zu gewaltig, es kam ihm doch zu wuchtig und grandios vor, also machte er es etwas kleiner. Und es passten auch alle Tierpaare rein, alle – bis auf die Dinos, die kurz vor der Abfahrt noch behäbig antrabten. Und für die Brontos und Velocis, für die Tyrannis und Tricis gab es nun wirklich keinen Raum mehr, die Arche Noah war überbucht. Und so mussten die Dinosaurier draussen bleiben und ertranken alle und starben aus.

Auch diese Geschichte ist sehr alt:
Bei der Hochzeit von Thetis und Peleus hatte man Platz für alle Gottheiten geschaffen, nur ein Hocker fehlte. Na ja, dachte das Brautpaar, alle werden schon nicht kommen, Hermes ist bestimmt unterwegs und Zeus in einem Menschenfrauenbett und Dionysos sicher wieder betrunken und Helios muss ja eh früh aufstehen und kann abends eigentlich nicht so gross was machen, alle werden also nicht da sein, aber weit gefehlt: Alle kamen und der Raum war überbucht, und die zuletztgekommene Eris war so sauer, dass sie den berühmten Apfel warf und die Folge war bekanntlich ein ziemlich gewaltiger Krieg.

Überbuchen hat also eine lange Tradition, aber nie wurde das Prinzip mit solcher Leidenschaft angewandt wie zurzeit; da werden Fluggäste auf Flüge in 15 Stunden vertröstet, da werden Hotelgäste in andere Etablissements gekarrt, weil kein Platz mehr da ist.
Überbuchen.
Eigentlich ein furchtbarer Euphemismus, denn es ist schlicht und einfach Betrug. Sie verkaufen nämlich Dinge, die Sie nicht haben, Sie verkaufen den 351. Sitzplatz, den es nicht gibt, Sie verkaufen das 61. Einbettzimmer, das nicht existiert. Und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Überbuchen ist eine Folge eines falschen Umgangs mit Statistik.
Stellen Sie sich vor, Sie führen das Quatuor pour la fin du temps auf und haben einen Saal mit 100 Sitzen, freie Platzwahl. Jetzt würde jeder vernünftige und anständige Erdenbürger einfach 100 Karten an den Menschen bringen. Der unanständige und unvernünftige denkt nun aber: Statistisch erscheinen 4 von 100 Besuchern nicht – obwohl sie ein Ticket haben. Manche werden krank, manche vergessen einfach den Termin, manche lässt der Flurspiegel nicht vorbei (…so kann ich unmöglich unter die Leute!), manche googeln noch schnell Messiaen und stellen fest, dass das ja ein MODERNER ist und schliesslich gibt es Personen, die eine halbe Stunde vor Konzertbeginn eine plötzliche und heftige Aversion gegen Kammermusik überkommt. Wenn nun also vier Plätze leerbleiben, so denkt man, kann man vier Plätze mehr verkaufen.
Es sind aber IM DURCHSCHNITT vier Plätze frei, manchmal sind es ganz viele und manchmal, wenn niemand krank ist und niemand vergisst, wenn alle Flurspiegel das Outfit gnädig durchwinken und wenn alle, die ein Ticket gekauft haben, vorher wussten, dass Messiaen nicht wie Brahms klingt und wenn keinen oder keine eine Akutkammermusikaversion überfiel, dann kommen eben alle und die 4, die dann stehen müssen, sind sauer.

Überbuchen heisst Betrug.
Überbuchen heisst Dinge verhökern, über die Sie nicht verfügen.

Natürlich kommt man Ihnen als Nachsehenhabende(r) entgegen. Auf dem nächsten Flug werden Sie upgegradet und erhalten einen Verzehrbon für die Wartezeit. Aber mal ganz ehrlich: Was ist ein Glas Schampus und ein Lachsbrötchen und ein Hühnchen mit Reis und ein Rotwein gegenüber den 8 Stunden, die Sie später am Strand liegen?
Bei Hotels ist das noch netter, da bestellt man Ihnen ein Taxi zu einem Hotel einer höheren Kategorie, ein Hotel, das allerdings irgendwo liegt, man versichert Ihnen zwar noch, das sei Innenstadt, weil der Abstand zum HBF gleich sei, aber das ist natürlich Schwachsinn. Wehe Ihnen, wenn Sie gerade diese Herberge gewählt haben, weil Sie direkt neben dem Theater oder dem Konzertsaal liegt…

Sie hatten also schöne Ferien? Alles hat geklappt?
Wie gesagt: Glück gehabt.
In Zukunft empfiehlt es sich nämlich, 13 Stunden vor Abflug sich schon im Schlafsack in die Schlange zu legen, denn die Letzten werden hier eben nicht die ersten sein, sondern die Letzten kriegen keinen Platz mehr.

                                                        

Freitag, 7. April 2017

Blogpause - Tipps für ein modernes Ostern



Liebe Onliner,

wir machen eine Osterpause bis zum 25.4. Sie sollen schön Zeit haben, das Osterfest und die Nachostertage so richtig zu feiern. Und wie immer entlasse ich Sie in die blogfreie Zeit nicht ohne ein paar Tipps, wie Sie die gewonnenen Sekunden, Minuten und Stunden so richtig nutzen können. Und weil es ja eine Osterfeiertageblogpause ist, hier ein paar Ratschläge für kreative, moderne Ostern. Ein Ostern, das mit der Zeit geht, das aktuell und aptudäit, das im 20. Jahrhundert angekommen ist.

1.)    Der Palmesel

Bei uns zu Hause gab es am Palmsonntag den «Palmesel». Der, der an diesem Sonntag vor Ostern als Letzte(r) aufstand, wurde den Tag über als «Palmesel» bezeichnet. (Für Nichtbibelkundige: Jesus ritt auf einem Esel in Jerusalem ein.) Nur in der Familie war das natürlich wenig lustig, es war eh klar, dass das meistens ich wurde – die mich kennen, können sich jetzt vorstellen, wie früh meine Eltern aufstanden. Heutzutage wäre das natürlich viel lustiger, das Palmeselsuchen auf den ganzen Freundeskreis auszuweiten: Wer am 9.4. wach ist, meldet sich via Social Media, wer dies als Letzte(r) tut, wird der Esel. Der oder die übrigens keine speziellen Strafen bekommt, er oder sie ist einfach der Esel und fertig.

2.)    Der Palmwedel
Am Palmsonntag wird ja nicht nur der Esel bestimmt, sondern es wird auch mit Palmen gewinkt. Hier kann man nun ein wenig von den traditionellen Materialien wegkommen. Auf www.palmwedel.ch oder www.winkenmitpalme.de sowie auf www.palmzweige.com aber auch auf www.palmsonntag.ch werden ungewöhnliche Palmzweigideen vorgestellt, darunter Palmwedel mit indischen, japanischen, mit chinesischen, aztekischen, Palmwedel mit keltischen oder afrikanischen Kräutern, also solche, die einen sehr speziellen Duft ausströmen, natürlich ist auch ein Haschpalmwedel darunter, der dann am Nachmittag gleich konsumiert werden kann.
3.)    Das Eierbemalen
Das Bemalen der Ostereier gehört zu den schönsten Beschäftigungen in der Frühlingszeit. Aber auch hier sollte man mit der Zeit gehen und reine Ornamentik, sowie Vögelchen, Sönnchen, Zweiglein und Häschen vergessen. Der wahre Kunstliebhaber gestaltet seine Eier im Stile von Richter, Baselitz oder Rothko, er färbt blue over orange oder – wenn er die Lizenz zahlen kann – gleich in Yves Klein-Blau. Der oder die eher witzig und provokant aufgelegte Eierbemaler(in) zeichnet hier dann etwas, was die Leute ein bisschen erschreckt. Wie wäre es mit den Motiven «Osterhasen beim Sex» oder «Vögelchen beim Suizid» oder «Lenzlandschaft mit Atompilz»?
Auf keinen Fall etwas Dekoratives, Normales, auf keinen Fall etwas Schönes und Liebes, das ist out.

4.)    Der Osterbrunch

Abgesehen davon, dass Brunchen sowieso der letzte Blödsinn ist – Frühaufsteher sind bis um 11.00 verhungert und Spätaufsteher sind müde, tranig und schlecht gelaunt – kann auch hier sehr innovativ gehandelt werden. Hefezöpfe sind alte Zöpfe, die nicht auf-, sondern abgeschnitten gehören; Eier hängen einem am Ostersonntag eh nicht nur am Zweig, sondern schon zum Halse heraus. Und wer Tomate-Mozzarella noch für innovatives Cooking hält, ist so out, wie Altgrüne, die immer noch Häuser in der Toscana kaufen. Wie wäre es stattdessen mit einem Insektenbrunch? Schmetterlinge in Currysauce, Bienen nach Frühlings-Art, gratinierte Heuschrecken und gegrillte Tausendfüssler sind hier nicht nur sehr lenzhaft, sondern weisen auch auf die Ernährung in zwanzig Jahren hin. Oder wenn schon nicht so radikal, dann wenigstens vegan, Rohkost, rohkostvegan oder Ayurveda…  

5.)    Das Eiersuchen

Im Garten rumzulaufen und nach Eiern zu wühlen ist wohl das Hinterletzte, was ein vernünftiger Mensch machen möchte: Dreckige Hände, Zeckengefahr und die beissende Nase aufgrund des Heuschnupfens.
Verstecken Sie doch lieber die Eier virtuell, die lieben Kleinen (und Grossen) können dann ganz bequem am PC, Gameboy, am Laptop oder Tablet, können am Handy oder der Konsole ihre Ostereier aufspüren. Man kann die Osternester sogar beweglich schalten und alle möglichen Landschaften programmieren. Und während dann Carl (8) im Grand Canyon einem Marzipanei hinterherrennt, jagt Max (10) ein Schoggiei auf den roten Klüften des Mars, indes Lea (6) ihr Osternest am Pol mit einem Eisbären teilt. Auf jeden Fall müssen die Kleinen nicht nach draussen, was uns zum letzten Punkt führt:

6.)    Osterspaziergänge

Unbedingt, auf jeden Fall, ohne Ausnahme und ohne Diskussion:
Vermeiden!
Wir wissen, was bei jener berühmten Wanderung, bei der die Ströme und Bäche vom Eise befreit waren und des Volkes wahrer Himmel tobte, wo im Walde Hoffnungsglück grünte und die Völker hinten in der Türkei…
Der Spaziergänger brachte den Teufel mit nach Hause.
Also ja nicht spazieren gehen!

In diesem Sinne bis in 2 Wochen und Schöne Ostern!