Donnerstag, 31. Mai 2012

Wo ist Berlin???

Sie haben wahrscheinlich das Video auf You Tube gesehen: Angela Merkel muss auf einer Europakarte Berlin suchen und zeigt auf Moskau. Lachnummer? Ich möchte die Bundeskanzlerin heute extrem in Schutz nehmen. Merkel hat sicher in ihrem Büro eine Deutschlandkarte, und da liegt die Bundeshauptstadt eben oben links, und jetzt zeigt man ihr auf einmal ganz Europa, und da liegt Berlin in der Mitte! Das ist doch auch extrem schwierig.
Ich bin x-mal in Muskelshirt und Shorts aus dem Hause gegangen, weil ich im Radio gehört hatte, im Süden sei es sehr warm und sonnig, und habe mir eine Erkältung geholt, denn für das SWR 2-Wetter liegt die Region Basel im Süden, für DRS 2, was ich gehört hatte, liegt Basel im Norden, das ist doch einfach zu kompliziert. Wieso ist die gleiche Region einmal südlich und einmal nördlich? Man kann sich doch nicht ständig an andere Verhältnisse gewöhnen, das kann man doch von keinem Menschen verlangen. Und von Politikern schon gar nicht.
Früher war alles klar und eindeutig.
Beispiel? Früher war die Welt klar und präzise geteilt, der Westen war gut, christlich, anständig, friedlich, hinter dem Vorhang war der Osten, der war böse, kommunistisch, unanständig, kriegerisch, schlecht. Auf der einen Seite des Grenzzaunes waren die Monster und auf der anderen die Engel.
Wenn Wahl war, gab es drei Parteien, CDU oder SPD gewannen, und die FDP ("Finde den Partner") schlug sich dem Sieger zu.
Heute ist alles furchtbar kompliziert, die Welt ist vielschichtig und nicht mehr zweigeteilt, die Parteienlandschaft ist unüberschaubar geworden. Dabei bräuchten wir doch klare, ja, klare Verhältnisse, dann kämen auch die Politiker wieder draus. Es ist doch kein Wunder, dass da eine Angela Merkel einfach überfordert ist, eine Stadt zu finden!
Also schaffen wir doch daran, wieder einfache, idiotensichere Tatsachen zu schaffen: Die Welt ist rund, Männer können besser einparken und Atomkraftwerke sind sicher.
Wissen Sie eigentlich, wo Ihre Stadt auf einer Europakarte liegt? Wo auf einer Weltkarte? Wenn nicht, dann üben Sie mal. Ist nämlîch gar nicht so leicht.

Dienstag, 29. Mai 2012

Sportlich?

Am Sonntag hatte ich zwei Freunde zum Spargelessen eingeladen: Mark, internetbegeisterter Detailhändler und Fridolf, Investmentbanker. Der Abend - nein, ich will jetzt eigentlich nicht über die Frage diskutieren: Wie machst du Spargel? Ich mache sie mit Schinken, Backkartoffeln und Käsesauce, aber schluss jetzt, ich will meine Story loswerden - also der Abend verlief ein wenig unglücklich, besser gesagt, schwierig oder noch besser gesagt: Katastrophal. Denn Mark - wieso Käsesauce? weil ich das lecker finde, aber jetzt hören Sie bitte mit Ihrem Spargel auf, der Spargel ist hier nur die Folie - hatte in Facebookaktien investiert und viel, viel Geld verloren. Und irgendwann fiel das von mir gefürchtete Wort von Fridolf: "Wir haben Facebook wohl zu sportlich bewertet." (Kam so auch in SWR2) Zum Glück hatte Mark kein Messer zur Hand...
Beim Aufräumen musste ich über den Begriff "sportlich" nachdenken. In meiner Jugend hatte er etwas mit Sport zu tun, ein Mensch war sportlich, wenn er mindestens eine Sportart gut beherrschte, wenn er schwamm, lief oder Volleyball spielte. Allenfalls eine Beschäftigung konnte noch sportlich sein.
Dann kam die "sportliche Kleidung", was einfach locker, tragbar, bequem hiess und im Gegensatz zu formeller Kleidung stand, Sachen, die man in der Oper trug. Das "Sportsakko" war aber nun schon ein ausgemachter Blödsinn, denn einen Kittel trägt niemand zum Sport, nicht einmal beim Golf, da trägt man Lacoste-Pullis.
Das nächste war das "sportliche Auto", das hiess nun schnell, dröhnend, von 0 auf 100 in 8 Sekunden, aber ein Widerspruch in sich, denn sportlich wäre es ja, eben nicht Auto zu fahren, sondern zu Fuss zu gehen oder mit dem Velo zu kommen.
Was heisst aber jetzt "zu sportlich bewertet"? Heisst doch schlicht und einfach: Falsch, unlauter, naiv, blauäugig, hinterlistig. Wenn diese Bezeichnung Schule macht, hören wir bald: "Tut mir leid, Chef, ich habe mein Pflichtenheft / meine Arbeitszeit ein wenig zu sportlich ausgelegt." "Mit Eigentumsfragen gehe ich relativ sportlich um." "Er ging im Bett ein bisschen zu sportlich vor." (Letzteres wäre eine Vergewaltigung!!) Sport hatte doch auch einmal etwas mit Fairness zu tun... Die Facebook-Aktie war nicht sportlich bewertet, sie war überbewertet, und zwar in einem sehr unsportlichen Mass.
Während ich die Reste im Eiskasten versorgte - ok, Käsesauce und Backkartoffeln sind definitiv nicht sportlich, Hollandaise und Gschwellti (für die deutschen Leser: Pellkartoffeln) wären sportlicher, was auch immer das heissen mag - dachte ich mir: Vielleicht hätte auch Mark ein kleines Quantum Nachdenken investieren sollen, aber das wäre wahrscheinlich auch schon wieder unsportlich...

Donnerstag, 24. Mai 2012

Rüdesheim?


Am Dienstag werden sich viele gewundert haben, denn ich habe ja sonst immer vom Rhein-Main-Gebiet geschwärmt. Ich brauchte einfach die Verbindung von Kleist, Zusammenbruch und Frankfurter Bahnhof. Also gut, muss ich ein bisschen differenzieren:

Ich mag Mainz, da war ich sogar schon öfters in Ferien, ich mag Wiesbaden, ich liebe den Waldsee bei Rüsselsheim über alle Massen und ich liebe den Rheingau. Nachdem ich nun durch die Weinberge hin und her gewandert war, mir Östrich und Winkel und Eltville angeschaut hatte, alles ganz liebliche Städtlein, musste ich mir vor ein paar Jahren nun doch die Stadt ansehen, die für Touristen in aller Welt als der Innbegriff des Rheinufers gilt: Rüdesheim. Ich nahm allen meinen Mut zusammen, stellte mir ein grauenhaftes Szenario vor, verdreifachte meine Schreckensvorstellung und ging mit diesem Präjudiz hin. Es haute mich um: Diese Stadt war noch viermal so schlimm wie das Dreifache meiner Horrorvorstellung. Die an sich schönen Fachwerkhäuser waren so touristisiert, so dermassen mit Plastikweinreben, falschen Fässern und widerlichen Flaggen verunstaltet, die Luft so voll deutschen Liedgutes, die Speisekarten strotzten so sehr von Würstl, Kraut, Speck und Käsebrot, dass ich meinen Ärger nicht einmal mit einem wunderbaren Weissherbst sedieren konnte, ich hätte den  Rheinwein sofort ausgekotzt. Die Gassen waren gestopft voll mit Japanern, die ein Foto nach dem anderen machten und Amerikanern, die permanent nach dem Grossen Fass und nach Goethe fragten, denn aus transantlantischem Blickwinkel schrumpft Deutschland ja zu einer Miniaturstadt zusammen.

Rüdesheim teilt sein Schicksal mit allen Gemeinden, die für irgendjemand den  „typisch …………Ort“ darstellen, deshalb mag ich auch Zermatt nicht und deshalb mag ich Den Haag, eben weil Den Haag nicht so schrecklich „Holland wie aus dem Bilderbuch“  darstellt.

Mein Leidensweg in Rüdesheim ging übrigens noch weiter:  Nach dem ich einer Cafébesitzerin verzweifelt klarzumachen versucht hatte, dass ein Capuccino kein Kaffee mit Schlagsahne ist – ja es gibt sie noch die Lokale, die die Kunst des Milchschäumens nicht erlernt haben, es sind 10 in Deutschland, davon 8 in Rüdesheim, eines bei Neuschwanstein und eines in Jüterbog – fuhr ich mit dem Sessellift  zum Germaniadenkmal hoch. Hier war es nun auf andere Art grauenhaft, einigen betrunkenen Landsleuten kochte bei so viel Germanentum die deutsche Seele über und sie sangen die Nationalhymne mit allen drei Strophen. Ich haute sofort in die  – wirklich herrlichen – Weinberge ab.

Alles ist übrigens diesmal nicht erfunden, erfunden ist nur der Schluss:

Am nächsten Morgen war meine arme Seele noch immer so verwirrt, dass ich nach Winkel fuhr und mir im Morgengrauen auf den nebelbeschwadeten Rheinwiesen a la Günderrode einen Dolch ins Herz zu rammen versuchte, wovon mich ein paar Jogger gerade noch abhalten konnten.

Also: Fahren Sie nach Mainz und Wiesbaden, beides lohnt auf seine Weise, fahren Sie unbedingt in den Rheingau, besuchen Sie die herrlichen alten Städtchen, besichtigten Sie auf jeden Fall das Brentanohaus in Winkel und – Geheimtipp – probieren und kaufen Sie im Weingut Blümlein Frühburgunder, nein ich bekomme keine Prozente.

Aber machen Sie einen weiten, weiten, riesigen Bogen um Rüdesheim. Es lohnt sich.
















Montag, 21. Mai 2012

Kleist, die DB und das Rhein-Main-Gebiet

Kleist hatte im Rhein-Main-Gebiet einen Nervenzusammenbruch bekommen, dachte ich, während ich mein Gepäck durch den Frankfurter Hauptbahnhof wuchtete, Kleist hatte von Frankreich kommend einen Zusammenbruch erlitten, nicht hier in Frankfurt, sondern in Mainz, wo ihn ein Arzt namens Wedekind aufpäppelte, dachte ich, und zwar nicht, wie man immer behauptet, weil er es gerade bis Mainz geschafft hat, sondern weil man hier einfach einen Zusammenbruch bekommen muss. Das Rhein-Main-Gebiet ist wie geschaffen für Zusammenbrüche, dachte ich, während ich mein Gepäck von Gleis 3 zu Gleis 19 schleppte, es ist ein Zusammenbruchsgebiet und der Frankfurter Hauptbahnhof ist ein Zusammenbruchsbahnhof. Meine Reiseverbindungen hatten das Gleis 3 als Gleis der Anschlussverbindung angegeben, ebenso die Abfahrtstafel, am Gleis aber war kein Zug angezeigt. Der Lautsprecher wartete nun bis 5 Minuten vor Abfahrt des Zuges, um zu verkünden, der Zuge fahre auf Gleis 19. Ich wuchtete also meine Reisetasche und meinen Rucksack hoch und hechelte auf Gleis 19. Der Frankfurter Hauptbahnhof ist ein  Zusammenbruchsbahnhof, dachte ich, ein nicht so durchtrainierter Mensch wie ich wäre längst zusammengeklappt, überhaupt steht ja die Bundesbahn auch kurz vor dem Zusammenbruch, sie ist eine Zusammenbruchsbahn schlechthin, entweder die Züge fahren gar nicht, oder Stunden zu spät, hat man reserviert, gibt es den Platz nicht, hat man nicht reserviert, kommt man kaum in den Wagen.
Kleist hätte das nicht geschafft, er hatte ja eine Lebensschwäche, dachte ich, und diese Lebensschwäche hat ihn eben in den Kollaps getrieben, und zwar nicht in Paris, sondern eben hier, in diesem Kollapsgebiet, man gehe nur einmal nach Rüdesheim, dieses deutsche Disneyland, oder in die Frankfurter Innenstadt, ja Rüdesheim und Frankfurt sind zwei Seiten einer Medaille, dachte ich, während ich Gleis 19 fast erreicht hatte, in Frankfurt scheffelt die Menschheit das Geld um es in Rüdesheim zu verpulvern, in Frankfurt zeigt sich der Deutsche von seiner Gierseite, in Rüdesheim von seiner Kitschseite. Der Deutsche braucht das Geld so sehr wie den Kitsch, dachte ich, der Deutsche ist ein Geldmensch und ein Kitschmensch, und so musste Kleist eben hier zusammenklappen, eben weil er kein Kitschmensch und kein Geldmensch war. Kleist brach hier zusammen, in diesem Zusammenbruchsgebiet, dachte ich, eben weil er Gier und Kitsch verachtete. Vielleicht hat er aber auch die DB vorhergesehen, dachte ich, nun auf Gleis 19, Kleist hat ja immer in grösstmöglichen Katastrophen gedacht, und wenn man die grösstmöglichen Katastrophen wie Vergewaltigung und Erdbeben sieht, dann kann man ja auch eine grösstmögliche Katastrophe wie die DB vorhersehen. Kleist hätte es nicht auf Gleis 19 geschafft in diesem Zusammenbruchsbahnhof, dachte ich, während der Zug nun abfuhr.
Tatsächlich hat es der Zug bis Utrecht geschafft.
Die Fahrt war entsetzlich.

in Memoriam Th.B.

Freitag, 18. Mai 2012

Die Deutschprüfung

Am Sonntagmorgen wachte ich schweissgebadet auf. Ich hatte einen furchtbaren Alptraum gehabt. Im Traum war ich nackt auf die Strasse gelaufen , weil ich vergessen hatte, meine Kleidung anzuziehen. In der Kurzanalyse meines Traumes fand ich zwei Deutungsansätze, einen körperlich-sexuellen und einen, der sich um das Thema "Vergessen" drehte. Und tatsächlich war das Vergessen die Lösung, ich hatte die Deutschprüfung verdrängt! Die Deutschprüfung! Und sie war schon am Mittwoch!
Ich kramte sofort die Literaturliste hervor, sie konnte schlimmer nicht aussehen:
Grimmelshausen, Simplicissimus
Goethe, Faust II
Musil, Mann ohne Eigenschaften
Mann, Zauberberg
Grass, Blechtrommel
Schön, den Faust kannte ich einigermassen, allerdings nicht die ca. 60 Deutungsansätze, darunter orthodox-esoterische, hermeneutische, interpunktionsimmanente usw. Den Mann hatte ich vor Jahren gelesen, genauso den Grass, hier konnte ich mich durch eifriges Zitieren über die Runden bringen. Ein Problem stellten der Grimmelshausen und der Musil dar, vor allem letzterer, er hat 1000 Seiten und ich war über die ersten zwanzig nicht hinausgekommen. Also half nur googeln, zwei Tage lang suchte ich im Internet alles, was ich über Handlung, Umfeld, Werkgeschichte und Interpretation fand. Am Mittwoch fuhr ich mit einem etwas mulmigen Gefühl zur Prüfung und hoffte, dass mein gegenüber sich auch nicht die Mühe des Originaltextes gemacht hatte. Weit gefehlt!
Die Prüfung als Desaster zu bezeichnen, wäre ein Euphemismus. Sie war eine Apokalypse, ein brennendes Troja, ein zweites Pompei, ein Goldauer Bergsturz. Googel und Wikipedia sind tolle Einrichtungen, aber sie erstzen eben nicht die genaue, fundierte Auseinandersetzung mit einer Sache. Und Sekundärliteratur heisst eben so, weil sie als Zweites, nach der Lektüre des Buches kommen sollte. Der Mann, der mir gegenüber sass, hatte alle Bücher mehrfach gelesen, er kannte Hintergründe und Deutungsansätze, er war in allen Epochen firm. Wie in einem Match gegen Roger Federer einem die gelben Bälle nur so um die Ohren fliegen würden, so flogen mir die Zitate und Textstellen um die Ohren. In einem Spiel gegen Kasparow wäre ich in fünf Zügen matt gewesen, hier ging die Qual aber eine geschlagene Stunde. Nach einer halben Stunde war ich so fertig, dass ich behauptete, der Trommler hiesse Castorp und Faust II würde in der Schweiz spielen. Ja, ich beharrte darauf, die Blechtrommel würde während des Dreissigjährigen Krieges spielen.
Schon am nächsten Tag kam eine Mail. Mit zitternden Händen öffnete ich sie:
Das Kantonsgymnasium Herisau streicht mich von der Liste seiner Experten.

Dienstag, 15. Mai 2012

Landbrüderschaft


Die Sonne wandert aufwärts über den See und beginnt mich zu blenden. Weil ich weiter in meinem Buch lesen will, frage ich die Wirtin im Seecafé in Dutzikon (SG), ob ich den Tisch wechseln könne. Eigentlich eine unnötige Frage, aber sie zeigt auf den Bereich, der im angenehmen Schatten liegt, und meint: „Aber nicht dorthin, da bekommen wir Probleme mit der Rechnung. Das ist nämlich schon wieder Thurgau. Sie wissen, die Steuer.“ Da ich nun nicht lesen kann, blinzle ich ein wenig in die warme Sonne und denke über die Verrücktheit der Schweizer Kantonsgrenzen nach. Denn, ich bin mir sicher, auf der Herfahrt habe ich gesehen, dass das Café am Ortanfang liegt, und der vorige Ort war auch Thurgau, das heisst die Kantonsgebiete sind hier in Metergrösse? Über meine Gedanken schlafe ich ein. Als ich wieder aufwache, sitzt mir ein alter, weisshaariger Mann mit wallendem Bart gegenüber. Ich zucke zusammen. „Keine Angst“, so beginnt er „ich will Ihnen nur eine Geschichte erzählen:“
Als die Drei auf dem Rütli die Schwerter zum Schwur erhoben und die bekannte Formel vom Volk von Brüdern gesprochen hatten, beschlossen Sie eine Art geographischer Blutsbrüderschaft. So wie beim Blutsbund Tropfen fremden Blutes in das eigene dringen, sollte das eigene Territorium von dem des Anderen durchdrungen werden. Sie nahmen eine Karte, begannen zu planen und zu zeichnen. So gaben Uri, Schwyz und Unterwalden zwei Dörfer, je eines an einen der anderen beiden Kantone, so dass sich in jedem Gebiet zwei Exklaven befanden. Diese Exklaven gibt es längst nicht mehr, aber das Prinzip ist das gleiche geblieben.
Ich will noch etwas erwidern, aber der Alte beginnt durchsichtig zu werden, bis er sich in Luft auflöst. Ich reibe mir die Augen. Habe ich nur geträumt?
Auf jeden Fall ist das eine schöne Geschichte. Ob sie in anderen Ländern auch funktionieren würde? Etwas Landbrüderschaft täte doch allen Staaten gut. So könnte man z.B. die Quartiere in Berlin, in denen „gschwätzt“ wird, in denen man Laugenbrezeln backt und Kartoffelsalat mit Bratensauce übergiesst, gleich Baden-Württemberg zuschlagen. Dafür gäben die Stuttgarter einen Teil an Hessen, wahrscheinlich Feuerbach. Die Feuerbacher denken ja sowieso, dass sie etwas völlig anderes sind. Und Hessen träte das Frankfurter Bankenviertel an Berlin ab. Die Geldmeile in Mainhattan ist ja der Ort, wo die deutsche Politik gemacht wird und muss auch sichtbar mit der Hauptstadt verbunden werden.
Nach so vielen Grübeleien habe ich Lust auf einen Schwumm. Ich frage die Wirtin, ob es drüben im Thurgau eine Seebadi gebe. Die gebe es tatsächlich, meint sie, also der Eingang und die Duschen seien im Thurgau, geschwommen werde dann wieder in St. Gallen. Ich lächle. Das kenne ich vom Bachgraben. Dort sind die Männergarderobe und das Schwimmbecken auch in unterschiedlichen Kantonen. Und wenn sie dort von bösen Buben überfallen werden, vergewissern Sie sich bitte, bevor Sie den Notruf wählen, WO Sie liegen. Sonst kommt die falsche Polizei, kann nichts tun, zieht wieder ab und schickt die Kollegen.
Vielleicht hätten Fürst, Melchtal und Stauffacher doch ihre Handgelenke auf einander pressen sollen.

Freitag, 11. Mai 2012

Deutsche


Deutsche und Schweizer…
Ein unerschöpfliches, ein unendliches Thema. Der Satz vom „Deutschen in Massen“  hat ja in den letzten Tagen die Wellen wieder sehr hoch schwappen lassen.  Dabei ist er völlig richtig. Deutsche in Massen sind schlimm. Wie auch Franzosen, Holländer, Engländer oder Spanier in Massen. Oder sogar Schweizer: „Ich war froh, dass der Wagen in einem weiten Bogen um Zürich herumfuhr, eine Ansammlung von 400.000 Schweizern auf einem Haufen war mir immer suspekt gewesen.“ Nein, das hat kein Deutscher geschrieben, das schreibt Dürrenmatt im „Verdacht“.
Eines der Grundprobleme der Verständigung zwischen den Krauts und den Eidgenossen ist das Ungleichgewicht der Sympathien: Der Deutsche liebt die Schweiz und die Schweizer, abgöttisch, hündisch, er winselt um die Eidgenossen herum und schreit ständig: „Ich hab dich so lieb, du bist klasse, dein Land ist toll, ich verehre dich!“ und diese Liebe wird nicht erwidert, was den Deutschen natürlich verärgert. Aber so ist das Leben, Liebe muss eben nicht in Gegenliebe münden, und es nutzt nichts, der Angebeteten jeden Tag rote Rosen zu schicken und Torten mit „I love you“ in violettem  Zuckerguss.
Ein weiteres Thema ist die Integration, hier wird erwartet, dass der Hamburger, Berliner oder Düsseldorfer sich integriert. Aber das können die nördlichen Nachbarn einfach nicht. Noch nicht, lassen wir ihnen doch Zeit. Sie müssen es lernen. Denn bislang ist der Deutsche gewohnt, dass er die Welt sich unterwirft. „Am deutschen Wesen wird die Welt genesen.“, so Wilhelm II. Deshalb hat man zwei Kriege geführt, die ja schief gingen, und dann hat man den Tourismus erfunden, der hat geklappt. Überall im Süden, sei es auf Ibiza oder in Rimini, wird deutsch gesprochen, wird Haxe mit Kraut serviert und schwarzrotgold geflaggt. Der Tourismus hat erreicht, was tausend Armeen nicht geschafft haben. Und jetzt erwartet den Deutschen in der Eidgenossenschaft eine völlig neue Erfahrung: Gastarbeiter sein, geduldeter ausländischer Arbeitnehmer, das muss man doch erst einmal lernen, das geht nicht von heute auf morgen.
Einen Fehler allerdings machen die Schweizer: Sie stellen sich zu positiv dar. Wenn Umfragen und Ratings stattfinden, dann findet man sofort die Schlagzeilen: „Bern hat die höchste Lebensqualität“ (20min vom 30.4.) „Schweizer Jugendliche am gesündesten“ (20min vom 2.5.). Das ist verkehrt, dann kommen doch noch mehr Deutsche. Lieber Antiwerbung. Veröffentlicht doch die PISA-Ergebnisse , dann gehen die Krauts nach Finnland, oder redet über Fussball, dann ziehen die Deutschen nach Spanien oder England,  oder stellt jeden noch so kleinen Prozess in der FAZ oder der SÜDDEUTSCHEN gross dar: Die Schweiz als Brutstätte von Drogen und Kriminalität, stimmt zwar nicht, weiss aber der Hesse oder Friese nicht.
Ein weiteres  mögliches Vorgehen wäre eine Kooperation mit den Württembergern, denn viele Norddeutsche ziehen erst einmal nach Stuttgart und wandern dann, weil sie es bei den Schwaben nicht aushalten, nach Süden weiter. Helft den direkten nördlichen Nachbarn durch Schulungen in Freundlichkeit und Warmherzigkeit: „Wie sage ich Guten Morgen?“ „Freundliches Lächeln in fünf Schritten“
Es ist viel zu tun, packen wir’s an. Nur schmeisst nicht alle Deutschen raus, zumindest nicht, bis ich Schweizer bin.








Freitag, 4. Mai 2012

Grillzeit


Es ist wieder Grillzeit!

Die Werbezeitungen sind voll von Fleischangeboten, Marinaden, Saucen und Brotkompositionen, überall Bilder von glücklichen Menschen vor appetitlich angerichteten Buffets, es duftet von Terrassen und Balkonen.  Grillieren ist aber auch etwas Tolles, denn alle sind happy. Die Kinder können bis die Würstchen fertig sind noch ein wenig im Garten spielen, und Mutti muss nur einen Salat anrichten und Brot schneiden, hat also keine Arbeit, denn:

Grillieren ist Männersache.

Warum eigentlich?

Weil das Grillieren sich längst von einer Essenszubereitung zu einer Ersatzreligion gemausert hat, Grillieren ist Kultus, Ritual, sakrale Handlung. Und wie bei allen religiösen Bräuchen  haben Frauen dort nichts zu suchen. So wie im Alten Testament Prophetinnen zwar singen und loben durften, aber niemals an den Brandopferaltar, der war den Priestern vorbehalten, dürfen weibliche Wesen  nicht an die heutige Feuerstelle. So wie die Wandlung von Brot in Leib nur den Geweihten zusteht, Benedikt hat das neulich noch einmal deutlich bekräftigt, dürfen Frauen auch nicht Fleisch in knusprige Steaks wandeln.

In den Siebzigerjahren, also in meiner Kindheit, gab es eine andere Religion: Das Auto. Und die rituelle Reinigung am Samstagnachmittag war auch den Männern vorbehalten. Das Putzen des „Heiligsblechle“ (Heilig!) war eine Waschung, die an Länge, Intensität und Achtsamkeit alle buddhistischen, hinduistischen, islamischen Bäder  überstieg. Jeder Papa wischte mit der gleichen Andacht über seinen Seitenspiegel, mit dem der Priester am Ende der Eucharistie seinen Kelch ausreibt. Unter den Klängen von deutschen Schlagern tanzte der Familienvater um das Golfene Calbrio.

Männer dienen nicht, sie VOLLZIEHEN HANDLUNGEN.

Also, meine Damen, Sie müssen aufhören, ihren faulen Pascha zu irgendeinem Dienst bewegen zu wollen, Sie müssen ihm klarmachen, dass das Bügeln, das Fensterputzen, das Abwaschen Rituale sind. Dann werden Sie nicht nur nie mehr etwas tun müssen, nein, sie werden nichts mehr tun dürfen. Dann werden die Männer Kataloge mit Bügelbrettern auf ihren Schreibtischen haben, behaupten Abwaschen sei Männersache und Sprüche klopfen wie „Frau am Fenster – ich seh Gespenster.“

Also dann: Guten Appetit beim Grillieren morgen, und wenn Sie generell noch Tipps brauchen zum Thema Essen:


 (Blog einer Freundin von mir, sehr sachkundig und amüsant geschrieben, es gibt ihn wirklich, Ehernwort)