Dienstag, 28. Februar 2023

Passwörter und kein Ende

Ich habe letztes Jahr wunderbare Ostereier im Internet bestellt. Und ich habe dieses Jahr weitere dazugeordert. Die Eier sind Unikate in Schwarz, Rot oder Blau, in Wachs- oder Batiktechnik, die in Osteuropa gefertigt und von einem Menschen in Deutschland vertrieben werden, einem Menschen, der selber keinen Profit machen muss – und der auch sehr vertrauensvoll ist. Man bestellt einfach mit Angabe der Adresse und bekommt eine Rechnung mitgeschickt, die man dann bezahlt. Man muss natürlich auch keine Anmeldung vollziehen und – das ist das Beste! – auch kein Passwort erstellen.

Nun brauche ich für die Ostereier eine Menge Zweige. Einerseits, weil ich noch mehr Eier bestellt habe und andererseits, weil die alten Zweige natürlich nicht mit umgezogen wurden. Da alle Basler Blumenhäuser mir nicht nach Hause liefern, finde ich die herrliche Seite www.zweige-fuer-alle, auf der man Zweige aller Baumarten und in allen Grössen findet. Allerdings: Zahlung wird mit Kreditkarte gemacht und – der Himmel hilf! – man braucht eine Anmeldung und dann ein Passwort. Ich registriere mich mit meinem Lieblingspasswort
Birglar7!
und werde sehr erstaunt: «Sie verwenden ein häufig benutztes Passwort. Bitte verwenden Sie ein anderes.»

Nun muss ich ein wenig ausholen: Zunächst hatte ich vor Jahren nur den einfachen Namen von Birglar, der «Perle des Duhrtales», verwendet und als Passwort
birglar
genommen. Dann kam die Mode auf, einen Grossbuchstaben zu verlangen, und ich schrieb
Birglar
Dann, es wurde immer komplizierter und komplizierter, verlangte man zum Grossbuchstaben auch noch eine Zahl. Die «Perle des Duhrtales» bekam noch die Glückszahl 7:
Birglar7
Dann, wir sind nun am Ende der Komplexität, brauchte es noch ein Sonderzeichen und es entstand
Birglar7!

Und dieses Passwort wird extrem viel benutzt? Nun, werden Sie sagen, wenn alle (wie viele sind es?) Einwohner von Birglar ihre Stadt verpassworden, dann gibt es natürlich auch die Kombi mit 7 und ! schon. Das Spannende ist nun, dass es Birglar nicht gibt. Es ist der Schauplatz der Erzählung «Ende einer Dienstfahrt» und Heinrich Böll hat die Gemeinde komplett erfunden. Wie übrigens auch das romantisch-reizende Flüsschen Duhr, wie auch dessen Tal.

Für den Hinweis mit dem häufigen Passwort gibt es nun zwei mögliche Erklärungen:
Die erste: Es gibt viel, viel, viel, viel, viel mehr Böll-Fans, als ich dachte. Es gibt Millionen von Menschen, die die Story über den ausgebrannten Jeep gelesen haben und lieben, und Hunderte von denen haben die Location als Passwort genommen.
Die zweite: Der Hinweis ist Blödsinn oder meint eigentlich «Passwort nicht sicher genug».
Ich halte – leider, als Böll-Fan, leider, leider – die zweite Möglichkeit für wahrscheinlicher.

Ich biete zweige-fuer-alle.de
Birglar77!!
an. Und die Seite akzeptiert.

Die Frage ist doch nun: Warum muss es immer Registrierung und Anmeldung und Passwort sein? Ich hätte kein Problem damit, wenn Sie in meinem Namen auf die Zweigeseite gehen und sich die Angebote ansehen, ich hätte nicht einmal ein Problem damit, wenn Sie alle meine Bestellungen sich ansehen und die Info weiterverbreiten. Oder versuchen. Denn wenn Sie in Runde würfen (oder werfen würden, ich bin ein Fan altmodischer korrekter Konjunktive): «Will jemand wissen, ob RH Buchen-, Eichen, Hasel- oder Weidenzweige bestellt?», es würde keine Sau interessieren.
Ich hätte ein Problem damit, wenn Sie in meinem Namen bestellten und mit meinem Geld bezahlten. Aber das ist ja mit einem anderen Passwort geschützt, nein, gar nicht mit einem Passwort, sondern das geht mit der 2-Faktor-Authenzifizierung.

Nein. Es muss doch nicht immer Passwort sein. Zumal man ja eigentlich immer sein Passwort ständig wechseln sollte und auch ja nicht (ja nicht!, ja nicht!) für verschiedene Anwendungen das gleiche Passwort setzen.
Deshalb haben viele Leute immer eine Liste von allen aktuellen und aktuellsten Passwörtern und diese Liste von aktuellen und aktuellsten Passwörtern liegt dann in ihrer obersten Schreibtischschublade. Was so sinnvoll ist, wie den Hausschlüssel unter die Fussmatte zu legen – was ja auch viele Leute machen…

Ich habe letztes Jahr herrliche Ostereier im Internet bestellt. Und ich habe jetzt weitere dazubestellt. Die Eier sind Unikate und einfach zu haben: Man bestellt einfach mit Angabe der Adresse und bekommt eine Rechnung mitgeschickt, die man dann bezahlt. Man muss natürlich auch keine Anmeldung vollziehen und – das ist das Beste! – auch kein Passwort erstellen.

Und dieses Verfahren sollte doch (wieder) Schule machen.











Freitag, 24. Februar 2023

Max Goldt und der Besen

Ich lese gerade das Buch «Ä» und ich fege zwischendurch mein Zimmer.

Verstehen Sie das? Nein? Ok, dann drücke ich das mal anders aus:

Ich lese gerade Max Goldt und man reiche mir einen Besen.

Klar? Nein?
Gut, dann fangen wir ganz von vorne an:

Es ist interessant, dass man die Redewendung «man reiche mir einen Besen» nicht bei Google findet. Für mich – und für etliche Kommilitonen – war sie eine Zeit lang sehr bedeutend. Ursprünglich kommt das aus einem Asterix-Band, und zwar dem Band «Asterix bei den Olympischen Spielen». Hier trainiert der römische Legionär, ein gestählter und eitler Muskelprotz im Wald und ist begeistert von sich – bis er den beiden Galliern begegnet. Obelix wirft weiter und ist stärker und schneller und so kommt Musculus heim und sagt zu seinem Mentor Tullius Redefluss, er sei er Versager. Er holt einen Besen («aber keinen schweren!») und beginnt, niedrigste Arbeit zu tun. Wie so oft bei Goscinny und Uderzo bleibt der Spruch als Running-Gag im Buch.

Während des Studiums wurde das nun ein beliebter Spruch. Fragte jemand: «Wie war deine Klavierstunde?», antwortete der oder die andere: «Man reiche mir einen Besen.» Fragte jemand, wie das Konzert von dem oder der gewesen sei, und der oder die andere hatte deprimierend gut gespielt, sagte man: «Man reiche mir einen Besen.» «Bereit für den Auftritt?» wurde mit «Wo ist der Besen?» gekontert.

Nun lese ich also gerade das Buch «Ä» von Max Goldt. Und ich habe ständig das Bedürfnis, einen Besen zu schnappen und meine Ecken zu fegen. Der Mann ist einfach verdammt gut.

Nun habe ich schon ein gesundes Selbstbewusstsein. Sehr häufig lese ich Glossen oder Kolumnen oder Satiren oder andere Textlein und beim Lesen dieser Glossen oder Kolumnen oder Satiren oder anderen Textlein denke ich: Diese Glossen, Satiren, Kolumnen, Textlein, Anekdoten, Geschichtlein hätte ich besser gekonnt. Und das auch bei bekannten Leuten.
Ich habe zum Beispiel zu Weihnachten ein Buch von dem Kolumnisten, der ALLES IMMER GROSSSCHREIBT bekommen. Und ich habe die Kolumnen von jenem, der ALLES IMMER GROSSSCHREIBT gelesen und es nicht mehr gut gefunden – wenn ich es jemals gut fand. Gut, der Mensch hat sich zur Ruhe gesetzt, das hat er auch verdient – und wir.

Ich finde also längst nicht alles gut und bei vielen Autoren denke ich, das hätte ich auch hingebracht. Aber Goldt… das ist erste Sahne.

Nur ein paar kleine Kostproben:

…der Titel «Ä» kommt nicht – wie erwartet – vom Sprach- und Sprechfüller, er kommt von den schönen Feiertagen mit «MariAE…». Und Goldt schlägt auch ein wunderbares neues Ritual vor: Die muttergöttlichen Ä-Feiertage … sollte das ganze Volk begehen. Die einen preisen Maria, die anderen den Umlaut. Schöne Prozessionen sind denkbar: Vornweg gehen die Frommen und rufen «Mari-, Mari-, Mari-«, die weniger Frommen schreiten hintenan und rufen «Ä, Ä, Ä».

…in einem Text kommt eine Definition von «Eleganz» vor: Eleganz ist eine Form der Komplexität, die sich nicht über die Einfachheit erhaben fühlt. Goldt meint dann, dass viele Leser denken würden, dass ein solches Wort von einem grossen Denker oder Philosophen stammt, schreibt aber dann: Weit gefehlt! Es ist eine selbstgemachte Definition, die ich mit viel Liebe in meinem Privatkopf hergestellt habe. Selbst die gequälteste selbstgemachte Definition ist immerhin etwas Besseres als selbstgemachte Schweinskopfsülze.

…Goldt berichtet von Menschen, die ständig über ihre Stadt meckern, ihre Stadt sei ja so provinziell, langweilig, blöde, spiessig usw., usw., usw. Goldt findet hier ein wunderschönes Wort für dieses Verhalten: Im Gegensatz zum «Lokalpatriotismus», der die eigene Gemeinde oder Metropole über allen Klee lobt, nennt er das hier «Lokalmasochismus».

…und wie würde Goldt die ORKs nennen, über wir im vorletzten Post nachgedacht haben? Goldt nennt solche Dinge eine verlässliche Quelle des Missvergnügens.

Ach, man könnte noch viel mehr sagen, aber: Lesen Sie selber.

Ich lese gerade das Buch «Ä» und ich fege zwischendurch mein Zimmer.
Ich lese gerade Max Goldt und man reiche mir einen Besen.

Menschen, die mich kennen, werden jetzt ganz böse sagen: Wenn du immer fegst, wenn eine andere Autorin oder ein anderer Autor besser ist, dann wissen wir jetzt auch, warum es bei dir so sauber ist…



Dienstag, 21. Februar 2023

Ideen für mehr Vermeer-Karten

Das Rijksmuseum Amsterdam hat ein Luxusproblem: Die Vermeer-Ausstellung ist vier Tage nach Beginn (Ausrufezeichen, Ausrufezeichen, Ausrufezeichen) komplett ausverkauft. Auf Deutsch (Niederländisch verstehen Sie ja nicht) gesagt: Von jetzt ab bis 10. Juni ist trotz 7 Tage offen und Öffnungszeiten 9.00 – 22.00 kein einziger kleiner Time-Slot zu haben. Laut ihrer Homepage arbeiten die Ausstellungsmacher an Lösungen. Aber werden hier wirklich kreative Lösungen gefunden? Hier ein paar schöne Ideen für das Rijksmuseum:

DIE LESSING-IDEE

Es werden ab heute die vier besten Kunstfälscherinnen und Kunstfälscher der Welt engagiert. Sie werden in kurzer Zeit jeweils Kopien der 28 Bilder herstellen. Mit diesen 4 x 28 Gemälden werden nun vier weitere, komplett identische Ausstellungen aufgebaut. Die Besucherin oder der Besucher – und das ist der tolle Gag! – wird aber nun nicht wissen, in welche Ausstellung er oder sie geht. So wie die drei Brüder in Lessings Ring-Parabel (You remember? Mussten Sie in der Schule lesen, «Nathan der Weise») jeweils nicht wissen, ob sie den echten Ring oder die völlig identische Kopie in Händen halten, werden die Leute nicht wissen, ob sie den echten Geographen oder die echte Briefschreiberin oder nur eine sehr, sehr, sehr, sehr gute Fälschung sehen.

DIE COMPUTER-IDEE

Die Hard- und Software des Rijksmuseum war beim Ticketverkauf ein wenig überfordert. So haben Menschen nach ihrer Bestellung um 7.35 den Hinweis «hat nicht geklappt» bekommen und dann um 7.45 noch einmal bestellt. Nach zwei Minuten konnten sie glücklich eine E-Mail empfangen, die ihnen um 7.47 die Tickets brachte. Und um 7.57 kam dann noch mal eine. Die Antworten brauchten also ganze zwölf Minuten. Hier waren übrigens die Sprachkundigen im Nachteil: In der englischen Version erschien: «We need time. Please wait for an E-Mail. Don´t order again.» In der niederländischen Version hiess es: «Dat werkte niet.»
So, und nun muss es doch möglich sein, ich meine algorhythmisch (sic!) möglich, die Menschen herauszufinden, denen diese Panne passiert ist. So in der Art: Hallo, Software, finde mir alle Mailadressen, von denen aus im Abstand von 5-10 Minuten die gleiche Menge Tickets bestellt wurde. Und dann schreibt man die an. Und bietet denen das an, was eigentlich nicht geht: Eine Rücknahme.

DIE PRÜFUNGS-IDEE

Blockbuster-Ausstellungen werden häufig von Menschen besucht, die sonst mit Kunst nichts am Hut haben. Und die sollten eigentlich auch zuhause bleiben. Also schlage ich folgendes Verfahren vor: Man verkauft 3 x so viel Tickets wie möglich und macht dann am Eingang Kurztests mit Fragen nach dem Zufallsprinzip. Nein, nein, nein, nicht über Vermeer, es geht ja nicht darum, sich über den Maler etwas angelesen zu haben, sondern generell an Kunst interessiert zu sein. Also Fragen wie
Was bedeutet «pastos»?
Wo malte Monet seine Seerosen?
Wie heissen die Kunstmuseen Ihrer Heimatstadt?
Wie hiess die erste Frau Jean Tinguelys?


Wer die Fragen nicht weiss, hat leider seine Tickets umsonst gekauft.

DIE REISE-IDEE

Statt weiteren Tickets für die aktuelle Ausstellung verkauft man Museumspässe und Jahreskarten für alle Museen, die einen Vermeer geliefert haben. Allerdings: Die Reisen dorthin müssen von den Interessierten selber organisiert werden. So gäbe das eine schöne Tournee durch Deutschland und die USA. Man könnte ja dann einen Besuch in Berlin oder New York auch noch für andere Dinge nutzen…
Ich gebe aber zu, dass natürlich dieses Verfahren klimatechnisch eine Katastrophe wäre, es sei denn, man führe mit dem Schiff zum Big Apple. Hätte auch noch den Vorteil, dass einen die Statue of Liberty so toll begrüsst, wie sie es mit Fluggästen nicht macht.

Das Rijksmuseum Amsterdam hat ein Luxusproblem: Die Vermeer-Ausstellung ist vier Tage nach Beginn (Ausrufezeichen, Ausrufezeichen, Ausrufezeichen) komplett ausverkauft. Auf Deutsch (Niederländisch verstehen Sie ja nicht) gesagt: Von jetzt ab bis 10. Juni ist trotz 7 Tage offen und Öffnungszeiten 9.00 – 22.00 kein einziger kleiner Time-Slot zu haben.
Aber hier waren ja nun einige schöne Ideen, ich hoffe, die Kuratoren werden sie beherzigen.

P.S.
Die Antworten sind:
mit dickem Farbauftrag
Giverny
variiert
Eva Aeppli (Ätsch, Niki war die zweite Frau.)
Wären Sie reingekommen?













 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 17. Februar 2023

Die Firma ORKO und die Baustellen

Am Huttenplatz und am Zwinglikreisel und in der Calvinstrasse und in Oekolampadallee sind wieder grosse Baustellen.
Am Huttenplatz wird ein Kiosk um 5 Meter versetzt, am Zwinglikreisel werden 20 Meter Tramschienen verlegt, in der Calvinstrasse gräbt die Telefongesellschaft und in der Oekolampadallee ist der Strassenbelag auf 50 Quadratmetern zu erneuern. Klar, dass es pro Baustelle ca. 10 grosse Geräte, ca. 20 Arbeiterinnen und Arbeiter und mindestens 7 Arbeitstage braucht.
Und natürlich braucht es am Huttenplatz und am Zwinglikreisel und in der Calvinstrasse und in Oekolampadallee viele, viele, viele, viele, viele Sicherheitsleute. Diese müssen verhindern, dass das Tram in die nicht verlegten Schienen fährt, dass Menschen von einem herabstürzenden Kiosk erschlagen werden, dass Leute in den frisch verschmierten Teer rennen, dass Hunde in die Kabelgrube stürzen. Natürlich sind solche Kioskerschlagungen, solche Schienenunglücke, solche Teerberennungen und solche Hundefälle selten, aber man weiss ja nie.

Und hier kommt ORKO® ins Spiel.
Die Firma ORKO® bietet Security auf höchstem Niveau. Sie verhindert, dass die Strassenbahn in die nicht verlegten Schienen fährt, dass Menschen von herabstürzenden Kiosken erschlagen werden, dass Leute in den Teer rasen, dass Katzen und Hunde und Kühe in die Kabelgrube stürzen.
Wenn nun also ein ORKO®-Mitarbeiter oder eine ORKO®-Mitarbeiterin (wir nennen ihn oder sie ab jetzt als nettes Wortspiel ORK), wenn nun ein oder eine ORK sieht, dass eine kleine Möglichkeit der Gefährdung bestünde, wird der oder die ORK aktiv, sehr aktiv, äusserst aktiv.

Nun muss man, um als ORK zu arbeiten, alle Menschen der Stadt für komplette Idioten halten. Denn normale Tramführer fahren nicht in Schienen, die nicht verlegt sind, normale Menschen halten sich nicht unter Kioskhäuschen auf, die in der Luft schweben, normale Leute rennen nicht in frischen Teer und halten ihre Hunde an der Leine, wenn eine Grube droht. Aber den ORKs hat man eingeschärft, dass alle Bewohner der Stadt Vollidioten und Geisteskranke sind, und so verhalten sich die ORKs auch.
Und nun greift ein Paradoxon: Wer sich stets so verhält, als ob sein oder ihr Gegenüber ein Totalschwachsinniger ist, wirkt selber wie einer oder wie eine.

Beispiele? Wenn ich mit der Schere zugange bin und Sie hüpfen die ganze Zeit mit einem Verbandskasten um mich herum, dann wird man Sie mit komischen Augen ansehen und nicht mich. Wenn Sie Ihr Gegenüber ständig zwingen, in die Luft zu sehen, weil ja eine Taube oder eine Drohne lauern könnte, dann holt man wegen IHNEN die Ambulanz und nicht wegen der anderen.

Um nun auf die ORKs zurückzukommen:
Da wird nun eine Fläche geteert und man sollte verhindern, dass jemand reinrennt. Und weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist, macht man das vielleicht auch schon vorher – und hinterher, weil Teer ja 3 Tage braucht um zu trocknen. Klarer gesagt: Am Mittwoch wird geteert, das heisst, die ganze Woche werden Passantinnen und Passanten um die Stelle umgeleitet. Das stösst natürlich auf Unverständnis, und so versuchen am Montag etliche, rechts am Pfosten und nicht, wie die ORKs es wollen, links am Pfosten vorbeizulaufen. Genauso am Dienstag und genauso am Donnerstag und Freitag. Die ORKs – und das ist hier das Besondere – reden aber nicht mit den Leuten, sondern stupfen sie nur an und stossen Laute wie «Hrmpf», «Grmmk» und «Trsgb» aus. Dies führt zu diversen sehr grotesken, manchmal lustigen und manchmal sehr nervigen Szenen.

Wer sich stets so verhält, als ob sein oder ihr Gegenüber ein Totalschwachsinniger ist, wirkt selber wie einer oder wie eine.

Da ist ein Arbeiter an den Schienen und er muss aufhören, wenn ein Tram kommt. Normalerweise könnte man ja davon ausgehen, dass sowohl der Arbeiter als auch die Person, die das Tram chauffiert, Augen im Kopf haben.
Die ORKs gehen nicht davon aus. Ein(e) ORK pustet wie wild in eine Art Tröte, ein Stierhorn oder ein Schofar, während ein(e) andere(r) ORK den Arbeiter von den Schienen drängt. Zwei weitere ORKs wedeln währenddessen mit roten Fahnen, damit das Tram nicht weiterfährt. Wenn Sie eine solche Szene beobachten, zweifeln sie an der Menschheit.

Nun könnte man natürlich denken, dass die Firma ORKO® eine Art karitativer Einrichtung ist, die sich um Menschen bemüht, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben. So eine Art «Geschützte Werkstatt». Ein Besuch auf www.orko.ch lehrt aber das Gegenteil: ORKO® legt Wert darauf, voll ausgebildete, fähige und topmotivierte Kräfte zu haben…

Am Huttenplatz und am Zwinglikreisel und in der Calvinstrasse und in Oekolampadallee sind wieder grosse Baustellen.
Am Huttenplatz wird ein Kiosk um 5 Meter versetzt, am Zwinglikreisel werden 20 Meter Tramschienen verlegt, in der Calvinstrasse gräbt die Telefongesellschaft und in der Oekolampadallee ist der Strassenbelag auf 50 Quadratmetern zu erneuern. Klar, dass es pro Baustelle ca. 10 grosse Geräte, ca. 20 Arbeiterinnen und Arbeiter und mindestens 7 Arbeitstage braucht.

Und natürlich Hunderte von ORKs.

Dienstag, 14. Februar 2023

Wer bekommt meine Liebe? Ein Post zum Valentinstag.

Da war eine Zeit, in der folgende Aufstellung galt:

Meine Liebe Frau und Kindern.
Meine Kraft der Arbeit.
Meine Verehrung dem Kaiser.
Meine Zeit in Gottes Händen.

Das war wohl so bei meinem Gross- und Urgrossvater (oder so ähnlich). Ich selbst würde es bei mir und für mich eher so beschreiben:

Meine Liebe Partner und Freunden.
Mein Respekt anderen Menschen.
Meine Begeisterung der Arbeit.
Meine Zeit den Hobbys.
Meine Sorgfalt den Geräten und der Wohnung.

Nun entdecke ich aber, dass immer mehr Dinge und Organisationen meine Liebe verlangen. «Es ist Zeit, Ihrer IT mehr Liebe zu schenken.» So erblicke ich es auf einem Plakat der Swisscom. «Aus Liebe zum Velo», so wirbt die Werkstatt Velo-Virus. Wird die Liste in Zukunft wie folgt aussehen?

Meine Liebe dem Partner und den Freunden.
Meine Liebe dem Computer und der IT.
Meine Liebe Auto und Velo.
Meine Liebe der Wohnung.
Meine Liebe der Arbeit.
Meine Liebe den Hobbys.
Meine Liebe dem Klimaschutz.
Meine Liebe der Rettung der Welt.

???

Ich stelle mir einen zukünftigen Tag vor:
Ich stehe auf, gehe in die Küche und werfe der Nespresso®-Maschine drei Kusshände zu, bevor ich sie anstelle. Während ich meinen Kaffee schlürfe, sage ich noch einmal mündlich, wie wundervoll der Espresso ist. Meine Zahnbürste bekommt einen Kuss. Mein Rasierer bekommt einen Kuss. Und wenn ich die Wohnung verlasse, sage ich ihr noch einmal, dass sie die schönste und liebste Wohnung der Welt ist – und wische noch einmal kurz über mein Schränkchen im Flur.
Bei der Fahrt nach Solothurn begebe ich mich mehrmals in Lebensgefahr, weil ich versuche, das Tram 11, die S-Bahn nach Olten und später die S-Bahn nach Solothurn zu umarmen. Das ist nämlich gar nicht so ungefährlich…
In der Schule streichle ich meinen Drucker, küsse meinen Computer, herze auch die Kaffeemaschine dort und liebkose den Fotokopierer. Meinen Kolleginnen und Kollegen stelle ich Blumen auf ihre Schreibtische – oder Schokolade. Alle Schüler bekommen von mir zu hören, dass sie die besten, schönsten, liebsten und tollsten sind. Und natürlich erhalten alle eine 6 – einfach aus Liebe.
Auf der Heimfahrt – nachdem ich noch einmal erfolglos versucht habe die S-Bahnen zu umarmen – schlafe ich. Und tanke auf. Denn zuhause wartet nicht nur mein Partner, sondern auch meine Schwimmsachen, das Hallenbad Kirschgarten mit der Bademeisterin, der Fernseher und das Abendessen.
Und alle wollen und bekommen Liebe.

Nein.
Nein und nochmals nein.
So viel Liebe habe ich nicht.
Wirklich nicht.

Ich müsste oder muss einteilen. Aber wie soll das gehen? Soll ich eine Liste machen und jedem Punkt 10 bis 15 % Liebe zuteilen? Oder soll ich einfach drauflos schenken und dann unserem Besuch sagen: «Also, entschuldigt, wenn ich gerade ein wenig muffig bin, ich habe keine Liebe mehr für euch, weil mein Laptop heute so viel bekommen hat.»?

Ich glaube, ich kehre doch zu einem alten Modell zurück:

Mein Beruf bekommt Kraft und Begeisterung.
Mein Hobby bekommt Zeit.
Wohnung, Geräte, IT, Verkehrsmittel, Haushalt etc. bekommen Aufmerksamkeit und Sorgfalt.

Und Freunde und vor allem mein Partner bekommen die Liebe.



 

 

 

 

  

 

Freitag, 10. Februar 2023

Lehrermangel?

Der Lehrermangel scheint in Deutschland (und zum Teil auch in der Schweiz) zum echten Problem zu werden. In den nächsten Jahren werden Tausende von Lehrpersonen fehlen. Nun hagelt es tolle Vorschläge, Vorschläge, die auf den ersten Blick gut klingen, aber langfristig dazu führen werden, dass noch weniger Menschen den Lehrerberuf ergreifen:
Alle Lehrpersonen sollen 100% arbeiten MÜSSEN.
Wir machen die Klassen grösser.
Wir nehmen auch Quereinsteiger ohne JEGLICHE pädagogische Eignung, zahlen ihnen aber das Doppelte wie einem studierten Lehrer.

Dabei gäbe es eine einfache Lösung, eine Lösung, die jede(r) kennt, aber niemand wahrhaben will.
Die Zeitschrift «Bildung gestern heute morgen» hat eine Umfrage mit einer einzigen Frage unter Lehrpersonen gemacht. Die einzelne einzige simple Frage lautete:

Wie viel Beruhigungsmittel (in Einheiten à 10 Milligramm) brauchen Sie vor folgenden Ereignissen?
Normale Unterrichtsstunde
Besuch vom Schulleiter
Schulreise
Schullandheim (Schullager)
Elterntelefonat
Elterngespräch
Elternabend

So einfach und so klar. 1000 Lehrpersonen wurden befragt und ergaben folgende Auswertung:

 

Ereignis

Menge Beruhigungsmittel (in 10 mg)

Schulstunde

2,1

Schulleiterbesuch

3,2

Schulreise

5,8

Schullandheim (Schullager)

6,4

Elterntelefonat

15,7

Elterngespräch

31,9

Elternabend

57,8

Damit ist eigentlich alles gesagt. Jeder Lehrer und jede Lehrerin könnte hier Lieder singen.

Nun hat es bestimmte Formen bzw. Unformen und Arten bzw. Unarten von Eltern immer schon gegeben, nur dass diese Formen bzw. Unformen und Arten bzw. Unarten in der absoluten Unterzahl waren. Im ersten Elternabend der 5. Klasse – so berichtete meine Mutter – bat eine Mutter, nach dem Schwimmunterricht einzeln bei jeder Schülerin und bei jedem Schüler zu kontrollieren, ob die Kappe oder Mütze korrekt aufgesetzt wurde. Einfach zu sagen «setzt eure Mützen auf» würde nicht genügen, die Kinder würden ständig krank. Eine halbe Stunde rollten die Eltern vor Lachen auf dem Boden. Heute…ja, heute würde diese Mutter viel Zustimmung bekommen, 11-jährige Kinder sind mit dem Aufsetzen einer Pudelmütze ja auch überfordert.

(Ja, ich habe diese Geschichte schon einmal erzählt, vor 1 ½ Jahren, aber sie passt heute halt zu schön…)

Sam Levenson stellt in seinem Buch «Kein Geld, aber glücklich» die – wie er sie nennt – alte Zeit der – wie er sie nennt – neuen Zeit gegenüber:

 

Alte Zeit

Neue Zeit

Wenn ich aus der Schule kam, stellte die Mutter zwei Fragen: «Warst du heute brav?» und «Was hast du heute gelernt?»

Die Mutter im Zweitwagen stellt nur eine Frage: «Warst du heute glücklich?»

Wenn ein Kind schlechte Noten hatte, hiess es, dass es a) faul oder b) unaufmerksam war.

Wenn ein Kind schlechte Noten hat, heisst es, dass der Lehrer a) faul oder b) unaufmerksam ist.

Beide Dinge konnten nur von einer Person bekämpft werden: dem Schüler / der Schülerin

Beide Dinge können nur von einer Person bekämpft werden: dem Lehrer / der Lehrerin

 Zugespitzt, aber wahr.

So kann doch das Rezept nur lauten: Entmachtet die Eltern. Zum Beispiel durch folgende Massnahmen:
Eltern-Lehrer-WhatsApp-Chats mit einer Zeitbegrenzung (ohne Nacht, ohne Wochenenden)
Geheimnummern für Lehrerinnen und Lehrer
Gesetzliches Verbot von Privatkontakten von Eltern und Schulleitungen
Zentrale Prüfungen und zentral geregelte Übertritte

Entmachtet die Eltern. Hart, aber klar.

Denn: 570 Milligramm Barbiturat sind wahrscheinlich letal – und das verstärkt den Lehrermangel noch mehr…