Freitag, 29. Oktober 2021

Sportlehrer

René Ragout, der Musiklehrer der Sekundarschule Weiningen (ZH) ist ein strenger Geselle. Er geht davon aus, dass eigentlich jeder und jede eine hohe musikalische Begabung hat, aber nur zu faul ist, diese auch auszuleben. So geht er mit jeder Klasse so um, als ob sie in der nächsten Woche zum ARD-, Tschaikowsky oder Chopinwettbewerb fahren würden. Schülerinnen oder Schüler, die einen Ton nicht treffen, keine grosse Septime singen können, keine «8 gegen 7» auf ihren Schenkeln schlagen vermögen oder sonst einfach unbegabt sind, beschimpft er als «unmusikalisches Warzenschwein», als «Rhythmuszombie» oder als «Scheisshaufen im Garten der Melodien».
René Ragout hat wegen seiner unmöglichen Art Probleme mit der Schulleitung.
Natürlich.
Und mit den Eltern.

Regula Schmid, die Deutschlehrerin der Sekundarschule Zuzenhausen (BE) ist eine raue Person, mit hexenhaften Zügen. Ihre Prämisse ist, dass eigentlich jeder und jede ein hohes sprachliches Talent hat, aber nur zu faul ist, dieses auch zur Geltung kommen zu lassen. So geht sie mit jeder Klasse so um, als ob sie in der nächsten Woche zum Bachmannwettbewerb fahren würden. Schülerinnen oder Schüler, die «weil» oder «während» mit Dativ gebrauchen, das Futur II Passiv nicht richtig bilden, keine 45 Synonyme für «sprechen» kennen oder sonst einfach unbegabt sind, beschimpft sie als «ungrammatische Drecksmenschen», als «Sprachkacker» oder als «Scheisshaufen im Garten der Poesie».
Regula Schmid hat wegen ihrer unmöglichen Art Probleme mit der Schulleitung.
Natürlich.
Und mit den Eltern.

Remo Tischler, der Sportlehrer der Sekundarschule Mossach ist ein wüster Unhold. Er geht davon aus, dass eigentlich jeder und jede eine hohe sportliche Begabung hat, aber nur zu faul ist, diese auch zu trainieren. So geht er mit jeder Klasse so um, als ob sie ab der nächsten Woche im Olympischen Dorf wohnen würden. Schülerinnen oder Schüler, die nicht 7 Meter weit und 2 Meter hoch springen, die keinen Flickflack und kein Rad können und auch im Base-, Volley- und Fussball keine Punkte machen oder sonst einfach unbegabt sind, beschimpft er als «meilenweit zu fett», als «totaler Krüppel» oder als «Scheisshaufen im Garten der Bewegung».
Remo Tischler hat…
Keine Probleme.
Nicht mit der Schulleitung.
Nicht mit den Eltern.
Nicht mit den Schülerinnen und Schülern.

Warum ist das so? Warum können und dürfen im Sportunterricht Dinge passieren, die in jedem anderen Fach unmöglich sind? Warum muss ein Schüler oder eine Schülerin sich ständig rechtfertigen, dass sie nicht schnell laufen oder hoch hüpfen können, während es für andere völlig normal ist, nicht singen oder keine genialen Texte schreiben zu können?
Warum – und ich schreibe das jetzt ganz bewusst provokant – haben die Sportlehrkräfte noch nicht gemerkt, dass der Zweite Weltkrieg vorbei ist? Wir brauchen keine durchtrainierten, kräftigen Leute mehr für Front und Lazarett. Die Schweiz hat sie übrigens auh damals nicht gebraucht...

Menschen, die normal intelligent sind, aber manchmal Buchstaben verdrehen, haben Legasthenie. Sie bekommen besondere Förderung und haben bei den Schultests einen gewissen Bonus.
Menschen, die normal intelligent sind, aber manchmal Zahlen verdrehen, haben Dyskalkulie. Sie bekommen besondere Förderung und haben bei den Schultests einen gewissen Bonus.

Ich fordere jetzt das Gleiche für mich bezüglich Sport. Ich habe ab jetzt offiziell eine Dysmotorisie. Und zwar rückwirkend. Damit werden alle meine Sportnoten seit Eintritt Primarschule im Jahr 1971 revidiert. Und alle meine Sportlehrer müssen sich entschuldigen.
Die, die noch leben, natürlich.
Nein, einen nehme ich aus: Meinen Lehrer für Leichtathletik (ausgerechnet!) in der 13. Klasse. Er hiess Lieb und trug den Namen zu Recht – aber er war eine grosse Ausnahme.
Sonst gilt ab jetzt für mich meine Dysmotorisie. Sportlehrpersonen, enstschuldigt euch!

René Ragout, der Musiklehrer der Sekundarschule Weiningen (ZH) ist ein strenger Geselle.
Regula Schmid, die Deutschlehrerin der Sekundarschule Zuzenhausen (BE) ist eine raue Person, mit hexenhaften Zügen.
Beide haben Probleme mit der Schulleitung – und mit den Eltern.
Aber sie haben jetzt eine Lösung:
Sie lassen sich zu Sportlehrpersonen ausbilden.



 

 

 

 

 

 

Dienstag, 26. Oktober 2021

Ansagen oder Zurzeit sind alle...

Liebe Badegäste
Wir bitten Sie, vor dem Schwimmen die Duschen zu benutzen.
Vielen Dank.

So hiess es früher im Gartenbad St. Jakob, vielleicht noch bis vor zwei Jahren, seit der letzten Saison ist dort zu hören:

Liebe Badegäste
Vor dem Baden und Schwimmen ist das Duschen obligatorisch.
Vielen Dank.

Warum hat man das geändert? Ich kann mir nur einen Grund vorstellen, nämlich den, dass man hier von einigen Witzbolden und Spassmachern ausging, deren Phantasie (sic) man nicht anregen wollte. Denn «Duschen benutzen» könnte ja einiges beinhalten, es könnte ausser dem Einseifen und sorgfältigen Abduschen, ausser Haare waschen und Abkühlen ja auch sämtlichen Unsinn beinhalten, den man in einer Dusche veranstalten kann. Das reicht von den Handtuch-Schlachten, die Jugendliche beginnen, indem sie sich die nassen Frotteetücher auf Bauch und Rücken pfeffern, bis zu den Sachen, die ausdrücklich und schriftlich verboten sind: Rasieren und Haare färben. Das reicht von den Tänzen und Tänzchen, die Kleinkinder veranstalten, bis zu…, bis zu…, ja, wie soll ich das jetzt sagen?...gut, nennen wir es beim Namen: Sex.
Und weil man nicht mehr will, dass Spassbolde und Witzmacher sich solche Dinge vorstellen, hat man das eben geändert.

Auch diese Ansage hat man geändert.

Liebe Anrufer
Zurzeit sind alle unsere Mitarbeiter beschäftigt. Bitte haben Sie ein wenig Geduld, Sie werden so schnell es geht bedient.
Vielen Dank.

So hiess es früher bei diversen Hotlines, vielleicht noch bis vor zwei Jahren, seit der letzten Saison ist dort zu hören:

Liebe Anrufer
Zurzeit sind alle unsere Mitarbeiter im Kundengespräch. Bitte haben Sie ein wenig Geduld, Sie werden so schnell es geht bedient.
Vielen Dank.

Warum hat man das geändert? Ich kann mir nur einen Grund vorstellen, nämlich den, dass man hier von einigen Witzbolden und Spassmachern ausging, deren Phantasie (sic) man nicht anregen wollte. Denn «beschäftigt» könnte ja einiges beinhalten, es könnte ausser dem Kundengespräch, ausser Notizen machen und weiterleiten ja auch sämtlichen Sinn und Unsinn beinhalten, der an einem Berufstag vorkommt. Das reicht vom Gang auf die Toilette über den Gang zum Kaffeeautomaten bis zum Haare kämmen, es könnte aber auch Nägel lackieren, Kreuzworträtsel lösen, SMS beantworten beinhalten, ebenso Lippen schminken, Topfpflanzen giessen, Sandwich essen, genauso wie Brille putzen und Nase kratzen.
Und weil man nicht mehr will, dass Spassbolde und Witzmacher sich solche Dinge vorstellen, hat man das eben geändert.

Nun gibt es aber zwischen den beiden Beispielen einen gewaltigen Unterschied. Im ersten Beispiel sind die Witzbolde und Spassmacher eben genau solche, sie stellen sich Dinge vor, die 90% der Besucher nicht tun.
Im zweiten Beispiel liegen die Witzspassboldmacher oft richtig. Anders gesagt: Die zweite Ansage ist gelogen. Es sind niemals alle Mitarbeiter in einem Kundengespräch.
Hoffentlich.
Ja, hoffentlich!
Ich hoffe, dass der Mitarbeiter, der mir gerade versprochen hat, einige Dokumente zu schicken, diese Verschickung auch wirklich in die Wege leitet.
Ich hoffe, dass die Mitarbeiterin, die versprach, die Sache weiterzugeben, dies auch wirklich tut und kurz eine Mail schreibt.
Und ich hoffe, dass der Mitarbeiter, der bei mir schon ein Kratzen im Hals hatte, zwei Minuten ein Bonbon lutscht, um den nachfolgenden Klienten nicht anzuhusten.

Wir brauchen also neue Ansagen. Wie wäre es damit:

Liebe Badegäste
Vor dem Baden und Schwimmen ist das Duschen obligatorisch. Dazu benützen Sie bitte die Duschen.
Vielen Dank.

Und:

Liebe Anrufer
Zurzeit sind alle unsere Mitarbeiter mit sinnvollen und die Kundenzufriedenheit fördernden Dingen beschäftigt. Bitte haben Sie ein wenig Geduld, Sie werden so schnell es geht bedient.
Vielen Dank.



















Samstag, 23. Oktober 2021

Wer soll die Ampelpläne bezahlen?

Stellen Sie sich vor, Sie müssten eine Mousse au Chocolat machen. Allerdings hat man Ihnen zwei herbe Bedingungen gestellt:
Die Eier dürfen nicht getrennt werden.
Die Schokolade darf nicht erhitzt werden.
Sie gehen also ans Werk und basteln etwas zusammen, etwas Naja-Mässiges, das den Namen Mousse au Chocolat sicher nicht verdient hat, denn wenn sie die geraspelte (!) Schokolade in die gequirlte Eierpampe hineinkippen, dann entsteht wahrscheinlich etwas Essbares, aber sicher nichts Geniessbares.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten nach Norwegen Allerdings hat man Ihnen zwei Bedingungen gestellt:
Sie müssen vor dem nächsten Sonnenaufgang dort sein.
Sie dürfen kein Flugzeug und keinen Hubschrauber benützen.
Wenn Sie nicht gerade Odin heissen und Ihr Rappe sie über das Meer trägt – mit kurzem Zwischenstopp bei Meister Oluf, dem Schmied auf Helgoland, dann haben Sie grosse Schwierigkeiten. Natürlich fährt Ihr Wagen 300 km/h, aber irgendwo wird die Polizei Sie anhalten, vielleicht witzigerweise sogar in Flensburg.

Stellen Sie sich nun vor, Sie müssten einen Koalitionsvertrag entwerfen. Aber mit folgenden Bedingungen:
Mindestlohn und sichere Rente.
Grosse Investitionen in Klima und Digitalisierung.
Keine Steuererhöhung.
Einhaltung der Schuldenbremse.
Wird auch schwierig, gell?
Gell?

Ich habe VOR der Wahl das Folgende geschrieben:

Die Vorstellung der Wahlprogramme in den Nachrichten im Fernsehen wird dieses Jahr als fröhliche Karnevalsveranstaltung im heute-Journal inszeniert: Marietta Slomka, Bettina Schausten, Kay-Sölve Richter und Gundula Gause, Christian Sievers, Claus Kleber und Heinz Wolf sitzen zusammen im mit Luftschlangen übersäten Studio, trinken Sekt und haben dicke Pappnasen auf. Sie schauen sich die aus Berlin eingeblendeten Beiträge an.
Beitrag von der Pressekonferenz der SPD:
Mütter-, Väter und Grossmütterrente, Ausbau des ÖV, Mindestlohn von 25.-- und Abschaffung der Hundesteuer
Beitrag von der Pressekonferenz der FDP:
Steuersenkungen für alle Unternehmen, Abschaffung der MwSt. für Hotels, Ausbau der Autobahnen in Ostwestrichtung, Sicherung der Rente für Tierpfleger.
Beitrag von der Pressekonferenz der GRÜNEN:
Veganes Gratisessen an allen Schulen, Väter-, Mütter- und Kinderrente, Förderung der Erforschung der Energiegewinnung durch Verdauungskraft, Gratis-ÖV in allen Grossstädten.
Marietta Slomka, Bettina Schausten, Kay-Sölve Richter und Gundula Gause, Christian Sievers, Claus Kleber und Heinz Wolf haken sich unter und schunkeln und singen:
Wer soll das bezahlen?
Wer hat das bestellt?
Wer hat so viel Pinke, Pinke?
Wer hat so viel Geld?

(Post vom 29. Juni, dort in anderer Reihenfolge)

Das war – wie gesagt – VOR der Wahl, aber NACH der Wahl sieht das nicht anders aus, denn nun müssen ja die Wahlversprechen eingelöst werden, und mehr Geld ist ja nicht da…

Was tut man nun in unseren drei Fällen?

Die Mousse werden Sie – gegen das Gebot – auf traditionelle Art herstellen, Sie werden die Eier trennen und nur die Eiweisse zu einem steifen Schnee schlagen, und natürlich werden Sie die Schokolade im Wasserbad vorsichtig zerlassen. Sie werden dann zwar vom Bedingungssteller gestraft werden (Mit was? – Und wer ist dieser Bedingungssteller eigentlich?) aber Sie haben ein wunderbares Dessert.

Die Mousse werden Sie – gegen das Gebot – auf traditionelle Art herstellen, Sie werden die Eier trennen und nur die Eiweisse zu einem steifen Schnee schlagen, und natürlich werden Sie die Schokolade im Wasserbad vorsichtig zerlassen. Sie werden dann zwar vom Bedingungssteller gestraft werden (Mit was? – Und wer ist dieser Bedingungssteller eigentlich?) aber Sie haben ein wunderbares Dessert.

Die Reise werden Sie – gegen das Gebot – auf traditionelle Art antreten, Sie werden sich ein Ticket besorgen, werden zum Airport fahren, einchecken, zum Gate gehen und nach Oslo fliegen. Sie werden dann zwar vom Bedingungssteller gestraft werden (Mit was? – Und wer ist dieser Bedingungssteller eigentlich?) aber Sie sind in nullkommanix, in Windeseile in Norwegen.

Und im dritten Fall?
Es wird nicht gehen ohne mehr Steuer und mehr Schulden.
Ja, ich meine:
Es wird nicht gehen ohne mehr Steuer UND mehr Schulden.

Aber ganz ehrlich: Das Geld wird gut angelegt sein.















Freitag, 22. Oktober 2021

Frühaufstehen ist toll, wenn...

Ich bin begeisterter Frühaufsteher. Ich stehe gerne vor dem Sonnenaufgang, noch in Nacht und Nebel auf und freue mich, wenn die Sonne sich über die Hügel erhebt.
Frühaufstehen ist toll.

Allerdings muss man diesen Satz sofort mit ein paar „wenn“ einschränken.

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist.
Ich habe nie verstanden, warum Esau sein Erstgeburtsrecht für eine Linsensuppe verkauft, und ich habe nie verstanden, warum Faust seine Seele für ein bisschen Welterkenntnis hergibt. Wenn ich richtig spät ins Bett gekommen bin und am Morgen richtig früh aufstehen muss, dann wäre ich aber sehr anfällig für Jakobs und Mephistos, ich würde meine Seele PLUS mein Erstgeburtsrecht für eine Stunde Schlaf verkaufen. Frühaufstehen setzt also Frühinsbettgehen voraus. Zumindest in meinem Alter. Als ich mit 17 am Gran Canyon war, gab es eine Gruppe, die in der Lounge noch Party feierte und eine andere, die den Sonnenaufgang betrachtete – ich war in beiden. Heute, mit (fast) 57 geht das nicht mehr…

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat.
Und mit „getrunken“ meine ich jetzt nicht Wasser, sondern Gin und Kir, Bier und Schnaps, Riesling und Merlot. Denn auch wenn man nach Gin und Kir, Bier und Schnaps, Riesling und Merlot ein wenig Schlaf gefunden hat, der Alkohol hat sich nicht schneller abgebaut. Und deshalb spürt man Gin und Kir, Bier und Schnaps, Riesling und Merlot noch kräftig in den Knochen. Man dürfte sogar teilweise gar nicht mit dem Auto zur Arbeit. Wenn man also gar nicht in der Lage ist, einen PKW zu bedienen, wie soll man dann einen PC beackern?

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat und schöne Träume hatte.
Hier müssen wir definieren, was schöne Träume sind. Die gibt es nämlich ganz wenig, denn – und das ist das fiese – bei Albträumen wiegt das schlimme Traumerlebnis und nicht die Erleichterung und bei schönen Träumen NICHT das Traumerlebnis, sondern das blöde Gefühl, dass alles nicht wahr ist. Beispiele? Sie erwachen schweissgebadet, weil ein Wolf sich über sie beugt. Das Gefühl der Angst bleibt, obwohl sie ja merken, dass alles nur ein Traum war. Sie träumen, die schönste Frau der Welt beugt sich über sie und duftet nach Rosen, Sie erwachen, und es bleibt nur das schnöde Gefühl, dass die schönste Frau (oder der schönste Mann, ja, ja…) gar nicht da ist.
Ein schöner Traum ist zum Beispiel der folgende: Sie schreiben im Traum den Post des Jahrhunderts und beim Aufwachen ist die Idee noch da! (Ist mir wirklich schon passiert.)

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat und schöne Träume hatte und gerne zur Arbeit (oder ein anderes Tagwerk) geht.
Ganz viele Menschen haben den falschen Job, sie gehen lustlos zur Arbeit und kommen erschöpft wieder heim, sie bringen die 8 Stunden Ackern mit grössten Schwierigkeiten und ständigem Blick zur Uhr hinter sich und freuen sich als einziges auf die Ferien. Das ist extrem blöd, und es ist jammerschade, dass sich da niemand drum kümmert. Die Arbeitsämter sehen sich erst zuständig, wenn Sie wegen Ihrer Lustlosigkeit, Ermüdung, wegen Ihrer Feriensucht und dem ständigen Aufdieuhrgucken gekündet werden. Wenn Lustlosigkeit, Ermüdung, Feriensucht und ständiges Aufdieuhrgucken ein Burnout auslösen, dann ist die Krankenkasse zuständig. Ohne Burnout und in ungekündigter Stellung haben Sie keine Chance, dass Ihnen jemand hilft.

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat und schöne Träume hatte und gerne zur Arbeit (oder ein anderes Tagwerk) geht und einen Mittagsschlaf halten kann.
Der Mittagsschlaf ist eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit.
Hölderlin schreibt in Der Rhein:

Und herrlich ists, aus heiligem Schlafe dann
Erstehen und aus Waldes Kühle
Erwachend, Abends nun,
Dem milderen Licht entgegenzugehn,

Und Mozart schreibt an seinen Vater:

Der ganze Morgen geht mit Lektionen drauf, dann gehen wir zu Tisch und dann muss ich doch meinem armen Magen ein Stündlein der Digestion gönnen…

Wir sehen, dass alle grossen Geister sind Mittagsschläfer gewesen sind. Und wenn Sie einen 8 Stunden-Job haben: Viele Firmen lassen inzwischen ein Power-Nap zu, denn hinterher ist man viel erholter.

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat und schöne Träume hatte und gerne zur Arbeit (oder ein anderes Tagwerk) geht und einen Mittagsschlaf halten kann und es nicht regnet.
Bei Regen aufstehen ist nun ungefähr das Letzte, was sich ein Mensch wünscht. Überhaupt gehört der Regen abgeschafft, ich weiss, die Natur braucht ihn, aber da muss man andere Lösungen finden.

Ich bin begeisterter Frühaufsteher. Ich stehe gerne vor dem Sonnenaufgang, noch in Nacht und Nebel auf und freue mich, wenn die Sonne sich über die Hügel erhebt.
Frühaufstehen ist toll.

Allerdings muss man diesen Satz sofort mit ein paar „wenn“ einschränken.
Und das haben wir getan.
Und ich danke Claudia Keller für die Vorlage mit den «wenn».





 

 

  

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 19. Oktober 2021

Timeslotten

Sie besuchen gerade die Dienstag-Freitag-Glosse. Einfach so. Einfach so, spontan und ohne Time-Slot. Gut, vielleicht haben Sie Ihren persönlichen Slot, vielleicht lesen Sie immer um 8.00 meinen Post, oder um 7.00, oder vielleicht auch später, vielleicht immer NACH dem ersten Kaffee oder VOR dem ersten Kaffee oder VOR der ersten Zigarette oder NACH der ersten Zigarette, vielleicht auch erst am Abend, jedenfalls haben Sie möglicherweise einen eigenen Slot, aber keinen den ich Ihnen auferlege. Eventuell sind Sie aber auch wirklich ein ganz spontaner Mensch, dem irgendwann am Tag, vielleicht beim Supermarktkassenwarten oder beim Spazierengehen, der beim Fensterputzen oder im Schwimmbecken spontan denkt: „Jetzt die Dienstag-Freitag-Glosse lesen!“ Und dann lesen Sie, ganz spontan, wobei Sie beachten sollten, dass Sie an der Supermarktkasse trotzdem vorrücken müssen, dass Sie beim Spaziergehen auf die Fresse (s.v.v.) fallen, wenn Sie nur aufs Smartphone gucken, dass Fensterputzen mit gleichzeitigem Lesen sehr gefährlich ist und dass ihr Smartphone wahrscheinlich nicht wasserdicht ist, jedenfalls machen Sie es spontan.
Aber egal, ob spontan oder mit persönlichem Slot: Die Glosse verlangt keinen Slot von Ihnen.

Ganz im Gegensatz zu den meisten öffentlichen Einrichtungen.

Ich war neulich eine Woche in Berlin, und da war das schon ein Herumjonglieren mit den diversesten Timeslots, gefühlt war ich eigentlich die ganze Zeit nur am Timeslotten. Das blöde ist ja, dass man so viel rechnen muss, dass man auch so viel Zwischenzeit einplanen muss, dass einem manchmal schwindlig wird.
Zum Beispiel der Dienstag am Morgen Schwimmen im Prinzenbad, danach in die Neue Nationalgalerie und abends in Staatsoper, Figaro. Gut, die Oper arbeitet ja immer quasi mit Slots, weil das ja eine Vorstellung ist, also geht man mal davon aus, 19.00 startet das dideldideldim dideldidel dideldideldim dideldidel dideldidel daaaa…, also muss man um 18.00 in Kreuzberg los. Nun will man – man hat ja Ferien – noch einen kleinen Mittagsschlaf machen, also ein Slot in der Nationalgalerie um 14.00, nein, das ist zu knapp, um 13.00, man muss ja den Weg von Mitte nach Kreuzberg auch wieder rechnen, und selbst für kleine Strecken kann an der Spree locker mal eine Stunde zusammenkommen.

Nun also noch das Schwimmen. Das legendäre Bad (es ist durch Herr Lehmann immerhin ein Schauplatz der Weltliteratur) bietet Slots von 8.00–10.15 und von 10.30–12.45. Den zweiten? Wie lange braucht man vom Prinzenbad zur NNG? Oder doch den ersten, dann könnte man noch einmal heim und frühstücken, man muss aber hoffen, dass man rechtzeitig wach wird? Es ist eine verdammte (s.v.v.) Überlegerei…
Und am Mittwoch dann das Gleiche noch einmal, allerdings mit Cosí und Gropiusbau, das erste auch Staatsoper, also gleich, das andere aber an anderer Stelle, wodurch sich die Wege total verändern.

Wir timeslotten.
Ich timeslotte, Sie timeslotten, du timeslottest, ihr timeslottet.

Zwei Dinge sind zu befürchten:
Das erste ist, dass die Händler und Verkäufer die Timeslots entdecken. Wäre doch praktisch, wenn der Bäcker wüsste, von 10.00 bis 10.30 kommt niemand, da kann ich selbst zum Metzger gehen, wäre doch super, wenn der Metzger zum Lehrburschen sagen könnte: „Du, die nächste Viertelstunde kommt niemand, du kannst eine rauchen gehen.“ Wäre doch klasse, wenn der Juwelier wüsste, dass am nächsten Tag bis 12.00 keiner kommt, da könnte er ausschlafen. Kein planloses Herumgestehe und Gewarte mehr, alles planbar und stylbar.
Für uns wäre es eine Katastrophe, Einkäufe, die man in 30 Minuten erledigt, würden die dreifache Zeit kosten, denn man muss ja immer ein wenig Zeit einplanen.
8.00 Bäcker
8.15 Metzger
8.30 Post
8.45 Apotheke
9.00 Uhrmacher
9.15 Buchhandlung

Das zweite blöde Dinge wäre, wenn die Sportanlagen und Museen die Slots beibehalten würden. Für die Einrichtungen wäre es super, wenn alles planbar wäre, wenn man immer wüsste, wie viele Leute wann da sind.
Für uns Besucher wäre es die reine Katastrophe.
Das Schöne vor Corona war es ja, ganz spontan an einem Schwimmbad vorbeizukommen, Lust auf 500m Kraul oder 1000m Brust zu bekommen, hineinzugehen, sich Badebekleidung und Handtuch auszuleihen und einfach loszuschwimmen.
Das Schöne vor Corona war es ja, ein Plakat zu sehen und zu rufen: „Oh, Im Hulbermuseum ist eine Expressionismus-Ausstellung, nichts wie hin!“
Nein, da gehen die Meinungen auseinander, für die Einrichtungen sind die Slots ein Plus, für uns Stuss.

Sie besuchen gerade die Dienstag-Freitag-Glosse. Einfach so. Einfach so, spontan und ohne Time-Slot. Gut, vielleicht haben Sie Ihren persönlichen Slot, eventuell sind Sie aber auch wirklich ein ganz spontaner Mensch.
Aber egal, ob spontan oder mit persönlichem Slot: Die Glosse verlangt keinen Slot von Ihnen.

Und das wird auch so bleiben.







 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 15. Oktober 2021

Nachtrag Schlampigkeit: Die Berliner Wahl

Die Wahl in Berlin! Die Wahl in Berlin!
Ich habe im letzten Post die Wahl in Berlin nicht genannt, ich habe sie vergessen und übergangen, ich habe sie liegengelassen und auf die Seite gelegt.
Dabei wäre sie ein so schönes Beispiel gewesen.
Ich habe die Wahl in Berlin vergessen!

Sie erinnern sich: Ich habe im letzten Post, ausgehend von einer Adressierung an mich mit vier Fehlern, über Fehlleistungen geschrieben, die so phänomenal sind, dass man eigentlich von Mutwillen und grosser Anstrengung ausgehen muss. Ich habe über eine Germanistikprofessorin geschrieben, die auch in der kleinsten Satzeinheit noch zig ÄH unterbringt, ich habe über die Verspätungen der DB geschrieben, die über ein Normalmass hinausgehen und bald Tage erreichen, ich habe über Bauprojekte geschrieben, aber…

Die Wahl in Berlin! Die Wahl zum Abgeordnetenhaus!
Ich habe sie im letzten Post nicht genannt, ich habe sie vergessen und auf die Seite gelegt.
Dabei wäre sie ein so exzellentes Exempel gewesen.
Ich habe die Wahl an der Spree vergessen!

Aber jetzt mal ehrlich: Um so ein Chaos wie am 24.9.2021 zu veranstalten, muss man sich sehr, sehr, sehr anstrengen.
Es ist ja nicht so, dass hier in einem Drittweltland zum ersten Mal demokratische Wahlen stattfinden. Berlin hat schon mehrere Wahlen durchgeführt, und man hat eigentlich eine grosse Erfahrung.
Nein, für so ein Chaos braucht es einen starken Willen.

Es braucht einen Willen zum Chaos, wenn man merkt, dass in bestimmten Kisten falsche Wahlzettel sind, um nicht das einzig Richtige zu tun, nämlich ALLE Kisten zurückzubeordern, es braucht einen Willen zum Chaos den Leiterinnen und Leitern der Wahlbüros dann zu sagen, sie müssten halt falsche Zettel irgendwie aussortieren.
Es braucht aber auch einen Willen zum Chaos, davon auszugehen, dass man während des Tages nachliefern kann, also Wahlzettel noch vorbeibringen, wenn man weiss, dass gleichzeitig der Berlin-Marathon stattfindet und Autos und LKWs nicht durchkommen.

Die Wahl in Berlin! Die Wahl in Berlin!
Ich habe die Wahl in Berlin vergessen!
Dabei wäre sie so ein schönes, ein wunderbares, ein super Beispiel gewesen, dass richtiges Chaos nur mit grosser Anstrengung erreicht werden kann.

Und die Anstrengung zeigte Erfolge:
In manchen Wahllokalen bekamen die Menschen Wahlzettel ausgehändigt, auf denen schon Kreuzchen waren, wie eine Frau im Radio meinte, sei das komisch gewesen, aber sie habe «eh die SPD wählen wollen…»
In mehreren Wahlbezirken ergab sich das das exakt gleiche Endergebnis, das ist ja eigentlich schön, wenn sich die Menschen in Marzahn und Köpenick, in Spandau und Grunewald so einig sind…
Auffallend auch die Wahlbeteiligung: An einigen Punkten erreichte sie 150% Prozent, schön, dass die Berlinerinnen und Berliner so eifrig Wählende sind, aber mehr als 100% gehen einfach nicht.

Ich habe im letzten Post die Wahl in Berlin nicht genannt, ich habe sie vergessen und übergangen, ich habe liegengelassen und auf die Seite gelegt.
Dabei wäre sie ein so schönes Beispiel gewesen.
Ich habe die Wahl in Berlin vergessen!

Ich stelle mir vor, die Wahl zum Berliner Parlament hätte in Afrika oder Südamerika stattgefunden, in einem Staat, der bisher von einem Diktator regiert worden wäre. Die UNO hätte Wahlbeobachter geschickt, die die Gültigkeit der Wahl eindeutig angezweifelt hätten. Mehrere Regierungen der Welt, darunter die BRD, Frankeich, Grossbritannien, die USA, Russland und China, mit anderen Worten die G8-, die G9-, die G10-, die G11- und die G12-Staaten (gibt es die eigentlich alle?) hätten die neue Regierung nicht akzeptiert.
In einem anderen, nicht so «perfekt westlichen» Land hätte man keinesfalls so einfach in Koalitionsverhandlungen treten können.

Ich habe im letzten Post, ausgehend von einer Adresse mit vier groben Fehlern, über Pannen geschrieben, die so grossartig, dass man eigentlich von Willen und grossem Fleiss ausgehen muss. Ich habe über eine Professorin geschrieben, deren Vorlesungen von ÄHM nur so strotzen, ich habe über die DB geschrieben, die bei Verspätungen Ausmasse erreicht, dass man lieber mit dem Schiff geht, ich habe über Bauprojekte geschrieben, aber…

Die Berliner Wahl gehört auf jeden Fall dazu.







































Dienstag, 12. Oktober 2021

Award für die schlampigste Adresse

Ich vergebe heute den Award für die schlampigste und blödeste Adressierung an mich. Und das ist jetzt alles nicht erfunden.

Frau Dr.
Ralf Herter
Bestattungsinstitut
Leimenstrasse 18
4051 Basel

Das stand auf einem Brief, in dem die Freiburger Uniklinik noch Geld von mir wollte, ich hatte den Sommer mit einem familiären Todesfall verbracht. Und für die Glanzleistung, in einer kurzen Adresse vier Fehler unterzubringen, bekommt die UK Freiburg heute den Award.

Denn so hätte es aussehen müssen:

Herr
Rolf Herter
Leimenstrasse 18
4051 Basel

Oder ganz genau formuliert:

Herr (ich bin – auch wenn das jetzt so anti-LGBTQ klingt, eindeutig ein Mann und kein bisschen eine Frau…)
Kein Dr. (ich habe zwar einen promotionsadäquaten Abschluss, der Abschluss Künstlerische Ausbildung Chorleitung gilt als promotionsadäquat, bringt aber keinen Titel…)
Rolf (Ich heisse ganz bewusst Rolf, mit O und nicht mit A, denn Ralf war in den Jahre 1964–1966 ein Modename, ich wäre der 80. Ralf an der Schule gewesen und der dritte in der Klasse, so war ich exquisiter…
Herter (das stimmte, oh Wunder, hier lese ich häufig die Varianten Härter oder Herder…)
Kein Bestattungsinstitut (ich habe mich zwar in den Sommerferien um eine Bestattung gekümmert, das aber privat und nicht für Geld und ohne professionellen Anspruch, ein Institut habe ich nicht…
Leimenstrasse 18
4051 Basel
(die Adresse stimmte erstaunlicherweise auch…)

Wie erreicht man eine solche Anzahl an Fehlern? Jeder verschreibt sich mal bei einer Adresse, aber wenn man Daten in eine Datenbank eingibt, und das war eine solche Datenbankadresse, dann sollte man schon aufpassen. Vier Fehler allerdings, die sind nur mit Mutwillen zu erreichen, hier hat sich jemand sehr, sehr, sehr, sehr angestrengt, um solchen Pfusch zu schaffen.

Ich habe noch ein paar Beispiele:

Jedem unterläuft mal ein „äh“ in einer Rede. Wenn aber eine ehemalige Basler Germanistikprofessorin in einer Jahreszahl vier solche „äh“ unterbringt, also „Neun-äh-zehn-hundert-äh-fünf-äh-und-äh-vierzig“ sagt, dann kann das nur das Ergebnis einer ausserordentlichen Anstrengung sein, da hat sie viel Mühe aufgewendet.

Natürlich kann ein Zug mal Verspätung haben. Wenn aber ein ICE mit 10 Minuten Verspätung startet und diese dann auf der Strecke Berlin – Freiburg zu 135 Minuten ausbaut, also im Breisgau mit über zwei Stunden Verspätung abfährt, sodass der 15.00-ICE und der 16.00-ICE VOR dem 14.00-ICE abfahren, dann ist das das Ergebnis einer ganz bewussten Fokussierung und Anstrengung, sonst wäre das nicht zu schaffen.

Auch das Zerstören der Gleise 1 und 2 beim Bau der Gleise 3 und 4 inklusive der Versenkung eines millionenschweren Baugeräts gehört in diese Kategorie.

Warum aber wollen so viele Leute so schlechte Arbeit abliefern und strengen sich so an?
Warum strengen sie sich an, nicht nur einen Fehler in die Adressdatenbank zu tippen, sondern gleich vier?
Warum strengen sie sich an, möglichst viele ÄH auf kürzestem Raum unterzubringen?
Warum strengen sie sich an, eine ICE-Verspätung auf das Doppelte, Dreifache, Hundertfache auszubauen?
Warum strengen sie sich an, beim Baum möglichst lange und möglichst schlampig und möglichst teuer zu bauen? (ElPhi, Flughafen Berlin, Stuttgart 21…)

Diese Fragen müssten (gute und geschulte) Psychologen klären.
Für mich ist es nicht begreifbar.

Ihr
Rolf (!) Herter – ohne Titel und ohne Institut









Freitag, 8. Oktober 2021

Meine Kommunikationsprogramme nerven

Seit Corona nutze ich fünf verschiedene Kommunikationsprogramme. Hype® musste ich für die Schule installieren, Tears® kam durch die Zusammenarbeit mit dem Theater Basel, Boom® brauchte ich für den Chor, private Freunde drückten mir dann noch Strike® und Wistle® aufs Auge.

Natürlich sind Hype®, Tears® und Boom®, sind Strike® und Wistle® überhaupt nicht sicher, die Amis und Chinesen, die Russen und Weissrussen hören und lesen ständig mit, wobei sie mir manchmal sogar leidtun, das muss ja furchtbar sein, wenn man sich nicht für Deutsche Grammatik oder die Intervalllehre interessiert, wenn man nicht versteht, was mit „legato im Sopran 1“ oder mit „Genitivkonstruktion“ gemeint ist. Ganz verrückt wird es dann, wenn jemand Hype®, Tears®, Boom®, Strike® oder Wistle® für unanständige Dinge nutzt, auf das hat ja schon Böll in der Katharina Blum hingewiesen, was man da Abhörern zumutet, die RAF-Zeit war ja die grosse Zeit des Abhörens, auf jeden Fall fragte sich Böll, ob die Beamten des VS auch psychologisch betreut werden…

Nein Hype®, Tears®, Boom®, Strike® und Wistle® sind nicht sicher, und das liegt natürlich auch daran, dass man heutzutage fast nichts nutzen kann, ohne mit allen seinen Daten um sich zu werfen. Sie bestellen z. B. einen einfachen Abzug eines digitalen Fotos, und das Unternehmen will alles von Ihnen: Telefonnummer (für Rückfragen), Mailadresse (für die Bestätigung) und natürlich zahlen Sie mit Kreditkarte und auch diese Daten werden alle gespeichert.
Sie bestellen z. B. eine Konzertkarte, auch hier will man natürlich Telefonnummer (für Rückfragen), Mailadresse (für die Bestätigung) und natürlich zahlen Sie wieder mit Kreditkarte und auch diese Daten werden wieder alle gespeichert, aber hier haben Sie auch noch den Anreise-Button geklickt, und nun vernetzt sich das Ganze mit Google Maps® und natürlich haben Sie sofort mehrere Hotelangebote im Postfach, obwohl booking.com ja merken müsste, dass man von einem 30km entfernten Konzertort ja heimfährt…

Und dann die Newsletter! Sie können auf kaum eine Homepage gehen, ohne dass Sie aus Versehen einen Newsletter bestellen. Sie schauen nur mal kurz auf die Site der Evangelischen Kirche Brunsbüttel, sehen dort zufällig das Bild einer wunderschönen Orgel, klicken drauf und landen bei einem Orgelkonzert. Und sind ab jetzt auf der Mailingliste des Brunsbütteler Organisten, und müssen kämpfen, dass Sie die Newsletter wieder abbestellen. Gut, von Hype®, Tears®, Boom®, Strike® und Wistle® schicken mir nicht alle Newsletters, manche schicken mir einfach Informationsmails, die auch nichts Anderes sind als Newsletters.
Und auch genauso nerven.
Wirklich.

Seit Corona nutze ich fünf verschiedene Kommunikationsprogramme. Hype® muss ich für die Schule installieren, Tears® kam durch die Zusammenarbeit mit dem Theater Basel, Boom® brauchte ich für den Chor, private Freunde drückten mir dann noch Strike® und Wistle® aufs Auge.

Was mich an Hype®, Tears®, Boom®, Strike® und Wistle® am meisten, am allermeisten, am allerallermeisten stört, ist, dass Hype®, Tears®, Boom®, Strike® und Wistle® so distanzlos sind.
Die Programme sind wie junge Hunde.

Sie verstehen nicht, was ich meine? Dann werde ich Ihnen das kurz erklären:
Wenn Sie am Abend heimkommen, dann warten Bello, Niko und Tasso nicht ab, bis Sie den Mantel abgelegt und aufgehängt haben, bis Sie die Stiefel aus- und die Pantoffeln angezogen haben, nein die drei Hunde springen sogleich auf Sie zu.
Sie können nicht erst Ihre Post kurz durchsehen, nein, bevor Sie den Poststapel nehmen, müssen Sie Bello an den Ohren kraulen und „guter Hund, guter Hund“ sagen.
Sie können nicht erst zum Anrufbeantworter und ihn abhören, nein, bevor Sie das tun müssen Sie Niko tätscheln und ihm „braves Tier, braves Tier“ zuflüstern.
Und auch Tasso würde Sie nicht zum Kühlschrank lassen, um dort ihr Feierabendbier herauszunehmen, erst braucht er seine Aufmerksamkeit, will herzhaft und herzlich geknuddelt werden, dann gibt es ein Beck’s oder Jever.

Und genau so sind meine Programme, sind Hype®, Tears®, Boom®, Strike® und Wistle®.
Wenn ich meinen PC starte, dann springt als erstes Hype® auf und wünscht mir einen guten Morgen, kaum habe ich Hype® weggeklickt, erscheint Tears® und teilt mir traurig mit, dass ich Tears® vor zwei Wochen das letzte Mal genutzt habe. Auch hier das rote X angewählt, aber dann erscheint Boom® und begrüsst mich, auch Boom® weg, später muss ich noch Strike® und Wistle® bedienen. Und ich ertappe mich dabei, dass ich – als ob ich Hunde hätte – mit den Programmen rede, sie tätschele, und Ihnen mitteile, dass ich ganz, ganz, ganz bald wieder mit ihnen arbeiten werde…

Seit Corona nutze ich fünf verschiedene Kommunikationsprogramme.
Hype®, Tears®, Boom®, Strike® und Wistle®.
Aber manchmal überlege ich, ob ich Sie nicht alle löschen soll.

P.S.
Nicht Brunsbüttel googeln!
Sonst speichert Google Maps das und booking.com schickt Ihnen Hotels!
Brunsbüttel liegt an der Mündung des Nord-Ostsee-Kanals in die Elbe, im Kreis Dithmarschen, gar nicht so weit von der einen deutschen Tripelnamenstadt Rehm-Flehde-Bargen. (Post vom 12. März)



Dienstag, 5. Oktober 2021

Kompetenzen zählen nicht

Duddl Dubenbold hat finanziell in den letzten Jahren Erstaunliches geleistet: Nachdem er, ohne dass er einen Fehler gemacht hätte, nur durch falsche Freunde und noch falschere Unterschriften, zu einem Schuldenberg gekommen war, hat er genau diesen Schuldenberg abgetragen. Er hat 150000 Euro abbezahlt, dabei immer gut gelebt, also nicht gedarbt, sich zweimal Ferien im Jahr geleistet, auch mal neue Schuhe und einmal pro Woche einen Restaurantbesuch – und er hat nebenbei noch 10000 auf die hohe Kante gelegt. Und das bei 3000.- monatlich. Wie das ging? Durch eisernes Rechnen, Rechnen und nochmal Rechnen, Notieren und Aufschreiben, Aufschreiben und Notieren. Nun möchte Duddl Dubenbold dieses Wissen weitergeben. Er hat sich bei der Schuldenberatung e.V. seiner Gemeinde für eine 90%-Stelle beworben.

Und wird nicht genommen.
Was ihn denn für diesen Posten qualifiziere, so wird er gefragt, man suche entweder jemand mit Banklehre oder eine(n) Sozialarbeiter(in). Ihn qualifiziere, so Duddl, dass er eben genau das gemacht – und überragend gekonnt hätte, was die Leute brauchen: Schulden bewältigen.
Zählt aber nicht.

Mitsuko Hasegawa ist in Zürich aufgewachsen. Sie spricht nicht nur Deutsch, Züritüütsch, Englisch, Französisch und Italienisch, sondern natürlich Japanisch, denn das ist ihre Muttersprache und das sprach sie zuhause. Mitsuko hat einen Beruf, von dem sie weiss, dass sie ihn nicht bis zur Rente in einer 100%-Stelle ausüben wird: Sie ist OP- und Intensivschwester. Und Corona hat ihr gezeigt, wie man an seine Grenzen kommt. Also sieht sie sich nach der Möglichkeit um, ihre Japanischkenntnisse weiterzugeben. Ihre erste Bewerbung ist bei der Volkshochschule in Küsnacht (Schillerfans Achtung: Da kommt niemand durch die Hohle Gasse, da führen auch andere Wege hin, das ist Küsnacht am Zürichsee und nicht Küssnacht am Rigi…). Die VHS also.

Und sie wird nicht genommen.
Was sie denn für diesen Posten qualifiziere, so wird sie gefragt, man suche jemand mit sprachlich-didaktischer-methodischer Ausbildung. Sie qualifiziere, so Mitsuko, dass sie fliessend und ohne Akzent Japanisch könne, was viele Schweizer mit japanologischer Didaktik oft so nicht könnten.
Zählt aber nicht.

Regula Bitterli ist genervt. Wieder einmal hat das Fräulein (sorry, Regula denkt wirklich «Fräulein», da kann ich nichts dafür…) an der Käsetheke falsch abgeschnitten. 200g Emmentaler hatte Regula gewollt, 200g, nicht mehr und nicht weniger, aber als das Fräulein (siehe oben) das Messer ansetzte, da sagte Regula: «Das sind 247 Gramm.» Aber das Fräulein (siehe oben) schnitt und es waren 248 Gramm. Und als das Fräulein (siehe oben) dann noch mit einem obersüsslichen Lächeln sagte: «Darf ein bisschen mehr sein?», da platze Regula Bitterli der Kragen. Erst einmal rief sie ein entscheidendes «Nein», liess also 48 Gramm in den Kübel wandern und dann marschierte sie zur Geschäftsleitung. Am Eingang hatte sie nämlich ein Schild
VERKÄUFER(IN) GESUCHT (30%)
FÜR FLEISCH- ODER KÄSETHEKE
gesehen und für diese Stelle bewarb sie sich sofort.

Und sie wurde nicht genommen.
Was sie denn für diesen Posten qualifiziere, so wurde sie gefragt, man suche eine(n) Detailhändler(in) Lebensmittel EFZ oder EBA. Sie qualifiziere, so Regula, dass sie als Hausfrau seit Jahren einkaufe, oft zweimal am Tag, dass sie eine 10köpfige Familie versorge und dass sie eben ein Käse- oder Wurststück fast aufs Gramm einschätzen könne.
Zählte aber nicht.

Was die drei Fälle verbindet, was die Gemeinsamkeit von Duddl Dubenbold, Mitsuko Hasegawa und Regula Bitterli ist, ist, dass hier Kompetenzen keine Rolle spielen. Es geht nicht darum, dass Duddl Dubenbold weiss, wie man Schulden abbaut, es geht darum, dass er kein Diplom hat. Es geht nicht darum, dass Mitsuko Hasegawa weiss, wie man japanische Wörter ausspricht, es geht darum, dass sie kein Diplom hat. Es geht nicht darum, dass Regula weiss, wie man Käse schneidet, es geht darum, dass sie kein EFZ-Zeugnis hat.

Und hier sind wir bei den zukünftigen Ministerposten in der BRD.
Denn hier geht es auch nicht um Kompetenzen, es geht um Parteibücher. Wenn es darum ginge, von irgendetwas eine Ahnung zu haben, dann hätten wir Landwirte als Landwirtschaftsminister und Ärztinnen als Gesundheitsministerinnen, dann hätten wir Offiziere als Verteidigungsminister und Juristinnen als Justizministerinnen, dann hätten wir Künstler als Kulturminister und Verkehrsplanerinnen als Verkehrsministerinnen.
Aber Kompetenz spielt im Parteischacher um Posten natürlich keine Rolle.

Dubenbold ist übrigens dazu übergegangen, seine Schuldentilgmethode im Internet anzubieten, das Gleiche macht Mitsuko mit Japanischkursen, und Regula hat einen kleinen Laden aufgemacht:
GENAULADEN
Wurst und Käse aufs Gramm genau geschnitten.

 

 

 

 

      

Freitag, 1. Oktober 2021

Der grosse Bundestag

Wir machen ein kleines Quiz:

Welches Land hat das grösste Parlament? a) BRD b) Schweiz c) China

Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zu den Menschen gehören, die, bevor sie lossprudeln, immer ein wenig nachdenken – es soll solche Menschen ja tatsächlich geben – dann werden Sie zurückfragen, zurückfragen, ob mit der Quizfrage die relative oder absolute Grösse gemeint ist. Denn absolut heisst die Reihenfolge natürlich c), a), b), in Zahlen 2980 Leute, 735 Leute, 200 Leute. Relativ gesehen aber ist die Reihenfolge genau umgekehrt: b), a), c), denn in der Schweiz kommt ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete auf ca. 40.000 Einwohner, in Deutschland sind es ca. 100000 und in China ca. 480000.

Anders formuliert: nach Schweizer Massstab könnte sich die Volksrepublik, das Land der Mitte ein Parlament leisten, das über 30000 Leute beherbergt, umgekehrt dürfte die Eidgenossenschaft nach chinesischen Massstäben nur ca. 20 Nationalräte besitzen.
China müsste nun eigentlich eine Halle für 30000 Menschen bauen – würde den Chinesen nicht schwerfallen, wäre in 2 Wochen fertig, die Schweiz könnte das Bundeshaus abreissen und im Nebenzimmer der Confiserie Dubach tagen, die auch viel besseren Kuchen als die Bundeshauskantine hat.
Nein, man würde natürlich sprengen, als Hommage an Mani Matter

Einisch ir Nacht won i spät no bi gloffe
D'Bundesterrasse z'düruf gäge hei
Han i e bärtige Kärli atroffe
Und gseh grad, dass dä sech dert, jemers nei
Dass sech dä dert zu nachtschlafener Zyt
Am Bundeshus z'schaffe macht mit Dynamit


Nun muss man die Schweiz ein wenig in Schutz nehmen, denn man kann in einem kleinen Land eben nicht so rechnen, da es viele Parteien gibt, muss das Parlament eine gewisse Grösse haben. Das Problem wäre, dass bei einem Gremium von 20 Personen bestimmte Richtungen, bestimmte Meinungen, bestimmte Anliegen nicht vorkommen, denn es gehen keine halben Menschen.

Was aber richtig toll am Alpenstaat ist: Das Schweizer Parlament hat 200 Abgeordnete.
Und zwar immer.
Und das seit 1962.
Bitte. liebe Deutsche, lasst euch das auf der Zunge zergehen, kaut auf dem rum und schluckt es, bewegt es in eurem und nehmt es euch zu Herzen, zittert und bebt, staunt und wundert euch:
Das Schweizer Parlament hat 200 Abgeordnete.
Und zwar immer.
Und das seit 1962.

Denn der Bundestag wächst. Und wächst. Und wächst. Und wächst.

Nicht, dass man das nicht wahrnähme, dass man das nicht bemerkte, nicht, dass man nicht formulieren würde, dass das blöd ist, und nicht, dass man nicht Massnahmen überlegen würde, aber es klappt irgendwie nicht…

Es kommt mir ein wenig so vor wie mit dem Gewicht meines Kollegen Hubert. Vor zehn Jahren wog er 82 Kilo und fing eine Diät an, ich glaube, damals war es die Saft-Diät, als ich ihn 2013 traf, hatte er fünf Kilo zugenommen. «Ich mache jetzt bald eine Sauerkraut-Diät, die bringt es voll, wirst sehen», sagte er zu mir. 2017 begegnete ich ihm in der Stadt und erkannte ihn kaum wieder, stattliche 103 Kilo waren jetzt an ihm dran, aber die nächste Diät war schon geplant. Nun, nach zehn Jahren und mehreren Diäten ist er bei 110 Kilo…

Es kommt mir auch so vor wie meine Freundin Susi mit ihren vielen Sachen (wir nennen sie deshalb auch Sachen-Susi). Immer wieder einmal bekommt sie den Rappel und geht in ein Vintage- oder Antiquitätengeschäft, um ein paar ihrer Vasen, Schüsselchen, Spiegel, Tischchen und Bildchen dort anzubieten. Aber die Ladeninhaber wollen meist die Vasen, Schüsselchen, Spiegel, Tischchen und Bildchen nicht, aber Susi sieht umgekehrt wieder schöne Vasen, Schüsselchen, Spiegel, Tischchen und Bildchen und kommt mit weiteren Sachen nach Hause…

Es kommt mir auch vor wie…
Ach, ich denke, Sie haben verstanden.
Der Bundestag redet seit gefühlt 1000 Legislaturperioden darüber, dass er zu gross sei und dass man ihn verkleinern müsse, redet von – so heisst das nämlich – Wahlreform, und jedes Mal ist er nach der nächsten Wahl wieder grösser geworden.

Noch einmal ein kleines Quiz – und hier können Sie die Lösungen schon ahnen:

a) Was ist das grösste Parlament der Welt?
b) Was ist das grösste frei gewählte Parlament der Welt?

Natürlich:
a) China und b) die BRD

Die kleinste Kammer der Welt hat übrigens Mikronesien. Diese könnte KOMPLETT eine Reise in die Schweiz machen und KOMPLETT im Nebenzimmer der Confiserie Dubach bei dem tollen Kuchen sich auf das Treffen mit den Bundesräten vorbereiten.