Freitag, 28. April 2023

Der Pop-Literat

Ich schaue das heute journal.
Das tue ich manchmal. Im heute journal kommt viel Politik, ein wenig Sport und das Wetter. Und gelegentlich auch Kultur. Was hilfreich sein kann, wenn z. B. über Vermeer geredet wird und man am nächsten Tag noch Tickets ergattern kann. Heute kommt aber keine Ausstellung, heute kommt der

Pop-Literat

Der Pop-Literat hat ein Buch geschrieben.
Das tut er manchmal. Sonst macht er Fernsehen, aber nicht bei «heute», sondern in einem eigenen Format. Aber an diesem Abend stellt er eben im heute journal sein Buch vor. Sein Buch ist ein Schlüsselroman, es ist ein Metoo-Roman, und der Pop-Literat ist sehr begeistert davon. Im Beitrag redet der Pop-Literat an einer Tour (ist das Pop?), er raucht permanent wie ein Schlot und auf eine aufdringliche Weise (wohl auch Pop?), er trinkt Wasser und schenkt sich während des Lesens ein Glas ein (sicher Pop?) und er bewegt seine Arme und Hände hektisch und fuchtelnd (kann man auch hier von Pop sprechen?).
Jedenfalls macht er mir nicht besonders Lust auf sein Buch.

Ich schaue Kulturzeit
Das tue ich manchmal. Die Kulturzeit ist eine Gemeinschaftssendung von ARD, ZDF, ORF und SRF und wird auch von Moderatorinnen aus allen Ländern gemacht. (Ja, die weibliche Form! Ohne Gendergap! Es ist praktisch kein Mann dabei…) Die Kulturzeit berichtet auch über gesellschaftliche Themen, aber vor allem über Oper, Konzerte, Filme, Bücher, Ausstellungen. Was hilfreich sein kann, wenn z. B. über den neuen Ring des Nibelungen geredet wird und man am nächsten Tag noch Tickets ergattern kann. Heute kommt aber kein Wagner, heute kommt der

Pop-Literat.

Der Pop-Literat hat ein Buch geschrieben.
Das tut er manchmal. Sonst macht er Fernsehen, aber nicht bei der Kulturzeit, sondern in einem eigenen Format. Aber an diesem Abend stellt er eben in der Kulturzeit sein Buch vor. Sein Buch ist ein Schlüsselroman, es ist ein Metoo-Roman, und der Pop-Literat ist sehr begeistert davon. Im Beitrag – es ist übrigens derselbe wie im heute Journal – redet der Pop-Literat an einer Tour (das ist Pop), er raucht permanent wie ein Schlot und auf eine aufdringliche Weise (das ist wohl auch Pop), er trinkt Wasser und schenkt sich während des Lesens ein Glas ein (das ist sicher Pop) und er bewegt seine Arme und Hände hektisch und fuchtelnd (man kann auch hier von Pop sprechen).
Jedenfalls macht er mir nicht besonders Lust auf sein Buch.

In der Kulturzeit kommen nun noch zwei Beträge.
Erst kommt die

Literaturkritikerin

Die Literaturkritikerin redet 10 Minuten um den heissen Brei herum. Was sie eigentlich sagen will, ist, dass das Buch des Pop-Literaten ein schlechtes Buch ist. Ein Buch, das man nicht lesen sollte. Aber so eindeutig kann sie das natürlich nicht sagen, denn es ist ja
ein Buch des Pop-Literaten,
ein Buch, das sogar im heute Journal kommt
ein Schlüsselroman
ein Metoo-Roman
Aber wer zwischen den Zeilen lesen kann – also eigentlich bei den Einatmern hören – der versteht es: Das ist ein nicht so gutes Buch.
Der Titel kann ja auch so oder so gelesen werden: Die Frage «noch wach?» könnte ja auch an den Leser oder die Leserin gerichtet sein, der oder die bei der Lektüre eingeschlafen ist…

Und dann kommt noch – ist das nun Zufall oder nicht, ist das redaktionelle Wurstigkeit oder gerade redaktionelles Interesse? – ein Beitrag über inklusives Theater in den Münchner Kammerspielen. Es kommt die

Schauspielerin mit Beeinträchtigung

Die Schauspielerin mit Beeinträchtigung ist eine faszinierende Person. Sie spielt gerade die Antigone, und wenn man ihrem Spiel zusieht, ist man hin und weg. Nicht die Heroine alter Zeiten, nein, eine Frau, die leidet und liebt (und auch lacht!). Im Interview bewegt die Schauspielerin mit Beeinträchtigung nur manchmal ihre Hände und Arme so komisch…

Und nun begreift man: Die Pop-Literatur des Pop-Literaten ist auch etwas wie ein Inklusionsprojekt. Vielleicht nicht ganz, vielleicht eher so etwas wie die Art Brut, bei der es ja um Kunst psychisch Beeinträchtigter ging und geht, denn eines ist klar: Der Pop-Literat hat einen an der Waffel.

Werde ich das Buch lesen?
Vielleicht ja, um mitzureden. Vielleicht nein. Vielleicht warte ich auf den Metoo-Roman von der Personengruppe, die solche Bücher schreiben sollten:
Frauen.

P.S.
Die Idee mit den abgesetzten Berufsbezeichnungen ist von Sybille Berg. Danke dafür!

 

  

 

 

 

Dienstag, 25. April 2023

Mal wieder Holland (2)

Hallo
Und weiter geht es mit Begebenheiten aus dem Land zwischen Maas, Rhein und Nordsee.

OV-CHIPKARTE ZURÜCK?

Die OV-Chipkarte ist ein lustiges Ding. Man speist einen gewissen Betrag auf ein Kärtchen, das man dann immer an den Apparat im Tram oder im Zug hält. Es wird dann der kilometergenaue Betrag abgebucht. Allerdings: Nach 5 Jahren ist das Ding ungültig, man muss den Betrag zurückfordern. Der nette Mann in der Dienststelle in Den Haag Centraal besieht sich unsere Karten. Die eine, so er, sei abgelaufen, für diese gibt er uns ein Formular, die andere sei «ganz lange» abgelaufen, da gehe nichts mehr. Zuhause – also nicht daheim, sondern in unserer wunderbaren Ferienwohnung Westeinde 51 – sehe ich mir die Sache an, beim Ablaufdatum steht «voor 1-99 jaren», also muss es sehr wohl noch gehen.
Ich stelle mich am nächsten Tag an den OV-Schalter am anderen Haager Bahnhof, dem Hollands Spoor, dort klärt mich ein netter Mann auf, dass alle Rückgaben inzwischen nur noch online erfolgen könnten, dass die Formulare auf den Müll gehörten. Auf meine Entgegnung, dass ich ja vor einem Tag ein solches Formular erhalten hätte, meint dieser nur lakonisch, er habe dem Kollegen in Centraal schon ein paar Male gesagt, dass er aufhören solle, diese Zettel zu verteilen…
Ich finde den Mann im Nachhinein grossartig, ja, er ist so eine typische holländische Frohnatur. Warum die schönen Zettel wegwerfen, wenn sie nicht zerknittert oder nass sind? Also schön noch aufbrauchen. Und: Natürlich wird die Erstattungsstelle die eingesandten (aufgeklebten) Chipkarten – zähneknirschend, zähneknirschend, zähneknirschend, zähneknirschend – bearbeiten, er bekommt also quasi recht.

BAUWUT AM KURHAUS

Wir waren dieses Mal in der Haager Innenstadt untergebracht, also brauchte es einen Tag, bis ich mein geliebtes Scheveningen wiedersah.
Es war ein wenig so, wie wenn man einen alten Freund nach drei Jahren wiedersieht und er sich merkwürdig verändert hat: War er nicht früher dicker? Seit wann hat er gefärbte Haare? Warum kichert er immer so komisch? Wieso findet er auf einmal Panzer toll? Man muss ein wenig schlucken und sich räuspern, um wieder da anzuknüpfen, wo man vor drei Jahren war.
Nun, Scheveningen war nicht dicker und hat keine Haare gefärbt, es kichert nicht und hat keine Panzerfreude, aber während und nach der Pandemie ist eine Bauwut epischen Ausmasses ausgebrochen. Scheveningen hatte immer schon ganz verschiedene Teile, den Kurbereich, wo vor 130 Jahren die gekrönten Häupter Europas sich trafen, den modernen Touristenquatschbereich, das alte Fischerdorf und ein paar normale Wohnquartiere. Nun kommen zum Kurbereich, dem modernen Touristenquatschbereich, dem alten Fischerdorf und den normalen Wohnquartieren Hochhäuser dazu, die so ausschauen, als wollte man Frankfurt am Main hier am Nordseestrand nachbauen – oder gleich Manhattan.
Ich bin ein wenig erschrocken: Ist das noch das Scheveningen, das ich kenne? Ist es noch MEIN Scheveningen? Ich drehe mich um, ignoriere das im Rücken und blicke auf das Meer: Das Meer ist noch immer das, was es schon zu Vermeers Zeiten war…

KÖNIG UND KÖNIGIN

Wie schon so oft verpasse ich den Koningsdag. Die «Eskalation in Orange», wie eine Zeitung titelt,  liegt meistens nicht in den Ferien. Also in den Schweizer Ferien, die Niederländer legen ihre schulfreie Zeit natürlich genau da hin.
Obwohl:
Ich lese, dass die Beliebtheit der Monarchie abgenommen habe. Um 15%. Für mich liegt dies an dem Fehler, Söhne in die Welt zu setzen. Ich glaube, die Niederlande sind einfach kein Land, das von einem Mann regiert werden sollte. Es waren ja immer Frauen: Wilhelmina, Juliana, Beatrix. Und jetzt halt Willem-Alexander. Aber der hat ja – in guter Nederlandse Traditie – wieder nur Töchter und die nächste Königin heisst dann Catharina-Amalia.
Hoffentlich bald.

RÜCKFAHRT

Ich hatte neulich geschrieben:

Genauso bin ich unglücklich, wenn die DB pünktlich ist. Das war sie bis jetzt auf meiner Osterreise. Ich kann nur hoffen, dass die Heimfahrt von Holland nicht glatt verläuft, sonst geriete mein Weltbid völlig ins Wanken.

Mein Weltbild steht! Die DB hatte wegen Lokschadens unseres Zuges und (!!) des Folgezuges 100 Minuten Verspätung.

 

Freitag, 21. April 2023

Mal wieder Holland (1)

Wie im letzten Post erwähnt: Ich war mal wieder in Holland (ja, wirklich Holland, Provinz Zuid-Holland, aber der Rest der Niederlande – so heisst es ja – ist nicht Holland, sondern Gelderland, Utrecht oder ähnliches… aber hatten wir das nicht schon einmal?)
Jedenfalls:
Nach drei Jahren Virus endlich wieder in meiner Lieblingsstadt, und was läge da näher, als Sie zwei Posts lang mit Impressionen zu beglücken – übrigens nicht nur aus Den Haag, sondern auch aus Amsterdam (auch Holland, aber Noord-Holland…)

VERMEER

Ja, das war natürlich ich mit dem Vermeer. Hätten Sie gedacht, ich berichte so fröhlich-heiter über einen Menschen, der einen Time-Slot ergattert, wenn ich das nicht selber bin? Wir waren also am 14. April um 19.15 im Rijksmuseum – ein Termin, den man nicht so schnell vergisst. Und um es kurz zu machen: Gewaltig. Geweldig. Grossartig. Jedes Bild eine Offenbarung. Noch nie waren so viele Bilder des Delfter Meisters an einem Fleck zu sehen. Die es nicht waren, konnten einfach nicht transportiert werden. Ja, das ist so. Denken Sie mal an sich selber: Mit 95 sind Sie vielleicht schon nicht mehr transportfähig. Und diese Meisterwerke sind ein wenig älter. Ein Mysterium blieb das «Meisje met de Parel», auf Deutsch komischerweise «Mädchen mit dem Perlenohrring» genannt, das war nämlich bis zum 1. April in Amsterdam, ging aber dann zurück ins Mauritshuis in Den Haag, was niemand wirklich erklären kann. Für mich übrigens kein Problem, als Den Haag-Fan habe ich das Meisje so oft besucht, dass es jedes Mal zwinkert, wenn ich komme.
Einziger Wermutstropfen: Die Fotografiererei. Warum in aller Welt stellt sich jemand vor einen Vermeer und knipst? Alle 36 Werke des Delfter Meisters sind im Internet tausende Male zu finden – und in besserer Qualität. Es wäre also vernünftiger das Bild zu betrachten, als das Handy davor zu halten.
Insgesamt aber ein Highlight dieses Jahres. Und meisterhaft organisiert, was ein paar deutsche Besucher ein wenig säuerlich machte. Wie ist es möglich, dass diese Niederländer inzwischen besser organisieren als die Menschen jenseits des Rheins? Organisation war doch immer eine deutsche Tugend? Gut, vielleicht plant es sich mit (ein wenig) Dope doch besser, gut, dann wird die BRD ja nun einen Riesensprung machen und Stuttgart 21 wird ganz schnell fertig…

SPRACHE

«What would you like to drink?» «We kunnen helemaal eten en drinken bestellen.» «Ok, what would you like to eat?» «U kunt graag Nederlands spreken.» «Sorry, but I don’t speak Dutch.»
Dieser Dialog hat sich in der Woche Holland sicher fünfmal ereignet. Zweimal müssten wir das ein wenig ändern, weil es Läden und keine Restaurants waren, aber das Prinzip bleibt gleich: Der Tourist spricht die Landessprache, der Mensch im Laden, Restaurant etc. eindeutig nicht. Das ist nicht nur verkehrte Welt, das ist perverse Welt.
Und es wird ein grosses Problem werden: Bislang war das Erlernen des Niederländischen der Schlüssel zur Integration. Eine Bekannte bekam beim Abholen der Immatrikulationsunterlagen für ihr Aufbaustudium barokviool (ein Studium, bei dem man nur alle zwei Wochen in den Niederlanden war und bei dem der einzige Lehrer, Sigiswald Kuijken, fliessend, akzentfrei Deutsch sprach) den klaren Hinweis (oder war es ein Befehl?): Now learn Dutch! Als ich vor Jahren das erste Mal in meine Lieblingsstadt kam, war ich optisch wie die Einheimischen, es gab aber viele Menschen, die aus allen möglichen Ländern kamen. Das drehte sich um, sobald wir den Mund aufmachten: Diese Menschen sprachen perfektes Niederländisch, ich nicht. Punkt. Wenn dieser Schatz jetzt aufgegeben wird, dann ist das eine Katastrophe. Gut, bislang betrifft das nur Amis und Engländer, aber warum müsste ein Afrikaner dann noch in einen Sprachkurs, wenn er schon Englisch kann?

TULPEN

Ich habe immer wieder geschrieben, dass es in Amsterdam keine Tulpen gibt. Und das war bis vor ein paar Jahren auch so. Das Lied «Tulpen aus Amsterdam» war Quatsch. An der Amstel wuchsen Büsche und Bodendecker, aber Tulpen eben nicht, die Tulpenfelder, die man auf den Fotos sah, kamen vom Keukenhof, jedem schrecklichen Touristenort, an dem japanische und chinesische Reisegruppen vom Keukenhof-Turm Selfies mit Tulpenmeer im Hintergrund schossen und dabei spitze Schreie ausstiessen.
Nun haben aber die Obersten von Amsterdam scheinbar meine Glossen gelesen und meine Klagen gehört: Überall in der Stadt haben sie Betonschalen aufgestellt und mit den herrlichsten Tulpen in Rot, Lila, Gelb und Orange bepflanzt. Wunderschön.
Eventuell ist aber auch die Tulpe ein Menetekel: Immerhin lösten Tulpenzwiebeln 1637 die erste europäische Finanzkrise aus…

So viel für heute vom Land hinter den Deichen. Am Dienstag gibt es noch eine Portion.
Bis dahin:
Dag!
Tot ziens!
En een fijn weekend!



















 

Dienstag, 18. April 2023

Das April-Phänomen

Die alten Herren am Nachbartisch sind am Schimpfen. Sie schimpfen – wie so viele und wie viele so oft – über das Wetter:
«Mal kalt und mal warm, man weiss gar nicht, was man anziehen soll!» «Das ist der April!» «Der Scheiss-April!» «Gestern bin ich ohne Schirm aus dem Haus, bei schönstem Sonnenschein, und dann regnet es nach 10 Minuten.» «Das ist der April.» «Blöder April.» «Bei dem Aprilwetter bleibt man am besten zu Hause.» «Mal Hitze, mal Schnee.» «Scheiss-April.»
So geht das eine halbe Stunde.

Das Merkwürdige ist, dass die Herren seltsam fröhlich und glücklich scheinen bei ihrem Gemotze. Sie lachen und haben lustige Gesichter. Ich überlege eine Weile, warum das so ist, dann komme ich darauf: Es ist ein Phänomen, das ich nach dieser Unterhaltung April-Phänomen taufen werde: Wir motzen und schimpfen, aber wir sind glücklich, dass alles normal ist. Das heisst: Die Herren sind zufrieden, weil der April sich als das zeigt, als was man ihn kennt:
«Mal kalt und mal warm, man weiss gar nicht, was man anziehen soll!» (Lachen) «Das ist der April!» (Grinsen) «Der Scheiss-April!» (Kichern) «Gestern bin ich ohne Schirm aus dem Haus, bei schönstem Sonnenschein, und dann regnet es nach 10 Minuten.» (Lachen) «Das ist der April.» (Schmunzeln) «Blöder April.» (Glucksen) «Bei dem Aprilwetter bleibt man am besten zu Hause.» (Lächeln) «Mal Hitze, mal Schnee.» (Heiterkeit) «Scheiss-April.»

In einer Zeitschrift habe ich über eine Umfrage gelesen, die Psychologen im Jahr 2022 gemacht haben. Probandgendergapinnen mussten vier Aussagen nach ihrer Akzeptanz sortieren:

a) Etwas Gutes, Erhofftes trifft ein.
b) Etwas Gutes, Erhofftes trifft nicht ein.
c) Etwas Schlimmes, Befürchtetes trifft ein.
d) Etwas Schlimmes, Befürchtetes trifft nicht ein.

Sie hätten sicher gedacht, dass die Reihenfolge d), a), b) und c) ist. Oder vielleicht d) und a) vertauscht. Das Ergebnis – das eindeutige Ergebnis war aber: a), c), d) und b).
Auf Deutsch: Man findet es besser, wenn etwas den Erwartungen (gut oder böse) entspricht wie nicht.

Warum ist das so? Wahrscheinlich, weil die Menschen Sorge haben, dass die Welt sich zu sehr verändert. Die Punkte a) und c) zeigen ganz klar, dass alles noch in Ordnung ist:
Zwei Hunde, eine zähnefletschende Dogge und ein Pudel. Der Pudel beisst uns nicht: Die Welt ist in Ordnung. Die Dogge beisst uns: Die Welt ist in Ordnung. Der Pudel beisst uns: Die Welt ist nicht in Ordnung. Die Dogge beisst uns nicht: Die Welt ist nicht in Ordnung.

Und hier noch die Fassung für literarisch gebildete Menschen:
Zwei Hunde, eine bissige Dogge und ein herziger Pudel. Aus dem Pudel kommt der Teufel: Die Festen der Welt stehen noch. Aus der Dogge kommt nicht der Teufel: Die Säulen der Erde stehen. Aus dem Pudel kommt nicht der Teufel: Die Festen der Welt wanken. Aus der Dogge kommt der Teufel: Die Säulen der Erde sind am Wackeln.

Ich muss zugeben, dass es mir nicht anders geht. Wie oft habe ich in den letzten Tagen über das Abwechseln von Sonne und Regen gemeckert, innerlich aber froh, denn die Reime meiner Kinderzeit spuken im Kopf herum:

Der April, der April
Der macht, was er will

Der April ist gar nicht gut
Regnet den Leuten auf den Hut

Und mit dem Wetter, bei dem Sonne und Regen sich im Minutentakt abwechselten, war ich deshalb zufrieden.

Genauso bin ich unglücklich, wenn die DB pünktlich ist. Das war sie bis jetzt auf meiner Osterreise. Ich kann nur hoffen, dass die Heimfahrt von Holland nicht glatt verläuft, sonst geriete mein Weltbid völlig ins Wanken.
Ins Wanken geriet mein Weltbild schon bei den Ferienwohnungen: In Stuttgart (Ring des Nibelungen!) war das Appartement total verdreckt – trotz schwäbischer Vermieterin. In Den Haag strahlte alles vor Sauberkeit. Die Feste der Erde wankten.

Die alten Herren am Nachbartisch sind am Schimpfen. Sie schimpfen – wie so viele und wie viele so oft – über das Wetter:
«Mal kalt und mal warm, man weiss gar nicht, was man anziehen soll!» «Das ist der April!» «Der Scheiss-April!» «Gestern bin ich ohne Schirm aus dem Haus, bei schönstem Sonnenschein, und dann regnet es nach 10 Minuten.» «Das ist der April.» «Blöder April.» «Bei dem Aprilwetter bleibt man am besten zu Hause.» «Mal Hitze, mal Schnee.» «Scheiss-April.»
So geht das eine halbe Stunde.

Das macht ja nun oft Sinn, den Anfang noch einmal zu zitieren. Heute nicht. Heute ist es unnötig. Heute nervt es total.
Aber mal ganz ehrlich: Wenn ich es nicht gemacht hätte, wäre ja wieder alles im Argen gewesen. Also nerve ich – und die Welt ist in Ordnung.