Dienstag, 31. Januar 2023

Die Gewinnerphrase

Trommelwirbel!
Wir haben eine Entscheidung.

Ich erhielt 365 Zuschriften – ja, witzigerweise, genau so viele Antworten, wie das Jahr Tage hat – und diese 365 Statements ergeben ein knappes, aber eindeutiges Ergebnis:

a) Liebe Leser(*)(innen) 96 Stimmen
b) Ihr, die ihr diese Zeilen lest 100 Stimmen
c) Ja, hallo erstmal 79 Stimmen
d) Liebe alle 90 Stimmen

Damit hat die poetische und altmodische Anrede gewonnen.

Bevor wir an die Inthronisation dieses Begriffes gehen, sei noch ein Wort über die Verteilung gesagt. Sie zeigt, dass mein Publikum sehr unterschiedlich denkt, das heisst aber auch, dass manchmal die einen glücklich und die anderen verärgert sind, und manchmal die anderen glücklich und die einen verärgert; und das ist doch eigentlich sehr schön. Es ist doch total langweilig, eine homogene Truppe zu bedienen, eine Truppe, die «X = blöd» denkt, und du schreibst «X = blöd» und alle nicken.

Nun aber die zukünftige Anrede: Ihr, die ihr diese Zeilen lest
Finden Sie zu lang? Gut, das kann man ja zusammenziehen: Ididzl. Sieht zunächst doof aus, aber sprechen Sie es mal aus, dann heisst es «Iditzel».
Und wenn Sie jetzt meinen, dass man längere Phrasen oder ganze Sätze nicht abkürzt, dann denken Sie, wenn Sie aus der BRD kommen, bitte an «Debededehakape», was für «DbddhkP» steht:
Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen. Wahlweise wurde da noch «ukaka» (und kein Krankenhaus) oder «ukakau» (und keine kalten Umschläge) oder vieles mehr ergänzt. Googeln Sie mal.
Und die Schweizer werden sicher an FIGUGEGL denken. Im Gegensatz zu «Debededehakape» hat es diese Kürzung in die Wikipedia geschafft:
FIGUGEGL ist ein Akronym für den Werbeslogan „Fondue isch guet und git e gueti Luune“ (Schweizerdeutsch für „Fondue ist gut und gibt eine gute Laune“).
Der Werbespruch wurde in den 1950er Jahren von der Werbeagentur Gisler+Gisler (Doris Gisler) und der damaligen Schweizer Käseunion zur Steigerung des Käsekonsums lanciert; als der Satz gut bekannt war, kam das Akronym hinzu. Die Kampagne wirkt bis heute nach und die Bedeutung des Akronyms ist in der Deutschschweiz entsprechend bekannt. Die Werbung wird auch in Restaurants verwendet.

Ihr, die ihr diese Zeilen lest
Ididzl

Ich habe im letzten Post geschrieben, mit dieser Anrede ginge das geliebte «Sie» verloren. Das wäre allerdings schade. Ich möchte mich eigentlich nicht in die Phalanx der Ewigduzer einreihen. Ich störe mich immer noch daran, im Amerikanischen Kaffeehaus oder im Schwedischen Möbelhaus nicht korrekt angesprochen zu werden. Ich denke im Amerikanischen Kaffeehaus oder im Schwedischen Möbelhaus jedes Mal, ob ich mit den Mitarbeitern des Amerikanischen Kaffeehauses oder des Schwedischen Möbelhauses irgendwann angestossen und das Du vereinbart habe. Habe ich nämlich nicht.
Wir bleiben also beim Sie. Ich werde immer nach der Anrede ein, zwei, drei Zeilen ohne Anredepronomen machen, dann aber wieder «Sie» schreiben, dann fällt das nicht so auf.

Ididzl
Das klingt nach «Witz», nach «Kitzel» oder «Spitze». Oder auch nach «Idiot» oder «ideal». Und das passt doch damit auch. Witzig sollte es ja hier sein, und spitze bin ich ja sicher auch. Und «Kitzel»? Nervenkitzel kann hier nicht gemeint sein, aber vielleicht das Kitzeln mit einer Feder – oder einem Stift? Ephraim Kishon – jemand, den ich sonst äusserst ungern zitiere – hat einmal geschrieben, das Wort «Pointe» bedeute «Spitze», der Humorist kitzele mit einer solchen Spitze, der Satiriker steche zu…
Und «Idiot»? Heisst ja eigentlich «jemand in seiner eigenen Welt», und das darf ich mit meinem Blog ja auch sein, ich bin zu nichts verpflichtet, vielleicht ist es da auch gut, dass ich den Werbevertrag mit Tesla abgelehnt habe, da kann ich hemmungslos über Elon Musk lästern.
Ideal ist die Glosse ja sowieso.

Wir haben eine Entscheidung.
Die Mehrheit der 365 Zuschriften hat knapp, aber klar die folgende Siegerphrase gekürt:
Ididzl
Ihr, die ihr diese Zeilen lest.

Damit hat die Poesie und das Alte wieder einmal gewonnen.





































 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 27. Januar 2023

Liebe Lese...

Liebe Lese…

Ach, ich weiss jetzt gar nicht mehr, wie ich Sie anreden soll. Da gab es ja die Zeiten, als man mit der männlichen Form auch die Frauen meinte, dann bin ich – ohne grosse Probleme – auf «Leserinnen und Leser» übergegangen, oder auch manchmal «Leser*innen», oder manchmal – als Scherz, den mir hoffentlich niemand übelnahm – «Lesergendergapinnen». Nun haben wir aber ein Problem mit binären Menschen. Bei «Liebe Leserinnen und Leser» fühlen sie sich nicht angesprochen. Wohl natürlich bei «Leser*innen», muss man aber jetzt «Liebe Leser, liebe Leserinnen und Leser*innen» sagen oder fühlen sich bei «Leser*innen» alle dabei?

Das Problem ist nicht nur, dass ich das alles nicht weiss, sondern dass ich auch keinen Menschen fragen kann. Schon der vorige Absatz wird mir wahrscheinlich als zynisch, gemein, als unsensibel und konservativ ausgelegt, also anders gesagt als «unwoke». (Habe ich nicht erfunden, da gibt es schon Belege im Netz…) Dabei bin ich nicht zynisch, gemein, unsensibel und erzkonservativ also anders gesagt total «unwoke», ich will das wirklich wissen.

Liebe Lese…

Ich glaube, wir brauchen eine ganz neue Form, etwas Innovatives und Witziges, etwas Formenrevolutionierendes. Und bei diesem Innovativem und Witzigem, bei diesem Formenrevolutionierendem dürfen Sie mitreden.
Wir werden das jetzt ganz demokratisch entscheiden. Welche der folgenden vier Anreden möchten Sie in Zukunft lesen?

a) Liebe Leser(*)(innen)

Ein wenig schwer zu entziffern, aber so was von korrekt und woke, dass einem sich das Hauptharr kräuselt. Nach dem Bausatzprinzip setzen Sie sich das zusammen, was Ihnen passt. Nicht zum Lesen geeignet, aber das wäre ja wurscht, denn – oder irre ich mich? – Sie lesen die Glosse ja für sich und nicht laut vor. Obwohl das eigentlich schön wäre. So nach dem Motto «wenn du lieb und artig bist, lese ich dir heute Abend noch die aktuelle Dienstag-Freitag-Glosse vor». Oder als Strafe? «wenn du jetzt nicht brav bist, lese ich…» Aber wir schweifen ab.

b) Ihr, die ihr diese Zeilen lest

Schön, nicht? Sehr poetisch. Sehr altmodisch. Und sehr stimmig, denn wer hier angesprochen wird, liest ja gerade, sonst würde er die Zeilen ja nicht lesen, hier beisst sich die Katze (oder die Maus oder die Schlange) in den Schwanz. Man würde hier natürlich das Sie-Prinzip aufgeben, aber das wäre es, glaube ich, wert. Es erinnert ein wenig an «Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren», jener Befehl, der bei Dante Alighieri über dem Eingang zur Hölle steht, aber das lassen wir ganz schnell weg, wir denken vielleicht lieber an «Ihr wandelt droben im Licht» bei Hölderlin, das ist schöner. Auf jeden Fall wäre das ein stilvoller Beginn.

c) Ja, hallo erstmal

Das pure Gegenteil. Mit diesem Spruch beginnt der Kabarettist Rüdiger Hoffmann seine Programme. Und warum nicht eine Glosse mit einer kabarettistischen Begrüssung beginnen? Und das Wort «Hallo» ist gar nicht so ohne. Lesen Sie mal bei Wikipedia nach, das könnte nämlich – wenn ich das richtig in Erinnerung habe – aus dem Altaramäischen, dem Ungarischen, dem Sanskrit, dem Frühspanischen oder der Inuitsprache kommen, und je nach Herkunft aus dem Altaramäischen, dem Ungarischen, dem Sanskrit, dem Frühspanischen oder der Inuitsprache hätte das einen ganz anderen Touch. Allerdings: Auch hier ginge das «Sie» verloren.

d) Liebe alle

Eigentlich ein Unding, aber ein Unding, das sich immer mehr durchsetzt. Wir kennen das aus dem Mail-Verkehr, so werden ja viele Mails begonnen. Ob sich dabei wirklich «alle» angesprochen fühlen, oder eben genau niemand («Ich muss es ja nicht machen, es sind ja alle gemeint…), das wird heftig diskutiert. Aber für die Wokeness: «Alle» ist im Deutschen neutral, zum Glück schreibe ich nicht Französisch, da wäre «tout» und «toutes» schon wieder problematisch.

Ach, ich weiss gar nicht mehr, wie ich Sie anreden soll.
Ich glaube, wir brauchen eine ganz neue Form, etwas Innovatives und Witziges, etwas Formenrevolutionierendes. Und dabei dürfen Sie mitreden. Wir werden das jetzt ganz demokratisch entscheiden. Welche der vier Anreden möchten Sie in Zukunft lesen?























Dienstag, 24. Januar 2023

Lanze für Lambrecht

Der Rücktritt von Frau Lambrecht hat ungeheuerliche Seiten.
Ja, ich ärgere mich, dass ich mich nicht früher für die Ärmste eingesetzt habe, dass ich nicht eher eine Lanze für Lambrecht gebrochen habe.

Die eine Ungeheuerlichkeit ist natürlich, wie hier die Medien ihre Demission herbeigeredet und herbeigeschrieben haben. «Es gibt Gerüchte…», so tönte es irgendwann, «es gibt Gerüchte, dass die Bundesverteidigungsministerin…», so klang es, «es gibt Gerüchte.» Nun ist das ja eine herrliche Sache, denn wenn ich sage: «Es gibt ein Gerücht, dass du betrügst», dann stimmt das ja auf jeden Fall, denn ab dem Moment existiert das Gerücht ja, ich habe es selber in die Welt gesetzt. Und wenn die Zeitungen schreiben, es gebe Gerüchte, dass im Rathaus etliches schieflaufe, dann stimmt das, man berichtet vom Umlauf diverser Famae, die man selber in den Umlauf gestossen hat.
Es wurde nun so lange über den Rücktritt gehechelt, bis er wahr wurde. Christine hat eines versäumt, das, was man sofort machen muss, wenn die Fama losschiesst, nämlich dementieren. Irgendwann mussten sich sämtliche Politiker über einen Rücktritt äussern, von dem sie noch nichts gehört hatten, und natürlich haben CDU-Politiker das Gerücht nicht als das entlarvt, was es war.

Der Rücktritt von Frau Lambrecht hat ungeheuerliche Seiten.
Ja, ich ärgere mich, dass ich mich nicht früher für die Ärmste eingesetzt habe, dass ich nicht eher eine Lanze für Lambrecht gebrochen habe.

Überhaupt die CDU-Politiker. Nicht müde werden sie, zu betonen, wie wichtig das Amt ist und wie entscheidend Reformen bei der Bundeswehr wären. Sie verschweigen, dass die Misere der BW ja von zwei CDU-Tanten geschaffen wurde, beide unfähig, beide das Amt als Steigbügel nutzend, beide haben keine Reformen gemacht und beide haben einen Saustall hinterlassen: Ursula von der Leyen (2013 – 2019) und Annegret Kramp-Karrenbauer (2019 – 2021). Anders formuliert: Die letzten 10 Jahre, eine Dekade, ein Zehnteljahrhundert wurde in der BW nix gemacht und diese 10 Jahre, diese Dekade, dieses Zehnteljahrhundert geht auf CDU-Kappe.
Wenn nun die Christdemokraten und Christsozialen schimpfen, dass nix gemacht wurde, dann ist das so, wie wenn Helga motzt, weil Hilda nicht gekocht hat, Hilda war aber 3 Stunden dabei, die Küche aufzuräumen, die Helga wie ein Schlachtfeld hinterlassen hat.
Das ist wie ein Chef, der in Urlaub fährt und 387 Mails unbeantwortet lässt, und der dann seinen Assistenten, der die ersten drei Tage eben diese Mails aufarbeitet, zusammenstaucht, weil dieser nicht hinterherkommt.
Das ist, wie wenn jemand, der seit Jahren jeden Tag 8900 Kalorien zu sich nimmt, 2 Flaschen Wein trinkt, Kette raucht und (natürlich!) keinen Sport macht, den Arzt wechselt, weil der alte Doktor ihn nicht gesund kriegt, und der neue ist dann auch nicht der Hammer…

Ich ärgere mich, dass ich mich nicht früher für die gute Christine stark gemacht habe, dass ich keine Lanze für Lambrecht gebrochen habe, dass ich die Verteidigungsministerin nicht verteidigt habe – welch schönstes Wortspiel. Denn hier ist ja Ungeheuerliches passiert.

Das Ungeheuerlichste, das Erstaunlichste und Seltsamste ist doch: Noch nie musste ein Politiker wegen Unfähigkeit zurücktreten. Ja, es musste überhaupt ganz selten jemand wegen Unfähigkeit seinen Posten räumen. Wenn allen Menschen, die ihren Job nicht ausfüllen, gekündigt würde, wenn es ein Entlassungsgrund wäre, dass man für die Arbeit, die man tut, nicht geeignet ist, dann hätten wir eine Arbeitslosenquote von 90%. Aber sicher.
Wenn einem Arzt gekündigt wird, dann wird er ins Feld führen, dass er immer sauber, pünktlich und freundlich war und dass – das sei ein ganz entscheidender Punkt – ihm noch kein Patient gestorben sei. Die Frage, ob er schon Leute GESUND gemacht hat, die stellt sich dann überhaupt nicht mehr.
Wird man einen Lehrer entlassen, weil man bei ihm nichts lernt? Vielleicht. Aber das Arbeitsgericht, das er anruft, wird die üblichen Punkte abklopfen: Trinkt er? Nein. Fasst er Schüler oder Schülerinnen an? Niemals. Ist er pünktlich am Arbeitsplatz? Immer. Er ist zudem auch noch freundlich und nett, er kann einem aber schlicht und einfach nichts beibringen. Das, so die einstimmige Meinung der Arbeitsjuristen, sei kein Grund.
Und von wie vielen Menschen höre ich diese Sätze über ihr Putzpersonal: «Nett, anständig, höflich, klaut nicht und macht nix kaputt, gut, richtig sauber ist es hinterher nicht…»

Das gilt nun viel mehr noch für Politiker: Es war noch nie ein Rücktrittsgrund, sein Metier nicht zu beherrschen. Unfähigkeit war noch nie ein Rücktrittsgrund. Es ist ja nicht nur BW in einem katastrophalen Zustand, die Spitäler, die Schulen, die Deutsche Bahn sind es noch viel mehr. Wie viele Gesundheitspolitiker und -politikerinnen, wie viele Bildungspolitiker und -politikerinnen, wie viele Verkehrspolitiker und -politikerinnen hätten da gehen müssen! Nein, Lambrecht hat nix veruntreut und keine Steuern hinterzogen, sie hatte keine Kontakte zur Mafia oder hat ihren Doktortitel gefälscht (hat sie einen?). Sie war einfach nicht fähig, und das reichte noch nie zu einem Rücktritt.

So, das war immerhin ein Länzchen für Lambrecht.
Immerhin.

Freitag, 20. Januar 2023

Die guten alten Verfahrensweisen

Ich berichte der Frau aus dem Hinterhaus, wie ich Fenster putze:
Wie meine Urgrossmutter, meine Grossmutter und meine Mutter verwende ich eine spezielle Methode. Ich nehme zunächst den Staub weg, denn es ist ja immer das Problem, dass man mit dem Wasser zunächst den Staub zu einem Lehm verschmiert, den man dann wegwischen muss. Ich fahre also wie meine Urgrossmutter, meine Grossmutter und meine Mutter mit einem Staubtuch über das Glas und entferne den Staub, es ist nun fast schon sauber, dann sprühe ich ein wenig Fenstermittel auf die Fläche und reibe mit Haushaltspapier trocken.
Nicht wie meine Urgrossmutter, meine Grossmutter und meine Mutter, die machten das mit heissem Wasser, Essig und Zeitungspapier.
Die Frau aus dem Hinterhaus meint, das sei ja gut und schön, aber sie putze viel besser mit destilliertem Wasser, Putzsprit und fast kochendem H2O, dann mit so einem Fenstergummischieber alles wegfahren. Sei super.
Wir reden noch eine Weile, so nach dem Motto «ich lasse ihre Methode stehen und sie meine nicht», bis herauskommt, dass sie selber gar nie Fenster putzt, sondern natürlich putze ihre Putzfrau, und die verwende eben destilliertes Wasser, Putzsprit und fast kochendes H2O, und würde dann mit so einem Fenstergummischieber alles wegfahren.
Aber dennoch hat meine Hinterhäuslerin eine klare Meinung.

Ich berichte einem Arbeitskollegen, wie ich einen Mürbteig mache:
Wie meine Urgrossmutter, meine Grossmutter und meine Mutter verwende ich eine spezielle Methode. Ich mische Mehl mit Backpulver und baue daraus einen Ring, in den ich Eier und Zucker leere, auf den Rand des Ringes werden kleine Bröcklein Butter verteilt. Und wie meine Urgrossmutter, meine Grossmutter und meine Mutter verkleppere ich nun Ei und Zucker zu einem Brei, dann fange ich an, den Rand mit einer Gabel in den Brei zu stossen, irgendwann kommen dann die Hände dran, die hier gut kneten dürfen. Später kommt dann der Teig (oder das, was aus dem Teig wird) in den Hightech-Induktions-Backofen.
Nicht wie bei meiner Urgrossmutter, meiner Grossmutter und meiner Mutter, da war das Kohleofen (Urgrossmama) oder Gas (Oma und Mama).
Mein Arbeitskollege meint, das sei ja gut und schön, aber er benutze (natürlich) den Knethaken bei ihrer Superarbeitsmaschine, einfach alles in die Schale und angestellt, das könnten Gabel und Hände nicht.
Wir reden noch eine Weile, so nach dem Motto «ich lasse ihre Methode stehen und sie meine nicht», bis herauskommt, dass natürlich nicht er die Maschine bedient, sondern seine Ehefrau, die habe die Turbo-Kitchen-XXL-25 angeschafft und mache damit die besten Plätzchen.
Aber eine klare Meinung hat der Mann.

Was zeigen uns die beiden Beispiele?
Ja, liebe Leserin und lieber Leser, das sind heute mal nur zwei und nicht drei, das würde sonst zu lang, es ist auch nirgendwo festgelegt, dass es immer drei Beispiele sein müssen; ich bin kein Pfarrer, und auch bei denen ist ja die Drei-Teile-Predigt auch nicht mehr Gesetz, ich bin kein Pfarrer und kein Priester, auch wenn ich ja neulich sehr lange über die Verbindung von Glosse und Predigt geschrieben habe; ich bin auch kein Hegelianer, kein Alt-, Neu- oder Jung-Hegelianer, bei Hegel müssen es ja immer, und zwar stets und wirklich immer drei Schritte sein; ich bin also nicht gezwungen, drei Beispiele zu bringen.
Aber wir sind völlig vom Thema abgekommen…

Was zeigen uns denn nun die beiden Beispiele?
Sie zeigen zweierlei:

Erstens gibt es Verfahren, die einfach gut sind, obwohl schon sehr alt. Es ist eine wunderbare Methode, Fenster zunächst mit dem Staublappen abzuwischen, es ist eine wunderbare Methode mit dem Mehlring zu arbeiten. So wie vor hundert Jahren.
Aber auch das: Da sitzen Sie zum Beispiel da und überlegen, wie Sie Helena fragen könnten, ob sie übermorgen mit in die neue Ausstellung kommt. Eine Mail schreiben? Eine SMS? WhatsApp? Oder irgendeine andere Methode? Was hätten meine Urgrossmutter, meine Grossmutter oder meine Mutter gemacht? Meine Urgrossmutter, meine Grossmutter oder meine Mutter wären kurz bei Helena vorbei gegangen und hätten sie mündlich gefragt. Immerhin wohnt die Dame ja nur einen Stock höher…

Zweitens zeigen die Beispiele, dass es zu viele Menschen gibt, die sich als Experten für X oder Y ausgeben. Und wenn man dann genau nachfragt, dann haben sie ihr Wissen auch nur aus zweiter Hand. Eine meiner Nachbarinnen war da Meisterin drin. Sie hatte auf alle kulinarischen Fragen stets eine Bemerkung parat. Man musste aber wissen, dass die Köstlichkeiten, die sie deinen entgegenhielt, von ihrem Exfreund angeliefert wurden.


So viel für heute.
Jetzt mache ich mir einen Kaffee. Allerdings aus der Maschine und nicht wie meine Urgrossmutter, meine Grossmutter und meine Mutter. Obwohl das Wasser-aufgiessen-Filtertüte-Verfahren schon auch etwas hatte…

 

         

Dienstag, 17. Januar 2023

Harry in SWR2: Die Kapitulation der Kultur

Beim Posten höre ich gerne SWR2. Ich sitze dann am Schreibtisch und schreibe am Laptop und habe gleichzeitig die Homepage des Senders geöffnet, auf der unten ein Dreieck zum Abspielen des Webradios einlädt.
Natürlich sehe ich mir dann, bevor ich auf das Dreieck klicke, die Ankündigungen und Bilder an. Und hier bleibt mein Blick heute, es ist Sonntag, der 15. Januar, auf einem Foto hängen, das mich schaudern macht: Diese starren Augen … diese roten Haare … dieser Bart … ja, er ist es wirklich. Er ist es, und das kann ja wirklich nicht sein.

Das Magazin «Lesenswert» präsentiert sechs Bücher bzw. wird präsentieren, es ist erst 16.31:
Driss Chaibi: Die Zivilisation, Mutter
Annie Ernaux: Der junge Mann
Prinz Harry: Reserve
Shelly Kupferberg: Isidor
Raphaela Edelbauer: Die Inkommensurablen
Susanne Klingenstein: Es kann nicht jeder ein Gelehrter sein
Darunter steht der Spruch:
Seele, Sex und Silberbesteck – Neue Bücher mit ohne Prinz

Nein.
Nein.
Nein und nochmals nein.
Wie tief kann ein Sender sinken, der immerhin das Wort «Kultur» ständig im Munde führt? Bei dem studierte und promovierte Geisteswissenschaftler für ein Schweinehonorar an Schreibtischen sitzen und denken? Der ja die Donaueschinger Musiktage und die Schwetzinger Festspiele ins Leben rief? Ein Sender, den ich seit vielen Jahren schätze? Ist das möglich?
Die Memoiren von Immer-Ärger-Harry gehören nicht in dieses Umfeld. Immerhin wurde das Buch, das vor seinem besprochen wird, von einer Nobelpreisträgerin geschrieben.

Ich versuche mich zu erinnern: War es schon einmal so, dass von sechs Neuerscheinungen fünf hochwertig und eines ein Witz war, so quasi als Satyrspiel, als Gag, als Aufheiterung? So nach dem Motto «zwischen Adorno und Horkheimer bringen wir noch ein bisschen Simmel» oder «nach dem Grass kommt dann noch als Dessert eine Gabi Hauptmann»? Nein, an «zwischen Adorno und Horkheimer bringen wir noch ein bisschen Simmel» oder «nach dem Grass kommt dann noch als Dessert eine Gabi Hauptmann» kann ich mich nicht erinnern.
Aber wenn das noch nie gemacht wurde, warum dann jetzt?

Natürlich, ich tue hier wahrscheinlich jemand Unrecht. Denn unten steht in der Beschreibung der Sendung zu jenem Beitrag:
Das Buch, das dem Buchhandel schon jetzt das Jahresgeschäft rettet: "Reserve" von Prinz Harry. Ein literaturkritischer Einwurf.
Aha.
Es wird literaturkritisch.
Und es ist nur ein «Einwurf».
Nun ja…

Aber: Es spielt hier überhaupt keine Rolle, was zu diesem Buch gesagt wird.
Wir wissen ja: Auf dem Buchmarkt ist es völlig wurscht, ob ein Buch vernichtet, verrissen und zerstampft wird. Entscheidend ist, ob es an prominenter Stelle vernichtet, verrissen und zerstampft wird. Ob es zum Beispiel im Plönersee-Funk vernichtet, verrissen und zerstampft wird, oder eben in einem Kultursender.
Früher war das Wichtigste und Schönste für eine Autorin oder einen Autor, dass RR sich dem Buche persönlich annahm. Es war dabei total egal, ob RR den Text gut oder schlecht fand. Es war wichtig, dass RR vernichtete, verriss und zerstampfte und nicht sein Praktikant. Ein Verriss von RR auf Seite 1 des Feuilletons der FAZ war ein Ritterschlag, eine Lobeshymne auf Seite 4 des Feuilletons der Plöner Zeitung war nett, brachte aber nix.

Lieber SWR2,
ich bin so was von entsetzt.
Ihr adelt das Buch, einfach weil ihr es nicht ignoriert. Und weil ihr es in einer Sendung mit Ernaux bringt.
Das geht gar nicht.

Beim Posten höre ich gerne SWR2. Ich sitze dann am Schreibtisch und schreibe am Laptop und habe gleichzeitig die Homepage des Senders geöffnet, auf der unten ein Dreieck zum Abspielen des Webradios einlädt.
Natürlich sehe ich mir dann, bevor ich auf das Dreieck klicke, die Ankündigungen und Bilder an. Und hier bleibt mein Blick heute, es ist Sonntag, der 15. Januar, auf einem Foto hängen, das mich schaudern macht: Diese starren Augen … diese roten Haare … dieser Bart … ja, er ist es wirklich. Er ist es, und das kann ja wirklich nicht sein.

Und nun ist es bald 17.00 und das Magazin «Lesenswert» wird kommen.
Und ich werde auf irgendeinen privaten Schund-Funk umschalten. Da regt mich «Reserve» nicht so auf.



 

Freitag, 13. Januar 2023

The Trouble with Harry

Immer Ärger mit Harry.
The Trouble with Harry.

Das ist der Titel eines wunderbaren Films von Alfred Hitchcock. Harry ist hier übrigens eine Leiche, die sich nicht wirklich entsorgen lässt. Und der Film war das Debut von Shirley MacLaine, die ja dann für ihren x-ten Film den Oscar bekam und dem Publikum ihr berühmtes «I earned it!» entgegenschmetterte, aber das ist eine andere Geschichte. Fest steht, dass man den toten Harry in dem Streifen nicht wirklich loswird – und das scheint mit lebenden Harrys ja auch so zu sein.

Immer Ärger mit Harry.
The Trouble with Harry.

Ich habe das Wort «Harry» etliche Male in alten Posts gefunden. Meistens drehte es sich natürlich um Harry Potter. Mit dem hatte man ja auch immer Ärger. Und auch er scheint nicht zu gehen, also er schon, aber sein Schuldirektor nicht, von dem wird nämlich jetzt gerade die Vorgeschichte erzählt. «Dumbledores Geheimnisse», das ist ja nun auch so eine Saumode zurzeit, dass man nicht mehr die Fortsetzung berichtet, sondern irgendwelche Vorgeschichten erfindet, da mag uns in den Streamingportalen und in den Fernsehdiensten noch Diverses blühen, man stelle sich nur vor, dass irgendwelche Drehbuchschreiber von jeder Person in «Herr der Ringe» die Jugend erzählen…

Immer Ärger mit Harry.
The Trouble with Harry.

Es gibt natürlich auch sehr nette und unproblematische Harrys, Harry Rowohlt zum Beispiel, oder Harry Haller, der Protagonist aus «Steppenwolf». Ja, das meine ich sehr ernst und nicht ironisch. Harry Haller ist ein netter Geselle, er ist halt ein halber Wolf und tigert rastlos durch die Welt, aber er tut niemanden weh. Und er bewundert ja restlos und fanatisch den blankgebohnerten Treppenabsatz im Stiegenhaus mit den Pflanzen, für mich als spiessigen Putzteufel immer ein schöner Moment das zu lesen. Und er liebt Mozart.
Aber es gibt sicher noch viele, viele, viele liebe Harrys.

Immer Ärger mit Harry.
The Trouble with Harry.

So, und nun gibt es neuen Ärger mit jenem Harry, jenem Harry, dem ich zuletzt am 7. 2. 2020 einen Posts gewidmet habe, einen Posts mit dem Titel «Harry, willst du wirklich nach Kanada?»:
Der Exprinz hat seine Memoiren geschrieben.
Schlimm genug, aber er hat sie auch veröffentlicht und er hat dafür Geld bekommen, viel Geld, viel, viel Geld, 100 Millionen Dollar hat ihm ein Verlag dafür gezahlt. Und diese Unsumme würde ja nicht geblecht werden, wenn es nicht potentielle Leser gäbe. Das ist das ganz Schlimme daran: Es gibt Menschen, die das lesen werden.

Immer Ärger mit Harry.
The Trouble with Harry.

«Spare» (deutscher Titel: «Reserve») wird zu den biographischen Büchern gehören, um die ich einen weiten Bogen mache. Ich starre in Buchhandlungen mit Grauen auf die Memoiren von Ronaldo und Messi, ich habe die Autobiographie von Thomas Gottschalk sofort in die Papiersammlung gegeben und ich habe die Erinnerungen von Florian Silbereisen eigenhändig geschreddert. Die Memoiren von
Steffi Graf waren so schlecht, dass ich sie heimlich in die Mitnehme-Bibliothek getan habe; ich habe mich dreimal umgeschaut, bevor ich sie dort abstellte, und als ich mir sicher war, dass niemand guckt, da habe ich auch noch die Autobiografie von Boris Becker dazugestellt. Die Lebenserinnerungen diverser Politiker, Künstler und Wirtschaftsbosse konnten die mich Beschenkenden gerade wieder mitnehmen. Und die Vita von Big Brother-Star Zlatko kam aufs Häuschen, um damit…

Werden Sie «Spare» bzw. «Reserve» lesen? Hoffentlich nicht. Sie würden mich sehr enttäuschen.
Das Schreckliche ist ja, dass hier eines erzeugt werden soll: Mitleid. Nach dem Motto: Ich bin so ein armes Wurm, Mama stirbt, nachdem der Papa sie nicht liebgehabt hat, Stiefmutter ist böse, Bruder ist böse und meine Frau wird nicht akzeptiert, weil sie farbig ist. Ach, du meine Güte, ich würde lieber die Memoiren von jemand lesen, der Halbwaise wird (und dabei nicht möglicher Thronfolger ist), der eine böse Stiefmutter hat (und nicht steinreich ist), der einen bösen Bruder hat (und nicht prominent ist) und dessen Frau nicht akzeptiert wird (im Haus mit den Sozialwohnungen). Harry ist eben nicht «wie wir alle» mit seinen Problemen.
Und so bleibt uns zu seufzen:

Immer Ärger mit Harry.
The Trouble with Harry.













Dienstag, 10. Januar 2023

Planen oder nicht planen?

„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd, als wir über das Neue Jahr, die Pläne und Vorhaben diskutieren, „sei doch endlich mal spontan und plane nicht immer alles. Einfach mal alles auf dich zukommen lassen…“

Fryd ist ein spontaner Mensch. Er plant eigentlich nie und lässt wirklich alles auf sich zukommen. Fryd bringt es fertig, an einem Samstag loszufahren, ein wenig Gepäck, ein wenig Geld und sein GA und reagiert stets völlig spontan. Er nimmt den ersten Zug und fährt mit diesem los, er steigt dann um, wenn es ihm passt, steigt wieder um, wenn es ihm passt und er steigt aus, wenn ihm der Name der Stadt gefällt. Dort bummelt er herum, nimmt sich ein Hotel – oder auch nicht, Fryd kann auch am Flussufer schlafen, vielleicht fährt er auch weiter, es ist alles sehr Stegreif.

„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd.

Auf diese Weise hat Fryd schon wunderbare Sachen erlebt. 2018 trieb ihn seine Un-Planung nach Zoll am Zollerbach, einem pittoresken Städtchen mit Fachwerk im Nordschwarzwald, das einem schon beim ersten Durchlaufen die Freudenschreie entlockte. Er fand im «Goldenen Ochsen» ein herrliches Quartier, er ass gut, trank guten Wein und schlief gut, er kaufte in einer wirklich entzückenden Galerie eine Lithografie und schwamm im Freibad etliche Runden, müde und glücklich, nein, selig kehrte er heim.

„Sei doch mal richtig ungeplant“, sagt mein Kumpel Fryd, als wir über 2023, die Planungen und Ideen reden, „sei doch mal spontan und plane nicht immer alles. Einfach das Leben auf dich zukommen lassen…“

Fryd hat aber auch schon richtige Scheisswochenenden erlebt. Im Zullertal waren die Gemeinden hässlich und abweisend, ein Ort scheusslicher als der andere, Strassengemeinden mit 60er-Charme und Einfamilienhäuser mit Glasbausteinen, keine richtigen Ortszentren, jedes Aussteigen eine grössere Enttäuschung. Dann um 18.00 gezwungenermassen ein Quartier in Zullingen an der Zuller, es regnete nämlich in Strömen, der «Silberne Stier» allerdings war ein 100%iger Flop, das Zimmer wüst und das Essen ungeniessbar…

„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd.

Wenn man Fryd allerdings nach seinen Weekends fragt, dann bekommt man immer positive Antworten. Die schönen Wochenenden sind eh schöne Wochenenden gewesen, da muss er nur berichten, nur rapportieren, nur schwärmen; die nicht schönen werden aber schöngeredet, da hatte man das tolle Wetter eigentlich satt, und man hatte auch richtig Lust, Strassengemeinden mit 60er-Charme und Einfamilienhäuser mit Glasbausteinen, keine richtigen Ortszentren zu sehen, und man hatte auch leckere Salate und schmackhafte Steaks satt und freute sich auf versalzene Suppen. So nach dem Motto: Jede Erfahrung ist wertvoll…

„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd, als wir über das Neue Jahr, die Pläne und Vorhaben diskutieren, „sei doch endlich mal spontan und plane nicht immer alles. Einfach mal alles auf dich zukommen lassen…“

Was fange ich nun mit Fryds Ratschlägen an?
Nix.
Gar nix.
Alle meine schönen Zeiten sind irgendwie geplant.

Ich bin noch nie in XY ausgestiegen und ZUFÄLLIG gab es dort das «Rheingold» als Ring-Beginn und ZUFÄLLIG gab es noch Karten für alle die vier Abende und ZUFÄLLIG gab es auch ein Hotel, das bezahlbar war.
Ich habe noch nie in YZ den Bahnhof verlassen und kam ZUFÄLLIG am schönsten Hallenbad vorbei, es war neu und chic und hatte eine 50m-Bahn und hatte ZUFÄLLIG auch noch offen, und ZUFÄLLIG war auch kaum jemand am Schwimmen.
Ich bin noch nie in ZA ausgestiegen und habe ZUFÄLLIG eine Kirche gefunden, in der Glasfenster von Max Beckmann, Paul Klee oder Paula Modersohn waren, und die Kirche hatte auch noch ZUFÄLLIG offen, um die herrlichen Arbeiten von Max Beckmann, Paul Klee oder Paula Modersohn zu besichtigen.
Ich bin noch nie in AB gelandet und habe etwas erlebt, dass nur ungeplant möglich war…

Ich denke, dass ist genau der Punkt: Warum messen wir den Ereignissen so viel mehr Wert zu, wenn wir sie nicht planen?
Warum wäre der «Ring» mehr wert, wenn ich nicht wüsste, wo einer ist? Warum ist ein Schwimmen mehr wert, wenn ich ZUFÄLLIG vorbeikomme und dann auch noch Handtuch und Badehose mieten muss? Warum sind Kirchenfenster, die ich nicht im Reiseführer gefunden habe, besser als solche, die der Reiseführer mir empfahl?
Sehen Sie.

Abgesehen davon:
Bei vielen Theatervorstellungen, die ich für dieses Jahr geplant habe, sind die Tickets schon ausverkauft.

„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd, als wir über das Neue Jahr, die Pläne und Vorhaben diskutieren, „sei doch endlich mal spontan und plane nicht immer alles. Einfach mal alles auf dich zukommen lassen…“

Fryd darf das gerne so machen.
Ich bleibe bei meiner Planung. 

IN DIESEM SINNE EIN FROHES UND GESUNDES 2023!





 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 6. Januar 2023

Warum so viel Gewalt an Silvester?

In der Silvesternacht hat es in Deutschland mal wieder gewummst. Aber nicht so ein guter Wumms, wie ihn Herr Scholz immer propagiert, sondern in Berlin haben ein paar Verrückte randaliert.
Die Medien haben nun das getan, was sie immer tun: Sie haben die Sache, so sehr sie konnten, verbreitet. Indem man stets die gleichen Videos zeigte und tausendmal wiederholte, erweckte man den Eindruck, ganz Deutschland befinde sich in einem revolutionären Zustand. Und nun muss die Politik reagieren…
Auf einmal hat man ein Böller-Problem.
Auf einmal hat man (wieder einmal) ein Migrationsproblem.

Dabei müsste man sich doch fragen: Warum machen Leute fremde Sachen kaputt? Warum – nur so als Beispiel – setzt man nicht die eigene Wohnung oder das eigene Haus mit Böllern in Brand? Warum zerschlägt man nicht das eigene Auto mit einem Feuerlöscher? Warum lässt man seine Wut, seinen Zorn, seine schlechte Laune am eigenen Besitz aus?
Ganz einfach: Weil man nichts besitzt.
Und so könnte man die – sozialistisch anmutende, ich weiss – Gleichung aufstellen: Je reicher und mächtiger jemand ist, umso mehr, umso besser kann er seine Wut, seinen Zorn, seine schlechte Laune kompensieren.

Wenn Sie Wut und Zorn haben und keinen eigenen Garten, ja, dann müssen Sie in einen Park und eine öffentliche Tanne umhacken. Was strafbar ist, denn es ist ja eine Öffentliches-Eigentum-Tanne. Wenn Sie einen eigenen Garten besitzen, können Sie in diesem wüten, und Sie können ihre Zorn-Kompensation sogar als Gartenbau ausgeben. Sind Sie noch reicher und noch mächtiger, dann kaufen Sie ein wenig Land für Ihre Autofabrik und holzen einen Wald ab, am besten einen Wald in einem Naturschutz- oder Wasserschutzgebiet. Wenn Sie aber richtig mächtig sind, zum Beispiel Präsident eines südamerikanischen Landes, dann können Sie richtig abholzen, Regenwald, Regenwald, Regenwald, so viel, dass man es vom Satelliten aus sieht…

Wenn Sie Zorn und Wut haben und kein eigenes Haus, ja, dann müssen Sie Brandsätze in fremde Häuser werfen und fremde Fenster kaputtschlagen. Was strafbar ist, denn es ist ja fremdes Eigentum. Wenn Sie eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus haben, dann könnten Sie da wüten, soviel Sie wollen, könnten alles zerstören. (Aber halten Sie sich bitte an die offiziellen Ruhezeiten: Nicht vor 8.00, nicht zwischen 12.00 und 14.00, nicht nach 22.00, sonst könnte jemand deshalb – und nur deshalb – die Polizei holen.) Wenn Sie noch reicher und noch mächtiger sind, dann kaufen Sie ganze Wohnblocks, schmeissen die Mieter raus, reissen ab und bauen was Neues. Besonders Spass macht das, wenn die Mieter alt und die Immobilie denkmalgeschützt ist. Wenn Sie aber richtig mächtig sind, dann gehen Sie gleich an die Kaputtmachung eines ganzes Landes, am besten des Nachbarn…

Wenn Sie…
Wenn Sie…
Ich denke, Sie haben verstanden.

In der Silvesternacht hat es in Deutschland mal wieder gewummst. Aber nicht so ein guter Wumms, wie ihn Herr Scholz immer propagiert, sondern in Berlin haben ein paar Verrückte randaliert.

Die Frage ist doch nun, warum muss man immer so viel kaputtmachen? Man könnte doch auch, wenn die Wut hochsteigt, einfach bis 100 zählen, ein bisschen Yoga machen, man könnte ein Ave Maria beten oder eine Zigarette rauchen, man könnte ein Gläschen trinken oder eine Patience legen, man könnte aber auch, wenn der Zorn kommt, in den Wald rennen oder an den Fluss und ein wenig rumbrüllen, so Urschrei und so. Man könnte so vieles tun.

Warum muss man immer so viel kaputtmachen?
Vielleicht liegt die Antwort in der Frage: … muss man(n) so viel…
Männer müssen scheints immer Zeug zerstören.

Und so kann man sagen:
Deutschland hat kein Böller-Problem.
Deutschland hat kein Migrations-Problem.
Deutschland hat ein Männer-Problem. (Wir hatten das ja schon einmal an Silvester…)

Und hier kommt die Lösung für den 31. 12. 2023:
Ab dem 1. 11. 2023 wird allen in Deutschland wohnhaften Menschen mit einem Y-Chromosom Östrogen gespritzt. Natürlich freiwillig, absolut freiwillig. Wer allerdings die Spritze via Östrogen-App nicht nachweisen kann, darf am 31. Dezember 2023 nicht aus dem Haus. So einfach geht das.

In der Silvesternacht hat es in Deutschland gekracht.
Die Medien haben nun das getan, was sie immer tun: Sie haben die Sache, so sehr sie konnten, vervielfältigt. Und nun muss die Politik reagieren…
Man denkt, man habe ein Böller-Problem.
Man denkt, man habe (wieder einmal) ein Migrationsproblem.
Aber man hat ein Männerproblem.























 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 3. Januar 2023

Drei Nachrufe

Es gab früher den Ausdruck «zwischen den Jahren». Damit meinte man so die Zeit nach Weihnachten. Aber viel entscheidender wäre doch die Rubrik «zwischen den Jahresrückblicken». Warum? Wenn die grossen Fernsehsender zum Beispiel am 28. 12. ihre Shows «Das war 2022» oder «2022 in Bildern» oder «2022 – was für ein Jahr» präsentieren, dann schaffen es Ereignisse, die nach dem 28. 12. passieren, eben nicht in «Das war 2022» oder «2022 in Bildern» oder «2022 – was für ein Jahr». Natürlich müssten die Shows «Das war 2023» oder «2023 in Bildern» oder «2023 – was für ein Jahr» dann am 29.12. 2022 beginnen, tun sie aber meistens nicht. So kann man den Jahresrückblickern durch die Maschen schlüpfen, und wenn der Rückblick von z. B. Thomas Gottschalk präsentiert wird, dann ist das ja auch richtig gut.

Besonders toll ist es, wenn man es schafft, in der Spanne 29. Dezember bis 31. Dezember zu sterben. Wer möchte schon seinen Lebenslauf in «Das war 2022» oder «2022 in Bildern» oder «2022 – was für ein Jahr»? Wer möchte schon z. B. Thomas Gottschalk als Trauerredner? Wohl also denen, die «zwischen den Jahresrückblicken» sterben.
Drei Leute sind den Jahresrückblickern durch die Lappen gegangen. Aber mir entgehen sie natürlich nicht: Am 29. 12. starb Pelé. Ebenfalls am 29. 12. starb Vivienne Westwood. Und dann starb am 31. Dezember der Papst a.D., der Ex-Oberhirte Ratzinger.
Und nun obliegt mir heute die schwere Aufgabe, die drei Grössen gleichzeitig zu würdigen.

Wie finde ich nun einen gemeinsamen Nenner dieser drei Gestalten?
Ich versuche es zunächst auf eine ungewöhnliche Weise: Ich überlege, ob eine Person jeweils auch in den Ressorts der anderen reüssiert hätte. (Welch wundervolle Assonanz!)

Witzigerweise kann ich mir Pelé als alles vorstellen: Er wäre nicht der erste Sportler, der sich als Modemacher, Designer oder Parfümeur versucht, und er hätte als Modemacher, Designer oder Parfümeur auch sicher Erfolg gehabt: Schon der Name ist eingängig und griffig. «Power – der neue Duft von Pelé…» «Das Sofa? – das ist Pelé…» «Oh, leg doch morgen den neuen Pelé-Jupe an…» Und Edson Arantes do Nascimento (so sein bürgerlicher Name) als Oberhaupt? Als Pontifex? Originalkirchenrechtlich muss ein Bewerber nur die Voraussetzungen der Priesterweihe haben, und die hatte Edson Arantes do Nascimento einst einmal: Männlich, katholisch, ledig. Vielleicht hätte er es als Sebastian der Erste (der Pfeildurchbohrte ist Schutzpatron des Sports) besser gemacht als Ratzinger oder Francisco. Vielleicht ein paar Kardinäle so grob gefoult, dass sie in entscheidenden Sitzungen gefehlt hätten, rote Karten für Päpste gibt es ja wohl kaum.

Mit Vivienne tue ich mich schwerer: Ich kann sie mir weder als Fussballerin noch als Päpstin vorstellen. Obwohl die Punklady ja eine war, die gerne schräge Sachen machte. Eine kickende Westwood? Nun, sie kam eh aus einer Zeit, in der Frauenfussball noch so etwas Verrücktes wie Marsflug oder Koizucht war. Aber selbst als Vorreiterin: In ihren Punk-Klamotten kann man nicht wirklich gut Sport machen. Als Mäzenin – à la Gigi Oeri, die Ex-Mäzenin des FCB – wieder denkbar. Vielleicht hätte sie als Förderin von Tintwistle Athletics (Club in ihrer Geburtsstadt) auch einmal den Ball getreten. Stellen Sie sich ein Freundschaftsspiel Tintwistle Athletics / Watford FC vor und Vivienne Westwood und Elton John auf dem Feld… Herrlich!
Sie mir als Päpstin zu denken, fällt mir noch schwerer. Sie erfüllte natürlich auch nie zwei Voraussetzungen: Männlich und katholisch. Wäre sie eine gute Pontifexin geworden? Sicher eine schräge, das gewiss.

Es gibt tatsächlich einen Ex-Fussballer Ratzinger. Helmut Ratzinger ist eine Legende. Eine Legende des SVSF Pottschach. Pottschach ist eine Gemeinde in Niederösterreich und spielt Fussball auf dem Niveau von FC Watford oder Tintwistle Athletics. Ob er mit Benedetto verwandt ist, konnte nicht ermittelt werden. Hat der Papst gekickt? In seiner Jugend wurde er wahrscheinlich dazu gezwungen, so wie jedes männliche Wesen. Ob er gut war? Wissen wir nicht. Was wir wissen: Er war oft in Stadien – nicht so oft wie Edson Arantes do Nascimento, aber öfter als Frau Westholz – aber er trieb dort keinen Sport, sondern las Messen.
Und Josef Ratzinger als (Mode)designer? Geht gar nicht, jemand der eher bewahrt als Neues schafft, jemand, der eher konservativ denkt, ist in dieser Welt fehl am Platz. Oder vielleicht auch nicht. Benedikt hätte eventuell eine Kleiderlinie oder Möbellinie für Ewiggestrige entworfen, die den (schlechten) Geschmack der Leute unangetastet lässt. So wie das Ehepaar in Ödipussi, das sein Sofa wieder in Mausgrau, Steingrau oder Dunkelgrau will…

Sie sehen:
Es ist schwierig, hier einen gemeinsamen Roten Faden zu finden.
Vielleicht ist der einzige Faden der: Sie waren alle die Grössten. Der Gott des Fussballs, der Papst des Fussballs, the Godess of Punk, the Queen of Punk, der Stellvertreter Gottes, der Herrscher der Gläubigen. Und alle drei hinterlassen eine grosse Lücke.

Es gab früher den Ausdruck «zwischen den Jahren». Damit meinte man so die Zeit nach Weihnachten. Aber viel entscheidender wäre doch die Rubrik «zwischen den Jahresrückblicken».
Drei Leute waren den Jahresrückblickern durch die Lappen gegangen. Aber mir entgingen sie natürlich nicht: Am 29. 12. starb Pelé. Ebenfalls am 29. 12. starb Vivienne Westwood. Und dann starb am 31. Dezember der Papst a.D., der Ex-Oberhirte Ratzinger.

R.I.P.