Dienstag, 24. Januar 2023

Lanze für Lambrecht

Der Rücktritt von Frau Lambrecht hat ungeheuerliche Seiten.
Ja, ich ärgere mich, dass ich mich nicht früher für die Ärmste eingesetzt habe, dass ich nicht eher eine Lanze für Lambrecht gebrochen habe.

Die eine Ungeheuerlichkeit ist natürlich, wie hier die Medien ihre Demission herbeigeredet und herbeigeschrieben haben. «Es gibt Gerüchte…», so tönte es irgendwann, «es gibt Gerüchte, dass die Bundesverteidigungsministerin…», so klang es, «es gibt Gerüchte.» Nun ist das ja eine herrliche Sache, denn wenn ich sage: «Es gibt ein Gerücht, dass du betrügst», dann stimmt das ja auf jeden Fall, denn ab dem Moment existiert das Gerücht ja, ich habe es selber in die Welt gesetzt. Und wenn die Zeitungen schreiben, es gebe Gerüchte, dass im Rathaus etliches schieflaufe, dann stimmt das, man berichtet vom Umlauf diverser Famae, die man selber in den Umlauf gestossen hat.
Es wurde nun so lange über den Rücktritt gehechelt, bis er wahr wurde. Christine hat eines versäumt, das, was man sofort machen muss, wenn die Fama losschiesst, nämlich dementieren. Irgendwann mussten sich sämtliche Politiker über einen Rücktritt äussern, von dem sie noch nichts gehört hatten, und natürlich haben CDU-Politiker das Gerücht nicht als das entlarvt, was es war.

Der Rücktritt von Frau Lambrecht hat ungeheuerliche Seiten.
Ja, ich ärgere mich, dass ich mich nicht früher für die Ärmste eingesetzt habe, dass ich nicht eher eine Lanze für Lambrecht gebrochen habe.

Überhaupt die CDU-Politiker. Nicht müde werden sie, zu betonen, wie wichtig das Amt ist und wie entscheidend Reformen bei der Bundeswehr wären. Sie verschweigen, dass die Misere der BW ja von zwei CDU-Tanten geschaffen wurde, beide unfähig, beide das Amt als Steigbügel nutzend, beide haben keine Reformen gemacht und beide haben einen Saustall hinterlassen: Ursula von der Leyen (2013 – 2019) und Annegret Kramp-Karrenbauer (2019 – 2021). Anders formuliert: Die letzten 10 Jahre, eine Dekade, ein Zehnteljahrhundert wurde in der BW nix gemacht und diese 10 Jahre, diese Dekade, dieses Zehnteljahrhundert geht auf CDU-Kappe.
Wenn nun die Christdemokraten und Christsozialen schimpfen, dass nix gemacht wurde, dann ist das so, wie wenn Helga motzt, weil Hilda nicht gekocht hat, Hilda war aber 3 Stunden dabei, die Küche aufzuräumen, die Helga wie ein Schlachtfeld hinterlassen hat.
Das ist wie ein Chef, der in Urlaub fährt und 387 Mails unbeantwortet lässt, und der dann seinen Assistenten, der die ersten drei Tage eben diese Mails aufarbeitet, zusammenstaucht, weil dieser nicht hinterherkommt.
Das ist, wie wenn jemand, der seit Jahren jeden Tag 8900 Kalorien zu sich nimmt, 2 Flaschen Wein trinkt, Kette raucht und (natürlich!) keinen Sport macht, den Arzt wechselt, weil der alte Doktor ihn nicht gesund kriegt, und der neue ist dann auch nicht der Hammer…

Ich ärgere mich, dass ich mich nicht früher für die gute Christine stark gemacht habe, dass ich keine Lanze für Lambrecht gebrochen habe, dass ich die Verteidigungsministerin nicht verteidigt habe – welch schönstes Wortspiel. Denn hier ist ja Ungeheuerliches passiert.

Das Ungeheuerlichste, das Erstaunlichste und Seltsamste ist doch: Noch nie musste ein Politiker wegen Unfähigkeit zurücktreten. Ja, es musste überhaupt ganz selten jemand wegen Unfähigkeit seinen Posten räumen. Wenn allen Menschen, die ihren Job nicht ausfüllen, gekündigt würde, wenn es ein Entlassungsgrund wäre, dass man für die Arbeit, die man tut, nicht geeignet ist, dann hätten wir eine Arbeitslosenquote von 90%. Aber sicher.
Wenn einem Arzt gekündigt wird, dann wird er ins Feld führen, dass er immer sauber, pünktlich und freundlich war und dass – das sei ein ganz entscheidender Punkt – ihm noch kein Patient gestorben sei. Die Frage, ob er schon Leute GESUND gemacht hat, die stellt sich dann überhaupt nicht mehr.
Wird man einen Lehrer entlassen, weil man bei ihm nichts lernt? Vielleicht. Aber das Arbeitsgericht, das er anruft, wird die üblichen Punkte abklopfen: Trinkt er? Nein. Fasst er Schüler oder Schülerinnen an? Niemals. Ist er pünktlich am Arbeitsplatz? Immer. Er ist zudem auch noch freundlich und nett, er kann einem aber schlicht und einfach nichts beibringen. Das, so die einstimmige Meinung der Arbeitsjuristen, sei kein Grund.
Und von wie vielen Menschen höre ich diese Sätze über ihr Putzpersonal: «Nett, anständig, höflich, klaut nicht und macht nix kaputt, gut, richtig sauber ist es hinterher nicht…»

Das gilt nun viel mehr noch für Politiker: Es war noch nie ein Rücktrittsgrund, sein Metier nicht zu beherrschen. Unfähigkeit war noch nie ein Rücktrittsgrund. Es ist ja nicht nur BW in einem katastrophalen Zustand, die Spitäler, die Schulen, die Deutsche Bahn sind es noch viel mehr. Wie viele Gesundheitspolitiker und -politikerinnen, wie viele Bildungspolitiker und -politikerinnen, wie viele Verkehrspolitiker und -politikerinnen hätten da gehen müssen! Nein, Lambrecht hat nix veruntreut und keine Steuern hinterzogen, sie hatte keine Kontakte zur Mafia oder hat ihren Doktortitel gefälscht (hat sie einen?). Sie war einfach nicht fähig, und das reichte noch nie zu einem Rücktritt.

So, das war immerhin ein Länzchen für Lambrecht.
Immerhin.

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