Dienstag, 3. Januar 2023

Drei Nachrufe

Es gab früher den Ausdruck «zwischen den Jahren». Damit meinte man so die Zeit nach Weihnachten. Aber viel entscheidender wäre doch die Rubrik «zwischen den Jahresrückblicken». Warum? Wenn die grossen Fernsehsender zum Beispiel am 28. 12. ihre Shows «Das war 2022» oder «2022 in Bildern» oder «2022 – was für ein Jahr» präsentieren, dann schaffen es Ereignisse, die nach dem 28. 12. passieren, eben nicht in «Das war 2022» oder «2022 in Bildern» oder «2022 – was für ein Jahr». Natürlich müssten die Shows «Das war 2023» oder «2023 in Bildern» oder «2023 – was für ein Jahr» dann am 29.12. 2022 beginnen, tun sie aber meistens nicht. So kann man den Jahresrückblickern durch die Maschen schlüpfen, und wenn der Rückblick von z. B. Thomas Gottschalk präsentiert wird, dann ist das ja auch richtig gut.

Besonders toll ist es, wenn man es schafft, in der Spanne 29. Dezember bis 31. Dezember zu sterben. Wer möchte schon seinen Lebenslauf in «Das war 2022» oder «2022 in Bildern» oder «2022 – was für ein Jahr»? Wer möchte schon z. B. Thomas Gottschalk als Trauerredner? Wohl also denen, die «zwischen den Jahresrückblicken» sterben.
Drei Leute sind den Jahresrückblickern durch die Lappen gegangen. Aber mir entgehen sie natürlich nicht: Am 29. 12. starb Pelé. Ebenfalls am 29. 12. starb Vivienne Westwood. Und dann starb am 31. Dezember der Papst a.D., der Ex-Oberhirte Ratzinger.
Und nun obliegt mir heute die schwere Aufgabe, die drei Grössen gleichzeitig zu würdigen.

Wie finde ich nun einen gemeinsamen Nenner dieser drei Gestalten?
Ich versuche es zunächst auf eine ungewöhnliche Weise: Ich überlege, ob eine Person jeweils auch in den Ressorts der anderen reüssiert hätte. (Welch wundervolle Assonanz!)

Witzigerweise kann ich mir Pelé als alles vorstellen: Er wäre nicht der erste Sportler, der sich als Modemacher, Designer oder Parfümeur versucht, und er hätte als Modemacher, Designer oder Parfümeur auch sicher Erfolg gehabt: Schon der Name ist eingängig und griffig. «Power – der neue Duft von Pelé…» «Das Sofa? – das ist Pelé…» «Oh, leg doch morgen den neuen Pelé-Jupe an…» Und Edson Arantes do Nascimento (so sein bürgerlicher Name) als Oberhaupt? Als Pontifex? Originalkirchenrechtlich muss ein Bewerber nur die Voraussetzungen der Priesterweihe haben, und die hatte Edson Arantes do Nascimento einst einmal: Männlich, katholisch, ledig. Vielleicht hätte er es als Sebastian der Erste (der Pfeildurchbohrte ist Schutzpatron des Sports) besser gemacht als Ratzinger oder Francisco. Vielleicht ein paar Kardinäle so grob gefoult, dass sie in entscheidenden Sitzungen gefehlt hätten, rote Karten für Päpste gibt es ja wohl kaum.

Mit Vivienne tue ich mich schwerer: Ich kann sie mir weder als Fussballerin noch als Päpstin vorstellen. Obwohl die Punklady ja eine war, die gerne schräge Sachen machte. Eine kickende Westwood? Nun, sie kam eh aus einer Zeit, in der Frauenfussball noch so etwas Verrücktes wie Marsflug oder Koizucht war. Aber selbst als Vorreiterin: In ihren Punk-Klamotten kann man nicht wirklich gut Sport machen. Als Mäzenin – à la Gigi Oeri, die Ex-Mäzenin des FCB – wieder denkbar. Vielleicht hätte sie als Förderin von Tintwistle Athletics (Club in ihrer Geburtsstadt) auch einmal den Ball getreten. Stellen Sie sich ein Freundschaftsspiel Tintwistle Athletics / Watford FC vor und Vivienne Westwood und Elton John auf dem Feld… Herrlich!
Sie mir als Päpstin zu denken, fällt mir noch schwerer. Sie erfüllte natürlich auch nie zwei Voraussetzungen: Männlich und katholisch. Wäre sie eine gute Pontifexin geworden? Sicher eine schräge, das gewiss.

Es gibt tatsächlich einen Ex-Fussballer Ratzinger. Helmut Ratzinger ist eine Legende. Eine Legende des SVSF Pottschach. Pottschach ist eine Gemeinde in Niederösterreich und spielt Fussball auf dem Niveau von FC Watford oder Tintwistle Athletics. Ob er mit Benedetto verwandt ist, konnte nicht ermittelt werden. Hat der Papst gekickt? In seiner Jugend wurde er wahrscheinlich dazu gezwungen, so wie jedes männliche Wesen. Ob er gut war? Wissen wir nicht. Was wir wissen: Er war oft in Stadien – nicht so oft wie Edson Arantes do Nascimento, aber öfter als Frau Westholz – aber er trieb dort keinen Sport, sondern las Messen.
Und Josef Ratzinger als (Mode)designer? Geht gar nicht, jemand der eher bewahrt als Neues schafft, jemand, der eher konservativ denkt, ist in dieser Welt fehl am Platz. Oder vielleicht auch nicht. Benedikt hätte eventuell eine Kleiderlinie oder Möbellinie für Ewiggestrige entworfen, die den (schlechten) Geschmack der Leute unangetastet lässt. So wie das Ehepaar in Ödipussi, das sein Sofa wieder in Mausgrau, Steingrau oder Dunkelgrau will…

Sie sehen:
Es ist schwierig, hier einen gemeinsamen Roten Faden zu finden.
Vielleicht ist der einzige Faden der: Sie waren alle die Grössten. Der Gott des Fussballs, der Papst des Fussballs, the Godess of Punk, the Queen of Punk, der Stellvertreter Gottes, der Herrscher der Gläubigen. Und alle drei hinterlassen eine grosse Lücke.

Es gab früher den Ausdruck «zwischen den Jahren». Damit meinte man so die Zeit nach Weihnachten. Aber viel entscheidender wäre doch die Rubrik «zwischen den Jahresrückblicken».
Drei Leute waren den Jahresrückblickern durch die Lappen gegangen. Aber mir entgingen sie natürlich nicht: Am 29. 12. starb Pelé. Ebenfalls am 29. 12. starb Vivienne Westwood. Und dann starb am 31. Dezember der Papst a.D., der Ex-Oberhirte Ratzinger.

R.I.P.

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