Dienstag, 31. März 2015

Landsmannschämen oder Sepp nach Qatar ausbürgern!

Für Amerikaner ist Fussball (soccer) nicht das Wichtigste. Und für Amis ist Europa nicht das Wichtigste, nur so lässt sich erklären, dass Jack aus Idaho, den ich im Zug nach Gütersloh treffe, den wunderbaren Satz sagt: „The FIFA needs somebody new, this German is the boss now for a very long time.“
Und ich widerspreche ihm nicht.
Ich, der ich sonst die verbal Ausgebürgerten meiner Wahlheimat mit aller Wucht verteidige und wiedereinbürgere (sic).
Ich, der ich, wenn jemand vom französischen Librettisten von L’histoire du Soldat spricht, an die Decke hüpfe und schreie: „Ramuz war Schweizer!“. Ich, dem, wenn die dürren Klapperplastiken  einem Italiener zugesprochen werden, die Halsschlagader schwillt: „Bündner, Giacometti war Bündner.“ Ich, der nicht müde werde zu betonen, dass Rousseau halber Schweizer war, der ich viele, viele, viele, die man in den umliegenden Ländern ansiedelt, wieder in die Eidgenossenschaft hineinnehme.

Diesmal schweige ich.
Denn dieses Mal, dieses einzige Mal, dieses allereinzige Mal bin  ich froh. Froh, dass man diesen Blatter für einen Bundesdeutschen hält.
Denn im Gegensatz zu Rousseau und Chevrolet, zu Piccard und Frisch, zu Muschg und Erni und Hodler, zu Holliger und Dürrenmatt und Pestalozzi, zu Täubner-Arp und Del Ponte, zu Federer und Ammann kann man auf Seppi NICHT stolz sein.
Man muss sich – ja, wie sagt man da? Es ist ja eigentlich Fremdschämen, aber genauso schämt man sich ja, dass der Betreffende KEIN Fremder ist. Wäre hier Landsmannschämen richtig? Ja, ich glaube, wir nennen das Landsmannschämen.

Wir landsmannschämen uns also für diesen Koloss, der alle Skandale und Skandälchen, alle Korruptionen und Korruptiönchen, alle Kritik und Kritiker einfach aussitzt. Wir landsmannschämen uns für diesen Funktionär, dem wir die WM in einem Land verdanken, das ausser ein bisschen Öl nix hat, keine Stadien, keinen Fussball, keine Infrastruktur, doch Hitze haben sie und deshalb müssen ja sämtliche Fussballnationen ihre Spiele umlegen.
Wir landsmannschämen uns.
Blatter ist eine der wenigen wirklich peinlichen Figuren, die die Eidgenossenschaft auf das Schachbrett der Welt gestellt hat.
Blatter und ….
Das ist jetzt witzig, dass die zweitpeinlichste Gestalt fast genauso klingt.
Ist ein Name nach dem Muster BL***ER Garantie für Peinlichkeit? 

Gut, das wird jetzt ein wenig gefährlich, es gibt sicher eine Menge Blachers und Blotters, Blurmers und Bleihers, es gibt Blorrers und Blitters, die allesamt sehr anständige Leute sind, und wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen: R  OLF     HE   - ergänzen Sie bitte noch Buchstaben. Sie könnten auf Rolf Herter, meinen Namen kommen, aber auch auf Rudolf Hess.
Aber witzig ist diese Blatter-Blocher-Assonanz doch.

Wenn man sich landsmannschämt, gibt es nur zwei Lösungen. Entweder der eine benimmt sich so, dass man auf ihn wieder stolz sein kann, holt z.B. irgendeinen Herkules, der die Aare, die Reuss und den Rhein, die Rhone und die Emme, Thur und Ticino durch den FIFAugiassttall schickt – ich weiss, es waren zwei Flüsse, aber bei dem Mist, den der Weltfussball angesammelt hat, braucht man sämtliche Wassermassen der Eidgenossenschaft – und tritt nach dieser Säuberung zurück und übergibt einen nichtkorrupten, nichtdopenden, nichtmogelnden Verband. Oder – das ist die andere Möglichkeit – er wird ausgebürgert, auch dann muss man sich nicht mehr landsmannschämen. Wer mir jetzt vorhält, dass man den roten Pass nicht verlieren kann und noch niemand ausgebürgert wurde, irrt, viele Frauen verloren früher die CH-Staatsbürgerschaft durch Heirat mit einem Ausländer. Und Frisch wurde von Landsmännern, denen seine Neutralität nun doch zu weit ging – die Schweiz ist neutral, aber man kritisiert nicht die USA – mehrfach brieflich aufgefordert, seinen Pass zurückzugeben.

Gut, heutzutage ist das anders, so leicht wird man Seppi nicht los, man könnte ihm aber eine zweite Staatsbürgerschaft angedeihen lassen. Zum Beispiel Qatar. Er ist ja so dicke mit den Scheichs, Emiren und Kalifen dort, mit den Ölbohrern und Millionenschefflern, dass sie ihm sicher den Quatarpass schenken.

Und dann könnte ich, wenn dieses Mal nicht Jack aus Idaho, sondern Jim aus Kentucky sagt: „The FIFA needs somebody new, this German is the boss now for a very long time“, antworten: „In fact, he’s citizen of Qatar.“
Und müsste mich nicht mehr schämen. Landsmannschämen darf ich ja eigentlich noch gar nicht.
Und ich würde mich freuen, das darf ich. An – ganz assonanziv – HOlliger, HOdler und HOnegger. Bei dem man den Trick mit HONE**ER übrigens auch nicht machen sollte.



Donnerstag, 26. März 2015

Bloom City oder: Die Singles sind schuld am Raummangel

Bloom City ist in den letzten Jahren von 200.000 auf 2.000.000 Einwohner angeschwollen, sagen wir das besser in Worten: Von Zweihunderttausend auf zwei Millionen. Dies lag nicht nur an dem bisschen Öl, das man in der Umgebung fand, sondern auch daran, dass einige internationale Konzerne ihren Hauptsitz dorthin verlegten. Wegen – wie sie bekanntgaben – des gesunden Klimas, der schönen Landschaft, der guten Verkehrsanbindung (Bloom City hat drei Airports) und des kulturellen Angebots, der Gewerbesteuerfuss von 5% spiele da keine Rolle.
Um die Verzehnfachung der Einwohnerschaft aufzufangen, musste man natürlich ein paar Häuser bauen, das ist jetzt ein Euphemismus, man musste bauen wie bescheuert: Riesige Stadtteile wurden aus dem Boden gestampft, Häuser schossen in die Höhe, Wald wurde gerodet, viel Wald, Beton wurde gespritzt und Metall verlegt. Die neuen Quartiere New Bloom East, New Bloom West, New Bloom North und New Bloom South, sowie Upper Outside, Lower Outside und Middle Outside – die Stadtplaner von Bloom City sind nicht sehr kreativ, was die Nomenklatura anbelangt – frassen sich in die Landschaft wie Maden in einen Apfel und vertrieben Hirsche, Rehe, Hasen, aber auch Wölfe und Bären in weite Ferne.
Das war aber alles nicht so schlimm, denn Bloom City liegt im Norden jener Republik, die den Ahorn im Wappen hat. Dort hat es von allem genug: Genug Wald, genug, Landschaft, genug Platz und genug Bären, weshalb die Bauleute fröhlich den alten Schlager sangen:

Wir bauen uns ein Häuschen, ein Chalet in Kanada,
Wir jagen dort nach Bären, denn es sind so viele da.

 In der Schweiz sieht die Sache nun ein wenig anders aus. Wenn z.B. Zürich seine Fläche verzehnfachen würde, läge Zurich Outside North - ich traue den Zürchern nicht mehr Phantasie zu wie den Bloomern - schon bei den Schwaben, in Zurich Outside South wüchsen schon Palmen, Z.O. West wäre in der Franche Comte und Z.O. East kurz vor dem Arlberg. Es ist in diesem kleinen Land einfach zu wenig Platz: Im Norden thront der Jura und im Süden die Alpen und in der Mitte, wo man so herrlich bauen könnte, ist alles voller hässlicher, unpraktischer und störender Wasserlachen, dem Zürichsee, dem 4waldstättersee, dem Bieler und dem Neuenburger-, dem Sempacher und dem Halwilersee, und vielen anderen, die ebenso nur aus H2O bestehen. Lange gab es verschiedenste Meinungen zum Eidgenössischen Bautrieb, die von Ist doch alles gar nicht so schlimm, die Bebauung dünkt uns grösser als sie ist, es ist noch viel Raum da bis zu Die Schweiz ist voll, Ausländer raus, dann gibt es genug Platz reichten. Nun gibt uns eine Statistik des zuständigen Bundesamtes Klarheit, und es sind zwei Fakten, die wichtig sind:

1.) Die Wohnfläche hat von 1985 bis 2009 um 44% zugenommen.
2.) Nicht die Zuwanderung ist schuld, sondern die Singlehaushalte und der Wunsch nach immer mehr Wohnfläche.

Na, Prost Mahlzeit! Ich bin also Schuld, ich wohne allein, ich habe Platz, ich bin ein Singlehaushalt in 80qm, wegen mir geht die Landschaft kaputt.

Pater peccavi, mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa...

Was bin ich auch für ein Böser. Warum wohne ich nicht in einer WG? Die Antwort ist einfach: Weil ich schlicht und einfach WG-untauglich bin, mein Bedürfnis nach Aufgeräumtheit und Meister- Propper-Flächen, nach Staubfreiheit und Fettfleckenabwesenheit schrecken jede(n) potentielle(n) Mitbewohner(in) ab, bei einer Wohnungsbesichtigung würde jede und jeder denken: "Da traue ich mich ja nicht mal, die Küche oder das Bad zu betreten, geschweige denn eine Suppe zu kochen oder mich zu duschen." Ich könnte also nur mit Putzteufeln zusammen wohnen, mit Leuten, für die der Grossputz das einzige Hobby, das singuläre Steckenpferd ist, das geht aber nicht, weil ich eben kein Putzteufel bin, ich putze nicht gern, ich habe es nur gerne sauber, so wie Sie auch nicht gerne zum Dr.dent. gehen, sondern einfach nur gerne gute Beisser haben...

Pater peccavi, mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa...

Aber jetzt Stopp!!! (sic)
Nicht nur ICH bin WG-untauglich, meine Wohnung ist es ja auch. Von den 80qm entfallen 2/3 auf ein riesengrosses Zimmer, das, obwohl es eine grosse Sitzgruppe, meinen Esstisch mit vier Stühlen und meine Küche beherbergt, immer noch genügend Platz hat, um ein 80.000 Teile-Puzzle zu legen, Federball zu spielen oder Cha-Cha-Cha zu tanzen. Den Rest teilen sich mein Schlafzimmer, Flur, Bad und Balkon. Diese Bude IST eine Singlebude par excellence.
Warum werden für solche Bauten überhaupt Baugenehmigungen erteilt? Warum darf man solche Luxusappartements errichten, während man ganze Viertel, in denen bezahlbare Wohnungen mit vielen kleinen Zimmern angeboten werden, verfallen lässt? Warum bekommt man das OK vom Raumplanungsamt, wenn man Wände einreisst und so WG-Wohnungen zu Singlewohnungen macht?
Es ist also nicht allein meine Schuld, das beruhigt mich, ich könnte auf 20qm verzichten, das aber nutzt niemand, ich werde niemand finden, der in einen Container zieht, den ich auf der Cha-Cha-, der Federball- oder Puzzlefläche errichten würde.

Die Politik ist also gefragt: Wir brauchen eine vernünftige Wohnraumplanung, bevor wir auf den Singles rumhacken. Vielleicht könnte auch ein Teil der Bewohner auswandern, zum Beispiel nach Bloom City, in New Bloom East soll angeblich gerade eine Eidgenössische Kolonie entstehen, angeblich gibt es schon einen Schwingerclub, ein Hornussen-Spielfeld, ein Alphornensemble und eine Rösti-Beiz...

Montag, 23. März 2015

Sitzungen in Teenagerzimmern, Winterolympia in Amsterdam und Fussball-WM in...

Ich könnte Beat in den Hintern beissen, ich könnte ihm meine Zähne in den (sit venia verbo) Arsch hauen, ich könnte mit seinem Popo das machen, was eine Dogge mit ihm machen würde. Wegen ihm fahre ich jetzt alle 14 Tage nach Bennwil.
Beat ist Leiter des CSfbB, des Club der Schwimmbadfreunde beider Basel. Wir sind eine kleine, feine Mannschaft, denn wir sind kein Schwimmclub, wir sind eine Gruppe von Männern und Frauen, die Hallen- und Frei-, sowie Seebäder exploriert, bei Aufnahme in unseren Kreis muss der/die Neubewerber(in) in mindestens 100 Bädern gewesen sein (ich bin bei 182). Nachdem wir uns lange in Gasstätten und Cafés getroffen haben, kam nun die Idee auf, uns privat zu treffen. Sofort bot ich meine Wohnung an: Zentral gelegen, vom Bahnhof SBB UND vom Badischen super erreichbar, an die Tramlinien 2,6,8,14 und 15, sowie an die Busse 30 und 34 angeschlossen, genügend Platz für alle um meinen Tisch oder meine Sofaecke.
Aber nein, wir treffen uns - so hat Beat entschieden - bei Marco. Marco ist unser Nesthäkchen, er ist 20 und hat allerdings die beachtliche Summe von 100 Hallen, See- und Gartenbädern schon mit 19 erreicht, was gewiss bewundernswert ist. Marco wohnt aber in Bennwil bei seinen Eltern. Nun betrete ich also in jeder zweiten Woche den Zug nach Süden, steige in Liestal in die Waldenburgerbahn und nehme in Hölstein den Bus 92. Dann sitze ich zwei Stunden in einem 15qm-Teenagerzimmer und reise genauso kompliziert zurück.
Warum wir alle ins Oberbaselbiet fahren? Beat konnte Marco nichts abschlagen, denn dieser ist sein Göttibueb (Patensohn).
Ich könnte Beat in den Hintern beissen, ich könnte ihm meine Zähne in den (sit venia verbo) Arsch hauen, ich könnte mit seinem Popo das machen, was eine Dogge mit ihm machen würde. Wegen ihm fahre ich jetzt alle 14 Tage nach Bennwil.

Die Entscheidung für Marco ist so, wie wenn man die Winterolympiade nach Amsterdam verlegen würde. Gut, die Nederlands haben eine grosse Tradition im Eislaufen, das ist quasi Nationalsport, denn wo kann man so schön schakeln wie auf vereisten Wassergräben, Grachten und Kanälen? (Schon Pieter Bruegel d.Ä. hat das 1565 gemalt.) Die Nederlands haben halt nur keine Berge, die müsste man bauen, kann man ja indoors wie in den Skihallen Neuss oder Bottrop, aber würde es Sinn machen?

Die Entscheidung für Marco ist so, wie wenn man die Deutschen Theatertage zielsicher in eine Gemeinde verlegen würde, die über kein Theater verfügt, das ist in der riesigen Kulturlandschaft gar nicht so leicht, aber man könnte doch die Dramaturgen von Thalia oder Resi in den Wahnsinn treiben, wenn man ihnen sagte, dass ihre Produktion in der Stadthalle Weil am Rhein oder der Mehrzweckhalle Rüsselsheim Platz finden müssten.

Genauso ist eine WM in...
Nein!
Das stimmt nicht. Die WM in Qatar ist die beste Entscheidung, die getroffen werden konnte. Gründe? Es gibt vier.
1.) Qatar hat eine lange Ballsporttradition. Wie nun neue Quellen belegen, haben dort schon vor 3000 Jahren Beduinen eine Art Kamelpolo gespielt, bei dem sie Tierschädel vom Wüstenschiff aus mit Tierknochen schlugen, es gab sogar schon Meisterschaften, zu einer Zeit, als bei uns der einzige Sport das Weglaufen vor Mammuts war.
2.) Es gibt dort keine Stadien. Es wird alles neu gebaut, es wird also keine vergammelten Umkleideräume und stinkende Duschen, keine versifften Tribünen und rostige Tore geben, es wird alles neu, nagelneu sein.
3.) Alle Spiele werden im Grund genommen in der gleichen Stadt stattfinden, also keine Reisewege, keine Reservierungsprobleme, keine logistischen Verrenkungen. Und dass es in Doha ein wenig eng wird, wen stört´s? Man geht ja nicht zu einer WM um alleine zu sein, man will ja das Bad in der Menge, man will ja den anderen hautnah spüren, man will die Millionen auf engstem Raum, wer das nicht mag, soll in den Wald gehen oder auf den Mount Everest, wobei der auch schon immer voller wird...
4.) Das Beste ist aber, dass die WM im Winter stattfindet. Was gibt es Schöneres, als sich die unerträgliche Adventszeit mit Fussball zu versüssen? Was gibt es Herrlicheres, als Jingle Bells und Süsser die Glocken durch We are the champions und Ole, ole, ole, ola zu ersetzen? Hoffentlich wird auch noch der Entscheid rückgängig gemacht, das Finale VOR Christmas zu machen, denn ein Endspiel am 24.12. wäre die Rettung für sämtliche Familienweihnachten. Wie viele Tränen würden da nicht vergossen, wie viele Leute sässen da einträchtig vor dem Bildschirm, wie viele Ehen gingen da am Heiligen Abend nicht zu Bruch!

Nein, Qatar ist - im Gegensatz zu Bennwil und Amsterdam, Rüsselsheim und Weil a.Rh. die richtige Wahl.
Ich könnte Beat in den Hintern beissen.
Sepp aber könnte ich knuddeln. Was für ein kluger, weiser Mann.
Schade, dass er schon aufhört...

Freitag, 20. März 2015

Wieso sind im Büro alle so gut drauf? oder: Worker's Little Helpers



 Ihr Arbeitskollege beginnt den Bürotag wie ein Entertainer seine TV-Show: Mit einer Flugrolle hechtet er ins Büro, kommt wieder auf die Beine, springt, streckt sich, er ruft: „Ich bin spitze!“ und gleitet zum PC. Dort startet er voller Elan, voller Tatendrang die Programme, ruft seine Mails ab und konsultiert die To-do-Listen, nebenbei schüttelt er Ihnen und allen anderen die Hände, macht Kaffee und sieht die Post durch, sodass seine Arme, die her und hin und hin und her fliegen, sich zu vervierfachen scheinen und er ein shivaeskes (oder shivanisches?) Aussehen bekommt.
Und Sie?
Sie sind so müde, so schlapp, so wenig motiviert, dass Sie schon Mühe haben, den Büroraum aufrecht zu betreten und dass das Drücken der Computerstarttaste all ihre Energie verbraucht.

Ihr Chef, der auch Besitzer des Cheval d’or ist und dem Sie beichten müssen, dass Sie einem Gast einen halben Liter braune Sauce über ein hellbeiges 15.000 Franken-Armani-Jackett gekippt haben, lächelt Sie nur an: Das könne nun jedem, aber wirklich jedem passieren, und Ihnen sei das noch nie passiert, das sei nicht schlimm, man habe eine Versicherung, und Sie dürften jetzt erst einmal Pause machen um sich von dem Schreck zu erholen, er werde Ihre Schicht übernehmen. Der Mann steht scheinbar kurz vor seiner Heiligsprechung, so und nicht anders, haben St. Stephanus, St. Nepomuk und St. Andreas gelächelt, bevor sie mit Felsbrocken beworfen, von der Moldaubrücke gestürzt und X-gekreuzigt wurden, sie haben gelächelt und verziehen. Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Und Sie?
Sie haben so viel Wut im Bauch, so viel Zorn, so viel Groll über die blöden Gäste, denen die Tomatensauce nicht fruchtig und die Käsesauce nicht käsig genug ist, die Wein bestellen, den sie dann nicht mögen und Beilagensalate, die sie nicht essen, Sie haben eine solche Wut im Leib, dass sie den Arschloch-CEO (s.v.v.) an Tisch 23 ganz bewusst in Rinds-Madeira-Pfeffer-Tunke gebadet haben.

Ihre Untergebenen scheinen Computerhirne zu haben: Sie denken jedes Jahr an Ihren Geburtstag, natürlich, selbstverständlich, ohne Frage, aber auch an Ihren Namenstag, an Ihren Firmeneintrittstag, sie denken an Ihren Hochzeitstag, an die Geburtstage Ihrer Frau, Ihrer Kinder und Ihrer Putzfrau. Und jedes Mal gibt es nicht nur ein Kärtchen, sondern immer etwas Spezielles, Originelles, etwas Handgemachtes oder Handgebackenes, mit viel Liebe, mit sehr viel Liebe und mit viel frischer Butter gemacht. 
Und Sie?
Sie vergessen natürlich am 6.3.2015 das Jubiläum von Ruedi Stämpfli, der an diesem Tag 50 Jahre in der Firma arbeitet und davon 20 in Ihrer Abteilung, obwohl Sie das Datum vollelektronisch, halbelektronisch und nichtelektronisch gespeichert haben, obwohl es in Blackberry, I-Phone und Laptop vermerkt ist, ausserdem rot in der Agenda UND an der Pinwand.

Wie schaffen Ihre Kollegen, Ihr Boss, Ihre Untergebenen es nur, so dynamisch, so friedlich, so kooperativ zu sein, woher nehmen sie die Kraft, die Liebe, die Energie, woher den Gleichmut und Teamgeist?

Ganz einfach:

Sie sind gedopt.
Laut einer Untersuchung der Krankenkassen nehmen 3 Millionen Deutsche chemische Präparate, um ihren Arbeitsalltag zu  bewältigen. Drei Millionen, in Zahlen 3 000 000 Beschäftigte kommen  - nicht jeden Morgen, aber doch einmal pro Woche, nicht immer, aber immer öfter - vollgepumpt mit BEATOMED®, TRANQUILLOBON® und ENERGOSAN® in die Firma, sie werfen rote, grüne und gelbe Pillen ein, Worker’s Little Helpers. Dabei sind BEATOMED®, TRANQUILLOBON® und ENERGOSAN® gar keine schlechten Produkte, sie sind sogar gute Mittel, aber eigentlich für Kranke. Diese Präparate sind gegen Depressionen und Phobien, gegen Aggressivität und Schizophrenie, gegen Neuro- und Psycho-sen, sie sind nicht dafür gemacht, den normalen Berufsalltag zu  bewältigen. Wie viel Suchtgefahr und wie viel Nebenwirkungen sie einem Gesunden bieten, ist noch überhaupt nicht ausgemacht.

Ich glaube, da muss man mal sehr, sehr, sehr heftig über die Bücher in den deutschen Firmen. Was ist da in den Büros und Schreibstuben, in den Kopierzimmern und Konferenzräumen los, dass so viele Arbeitnehmer ohne BEATOMED®, TRANQUILLOBON® und ENERGOSAN® gar nicht in die Firma könnten?

Und wie sieht es eigentlich in anderen Bereichen aus? Muss man vielleicht nicht nur Worker’s Little Helpers, sondern auch von Politician’s Little Helpers, von Artist’s, von Writer’s Little Helpers sprechen? Muss man bei nationalen und internationalen Preisen Dopingkontrollen einführen? Müssten vielleicht Nobel- und Büchnerpreise, Karls- und Hebelmedaillen, müssen die Preise des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Leipziger Buchmesse zurückgegeben werden, weil da unerlaubte Substanzen im Spiele waren? Müssten da nach positiven A- und B-Tests auch hohe Preisgelder zurückbezahlt werden?
Hätte man einst die Hegemann vielleicht eher durch die Dopingschiene als durch die Plagiatsschiene drangekriegt, weil man so einen Schwachsinn wie AXOLOTL ROADKILL nur unter Drogen geschrieben haben kann?

Fragen über Fragen.

Fest steht: Wenn Ihr Kollege wieder mit seiner Akrobatiknummer ins Büro kommt, wenn Ihr Chef den ganzen Tag wie St. Florian lächelt, wenn Ihre Untergebenen Ihnen wieder etwas mitgebracht haben, seien Sie nicht neidisch.
Jene stehen unter dem Einfluss von TRANQUILLOBON®, BEATOMED® oder ENERGOSAN®.

Und Sie?
Sie sind schlapp.
Sie sind wütend.
Sie sind vergesslich.

Aber Sie sind clean.


Dienstag, 17. März 2015

Lasst doch Salas und Pegis sich ruhig verkloppen



Ach, diese Demonstrationen! Das ist schon alles ziemlich komplex geworden mit dieser Rumlauferei. Da marschieren so viele Gruppen durch die Städte und wollen sich prügeln, mit dem Volk und der Polizei und natürlich untereinander. Das ist schon alles ziemlich schwierig…

Früher war das viel einfacher. Beim Mann mit dem Knebelbart durfte einfach nicht demonstriert werden, und die Berliner Polizei hat nicht nur einmal irgendwelche Internationale-singenden Meuten einfach zusammengeschossen, vorwiegend am 1.Mai. Dann kam der mit dem Schnauzbart und drehte den Spiess um: Da seine Truppe ja eine NSArbeiterP war, demonstrierte jetzt der Staat – und konnte es auch viel besser als die Kommunisten, denn wenn die Braunhemden etwas konnten, dann war es marschieren und Macht demonstrieren.

Ja, und dann kam die Demokratie und das war vielleicht ein Fehler. Man räumte dem Volk Rederecht und Demonstrationsrecht und Leserbriefschreibrecht, man schaffte ihm Versammlungs- und Meinungsfreiheit, man und frau durften nun sagen, was sie wollten, rumlaufen, wo sie wollten und Schilder halten, wo sie wollten. Das taten – was die Sache wieder einfach machte – zunächst nur die Linken, aber die taten es ausgiebig. Trotzdem waren die Anti-Pershing-Leute, die Pro-Hausbesetzer-Leute, die Legalize it-Leute und Kernkraft-nein-danke-Leute relativ einfach in Schach zu halten, die meisten waren einfach Spinner, die zu viel taz gelesen hatten, aber sie waren eigentlich friedvoll und hielten die wenigen Blödmänner, die sich an Schaufensterscheiben vergreifen wollten, selber zurück.
Und da es sehr viele Lehramtsstudenten dabei hatte, brauchte man häufig auch nur Fotografen am Routenrand: Achtung, VS! Radikalenerlass! Du fährst zu oft nach Heidelberg! Viele hatten einfach Schiss, als staatsgefährdendes Subjekt keine Assessorstelle zu bekommen. 

Im 21. Jahrhundert krochen dann auf einmal die von der anderen Seite aus dem Schoss, der noch fruchtbar war, und wollten auch, wollten auch rumlaufen und brüllen, und sie durften es, wenn es auch keinen Spass machte, wenn sie ihre genehmigte Route abliefen: Ein paar hundert Glatzköpfe, umsäumt von der halben Einwohnerschaft des Ortes, die ihnen zeigte, dass sie NICHT willkommen waren. In Freiburg kamen sie einmal gar nicht zur Laufroute, weil 10.000 Menschen ihnen den Weg versperrten und die Polizisten eigentlich, ja eigentlich den Nazis den Weg hätte freikämpfen müssen, aber es nicht taten. Den Ewiggestrigen blieb nur der Bahnhofsvorplatz.

Zurzeit ist aber die Lage komplex, sehr komplex… Da laufen Salafisten und da marschieren Pegidisten und die Ordnungsbeamten müssen die irgendwie auseinanderhalten, dass die beiden Gruppen sich gegenseitig umbringen oder zumindest eine Prügelei anfangen und dabei so en passant noch die Stadt kaputtmachen. Und dann gibt es noch die dritte Gruppe, die, die für Menschlichkeit, Friedfertigkeit und Toleranz gehen, und die wollen weder von den Salas noch von den Pegis eines auf die Nuss bekommen. Tausende Polizisten waren da neulich im Einsatz, aus der gesamten BRD, um die drei Züge auf den vorherbestimmten Gleisen zu halten.

Was aber tun, wenn in Deutschland die Polizisten ausgehen, wenn in fünf  Städten gleichzeitig der Teufel los ist? Wird dann die UNO intervenieren und die UNO-Gegner auch und werden sie mit
Panzern kommen, um für Deutschland den Frieden zu retten und wird es sich auf Europa und Afrika ausbreiten, einen Weltkrieg geben und die Menschheit nicht mehr da sein? (Für meine deutschen Leser: Manni Matter, Ich ha es Zündhölzli azündt)
Und was, wenn überall die Polizisten fehlen? Kann es dann sein, dass in Nürnberg an einem Samstag Tempo 130 herrscht, weil alle Ordnungshüter in Stuttgart sind? Kann es sein, dass ich in Mainz einen Einbrecher im Haus habe, aber die Polizisten sind in Oldenburg, um Pegis und Salas am Prügeln zu hindern? Jürgen Albrecht malt in seiner Krimikurzgeschichte Der Viertel-Coup ein solches Szenario: Im Bremer Viertel (das Quartier heisst wirklich „Viertel“) demonstrieren Tausende GEGEN DAS SCHLECHTE WETTER, aber die Initianten dieser friedlichen Spassdemo sind Gauner, die  Geschäfte ausräumen und als die ersten Meldungen kursieren, kommt weder Polizei noch Bevölkerung durch…

Nein, Leute, ich habe eine Idee, wie wir das mit Salas und Pegis und Toleranzos machen: Lasst die Innenstädte den Friedfertigen, denen, die für Respekt und Anstand sind, denen, die die Transparente mit LEBEN UND LEBEN LASSEN tragen, die schaden nichts. Schlimmstenfalls singen sie – nach alter Kirchentagsmanier – Der Himmel geht über allen auf oder Hevenu Shalom, aber das erfüllt dann höchstens den Tatbestand des Öffentlichen Ärgernisses oder des Groben Unfugs, das braucht keine 300.000 Beamten.
Die Salas und Pegis schicken wir an den Stadtrand – ohne Polizei! Sollen die sich da die Köppe einhauen, sollen sie sich prügeln, sollen sie auf einander losgehen, wen kümmert’s. Ja, die Routen werden so gelegt, dass die beiden Hitzkopfmannschaften auf einem alten Industriegelände aufeinanderprallen, und wenn dann sie dabei, um Steine zu haben, eine Fabrikhalle kleinmachen, dann ist das ein Kollateralnutzen, weil es uns die Abbruchkosten spart, und wenn die Halle denkmalgeschützt ist: Umso besser.

Nein, es ist kompliziert geworden mit der Demonstriererei. Und wenn die Innenstädte von Leuten nur so dröhnen, dann bleibe ich zuhause, ich würde eigentlich gerne bei den Toleranzos mitmachen, aber da ich so ein Schussel bin, könnte es sein, dass ich mich dem falschen Zug anschliesse…   

Freitag, 13. März 2015

Schwarzer CS-CEO oder: Ich traue de(m) Neger(n) nicht



Der neue Mann an der Spitze der Credit Suisse könnte besser nicht sein: Er hat eine glänzendes Curriculum (perfekte Ausbildung, etliche Unternehmen von der Minus- in die Plus- und von der Plus- in die Superpluszone gebracht), er ist politisch und wirtschaftlich meisterhaft vernetzt, er besitzt zwei Staatsbürgerschaften, davon die eines EU-Landes, er spricht ausser Englisch mit Deutsch und Francais zwei der CH-Landessprachen, er wirkt eloquent und charmant, ja, sein Lächeln könnte fast als bubenhaft einnehmend beschrieben werden.

Allerdings hat er einen Schönheitsfehler, und zwar einen, den man nicht verstecken kann. Wenn er z.B. schwul wäre, könnte man sagen, lass deinen Partner doch in L.A. oder N.Y. und führe eine Fernbeziehung, wenn er Epileptiker wäre, na ja, da gibt es gute Medikamente, er wird ja nicht gerade bei einer Shareholder-Veranstaltung umkippen und zappeln. Wenn er Drogen nähme, könnte er das diskret tun und wenn er ein ziemlich ekliges Muttermal auf dem Rücken hätte: Welchen CEO haben wir denn schon in der Badehose gesehen?

Nein, sein eindeutiger Makel ist nicht zu verbergen:
Er ist schwarz.
Er ist ein Afrikaner, ein Elfenbeinküstler, er ist ein Neger.
Und zwar keiner bei dem man von Schokolade, Bronze, von sattbrauner Haut, von beigem Teint reden könnte, jene Schwärze, die wir selber auch mit viel, viel Freibad oder Strand, zur Not mit zwei Stunden Solarium noch schaffen, er ist richtig schwarz, rabenschwarz, er ist kohlrabenschwarz. Und wie schon Maggie Smith in Sister Act aufstöhnte („Monsignore, diese Frau kann man nicht verstecken, sie ist auffällig wie ein bunter Hund“), so seufzen wir ob der Tatsache, dass Thiam nicht nur Handschuhe tragen müsste, sondern schlicht und einfach einen Sack über dem Kopf.
Gut, Thiam hat stets mit Bestnote abgeschnitten, war Politiker und Wirtschaftsführer und Unternehmensberater, spricht fliessend Deutsch, Französisch und Englisch, hat Charme und – wie selten heutzutage! – Charisma, auch seine geäusserten Ansichten zu Mitarbeiterführung sind sehr sympathisch, aber:

Ich traue diesem Neger nicht.    

Nun, Thiam kann sicher mit Messer und Gabel umgehen, er weiss, wie man Austern öffnet und wie man Hummer isst, er kann wahrscheinlich sogar zwischen einem Primitivo und einem Chianti unterscheiden und wählt zum Fischgang den richtigen Weisswein, er ist kulinarisch bewanderter als manch ein Einheimischer, aber was isst er zuhause? Und ich rede jetzt nicht von traditionellen afrikanischen Speisen, die ja mit ihrer Würze und den wunderbaren Zutaten oft sehr, sehr lecker sind, ich rede von… Sie wissen schon. Kann es nicht sein, dass der neue CS-CEO ganz hinten im Kühlschrank ein paar Tupperdosen mit Menschenfleisch hat und sich damit sein Lunchsandwich belegt oder um Mitternacht eine Suppe brodelt?

Bei Negern weiss man doch nie.

Und stellen wir mal die Gretchenfrage: Wie hältst du es mit der Religion? Ganz egal, was in den Papieren steht: Bei den Männern und Frauen aus dem dunklen Kontinent habe ich da immer so meine eigenen Gedanken. Welche Riten und Bräuche vollzieht der smarte Herr, wenn niemand zusieht? Welche Tiere und Pflanzen werden da welchen Göttern geopfert, was wird da vollzogen, getan, welche Altäre sind da mit Antilopenblut begossen und mit Löwenknochen belegt? Wahrscheinlich müssen auch Mitarbeiter, die nicht so ganz spuren, Angst haben, dass hier nicht in der untersten Schreibtischschublade eine Puppe liegt, die, wenn der PA gerade Kaffee holen gegangen ist, mit vielen, vielen, vielen kleinen Nadel gestochen wird und so die Nichtspurer krankheitshalber gehen, bevor man ihnen kündigen müsste.

Man weiss doch nie.

Oh, Sie halten mich jetzt vielleicht für einen Rassisten. Können Sie. Aber ich stehe mit meinen Bedenken nicht allein. Wenn ein führender SVP-Politiker sagt, er sehe bei einem Schweizer Unternehmen, das sich auch in der Schweiz stets positionieren muss, Schwierigkeiten mit einem ivorisch-französischen Doppelbürger, meint er doch Neger. Oder hätte er auch Bedenken bei einem niederländisch-belgischen Doppelbürger oder einem italienisch-monegassischen? Oder hält er überhaupt Doppelbürgerschaften für eine Perversion? Nein, nein, ivorisch-französischer Doppelbürger ist eine nette Umschreibung für Neger mit F-Pass. Ich stehe mit meinen Fragen nicht allein.

Die CS-Aktie allerdings gibt mir Unrecht, sie schnellt gerade in die Höhe.
Nun gut, smart und gebildet ist der Junge ja, und wir wollen hoffen, dass die Integration funktioniert und er das Menschenfleisch im Eiskasten bald durch Rösti ersetzt und den Voodoo-Kult durch einen Gottesdienst.

Aber ganz trauen werde ich ihm nie.



Montag, 9. März 2015

Energiesteuer oder: Der verdammte eigene Geldbeutel


Schrecklich, dass der Mensch nur aufs eigene Portemonnaie schaut. Entsetzlich, dass die Hose näher ist als der Rock. Dieses Blicken auf den eigenen Geldbeutel, dieses Münzenzählen, dieses Scheinezählen, dieser Blick immer nur auf die eigene Börse.

Mit 92% Nein haben die Schweizer am Sonntag die Initiative „Energiesteuer statt Mehrwertsteuer“ den Bach hinunter geschickt, seit 1971 ist keine Vorlage derart abgeschifft. In den Analysen liest man, den Bürgerinnen und Bürgern sei nicht klar gewesen, was das „für den eigenen Geldbeutel bedeute“, und wenn das nicht klar ist, stimme man NEIN.

Leute, man kann doch nicht immer nur aufs Geld schauen.
Wenn meine Hausärztin zum Beispiel sagt, ich müsse mehr Sport machen, und für meine Beweglichkeit, fürs Zufusslaufen, für meine Handgelenke und Schultern sei nun Golf, ja gerade Golf, der beste Sport, dann schaue ich doch nicht in mein Münzsäcklein, dann zahle ich die 100.000.- Einkauf in den örtlichen Golfclub, dann opfere ich doch die Kleinigkeit und gehe nicht etwa schwimmen, was mich zwar nur ein Hallenbadabo und eine Badehose kostet, aber einfach nicht den Körpererfolg hat.
Wenn für die Aufführung von Arcangelo Giudelis (1689-1755) Missa in honorem Sancti Rudolfi ein Italienisches Tenorchalumeau benötigt wird, das zwar nur Cello und Orgel verdoppelt, aber doch ein wenig den Klang schönt, und der einzige Spieler eines Italienischen Tenorchalumeaus aus Brindisi eingeflogen werden muss und mit Gage, Flug und Hotel auf 4000.- kommt, dann überzeuge ich doch meine Chorleute, dass sie noch mal in die Tasche langen, weil es eben auf den Originalklang ankommt.
Wenn Fluggingen (SO) eine neue Gemeindebibliothek braucht, dann nimmt man doch keinen 0815-Entwurf, es geht immerhin um das Ortsbild, da lässt man schon einen Wettbewerb los, den dann das Büro Citta gewinnt, das ein fulmioniantes (sic!) Gebäude erstellt, das zwar 13 Millionen verschlingt (2 Jahresetats) aber ein wahres Schmuckstück ist.
Man kann nicht immer nur in den eigenen Geldbeutel blicken, in das eigene Portemonnaie schauen.

Aber wenn dem so ist – und dem ist so – dass die Leute aufs Geld achten, muss die Politik vielleicht ein wenig klarer sagen, was was kostet, wie viel Knete, Moneten, Zaster das ausmacht.
Eigentlich ist nämlich eine Energiesteuer gar  keine so schlechte Idee, wenn die Mwst abgeschafft würde. Da kostete dann in Basel der Spargel aus Müllheim oder Bellingen, der Apfel aus Liestal weniger und die Banane aus der Bananenrepublik, die Kiwi aus Kiwiland und die Zitrone aus dem Land, wo die Zitronen blühn, einfach mehr.
Man hätte es den Bürgerinnen und Bürgern, die halt auf ihren Geldbeutel blicken, nach den eigenen Münzen und Scheinen schauen, aufs Portemonnaie achten, genau vorrechnen müssen.

Denn der Einkauf in den Golfclub kann sich als sinnvolle Investition erweisen, wenn man eine IT-Solution-Firma hat und das Ganze unter Akquise abbuchen kann – zwischen den Tees findet man mehr potentielle Kunden als unter der Dusche in der Schwimmhalle.
Giacomo Tucelli, der Apulische Chalumeauspieler, kann sich als bezahlbar, ja als Geldquelle erweisen, wenn die Dr. Burckhardt-Stiftung, die sich gerade für historischste Originalstaufführungen interessiert, die Produktion mit 8000.- fördert.
Ja, und sogar die Bibliothek wird zum Segen, wenn der Citta-Komplex in ARCHITEKTUR HEUTE und BUILDINGS AROUND THE WORLD erscheint und Fluggingen zum Ziel von Baufreaks wird.
Ludwig II, jener spinnerte bayrische Monarch, hat für seine Phantasiebauten die Kassen des Königreiches Bayern geleert, der Freistaat gleichen Namens verdient sich heute an Neuschwanstein und Herrenchiemsee dumm und dappig.

Eine schöne Rechnung machte der Verkäufer dieses Ich-bin-doch-nicht-blöd-Ladens auf, bei dem ich voriges Jahr eine Waschmaschine (einen Waschvollautomaten) kaufte. Da eine Garantieverlängerung von 2 auf 5 Jahre 150.- kostete, der Transport 120.-, bei einer Summe ab 800.- der Transport aber gratis ist, meinte er, bei einem Preis von 650.- sei die Langgarantie zu wählen und das Bringen wäre dann für umme – womit er Recht hatte, ich habe das natürlich gemacht.

Schrecklich, dass der Mensch nur aufs eigene Portemonnaie schaut. Entsetzlich, dass die Hose näher ist als der Rock. Dieses Blicken auf den eigenen Geldbeutel, dieses Münzenzählen, dieses Scheinezählen, dieser Blick immer nur auf die eigene Börse.
Aber er tut es halt, und übrigens sind es meistens die Leute über 150.000.- Jahressalär, die so drüber seufzen, er tut es, und daher sollte man den Bürgerinnen und Bürgern Finanzdinge sauber vorrechnen.
Denn eigentlich wäre eine Energiesteuer eine gute Sache (von Ditfurth hat sie 1982 schon empfohlen).


   

Dienstag, 3. März 2015

Der flambierte Mann

Ich muss eine Sache noch aufklären:
Die Geschichte mit dem flambierten Arm, ich habe sie noch 2014 erwähnt, war nicht erfunden.
Sie ist wahr.
Als ich im Dezember mit meinem Partner in einem guten Basler Restaurant essen war, bestellte ich zur Feier des Tages – was zu feiern war, weiss ich nicht mehr – ein Dessert.
Nun ergab sich das, was der Jurist eine Verkettung unglücklicher Umstände nennt:
Das Dessert war ein am Tisch flambierter Schokokuss.
Der Kellner war ein Idiot.
Der Chef und der Vizechef, die eigentlich am Tisch flambieren und dies auch gelernt haben, waren abwesend.
Der Kellner war ein Vollidiot.
Er brachte es nicht fertig zu sagen, dass er diese Aktion nicht drauf habe, und probierte es nach dem Motto „So schwer kann es ja nicht sein, ich habe schon vierzig Mal zugeguckt und es sieht ganz einfach aus.“ (Zum Glück ist der Mann kein OP-Pfleger oder Flugbegleiter.)
Der Kellner war ein Vollidiot.
Er schüttete Rum in die zu schwach brennende Flamme nach, es gab eine Riesenexplosion und mein Arm stand in Flammen.
Das ist jetzt Wochen her und ich muss sagen, ich habe Glück gehabt, die Verbrennungen 2. Grades sind topverheilt, ich hatte nie Schmerzen, es betraf auch nur den Unterarm, weil ich mein Hemd hochgekrempelt hatte, und der Beizer hat sich sehr kulant gezeigt.

Was das wirklich Spannende war, war die Reaktion der Leute, denen ich es erzählte. 70 % reagierten geschockt, waren entsetzt, liessen Sätze wie Das darf ja wohl nicht wahr sein! oder Hast du arge Schmerzen gehabt los, die des Servierens Kundigen auch Das gehört doch zum ABC der Gastronomie, dass man da nicht nachschüttet.
30 % allerdings taten etwas anderes: Sie lachten. L’homme flambé wurde für sie zur Quelle einer sprudelnden Heiterkeit, sie wälzten sich auf dem Boden, sie kicherten, sie brüllten, sie schütteten sich aus vor Lachen, Tränen liefen ihnen aus den Augen und sie hielten sich die Bäuche.
Sie konnten sich nicht beruhigen, immer wieder sagten sie sich den magischen Satz vor: Der Kellner hat das Dessert und mich mit flambiert, denn so hatte ich es berichtet – und natürlich ein wenig Heiterkeit auch schon in diesen Satz gelegt.

Wissen Sie was?
Beide Gruppen haben Recht.
Viele Dinge haben etwas ungeheuer Tragisches und dabei etwas überaus Komisches. Nur meistens halten wir unser Lachen zurück, weil Tod, Unfall und Verletzung eben nichts Lachenswertes sind. Aber ist es nicht eigentlich auch sehr witzig, wenn man in Paris nur zu Fuss geht, weil man Angst vor der Metro hat und dann auf den Champs Elysee von einem Ast erschlagen wird?
Ist es nicht komisch, wenn Barbarossa ein Schloss baut, dann nie drin schläft, weil ein Augur sagt, er werde darin sterben, schliesslich doch einmal darin nächtigt – und in dieser Nacht stirbt?
Gibt es nicht den Begriff Ironie des Schicksals?
Beruht nicht jeder Dick und Doof-Film darauf, dass Stürze sehr, sehr schmerzhaft, aber auch sehr, sehr erheiternd sind, und wir eben im täglichen Leben NICHT darüber lachen dürfen? Wir lachen uns kaputt, wenn der Oli dem Stan mit dem Finger ins Auge piekt, obwohl wir wissen, das tut verdammt weh.
In die gleiche Kategorie gehören natürlich auch alle FAIL OF THE DAY- und FAIL OF THE WEEK-Beiträge, Spots, bei denen wir uns totlachen, wenn der Parcour-Läufer auf dem Po und nicht auf den Beinen landet oder ein Mountainbiker gegen einen Baum segelt. Ich wäre übrigens, wenn es eine Geburtstagstorte gewesen wäre und ein Kollege das Anzünden von Anfang an gefilmt hätte, sofort im Internet auf einer dieser FAIL-Pages gelandet.

Glauben Sie mir:
Das Leben ist tragisch, und es ist manchmal wahnsinnig komisch.
Und manchmal ist es beides zugleich.
Ich kann inzwischen selber über die Sache herzhaft lachen, weil ich ihr die heitere Seite abgewinnen kann. Und weil der Wirt ausser den Arztkosten 1000.- Schmerzensgeld gezahlt hat. (Müsste es nicht eigentlich Scherzensgeld heissen, wenn er Schuld ist, dass alle lachen?)

Schade nur, dass das Ganze nicht in Chicago, NY oder LA passiert ist, ich müsste nicht mehr arbeiten.
Ich bin im Dezember zusammen mit dem Dessert flambiert worden.
So.
Nun können Sie sich Ihrer Reaktion überlassen:
Weinen Sie.
Empören Sie sich.
Oder lachen Sie.
Es ist alles OK.