Montag, 28. April 2014

Filmstars im Schlabberlook

Sie alle haben vielleicht schon die Fotos gesehen:
Da geht Orlando Bloom in Schlurfi-Shirt und Jogginghose einkaufen, da läuft Nicole Kidman in H&M-Dress den Sunset Boulevard entlang, da wird Paris Hilton gesichtet, wie sie ohne Makeup und mit Wuschelfrisur aus einem Cafè kommt. Da sehen wir die Grossen, Schönen und Reichen, the Bold and the Beautiful, die Oscargewinner und Grammyabräumer, wie sie in schlecht sitzenden Jeans und billigen Pullovern, wie sie in Turnschuhen und Discountmänteln die Strassen von San Francisco bevölkern, wie sie in den Kleidern von Otto Normalverbraucher bei Tiffany frühstücken und in ganz normalem Outfit durch Hollywood turnen.
"Normcore" heisst der neueste Trend und ist ganz einfach zu beschreiben:
Es ist Mode, sich nicht modisch zu kleiden.
Das Schrecklichste, Grausamste und Widerlichste, was uns in den letzten Jahren widerfahren ist.
Denn es ist ein Faustschlag gegen alle, die sich gegen die Mode wehren.
Begreifen Sie nicht?
Wenn Sie sagen, Sie machten ja schliesslich nicht jede Mode mit, Sie gingen ganz normal und spiessig, bünzlihaft aus dem Haus, dann sind Sie jetzt - ohne es zu wollen - voll im Trend. Sie sind kein Modemuffel mehr, sondern Sie praktizieren den Normcore-Hype. Ihre zehn Jahre alten Jeans? Voll stylisch! Wow! Ihr alter Pulli? Sensationell! Ihre Schlabberturnschuh? Ich mache sofort ein Foto für die VOGUE.
Das Ganze ist natürlich ein verdammtes Paradoxon. Dass es Mode ist, sich nicht nach der Mode zu kleiden, und das ja dann wieder eine Mode wird, ist so, wie wenn der Lehrer sagt, die Schüler sollen sich heute an keine Regel halten, was ja auch eine Regel ist, usw...
Der Kreter Epimenides sagt, alle Kreter seien Lügner, weil er aber selbst ein Kreter ist, lügt er, also sagen die Kreter die Wahrheit, also auch er, und das Ganze von vorn...
Mir dreht sich gerade das Hirn weg.
Was tun wir normalen Leute jetzt, wenn DiCaprio, Pitt, Jolie und Blanchet auch noch andere Bereiche erobern?
Was tue ich, wenn es Mode wird den ÖPNV zu benutzen? Gut, kann in L.A. nicht passieren, da hat es keinen, aber eventuell am Hudson? Was mache ich, wenn die U-Bahn auf einmal von Stars und Grössen frequentiert wird? Ich habe keinen Bock, mir ein Auto mit Chauffeur zu leisten, nur um nicht im Trend zu sein.
Was tue ich, wenn es Mode wird zu Hause zu kochen, statt in In-Adressen zu dinieren? Mir schaudert schon vor Fotos, auf denen Matt Damon Gnocchi abschüttet, während die Palthrow Salat anmacht und Jud Law den Tisch deckt. Ich kann dann doch nicht jeden Abend ins Chez Jean oder in die Brasserie du Theatre gehen, das lässt mein Konto nicht zu.
Was tue ich, wenn irgendein verdammtes Lifestyle-Magazin Lesen zum absoluten Trend erklärt und womöglich Heinrich Böll zum Muss-Autor? Was tue ich, wenn die Leindwandgrössen auf einmal ihre Alabasterkörper in öffentlichen Badeanstalten präsentieren, weil das jetzt Trend ist?
Was machen alle die Leute, die bei Kieser ihren Rücken trainieren und eben nicht in der WORLD-GYM, wenn es bei Kieser plötzlich von Leuten wie Schweiger und Brühl wimmelt? Was tun wir, wenn wir die Grössen der Welt nicht bei ROLF BENZ, sondern bei IKEA sichten?
Aber vielleicht ist meine Sorge auch unbegründet:
Viellicht ist es eben nur Normcore, wenn man mit einer Woolworth-Handtasche rumrennt, obwohl man sich eine 5000 mal teurere Tasche von einem In-Designer leisten KÖNNTE. Vielleicht ist Normcore eben ein Trend, den sich nur die Bold & Beautiful erlauben können.
Und dann ist es wieder genial:
Das Nicht-Mitmachen-der-Mode wird zu einer Mode, die Otto Mustermann nicht kopieren kann.
Was immer schon so war. Wenn sich Louis XVIII mit dem Handgelenk den Mund abwischte, dann war das eben à la mode, wenn es ein Bauer tat, war das schlechtes Benehmen. Wenn bei Hofe das Verhalten der einfachen Leute kopiert wurde, war das nur deshalb der derniere cris, weil es eben bei Hofe geschah.
Wenn Jupiter das macht, was der Ochse macht, macht der Ochse zwar das Gleiche, es ist aber etwas Anderes.




Freitag, 25. April 2014

Bitte keine Amerikanischen Studien mehr!


Ich lese in der Zeitung „Eine Amerikanische Studie hat ergeben…“. Ich rupfe die Zeitung, bevor ich genau weiss, worum es geht , in viele kleine Schnipselchen und streue dieselben in meine Badewanne. Vielleicht habe ich später Lust, eine Pappmaché-Plastik zu bauen: Der Horror der USA-Studien.
Ich höre im Radio: „Eine Amerikanische Studie hat ergeben…“ und werfe sofort meinen Apparat aus dem Fenster. Dort kann eine ältere Dame das Geschoss mit ihrem Parapluie gerade noch auf einen Ferrari lenken, der dann allerdings eine empfindliche Beule bekommt. Später wird die Schuldfrage diskutiert werden: Hat sie die Delle fabriziert oder ich? Schuld ist aber tatsächlich die USA-Studie.
Ein Typ meint zu mir: „Ja, aber eine Amerikanische Studie hat…“ und ich muss meinen Arm festhalten wie weiland Dr. Seltsam, sonst sähe der Typ schlimmer aus wie der Ferrari.

Ich hasse sie, diese Gutachten, diese Studien, diese teuer bezahlten Forschungsdingsbumsschriften, sie kommen fast immer aus den USA (Warum eigentlich? Warum sind es immer Amerikaner, die so was schreiben? Warum?) und sie funktionieren immer nach dem gleichen Schema:

Man nehme eine Tatsache, wir nennen sie mal Fakte X. (Ich weiss, dass der Singular von Fakten Faktum ist, aber Fakte X klingt einfach so schön nach Akte X.)
Auf Fakte X treffen die folgenden Dinge zu:

1.) Es ist eine sonnenklare Sache, die jedes Kind versteht.
2.) Sich an Fakte X zu orientieren brächte irgendwie blöde Konsequenzen.
3.) Man kann viel Geld verdienen, wenn Leute Fakte X nicht anerkennen.

 Klar? Nicht klar? Wollen Sie Beispiele?
Gut:
* Starkes Rauchen tut der Lunge nicht besonders gut.
* Wer mehr Kalorien zu sich nimmt als er verbraucht, nimmt zu.
* 1 Pfund Tomaten hat weniger Kalorien als 1 Pfund Schokolade.
* Nach 2 Liter Rotwein ist die Reaktionsfähigkeit eingeschränkt, und damit die Fahrtauglichkeit.
* Wer mit der DB fährt, verhält sich CO2-neutraler ein Autofahrer allein im PKW.
usw.

 So, und jetzt gibt es eben zu jeder Fakte X irgendeine bekloppte Studie, die eben nachweist, dass die völlig klare Tatsache sich eben doch ganz anders verhält.
Sie weisen ihr Gegenüber daraufhin, dass das jetzt schon der 17. Glimmstängel innerhalb einer Stunde ist, und es zückt eine Studie, in der ganz klar nachgewiesen wird, dass 1-10 Zigaretten am Tag in Ordnung sind, 11-40 nicht, dass aber über 40 die Lunge wieder eher davon profitiert.
Sie weisen ihr Gegenüber daraufhin, dass die Schokolade-Nougat-Marzipan-Sahne-Creme sich wahrscheinlich übel auf seine Hüften senken wird und es zückt eine Studie, in der ganz klar nachgewiesen wird, dass Schoggi und Nougat, genau wie Maripan und Sahne sich gegenseitig aufheben (kalorientechnisch)
Sie wollen ihrem Kumpel den Autoschlüssel wegnehmen, aber er hat eine Studie im Internet gefunden, bei der alle 100 Probanden der Gruppe 1 (2 Liter Rotwein) besser chauffierten als die 100 der Gruppe 2 (nüchtern).  Was nicht erwähnt wird, ist, ob die Gruppe 2 - Leute überhaupt einen Führerschein hatten.
Sie kaufen sich, stolz, ein Umweltbewusstsein zu haben, eine Fahrkarte, und man schlägt ihnen eine Untersuchung um die Ohren, wonach das Bord-Bistro so viel Energie für Kaffeezubereitung und Hotdogs frisst, dass alle Passagiere genauso gut mit Einzelwagen fahren könnten.

Wer schreibt so einen Mist? Wer denkt sich so einen Schrott aus? Einfache Antwort: Auch Wissenschaftler sind käuflich. 
Wer zahlt für so einen Mist? Na die, die Kohle machen, wenn Fakte X falsch ist.
Das erklärt übrigens auch, warum es immer Amerikanische Studien sind, in den USA ist man da nicht so zimperlich wie bei uns bei der Kooperation zwischen Science und Business.
Wer aber glaubt so einen Mist? Na, die, die ihr Verhalten nicht ändern wollen.
Sie kommen durch diese Dr(ei)ecksmauer nicht durch: Ich darf fröhlich weiter rauchen und saufen, weil eine von Marlboro und Bacardi bezahlte Studie mir das erlaubt. Super.

Begreifen Sie nun, warum ich einfach nicht mehr hinhöre, wenn die Leute mit Studien kommen, mit Untersuchungen, mit Statistiken, mit Probandengruppen, mit Auswertungen, mit Diagrammen, Tabellen, Ziffern, Aussagen?
Begreifen Sie, dass ich Zeitungen zerreisse, Menschen und Autos attackiere? Dass ich den Mist einfach nicht mehr ertrage?
So, habe ich mich mal wieder ausge…

Sie sollten jetzt aber schleunigst auf eine andere Seite wechseln, weil nämlich eine Amerikanische Studie nachgewiesen hat, dass  Porno- und Gewaltseiten im Internet die Intelligenz mehr fördern als das Lesen von Kolumnen.

Und ich will nicht an Ihrer Verdummung schuld sein.

 

 

 

Dienstag, 22. April 2014

Ingolf Deubel und die drei kleinen Gauner

Jakob P. bezieht eine Staatsrente wegen Invalidität. Mit 19 fing es an, dass er sein linkes Bein und seinen linken Arm nicht mehr bewegen konnte, die Ursache blieb, trotz zahlloser Untersuchungen und Konsultationen ungeklärt. Daher sprach man, als er zwanzig war, ihm eine Summe von 2000.- Euro pro Monat zu. Jakob ist allerdings ein Betrüger. Wenn er alleine ist oder mit engsten Freunden zusammen, kann er mühelos rennen, Klavier oder Volleyball spielen. Stirbt er mit achtzig, hat er den Staat um 1,5 Millionen Euro betrogen.

Peter G. betreibt ein Antiquariat, für das er seine Ware auf lustige Weise rekrutiert: Er klaut Werke aus öffentlichen Bibliotheken. Noch immer ist die Kontrolle so milde, die Gestelle so schlecht bewacht, dass es ihm jeden Monat gelingt, Romane, Lyrik und Sachbücher im Wert von mehreren Hundert Euro herauszuschleppen. Wenn er mit 65 in Rente geht, wird er den Staat um 150 000.- gebracht haben.

Hubert K. ist ein begeisterter Schwimmer, klettert allerdings grundsätzlich über den Zaun des Freibades, statt sich irgendwie im Kassenbereich zu zeigen. Da man bei ihm nur die Abokosten rechnen darf, er hätte, würde er zahlen, ja ein Saisonabo, kommen wir auf eine Summe von 15 000.-, die er der Allgemeinheit wegnimmt.

Dann kommt der magische Tag, der magische Tag, an dem alle drei - obwohl sie sich bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kennen - gleichzeitig erwischt werden. Den ersten Fehler begeht Peter, indem er die Gesamtausgabe von Descartes (frisch aus dem Philosophischen Seminar geklaut) mit ins Schwimmbad nimmt. Dort bekommt er unbändig Lust Badminton zu spielen und fragt den Mann, der neben ihm auf seinem Handtuch liegt, weil der in seiner knappen Badehose und mit seinem sonnengebräunten, muskulösen Körper eigentlich ganz sportlich aussieht. Jakob sieht sich vorsichtig um und sagt zu, hat allerdings nicht seinen Sachbearbeiter in der Cafeteria gesehen. Der holt, weil er Ärger befürchtet, gleich die Polizei. Sie ahnen es: Diese entdeckt auch gleich die 30 Bücher mit der Aufschrift "darf nicht aus der Seminarbibliothek entfernt werden". Als die Beamten gerade mal wegsehen, rast Hubert herbei, der alles beobachtet hat und animiert die zwei durch ein von ihm fabriziertes Schlupfloch abzuhauen. Dabei fliegen auch seine Aktionen auf.

Alle drei sind voll geständig und akzeptieren auch die ein Jahr später über sie verhängten Urteile und Entscheide.

Dabei hätte Jakob nicht nur Arm und Bein, sondern den gesamten Körper lahmlegen müssen, er hätte sich bis auf die Wimpern völlig totstellen müssen und wäre bei einer Monatsrente von 20 000.- bis zum Unheilstag immer noch nicht auf die Summe gekommen, die Nürburg-Deubel dem Staat weggenommen hat.
Peter hätte ganze Bibliotheken leerräumen müssen, inklusive der Spielothek und der Mediothek, ja sogar inklusive aller Regale und Computer und hätte es knapp auf die Summe geschafft. Hubert schafft es nicht, auch wenn er in alle Museen, Theater, in alle Frei- und Hallenbäder sich hineinmogelt und zudem noch schwarzfährt. 
Warum ist das Nürburg-Urteil für viele so schwer zu schlucken? Vor allem für Herrn Deubel selbst, der ja bis zur Urteilsverkündung mit hoher Nase im Gerichtssaal sass und fest, felsenfest, bombenfest mit einem not guilty gerechnet hat. Schliesslich hat er ja nur ein bisschen grosszügig Zuschüsse, Vorschüsse, Beischüsse, Nachschüsse verteilt und dabei trugschlüssig übersehen, dass das Geld ihm nicht gehört.
Warum rufen wir bei einer Gefängnisstrafe in einem solchen Fall "OH HA!" aus?
Weil es irgendwie besser aussieht, Steuergeld in alle falschen Richtungen zu verteilen, und zwar diffus und unkontrolliert, als die Allgemeinheit um einen ganzen konkreten Brocken zu bringen. Und weil wir denken, Politiker handeln nach bestem Wissen und Gewissen, blöd wie wir sind.

Jakob ist ein Schwein, Peter ist ein Schwein, Hubert ist ein kleines Schweinchen und Ingolf ist ... Politiker. Er ist keinen Daumenbreit besser, er ist sogar schlimmer, denn er hat mehr geklaut. 
Insofern bin ich sehr froh über das Urteil. 

Eine Frage bleibt natürlich: Wer hat da alles weggeschaut, weggeguckt, Chinesischer Affe gespielt? Wer hat da Arztzeugnisse ausgestellt? Welchem Bibliotheksangestellten hätten die gefüllten Rucksäcke auffallen müssen? Welcher Bademeister hätte bemerken müssen, dass er einen offensichtlichen Stammgast noch nie an der Kasse gesehen hat? Wo waren im Fall Deubel Parlament, Kontrollkommission und Rechnungshof?
Brecht fragt in seinen Buckower Elegien, warum ein Wachhund, der zum Menschenfreund wurde, noch sein Fressen bekommt.

Wir alle glauben an das Gute im Menschen.
Auch weil es sehr, sehr, sehr viel bequemer ist.

Donnerstag, 17. April 2014

Luthers Werbeagentur (Ein Karfreitagspost)

Mein Freund Ricki macht Websites. Für Firmen, Vereine, Verbände, für alle, die in dem grossen Teich, der sich Internet nennt, ein bisschen mitmischen wollen. Webseiten machen ist eigentlich ein lukratives Geschäft, es sei denn, man macht es so wie Ricki, denn er muss immer noch irgendetwas hineinmogeln, was den Vereinen, Verbänden, Firmen, Organisationen, denen, die im Teich Internet eben mitmischen wollen, gar nicht schmeckt.
Ich weiss nicht, ob es seiner Ehrlichkeit entspringt, ob er provozieren muss, ob er ein Vollständigkeitsfetischist ist, aber er schafft es stets, für einen grossen Auftrag doch kein Geld zu bekommen.
So hat er zum Beispiel einem Fussballverband eine Homepage gestaltet, bei der der Hintergrund ausser einem Ball zwei Hände zeigt, die einander einen Geldschein reichen. Einem Chemieunternehmen hat er eine Fotogalerie eingerichtet, die den örtlichen Fluss zeigt, mal braun, mal rot, mal gelb, mal grün, und zwar alles echte Aufnahmen ohne Färbung.
Der örtlichen CDU-Gruppe setzte er einen Link zu dem Video, auf dem Helmut Kohl erklärt, er werde die Spendernamen nicht nennen, der örtlichen SPD-Gruppe setzte er einen Link zum Schröder-Song ("Ich erhöh' euch die Steuern, gewählt ist gewählt, ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern...")

Als ich ihn bei einem Glas Bier in unserer Stammkneipe darauf anspreche, kommt Ricki mit einer alten Geschichte: "Und was ist mit Peter von Hempshempel?" "Wer soll denn das sein?", werfe ich ein und nehme einen grossen Schluck, während ich mir eine Zigarette anzünde. "Du kennst Peter von Hempshempel nicht? Der hatte die Werbeagentur, die die Reformatoren beraten hat. Und er hat Luther, Melanchthon, Calvin und Zwingli den Hahn mitgegeben. Den Hahn, weisst du, der Hahn, der dann auf jedem Kirchendach war, der Hahn ist ein Zeichen des Versagens."

Ich glaube zwar, dass es Peter von Hempshempel nicht gab, und ich glaube auch, dass die Reformatoren keine Werbeagentur hatten, aber in einem Punkt hat Ricki recht: Das männliche Geflügel, das in meiner Jugend klar eine evangelische Kirche kennzeichnete, im Gegensatz zu katholischen, die ein Kreuz hatten, ist ein Negativ-Logo: Es sagt, dass die Organisation nicht perfekt ist und auch nicht sein kann.

Wir erinnern uns:
Da hatte Jesus gesagt, dass Petrus ihn dreimal verleugnen würde. Petrus hatte beteuert, dass er ja BestFriendForEver sei, dass er mit dem Rabbuni bis ans Ende der Welt gehen würde, dass er für ihn Pferde stehlen würde, ja sogar eine Wagneroper anschauen, wenn es die schon gäbe. Jesu war hart geblieben und hatte vorhergesagt, dass Petrus, bis der Hahn dreimal krähte, ihn dreimal verleugnen würde. Und so kam es dann auch. Als der Hahn seinen dritten Schrei losliess, erkannte Simon, dass er ziemlich Mist gebaut hatte.

Und dieser Hahn zierte früher die evangelischen Kirchen, zeigend, dass niemand davor gefeit ist, im entscheidenden Moment zu versagen.
Die Frage ist nun: Haben die Firmen, Verbände, Organisationen, die, die im Teich des Internets mitfischen, mitmischen, mitwischen möchten, die Grösse, sich den Hahn auf das Dach setzen zu lassen? Es gibt da unterschiedliche Beispiele.

Die SANDOZ zog ihr Geschenk an die Stadt Basel zurück, als die Bildhauerin Bettina Eichin nach dem Schweizerhalle-Unfall einen von zwei Bronze-Markttischen leer gelassen hatte und darauf das Gedicht "Die Vergänglichkeit" von J. P. Hebel gravierte.
Die Stadtsparkasse Aachen finanzierte den Brunnen "Kreislauf des Geldes" von Karl-Henning Seemann, auf dem der Bildhauer auch Bettelei und Korruption darstellte.
Auch das gibt es.
Haben wir den Mut, uns den Hahn aufs Dach setzen zu lassen?

Irgendwie ist Ricki ja schon auf dem richtigen Weg, das musste ich nach fünf Bier in unserer Stammkneipe ihm dann doch zugestehen.
Auch wenn er nicht viel Geld mit seinem Webdesign machen wird.
Und wenn es auch Peter von Hempshempel wahrscheinlich nie gab.


Montag, 14. April 2014

Ehrloser Ehrendoktor oder: doctor horroris causa


Habe die Ehre!
Habe die Ehre!
Mit wem habe ich denn die Ehre?
Ach so, natürlich, mit Ihnen werter Leser, werte Leserin, mit Ihnen habe ich die Ehre, da will ich gleich anfangen, Ihnen heute die Ehre zu erweisen, sozusagen von Tisch zu Tisch gehen und meine Ehrbezeugungen machen, die sogenannten Honeurs. Sind doch wir doch alles ehrenhafte und ehrenwerte Leute, eine Gesellschaft von ehrsamen Bürgern, aber keine ehrenwerte Gesellschaft, das ist etwas anderes. Vielleicht spielt auch eine Kapelle zu Ihren Ehren, da stehen dann Ehrendamen herum mit Blumensträussen in der Hand, früher sagte man Ehrenjungfrauen, hat man geändert, weil man ja nicht so genau weiss, ob die Ehre noch da ist, nein, falsch, es ist ja gar nicht mehr ehrenrührig, die Ehre nicht mehr zu haben. Die Ehrendamen also stehen da und lächeln – und eigentlich müsste es in Musikkapellen, die viel mehr Frauen haben, dann auch Ehrenknaben geben. Maid of honor sagen die Briten, das heisst dann aber auch Brautjungfer.

Habe die Ehre!
Sind Sie vielleicht irgendwo Ehrenmitglied? Oder Ehrenpräsident? Oder Ehrenbürger? Ich selbst bin Ehrenmitglied der KKB Alumni, worauf ich sehr stolz bin. Ehrenmitglieder oder Ehrensenatoren oder Ehrenobmänner haben in vielen Jahren etwas Ehrenhaftes, auch Ehrgeiziges oder Ehrenvolles geleistet und werden so belohnt.

Nehmen wir doch den Ehrendoktor: Verliehen an eine Person, die entweder nicht promovieren konnte (wegen der falschen Ausbildung), aber etwas gemacht hat, was die Ehre rechtfertigt. Zum Beispiel eine Erfindung. Ohne eine künstlerische Leistung. Oder einer Uni Geld gespendet. Oder –das ist jetzt ein nicht ganz so ehrverdächtiges Tun – einer Uni Geld zugeschaufelt, als Politiker. Witzig wird dann der Ehrendoktor, der doctor honoris causa, der Dr.h.c., wenn man vorher einen eigenen Doktortitel unehrenhaft verloren hat, wenn die Ehre also den Bach runter ist, wenn der Ehrgeiz einen zu Ehrlosigkeit verleitet hat, wenn man die Berufsehre, die Fakultätsehre, die Ehre der Wissenschaft, die Ehre der Uni mit Füssen getreten hat, dann müsste man ehrenhalber den Doktor ehrenhalber ablehnen und seine Verleihung verhindern.
Sonst stehen da nämlich Ehrendamen herum (und Ehrenherren), die ziemlich dumm  aus der Wäsche schauen. Nein, so war der Ehrendoktor nicht gedacht.
Aber an Ehre kann eben nur eine(r)  denken, der oder die Ehre hat, und wenn man zu viel Ehrgefühl hat, kann man ja gar nicht Politiker werden.

Vielleicht habe ich mich aber auch verhört:
Vielleicht wurde hier der auch der doctor horroris causa verliehen, verliehen an eine schreckliche und gleichzeitig schreckhafte Person, die vor dem Betrug nicht zurückschreckte, aber schreckliche Angst vor den Konsequenzen hat. Der Schreckdoktor für eine schreckgeschraubte Dame, wie sie im Buche steht.
Vielleicht wurde dafür, dass sie das Blaue vom Himmel herunterlog, ohne rot zu werden, dass hier schwarz auf weiss kopiert wurde, dass niemand ihr mehr grün war und ihr Machwerk nicht das Gelbe vom Ei, ihr der doctor coloris causa verliehen, ich höre bei den SWR2-Nachrichten manchmal nicht so genau hin.
Oder war es der humoris causa? Den hätte sie allerdings verdient, denn sämtliche Komiker der Republik jubeln natürlich, wenn eine Posse nach einem oberpeinlichen Hauptteil einen noch viel peinlicheren Epilog bekommt.

Wenn es aber doch der honoris war, dann könnte das Wort Ehre einen schalen Beigeschmack bekommen, so als hätten alle Ehrenpräsidenten, Ehrenbürger, Ehrenmitglieder vorher und anderswo ehrlos und unehrenhaft gehandelt.  Das wäre schade.
Habe die Ehre!
Habe die Ehre!

 

Freitag, 11. April 2014

Trölöbö ist überall


Sie haben über den Schränkchen-Post neulich gelacht? Gegrinst? Schadenfroh gelacht? Schadenfroh gegrinst?
Lachen Sie nicht. Grinsen Sie nicht. Kichern Sie nicht. Seien Sie nicht schadenfroh.
Sorry, das wird jetzt ein wenig zu sehr Handke, tut mir leid, aber was ich sagen wollte, ist das Folgende:
So etwas kann Ihnen auch passieren. Denn Trölöbö ist überall. Trölöbö ist in uns allen. (Ich lasse jetzt mal die furchtbar anstrengenden Sonderzeichen weg und schreibe Umlaut.)

Das Trölöbö-Syndrom kann so definiert werden: Man ändern irgendwo eine Kleinigkeit, kauft etwas, verkauft etwas, hat irgendeine Idee und schwups: Alles steht auf dem Kopf.
Da ersteht Detlev ein T-Shirt mit V-Ausschnitt, so einen tiefen, der jetzt modern ist und der auf dem Foto mit dem Male-model  so gut aussieht, weil man auf die definierten Brustmuskeln und die gebräunte Haut gucken kann, stellt dann aber zuhause fest, dass seine schon angegrauten Brusthaare nicht so schön dazu passen, Detlev ist 52. Der gute Mann enthaart sich in dem betroffenen Bereich, das ist dann aber noch bescheuerter, eine teilenthaarte Brust, also Ganzkörperwaxing, jetzt fällt aber seine Blässe und seine unreine Haut zu sehr auf. Am Ende ist Detlev  gepeelt, gewaxt, solariert und ein völlig neuer Typ, er war ja eher so Brummbär, jetzt ist er Beachboy, und alles nur wegen eines T-Shirts.
Trölöbö ist überall.
Da benötigt der Schachclub Tiberswil (SCT) eine neue Homepage, und wenn schon die Arbeit, dann könnte man ja auch ein neues Logo, dabei denkt man über den Namen nach, der Name ist auch nicht so toll, und Go wollte man eventuell  ja auch anbieten. Am Ende ist der Tiberswiler Verein für Brettspiele entstanden, mit Go, Gobang, Halma, Mühle, Dame und Backgammon, über Siedler im Kaftan und Molo-Pony wird noch geredet, aber eigentlich wollte man ja nur ein klein wenig am Internetauftritt schrauben.
Trölöbö ist überall.
Das Trölöbö-Syndrom kann jeden treffen.
Da braucht man eine neue Schnellzugverbindung, nach…ich erfinde jetzt mal irgendeine Stadt: Ulm. Wenn man das macht, könnte man ja auch gleich den Flughafen mit anbinden, wir benennen ihn mal mit dem Fantasienamen Echterdingen. Es braucht zwei Gleise, die statt zu enden durchgehen, aber man könnte ja…Am Ende steht ein unterirdischer Durchgangsbahnhof, der die Hälfte der Innenstadt, den kompletten Stadtpark und ein Baudenkmal frisst und man kann von Glück reden, dass die Stadtkirche und das Schloss noch stehen, von grossem Glück.
Trölöbö.
Ist man da ganz machtlos dagegen?
Es gibt eine Wunderwaffe, ich habe sie schon oft beschrieben:

Nachdenken. Und zwar vorher.
Unvergessen sind mir die Stellproben meines Lehrmeisters Manfred Schreier. Da purzelten die Choristinnen und Choristen nicht wie üblich wild durcheinander, Schlagzeug umwerfend und Harfen zerschellend, da gab es kein Gebrüll und keine Druggete, da wurde erst einmal hingestellt und dann ging das:
„Alti! Erst schauen und denken! Könnt ihr eine Treppenstufe höher? Nein? Dann bleibt da! Tenöre! Erst schauen und denken! Könnt ihr aus drei zwei Reihen machen? Ja? Dann tut das!“

Denken ist ein Wundermittel.
Dann kauft man eben keine Möbel, die man nicht braucht, dann ersteht man keine Klamotten, die nur bei zwanzigjährigen durchtrainierten, braungebrannten Models gut ausschauen, dann macht eine Homepage, auf der auch das alte Logo geht und sticht am Bahnhof zwei Gleise durch, so wie Zürich HBF.
Trölöbö ist … Nein, Trölöbö ist da eben nicht, wo die kleinen grauen Zellen arbeiten.

Trölöbö verschwindet, wo der Kopf nicht nur zum Huttragen benutzt wird.
Sie wollen zum Coiffeur? Neue Frisur?
Ich warne Sie!
Ich warne Sie!
Kontrollieren Sie erst, ob die neuen Stoppelhaare auch zu Ihren brünhildesken Hüften passen. Denn wenn ich Sie nächste Woche bei Mango-Diät, Papaya-Kur oder Litschi-Fasten treffe, dann werde ICH:
Grinsen.
Schadenfroh grinsen.
Lachen.
Kichern.
Schadenfroh.

 

Dienstag, 8. April 2014

Geisterkonzerte und Geisterzüge: Ohne Leute geht es besser

Liebe Leser, ich hoffe, Sie wissen, was ein Geisterspiel ist. Nein, das ist keine Wiederholung des Wunders von Bern mit den Seelen der verstorbenen Spieler, es ist keine nächtliche Kickerei, bei der die Gründer des Fussballs sich als Schatten treten und rempeln, durfte man damals nämlich noch.
Ein Geisterspiel ist ein Spiel ohne Zuschauer. In leerem, abgeriegeltem Stadion. Das bekam der FCB als Strafe, weil einige Fans meinen, Basel habe einen zu guten Ruf, als friedliche, nette Stadt, wo alles höflich und sauber ist und bei der Fastnacht Tausende von Leuten auf der Strasse ohne Schlägereien und Alkohol fröhlich feiern. Das ist ja auch zu langweilig. Also schmeisst man ein bisschen mit Gegenständen, zündet Pyros, ein klein wenig RambaZamba, und der Verein spielt statt vor 30 000 vor 350 Leuten (ausgesuchte natürlich).
Was jetzt total verblüfft: Basel schlägt Valencia mit 3:0. Einige Spieler waren noch nie so gut, waren noch nie so fit, rannten noch nie so schnell, trafen noch nie so schusssicher. Das gibt einem doch zu denken, tut es doch. Und ich komme zu der heftigen Aussage:
Fans stören!
Publikum stört!
Leute stören!
Menschen stören!

Wie gut wäre ein Restaurant, eine Beiz, ein Lokal, wenn die dummen Gäste nicht wären. Alle Tischtücher blieben sauber, die Gläser würden immer funkeln, es wäre ausser dem dezenten As Time Goes by des Barspianisten nichts zu hören. Eine Oase.
Wie pünktlich wäre die DB (und bald trifft das - leider - auch auf die SBB zu), wenn nicht ständig Passagiere aus- und einsteigen und mit ihren Koffern, ihren Kinderwägen, ihren Wintersportgeräten die Eingänge der Wagen blockieren würden und eine pünktliche Abfahrt unmöglich wird.

Also brauchen wir Geisterzüge und Geisterkneipen.

Wie toll wäre denn das, wenn die BASELWORLD eine Geistermesse wäre! Der Himmel auf Erden! Ich habe mich ja neulich über die Messeheinis lustig gemacht. Die blieben dann daheim. Aber auch die Sicherheit wird gewährleistet: Der 400 Millionen teure Schmuck wird einfach eingesperrt, die Hallen abgeriegelt und nix kommt weg.

Ja, und jeder Musiker wird mir beipflichten: Wir brauchen vom Staat finanzierte Geisterkonzerte, die live übertragen werden, aber vor leeren Rängen stattfinden. Der Künstler braucht sein Publikum? Der Künstler liebt sein Publikum? Ja, natürlich, die meisten schon, aber was die Ultras im Fussball sind, sind die Ich-habe-zwar-eine-Erkältung-aber-möchte-den-Mozart-trotzdem-hören-Leute. Das schnieft, hustet, bellt, das röchelt und schnauft, das kratzt und krächzt, immer gerade an den leisesten Stellen und wer nicht an Angina oder TBC leidet, wer eigentlich still wäre, der hat dann bestimmt ein Handy dabei. Das Handy klingelt auch immer und stets an der pppppppp-Stelle. Man kann fast ein Quiz machen:
Wo klingelt das Mobilteil in der Johannespassion? Bei "und verschied".
Wo klingelt es in Mahler VIII? Richtig, bei "Alles Vergängliche".
Und wenn kein Husten und kein handy die Aufführung stört, dann ist es ein Kleinkind, ich weiss, das ist jetzt kinderfeindlich, aber meiner Meinung nach hat ein 1/2jähriges Wesen in der Missa Solemnis nichts verloren.
Nein, nein, wir brauchen Geisterkonzerte, vielleicht die Kritiker von zwei Zeitungen und die Gönner werden noch rein gelassen, aber der Rest der Menschheit  hört das Ganze im Radio oder auf YouTube.
Die Musiker wären so viel besser.
Glenn Gould hat das erkannt und irgendwann gar nicht mehr konzertiert, sondern nur noch aufgenommen.
Die GeigerInnen, SängerInnen, DirigentInnern könnten endlich Glanzleistungen vollbringen.

So wie Fussballer auch Glanzleistungen vollbringen, wenn keine Fans anwesend sind.

Freitag, 4. April 2014

It's a wonderful (????) BASELWORLD

Am 27.3. stehe ich wie jeden Morgen an der Haltestelle Mustermesse, sinniere so vor mich hin, warte auf die Linie 2 zum Bahnhof und denke an nichts Böses. Auf einmal trifft mich von hinten ein massiver Wasserstrahl. Demo? Autonome? Wasserwerfer? Polizei? denke ich noch bruchstückhaft, als ich durch die Luft segle, mein Ende schon vor Augen, aber bevor ich auf dem Boden aufschlagen kann,  fängt mich ein Orange-Männchen auf und wirft mich in eine Tonne. Dann verliere ich endgültig das Bewusstsein. Ich erwache in einem Büro der Stadtreinigung. Ein Mann, er nicht in Orange, sondern in dezentem Anzug und passender Krawatte, erklärt mir, es sei ihnen sehr, sehr peinlich, aber die Arbeiter stünden halt sehr unter Druck, heute beginne doch die BASELWORLD, und da müsse das Messeareal  völlig sauber sein, man sollte praktisch vom Boden essen können, nicht auszudenken, wenn ein Singalese eine Kippe auf dem Boden sähe, ein Sakrileg, was in seiner Heimat ja mit Auspeitschen bestraft werde. Nicht auszudenken, wenn irgendwo noch Räppli herumführen, die Räppli seien ja das Schlimmste, er raufe sich ja den ganzen Tag die Haare, weil die Uhren&Schmuck-Messe so nah an der Fastnacht liege, er habe auch schon Vorstösse beim Grossrat gemacht, die Räppliwerferei  ganz zu verbieten, aber da stiesse man ja auf taube Ohren, weil die Fastnachtsfunktionäre so eng mit der Politik verfilzt seien. (Für meine deutschen Leser: gemeint sind Konfetti) Jedenfalls, er bittet sehr um Verzeihung und drückt mir als Entschädigung einen Scheck über 10 000.- Franken in die Hand, auf meinen Hinweis, das sei jetzt doch ein wenig übertrieben, meint er, er bezahle das aus der Portokasse.

Ich nehme mir einen Tag frei und bummle durch das Kleinbasel.

Vor  COOP, MIGROS (für nichtschweizer Lautleser: Bitte, bitte, bitte das „s“ nicht mitsprechen) und dem DENNER sitzen Angestellte und fragen sich bezüglich der während der BASELWORLD akzeptierten Währungen ab.
„100 Yen.“ „Falsch, 50 Rupien. Jetzt ich.“ Der andere hält einen Schein in die Höhe. „20 Rubel.“ „Falsch, 100 Leva.“ „Was soll denn das sein?“ „Bulgarien. Hast du komplett geschlafen bei der Schulung?“

Vor einer Bar überpinselt ein Maler das Eingangsschild: Aus „2 HOT 4 U“ wird „Too Hot for You“. Die Zahl 4, erklärt er, die Zahl vier, sei für Asiaten die Unglückszahl, keiner würde in eine Bar, an der die 4 draussen prangt, gehen, so sei jetzt zwar der Gag weg, aber sie hätten Kundschaft.

Ruedi, der Wirt meiner Stammbeiz , wechselt gerade die Speisekarten aus. „Ruedi“, quatsche ich ihn an: „25 Franken für einen Grünen Salat und 53 Franken für ein Cordon Bleu? Ist das nicht ein wenig Abzocke?“ „Sie zahlen es, Schätzchen, sie zahlen es, sie würden auch das Doppelte zahlen, wer gerade 1000 Luxusuhren à 200 000.- eingekauft hat, zahlt auch 40.- für einen Kaffee.“ „Und ich?“ „Du kriegst alles zum Normalpreis. Ich bin aber eh ausgebucht.“ „Und was mach ich dann?“ Ruedi schlägt selber kochen vor. Selber kochen, auf keinen Fall, nicht so nah am Messegelände. Ein Freund von mir machte letztes Jahr Pizza und hatte das Fenster offen gelassen, vom Duft angelockt, sassen plötzlich drei Japaner an seinem Esstisch, und weil sie nur Japanisch konnten, war ihnen ganz schwer begreiflich zu machen, dass sie sich in keinem Restaurant befanden. Nein, nein, ich gehe in die Agglo, ins Rössli nach Binningen oder in den Schwanen nach Flüh, da war ich eh schon lange nicht mehr.

Um die Mittagszeit bricht der Sturm dann los. Horden von Anzugträgern und Damen in Pumps. (Das grausamste Schuhwerk, wenn man 8 Stunden auf einer Ausstellung herumdackelt!) Die Taxis rasen durch die Stadt und spucken unentwegt Leute aus, die von Hotellobbies aufgesaugt werden und sich  nach einer halben Stunde wieder Richtung Messe ergiessen. Es hat etwas von Lemmingen. Allerdings ohne Selbstmord.

Ich mache erst einmal einen Mittagsschlaf.

Als ich um Mitternacht von Flüh heimkomme, wo ich für 40.- ein Dreigang hatte, ist das Messegelände völlig eingesaut, Tausende von Kippen und leeren Bierdosen. Ich glaube, deshalb kommen die mandeläugigen Einkäufer auch so gerne her: Hier dürfen sie mal rumschweinen ohne gleich die Todesstrafe zu fürchten.       
Und wir machen es ja weg. 
Mit Wasserwerfern. 
Morgen passe ich auf und halte Abstand, das nächste Mal fängt Orange-Man vielleicht nicht so gut.