Montag, 30. September 2013

Mutti wird es richten

Deutschland hat Mutti gewählt, Mutti hat das gut gemacht die letzten Jahre, Mutti kann das, Mutti ist die Beste, Mutti wird das Schiff schaukeln. Mutti ist super, wir alle lieben Mutti.
Und wenn jetzt die Politologen jammern, dass hier kein Programm, sondern eine Person gewählt wurde, muss man die Politologen darin erinnern, dass sie früher immer gejammert haben, die Persönlichkeitswahl bliebe auf der Strecke, Deutschland habe ja eine Kombination aus Persönlichkeits- und Parteienwahl, und erstere komme immer mehr zu kurz, aber Politologen sind ja eh jammer- und schmerzvolle Gestalten, weil sie eine brot- und wurstlose Kunst ausüben, daher studiert die Gehobenes Partnerinstitut-Heiratskandidatin in Harold and Maude ja auch Politische Wissenschaften UND Hauswirtschaft.
Aber zurück zu Mutti: Sie wird den Laden schmeissen, wir vertrauen ihr, Mutti wird sagen, wo es langgeht.
Natürlich, Mutti hat ihre Eigenarten, zum Beispiel zieht sie immer die Mundwinkel so runter, aber das tun Muttis eben, das machen Muttis sehr oft, wenn die Kinder betrunken nach Hause kommen, wenn sie schlechte Noten schreiben, wenn sie zu viel gamen, wenn sie frech und aufsässig sind, wenn sie anfangen zu rauchen und sich rumtreiben, dann rutschen einer Mutti die Mundwinkel eben ganz, ganz, ganz weit ab, daher sollten wir jetzt alle brav sein und darauf achten, dass Mutti glücklich und fröhlich ist. Ja, und Mutti ist modisch nicht immer auf dem neusten Stand, sie trägt Kleider zweimal und kommt mit Söckchen nach Bayreuth, und eine frische Frisur könnte auch nicht schaden, aber welche Mutti sieht denn aus wie ein Model, und wenn eine Mutti ihre makellosen Beine in Netzstrümpfen vor den fassungslosen Augen eines Schulkollegen ihres Sohnes in die Luft streckt, dann ist sie eine Schlampe und keine Mutti. (Sie erinnern sich: The Graduate; „God bless you please, Mr. Robinson…”)
Jetzt ist nur die Frage, wer dieses Mal Papi wird. Wer tritt an Muttis Seite? Nein, ich meine nicht ihren werten Ehemann, den man nun auch endlich einmal gesehen hat, man dachte ja schon, Dr. Sauer sei eine Kunstfigur wie Clementine oder Betty Bossi, nein, ich rede von gelben, roten oder grünen Landespapis, die alle nach vier Jahren Ehe irgendwie sehr blass dastehen, dabei ist Mutti – entgegen den frechen Kommentaren, z.B. heute Morgen in SWR 2 – keine Gottesanbeterin oder Schwarze Witwe, die ihre Männer killt, sie ist eine normale Mutti, und neben denen sehen die Männer eben meistens alt aus. Mutti führt nicht nur den Haushalt, verwaltet das Geld, sie entscheidet auch, was wann wo gemacht wird, was Papi anzieht, wann er angeln gehen darf (einmal im Quartal) und wann in die Kneipe (nie). Und so haben die grünen und roten Papis irgendwie keine Lust auf vier Jahre Ehe, denn die letzten Male waren die Partner von Mutti dann irgendwie am Ende. Am lustigsten wäre noch eine Kiste mit Linkspapi, das wäre vielleicht richtig spannend, so wie in Mr.und Mrs.  Smith, zuerst versucht man sich zu töten, zerstört dabei das Haus, aber dann kommt man sich näher, hat richtig guten Sex, also eine fruchtbare Zeit…
Mutti wird das aber auch wiederum ganz richtig entscheiden, sie ist schliesslich in der besten Position, denn wir alle wollen Mutti, Mutti wird das gut machen, Mutti kann nichts erschüttern.
Und eine neue Nationalhymne gibt es auch, es wird ja auch Zeit das unbrauchbare Machwerk, bei der die ältere Generation immer noch den Arm heben will, abzuschaffen, zur Auswahl stehen Lieder aus Sendungen wie Sie wünschen – wir spielen, entweder von Heintje (Mama, du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen…) oder von Camillo Felgen (Wenn du noch eine Mutter hast…)
Oder haben Sie noch eine Idee für eine Mutti-Hymne? Schreiben Sie mir.

Donnerstag, 26. September 2013

Der Spiesser in mir


Vierzig Jahre hat er in mir geschlummert, vierzig Jahre in einer kleinen Höhle meines Herzens gelebt, vierzig Jahre nur gelegentlich geknurrt, aber sonst unsichtbar, unerkennbar, verborgen. Und seit ein paar Jahren strebt er nun zum Tageslicht, um sich irgendwann meines Lebens zu bemächtigen:
Der Spiesser in mir.
Der Bünzli. Der Bürger. Der Bourgois.
Ein paar kleine Male konnte er sich bemerkbar machen oder sogar durchsetzen.
Als ich zum Beispiel beim Trampen durch Schottland keine einzige trockene Faser mehr besass, weil das Zelt nass ausgepackt und feucht eingepackt wurde und der Rucksack den Eimern Regen, die da vom Himmel kamen, nicht standhielt, setze der Spiesser in mir irgendwann ein Hotel durch.
Oder als die Demonstration gegen die Kriminalisierung der Hausbesetzer durch etliche kaputte Fensterscheiben entartete und das Ganze irgendwie Krawall wurde, setzte der Gute sich genauso durch und ich suchte ganz feige das Weite...
Aber im Grossen und Ganzen schwieg er, der Bünzli, der Bourgois.
Nun ist er da, in voller Schönheit.
Wollen Sie ein Beispiel? Der Gipfel der Spiessigkeit waren für mich stets - ausser S(p)chiesser-Feinripp-Unterhosen und umhäkelte Klorollen - aufgehängte Mahnzettel. Bitte im Hausflur nicht laut reden las man da, oder Nach 20.00 kein Damenbesuch oder Waschmaschine bitte immer mit Essigwasser reinigen. Nun hat es mich doch so genervt, dass vor direkt vor der Haustür Müllsäcke stehen, die dort vor sich hin stinken und von Ratten umtanzt werden, obwohl die Sammelstelle nur 20 Meter weit weg liegt, dass ich selber - ich! ich! ich selber! - einen Zettel aufgehängt habe:
BITTE DIE MÜLLSÄCKE NICHT VOR DAS HAUS STELLEN. SIE WERDEN DA NICHT MITGENOMMEN.
Ich habe also genau so ein Ding aufgehängt, das mich in jungen Jahren so geärgert hat. Allerdings mit Erfolg: Seitdem trägt die unbekannte Person ihre Säcke zum Sammelplatz, das, was ich oder ein anderer Hausbewohner bisher gemacht hatte.
In der Folgezeit entdecke ich bei vielen Freunden solche Zettel:
BITTE IMMER DARAUF ACHTEN, DASS DIE HAUSTÜR AUCH WIRKLICH GESCHLOSSEN IST.
BITTE BEIM VERLASSEN DES BADEZIMMERS DAS LICHT AUSSCHALTEN.
Ich glaube, wir sind alle ein wenig in die Jahre gekommen. Vielleicht nerven bestimmte Dinge mit 48 auch einfach mehr.
Es nervt, wenn ich Altkleider zum Container bringe und beim Öffnen der Klappe mir das Schuhbündel des Vorgängers oder der Vorgängerin entgegenfliegen. Man hätte ein bisschen fummeln müssen, weil die Klappe nur grosse Säcke wirklich schluckt, aber das hat man/frau nicht getan. Es nervt, wenn man beim Einscannen der Waren in der supermodernen COOP-Scanner-Automatikkasse erst einmal die Butter, die Wurst und die Seife des Vorbenutzers stornieren muss, weil der oder die sich spontan entschieden hat, doch Normalkasse zu besuchen. Also man muss nicht stornieren, man kann auch das Angezeigte bezahlen, aber wer macht das schon?
Es nervt, wenn kein Papier im Kopierer ist. Es ist fast ausgeschlossen, dass die benutzende Person genau 138 Kopien brauchte und genau 138 Blatt drin waren.
Es nervt, wenn Leute wie die Sau vom Trog laufen.
Merken Sie meinen spiessigen, meinen bürgerlich-miefigen Ton.
Habe ich früher nicht gehabt. Aber jetzt ist der Bünzli da und geht auch nicht mehr weg.
Aber seien Sie versichert: Ich trage (noch) keine Schiesser-Feinripp-Unterhosen und meine Klorollen sind nicht umhäkelt. Ich kann nämlich gar nicht häkeln.


Montag, 23. September 2013

ER wäre ein grossartiger Politiker gewesen


Warum ist ER eigentlich nie in die Politik gegangen, ER wäre grossartig gewesen, denke ich, während ich in die Küche gehe um mein Weinglas zu füllen und wieder ein wenig Schweizer Radio zu hören. Aus taktischen Gründen habe ich an diesem Abend meine beiden Apparate auf verschiedene Sender eingestellt, SWR 2 im Wohnzimmer und DRS 1 in der Küche, merkwürdigerweise kommt jetzt aber auch Angie im Eidgenössischen Funk, das ist schon lustig, dass die Schweizer stundenlang über die Bundestagswahl berichten und die Deutschen nicht einmal einen Satz über Armee, Tankstellenshops und Impfschutz verlieren, jedenfalls denke ich, während  ich den Chasselas aus dem Eiskasten hole und darauf warte, dass der Sprecher jetzt endlich zu den Stimmen- und Ständemehren unseres Landes kommt, dass ER den Bundestagswahlkampf gehörig aufgemischt hätte. ER, der letzte Woche von uns gegangen ist, ER, der Papst, der Kaiser, die unwidersprochene Autorität, ER, der nie eine markige und freche Rede gescheut hat. 
Und während ich nun wieder ins Wohnzimmer gehe um noch ein wenig meine Unterlagen für die nächste Woche zu sortieren und ein bisschen am Chasselas zu nippen, höre ich Brüderle, wie er sagt, dass man dieses Ergebnis nicht schönreden könne – welch Erkenntnis, wenn man nach 50 Jahren aus dem Parlament fliegt  – und denke, ER hat auch nie schöngeredet, sein Lieblingswort war schlecht, schlecht ausgedacht, schlecht geschrieben, schlecht lektoriert und schlecht verlegt, erst in zweiter Reihe warteten dann Müll, Mist und Schrott, nein schöngeredet hat ER nie. 
Und als ich wieder in der Küche bin, um mir noch etwas Salami abzuschneiden, denke ich, was für ein erstaunliches Land, Bern hat die Wagenburgenstellplätze genehmigt und das Tessin die Burkas verboten, in den ausländischen Medien wird natürlich wieder nur das zweite erwähnt werden (böse Schweiz!), und ich stelle mir vor, wie ER das Wort erstaunlich ausgesprochen hätte, tief im Hals meckernd und mir rauer Stimme. 
Und ich gehe zurück ins Wohnzimmer, wo inzwischen Kretschmann zugibt, dass sie in B.-W. irgendetwas falsch gemacht haben müssen, und versuche nun, Äusserungen von IHM auf die Politik zu übertragen, und denke wieder: ER wäre grossartig gewesen, ER hätte fast Franz Josef Strauss und Herbert Wehner getoppt, die grossen beiden Schimpf- und Agitationsredner:

"Frau Bundeskanzlerin, Frauen KÖNNEN einfach keine Aussenpolitik machen."

"Was ein Bettenverkäufer verdient? Ich interessiere mich nicht für Bettenverkäufer!"

"Das ist eine wirtschaftliche Frage, aber da haben Sie keine Ahnung davon, Sie haben keine Ahnung, was Wirtschaft bedeutet."

Die Gigantenduelle, denke ich, während ich nun wieder in der Küche den Weisswein leere und mir nun noch die Basler Ergebnisse zu Gemüte führe - Zentralpark abgelehnt, hätte auch Geld gekostet, gibt der Basler nicht aus, grundsätzlich nicht - werden bald vergessen sein, aber SEIN Eklat, SEIN und Löfflers Eklat wird immer noch geliked, angeklickt, geschaut und ich überlege mir bei meiner Gutenachtzigarette, ob ich ihn im Post R.-R. oder ER nennen soll, oder sogar ER-ER, was aber verdammt nach HERR HERR tönt, aber schliesslich war er ja Gott. 
Und deshalb ist er auch nie in die Politik, die Politik überlassen die Götter den Menschen.

Donnerstag, 19. September 2013

Rettet die Armee


Schweizer, rettet eure Armee!
Schweizer, rettet eure Armee!
Entschuldigung, ich bin ein bisschen emotional heute, aber es gibt Themen, die gehen mir unter die Haut.
Ich weiss, dass es am Sonntag nicht um die Abschaffung der Armee, sondern um die der Wehrpflicht geht, aber die  böse Gsoa will doch eigentlich das Militär abschaffen. (Für meine deutschen Leser: Die Gsoa ist keine böse Hexe, sondern die GSoA, die Gruppe Schweiz ohne Armee.)
Ich habe am Dienstag geschrieben, dass es Unverbrüchliches, Festgelegtes gibt und ich möchte meine Liste der Weltregeln noch um eine ergänzen; die fünf Regeln lauten nun:

Die Gegenstände fallen von oben nach unten.
Im Winter ist es kalt.
Die DB hat Verspätung.
In Bayern regiert die CSU allein.
Ein Eidgenosse geht zur Armee und hat seine Waffe im Schrank.

Und diese Regeln sollten nicht verletzt werden – siehe Dienstag – damit es uns weiterhin gut geht. Die Welt muss in Ordnung bleiben, in Bayern wie in der Schweiz. Als kleine Abstimmungshilfe nun einige Punkte PRO Schweizer Armee:

1) Die Schweiz ist ein friedlicher Staat, und gerade friedliche Staaten sollten eine Armee haben, ja, eigentlich nur friedliche Staaten. Das ist kein Widerspruch: Stellen Sie sich vor, auf der Welt hätten nur Länder wie die Schweiz, Dänemark, Kanada und Nepal Soldaten, das wäre doch das Paradies. 
2) Die Armeegegner sagen, das Heer sei ein teurer und überflüssiger Luxus. Können diese Typen kein Deutsch? Was für ein Pleonasmus! Luxus muss überflüssig und teuer sein, sonst ist es keiner. Aber ein bisschen Luxus muss halt sein, wenn man es sich leisten kann. Und: Wir können es uns leisten. Ein paar Milliarden für den neuen Kampfjet? Bezahlen wir aus der Portokasse. Man gönnt sich ja sonst nichts.
3) Wir verdanken der Armee Unmengen an Literatur und Filmen. Was für ein Sinn würden so herrlich quatschige Klamotten wie Achtung, fertig, Charlie und Achtung, fertig, WK machen, wenn es kein WK (für die Deutschen: Wiederholungskurs, das jährliche Ich-darf-wieder-in-die-Kaserne-Spiel) mehr gäbe?
4) So wie die Raumfahrt uns den Kugelschreiber und das Teflon beschert hat, hat uns die Schweizer Armee das beste Werkzeug aller Zeiten geschenkt: Das Schweizer Armeemesser. Mit welchem Gerät können Sie nicht nur Leute abstechen, sondern auch Korken ziehen und Löcher in Ledergürtel bohren? Mit einem Butterfly töten Sie zwar besser, aber können Sie damit auch eine Dose Eintopf öffnen? Na also.
5) Die Millionen Freiwillige, die man bräuchte, um den Einsatz der Armee  bei Katastrophen wie Vulkanausbrüchen, Überschwemmungen, Erdrutschen und Justin Bieber-Konzerten zu gewährleisten, sollen sich doch besser in anderen Organisationen und Vereinen melden. Arbeit ist genug da. Wobei ich mich frage, in welchem Alter der Impuls zur Freiwilligkeit entsteht. Mit 12 haben die Kleinen den nämlich noch nicht, das kann ich euch als Lehrer sagen. („Wir bräuchten da drei Freiwillige…“ Schweigen im Walde)
6) Wenn die Buben einmal in die Armee müssen, kann man bei allen Schulreisen, Schullandheimen, Pfadfinderlagern und Sportfreizeiten den paramilitärischen Drill aussen vor lassen.

Nun wissen Sie, wie Sie stimmen werden: NEIN
Schweizer, rettet eure Armee!
Rettet eure Armee!
Auf dass die Welt auch zwischen Bodensee und Lac Leman, zwischen Rheinknie und Bergell in Ordnung bleibt.






Montag, 16. September 2013

In Bayern ist die Welt wieder in Ordnung

Es gibt unverbrüchliche Naturgesetze, Regeln, Axiome, Festlegungen, von denen gilt, dass eher die Berge weichen mögen  und die Hügel hinfallen, als dass dies nicht mehr zuträfe:
Die Gegenstände fallen nach unten.
Im Winter ist es kalt.
Die DB hat Verspätung.
In Bayern regiert die CSU allein.
Wenn diese Gesetze nicht mehr gelten, wird uns mulmig, unwohl, wir verstehen die Welt nicht mehr und bekommen so ein unschönes Kribbeln im Hals. In einem Raumschiff wäre uns komisch zumute, weil da alles so rumschwebt; 35° an St. Niklaus macht uns Bedenken, wir mögen das nicht, wenn der Samichlaus kommt, soll es schneien. Und wenn wir um 14.00 den 13.55-ICE nach Bottrop nicht mehr erreichen, verstehen wir auch die Welt nicht mehr.
Insofern ist in Bayern die Welt wieder in Ordnung. Die Bajuwaren haben gewählt, und sie haben richtig gewählt, sie haben gut gewählt.
Nicht, dass ich die CSU mag, der Himmel helfe.
Ich mag auch keine hässlichen Männer, die mit hässlichen Grunztönen ihre in hässliche Lederhosen gezwängten hässlichen Beine in die Luft werfen, aber der Schuhplattler gehört zu Bayern - wie die CSU.
Ich mag auch keine kitschigen Kirchen, die sich vor kitschigen Bergen in kitschigen Seen spiegeln, aber der Königssee gehört zu Bayern - wie die CSU.
Ich mag keine Zelte, in denen es ohrenbetäubend laut ist und dicke, vollstbusigste Kellnerinnen durch die fettgeschwängerte Luft sausen und völlig überteuerte Bierkrüge servieren, aber das Oktoberfest... Sie wissen schon.
Ich mag auch die Sprache nicht, dieses Kauderwelsch aus Kehllauten und Beleidigungen, aber... Sie wissen es.
In Bayern ist die Welt wieder in Ordnung, denn die FDP in München an der Regierung, das war wie schwebende Dinge, heisse Weihnachten und pünktliche Fernzüge.
Ist die Bayernwahl - sie hat übrigens schon einen eigenen Wikipedia-Artikel! - nun eine Voraussage für die BuTaWa? Mitnichten. Es hat gar keinen prognostischen Charakter, denn die Bayern ticken anders, die Bayern sind ja ein Freistaat, sie sind gar keine richtigen Deutschen, haben noch um 1860 herum auf der falschen, der austrischen Seite gefochten, sie sind eine kleine Nation für sich. Nein, in der BuTaWa bekommt die FDP wieder 15%, denn angesichts von vorgestern hagelt es Mitleidstimmen aus der Union, die Grünen und die SPD bleiben, wo sie sind, und die Piraten...
Gibt es eigentlich bayrische Piraten? Und wie chatten die? In welcher Sprache?
Kurz und gut, Bayernwahl, das hat nichts zu sagen.
Nun könnte jemand sagen, die Hälfte der Fläche des Südostlandes werde ja von Franken bewohnt, aber auf die könnte man auch verzichten, Leute, die das R rollen und Wein aus kreisförmigen Flaschen trinken, die kann man nicht für voll nehmen - auch wenn sie es ständig sind. Wäre da nicht Bayreuth, hätte man Franken schon längst an die Tschechen verkauft. Nein, auch Mittel-, Zwischen-, Neben- und Hinterfranken sind nicht repräsentativ.
Aber auch im Bund wird die Welt in Ordnung bleiben.
Und so wird auch Anfang Oktober der Stein nach unten fallen, die Temperaturen werden sinken, die Bahn wird zu spät sein und Angie wieder Kanzlerin.
Jetzt müssen die Schweizer nur noch schauen, dass ihre Welt in Ordnung bleibt: Die Eidgenossen stimmen über die Abschaffung der Wehrpflicht ab. (Und Schweiz und Militär, das ist so wie Bayern und Bierzelt). Aber dazu mehr am Freitag. 



Freitag, 13. September 2013

Ein polnischer Experimentalfilm

Es gibt Filme, die sind für den Intellektuellen ein Muss. Filme mit langen Kameraeinstellungen und sparsamen, aber wichtigen Dialogen. Doch manchmal meldet sich während der Vorführung eine innere kritische Stimme, nennen wir ihn mal den kleinen Mann im Ohr.

Der Film beginnt.
Eine Allee.
Eine Allee im Herbst.
Blätter fallen ganz sacht. Leise weht der Wind.
Weisse Nebelschwaden im Hintergrund.
Eine Allee.
Eine Allee im Herbst.
Eine polnische Allee.
Natürlich, es ist ja auch ein polnischer Experimentalfilm.
Ein polnischer, experimenteller Autorenfilm.

Öde, sagt der kleine Mann im Ohr. Öde, langweilig. Im Küchlin läuft Killing Hard and Often, ein Super-Actionfilm.
Du drückst den kleinen Mann weg, du magst Autorenfilme, du wolltest Herbst von Grodikowski ja unbedingt sehen, ausserdem sitzen da vorne Lucia und Hemo aus deinem Philosophie-Seminar, stell dir vor, die würden sehen, wie ihr Dozent das Kino verlässt, man hat ja auch einen Ruf zu verlieren.

Weiterhin die Allee.
Die polnische herbstliche Allee.
Blättertreiben, ein paar Vögel fliegen auf.

Küchlin, raunt der kleine Mann, Küchlin, noch haben die zwei dich nicht gesehen, immer noch Zeit zu fliehen. Du bringst ihn wieder zum Schweigen.

Ein Auto kommt ganz langsam durch die Allee gefahren.
Durch die herbstliche Allee.
Durch das Blättertreiben.

Auto, kichert der kleine Mann, Auto - Polen. Ist geklaut! Ist geklaut!
Du haust dem kleinen Mann eins in die Fresse ob dieser politisch unkorrekten Äusserung.
Küchlin, sagt er da wieder, Küchlin...
Aber...zu spät, Lucia hat sich umgedreht und dich gesehen.

Eine herbstliche Allee.
Eine herbstlich-polnische Allee.
DA!!!
Schnitt.
Ein Haus.
Ein Haus im Herbst.
Vor ihm sitzt ein Mann, zieht an seiner Pfeife und sagt den ersten Satz des Films:
"Die Würde des Menschen ist gross."

Lucia und Hemo stehen auf und gehen.

Es folgen noch insgesamt drei weitere Kameraeinstellungen. (Meer, Grossstadtstrasse, Müllkippe) und ungefähr 20 Sätze Text. Immer wieder bringst du deinen kleinen Mann zum Schweigen, der aber irgendwann aufgibt.
Ein grossartiger Film, aber danach brauchst du ein Bier. In der Kneipe triffst du Lucia und Hemo. "Das konnten wir nicht mehr mit ansehen, so eine Verherrlichung der Gewalt." "Gewalt, wieso?" "Na, schon der Titel: Herbst. Der deutsche Herbst. Und dann der erste Satz: Die Würde des Menschen...Das spielt doch auf Die Würde des Menschen ist antastbar von der Meinhof an."
Findest du ein bisschen weit hergeholt und du sagst das ihnen - mit professoraler Würde - auch.

Küchlin, sagt der kleine Mann, die waren im Actionfilm, im Küchlin, die haben nicht durchgehalten.

Und zum ersten Mal gibst du dem kleinen Mann recht.

Dienstag, 10. September 2013

Warum soll eine Frau...


Meine Freundin Andrea hat sich jetzt in einem Fitness-Studio angemeldet und geht zweimal in der Woche zum Training. "Ich gehe auf das Laufband, steppe, dann gehe ich an die Gewichte", so erzählt sie, "und nebenbei schaue ich den knackigen Kerlen auf den Hintern." Auf mein entsetzes: "Was?" entgegnet sie nur: "Weil mir es sowieso alle unterstellen, es glaubt mir niemand, dass ich es NICHT mache, da kann ich es genauso gut tun."
Eigentlich ein plausibles Argument.
Und mir kommt ein Chanson aus den 20er-Jahren in den Sinn:

Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben,
kein Verhältnis haben,
kein Verhältnis haben?
Ist sie hübsch, wird man sagen, ja, die muss doch eins haben,
ja, die muss doch eins haben,
ja, die muss doch eins haben, 's wär zu dumm.
Und wenn man schon so redet und sie hat keins,
ja, dann wär's doch viel besser, sie hat eins.
Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?
Können Sie mir sagen: Warum?

Ja, eigentlich sind doch alle dumm, die ehrlich und fair sind, wenn es ihnen sowieso niemand glaubt. Wer sagt, dass er alle seine Steuern bezahlt, erntet meist nur ein sehr müdes, um nicht zu sagen todmüdes Lächeln. Und wie soll er es beweisen? Er kann zwar alle seine Steuerbescheide vorzeigen, wird aber nur zur Antwort bekommen, dass der Fiskus ihm nicht auf die Schliche gekommen sei. Wer - wie ich - noch nie im Kaufhaus oder Supermarkt etwas geklaut hat, wie soll er es beweisen? Die Ehrlichen haben weder ein Brandzeichen noch eine Nummer auf dem Arm. Also hören Sie auf, Ihre Abgaben zu entrichten und im Laden alle Waren zu bezahlen. Es glaubt Ihnen kein Mensch, was Sie für eine ehrliche Haut sind.
Und wenn Sie zum vierten Mal mit Ihrer persönlichen Assistentin / ihrem persönlichen Assistenten auf Dienstreise gehen, dann gehen Sie mit ihr/ihm ins Bett. Es nimmt Ihnen niemand ab, dass Sie es nicht tun. Am wenigsten Ihre Frau oder Ihr Mann. Und mal ganz ehrlich: Sie stehen auf jeden Fall als Ehebrecher(in) da, da können Sie doch wenigstens Ihren Spass haben.
Die Frage ist natürlich, warum wir sofort alles Mögliche unterstellen.
Weil wir von uns selber ausgehen?
Weil wir einen Skandal wollen?
Weil es unser armes Vorstellungsvermögen übersteigt, jemand könnte eine Schweinerei, die auf der Hand liegt, nicht machen?
Wobei die Unterstellungsmentalitätsquote (Was für ein Wort!) regional und sozial unterschiedlich ist. In der Schweiz zum Beispiel glaubt man Ihnen die Steuerehrlichkeit mehr als in Merkelland.
Ich jedenfalls habe mir die Rede meiner Freundin, die während ihrer Bauchmuskelübungen auf andere Bauchmuskeln starrt, und zwar durchtrainierte und männliche, sehr zu Herzen genommen. Und wenn ich im Herbst nach Holland fahre, dann tue ich endlich das, was mir meine Bekannten, Schüler und Chorsänger unter 20 seit Jahren unterstellen: Ich werde in einen Coffeeshop gehen, mir ein grosses Päckchen kaufen und mir die Birne wegkiffen.
Und wenn ich dann in Den Haag total stoned über den Kneuterdijk heimwärts wanke, singe ich vor mich hin:


Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben...

Donnerstag, 5. September 2013

Wurfzeitungen querlesen oder: Tausche Carlos gegen Klein-Assad


Rolf Dobelli hat Unrecht, wenn er in seinen Irrwegen/Denkfehler-Büchern schreibt, man solle aufhören News zu lesen. Das Studium von Blick am Abend und 20min bringt – richtig betrieben – einen zu neuen, kreativen Lösungen. Aber nur, wenn man die Kurznachrichten nicht einzeln, sondern in Verknüpfung liest. Der Zoo in Zürich hat zu viele Pinguine? Das Älplerfest in Altdorf steht vor Problemen mit der Gastronomie? Sehen Sie, Sie kommen ja selber drauf: Am 51. Älplerfest gibt es als neues Schweizer Gericht Pinguinpastete, auch zur Rache, dass eines der reichsten Länder der Erde immer noch keinen Brocken vom Südpol hat…
Steinbrück macht eine miese Falle gegen Mundwinkel-Angie? Federer am Ende seiner Laufbahn? Super, Sie sind ein gelehriger Schüler oder eine gelehrige Schülerin: Federer wird SPD-Blitz-Spitzenkandidat, wenigstens dann einer mit Schlagkraft, einer der den Ball flach halten kann…
Und so stiess ich in den letzten Tagen auf zwei interessante Meldungen (im 20min vom Mittwoch wirklich nebeneinander): Die eine war, dass Gewalttäter Carlos nun doch vom Hausarrest mit Privatlehrer und Thai-Box-Stunden in den Knast muss. Na ja, stiess, man wurde ja bombardiert mit diesem Zeugs, das war ja ein gefundenes Fressen für die Journalisten: Schläger bekommt 4 Zimmer-Wohnung, Prügelcarlos kostet 29.000 im Monat, Täter wird mit Wohltaten überschüttet, Opfer hat noch nichts…alles nach dem Motto „Volkes Seele kocht und wir Schreiberlein schütten tüchtig Salz hinein.“ Wobei, und das hat mich aufgeregt, unverständlich bleibt, warum der doch so reiche Staat nicht das Schmerzensgeld und die Ausfallkosten für das Opfer übernimmt.
Gefehlt hat eine sachliche Diskussion: Könnte Hausarrest mit Unterricht eine Chance für einen nichtsozialisierten Menschen sein? Und was für Unterricht? Algebra oder erst einmal der Grundkurs „Bauklötze stapeln ohne sie durchs Zimmer zu schmeissen“? Ist für einen Gewalttäter Thai-Boxen eine sinnvolle Ausgleichssportart? Oder müsste es nicht eher Thai Chi (sic!) sein? Und was kostet eigentlich das Gefängnis? Das kostet nämlich auch nicht nichts, aber das schreibt natürlich niemand.  
Die zweite Meldung: Assads Sohn soll an einem Schweizer Internat leben und lernen. Seine Mutter, Mrs. Assad, schaut nach einer Bleibe für den Filius, wenn es da unten Probleme gibt. Auch hier macht sich Entrüstung breit: Die Schweiz soll Diktatoren ausbilden? Hat sie übrigens schon oft getan, aber das schreibt niemand. Und warum nehmen wir von allen Bösen das Geld ins Land und nicht die Kinder? Machthaber junior könnte ja ein bisschen etwas vom freien Geist und der Demokratie aufschnappen, das Geld bleibt dreckig. Die einzige, entscheidende Frage ist doch: Darf Klein-Assad am Chemieunterricht teilnehmen? Aber ich schweife ab.
Wenn man nun die beiden Meldungen miteinander liest, liegt die Lösung auf der Hand: Wir schalten die folgende Anzeige in allen Blättern der Welt:

Diktatoren! Machthaber! Staatsoberhäupter!
Schickt euer Geld, eure Kinder und eure Frauen und Schwestern in die Schweiz! Die Tresore, Internate und Villen stehen euch offen. Als kleine Gegenleistung schicken wir euch unsere übelsten Mitbürger: Notorische Schläger, Prügler und Brutalos. Ihr habt bestimmt Verwendung für sie, sei es als Leibwächter oder als Teil spezieller Eingreiftruppen.

Und so wird der kleine Syrer in Montana Pinguinpastete mampfen und sich fragen, warum das ein CH-Essen ist und Carlos wird beim Treffen des neuen Bundeskanzlers der BRD mit Assad aufpassen, dass dieser Assad keins mit dem Tennisschläger haut.
Und Sie werden die nächste Wurfzeitung ganz, ganz anders lesen.

 

Montag, 2. September 2013

Die Textretter - die neue Soap


Sie alle kennen diese Bilder: Das Hotelzimmer ist eine putzbröckelnde und kotzstinkende Kammer, im winzigen Bad tanzen Kakerlaken einen Mambo und das Frühstück besteht aus Pumpernickel und einer undefinierbaren Schmiere. Das Meer, wegen dessen man ja hier 4 Stunden hergeflogen ist, ist einen Tagesmarsch entfernt.
Und dann kommen sie: Die RTL-Urlaubsretter. Sie streiten mit Veranstalter, Hotelier und machen alles wieder gut.
Sie alle kennen auch diese Bilder: Die putzbröckelnde Stube ist diesmal ein häusliches Wohnzimmer, im Bad sind keine Tiere, aber der Schimmel, und überhaupt ist das Zuhause keines mehr.
Und dann kommen sie: Die VOX-Renovierer.
Sie streichen das Wohnzimmer himmelblau und stellen ins Bad ein paar schöne Pflanzen und es gibt neue Fenster und die Kosten – die sind ja meist der Hinderungsgrund für eine Renovation – übernimmt VOX, oder der Hauptsponsor OBI oder BAUHAUS.
Und Sie kennen auch diese Sendung: Die SAT1-Entrümpler. Sie gehen zu dezidierten Messies und schmeissen Stapel von Zeitungen, Stofftieren, Gummibändern, Kämmen, Schwämmen, Katalogen, ausgestopften Tieren usw. weg.
Wobei man sich fragt, ob die Klientel wirklich aus Messies besteht, denn ein wirklicher Messie wird jeden Gegenstand mit Zähnen und Klauen verteidigen.
Wir übertragen – und das ist meine absolut geniale Idee – dieses Format auf das Medium Buch. Der Verlag nimmt den schlechtesten Text, der ihm eingesandt wurde und druckt einen Auszug auf den ersten Seiten ab. Dann werden sie geholt: Die Textretter. Auf den nächsten Seiten werden die ersten Kontakte zwischen Autor und Textretter dargestellt, z.B. zwischen Hubs Dingelmann, dem Briefträger aus Cottbus, der dem Verlag sein Machwerk Vom Hauptpostamt zum Hundebiss – aus dem Alltag eines Postboten zugeschickt hat und Dr. Schmidt-Guttenfeld, Dozent für Germanistik an der FH Ginslaken. Zunächst einmal geht es nur um grobe Fehler, dann um Stilistisches. Die Dialoge sind bewusst soapisch (tolles Wort) gehalten:
S-G: Was haben wir denn daa? Au weia!!
D: Wieso? Da habe ich geschrieben: Ich hatte gekauft ein Hund in der Pfanne.
S-G: Aber das ist ja ganz schlimm! Uiuiui.
D: Und jetzt?
S-G: Jetzt stellen wir erst einmal das Partizip nach hinten. Helfen Sie mit! Hauuuuu-ruck. So, schon besser: Ich hatte ein Hund in der Pfanne gekauft. Nun bessern wir noch das aus: Einen Hund.
D: Hä? Ich sag doch ein Hund.
S-G: Korrekt heisst es einen Hund. Und dann ist es toooootaaal die falsche Redensart. Das ist völlig bescheuert. Der Hund wird in der Pfanne verrückt, man kauft die Katze im Sack. Also: Ich hatte die Katze im Sack gekauft.
D: Oooooh, das sieht jetzt aber geil aus.

 Alle 10 Seite lesen wir dann den kompletten verbesserten Text. Das Ganze wird eine Mischung zwischen Soap, Doku, Deutschlehrbuch und unterhaltsame Lektüre.
Das Problem wird sein, dass dann viele Verlage Anzeigen schalten werden wie:

Vielen Dank für eure vielen Textretter-Texte! Wir hätten aber auch gerne wieder einen Text von einem Autor, der schreiben kann!

Aber gibt es die noch bei uns?