Donnerstag, 5. September 2013

Wurfzeitungen querlesen oder: Tausche Carlos gegen Klein-Assad


Rolf Dobelli hat Unrecht, wenn er in seinen Irrwegen/Denkfehler-Büchern schreibt, man solle aufhören News zu lesen. Das Studium von Blick am Abend und 20min bringt – richtig betrieben – einen zu neuen, kreativen Lösungen. Aber nur, wenn man die Kurznachrichten nicht einzeln, sondern in Verknüpfung liest. Der Zoo in Zürich hat zu viele Pinguine? Das Älplerfest in Altdorf steht vor Problemen mit der Gastronomie? Sehen Sie, Sie kommen ja selber drauf: Am 51. Älplerfest gibt es als neues Schweizer Gericht Pinguinpastete, auch zur Rache, dass eines der reichsten Länder der Erde immer noch keinen Brocken vom Südpol hat…
Steinbrück macht eine miese Falle gegen Mundwinkel-Angie? Federer am Ende seiner Laufbahn? Super, Sie sind ein gelehriger Schüler oder eine gelehrige Schülerin: Federer wird SPD-Blitz-Spitzenkandidat, wenigstens dann einer mit Schlagkraft, einer der den Ball flach halten kann…
Und so stiess ich in den letzten Tagen auf zwei interessante Meldungen (im 20min vom Mittwoch wirklich nebeneinander): Die eine war, dass Gewalttäter Carlos nun doch vom Hausarrest mit Privatlehrer und Thai-Box-Stunden in den Knast muss. Na ja, stiess, man wurde ja bombardiert mit diesem Zeugs, das war ja ein gefundenes Fressen für die Journalisten: Schläger bekommt 4 Zimmer-Wohnung, Prügelcarlos kostet 29.000 im Monat, Täter wird mit Wohltaten überschüttet, Opfer hat noch nichts…alles nach dem Motto „Volkes Seele kocht und wir Schreiberlein schütten tüchtig Salz hinein.“ Wobei, und das hat mich aufgeregt, unverständlich bleibt, warum der doch so reiche Staat nicht das Schmerzensgeld und die Ausfallkosten für das Opfer übernimmt.
Gefehlt hat eine sachliche Diskussion: Könnte Hausarrest mit Unterricht eine Chance für einen nichtsozialisierten Menschen sein? Und was für Unterricht? Algebra oder erst einmal der Grundkurs „Bauklötze stapeln ohne sie durchs Zimmer zu schmeissen“? Ist für einen Gewalttäter Thai-Boxen eine sinnvolle Ausgleichssportart? Oder müsste es nicht eher Thai Chi (sic!) sein? Und was kostet eigentlich das Gefängnis? Das kostet nämlich auch nicht nichts, aber das schreibt natürlich niemand.  
Die zweite Meldung: Assads Sohn soll an einem Schweizer Internat leben und lernen. Seine Mutter, Mrs. Assad, schaut nach einer Bleibe für den Filius, wenn es da unten Probleme gibt. Auch hier macht sich Entrüstung breit: Die Schweiz soll Diktatoren ausbilden? Hat sie übrigens schon oft getan, aber das schreibt niemand. Und warum nehmen wir von allen Bösen das Geld ins Land und nicht die Kinder? Machthaber junior könnte ja ein bisschen etwas vom freien Geist und der Demokratie aufschnappen, das Geld bleibt dreckig. Die einzige, entscheidende Frage ist doch: Darf Klein-Assad am Chemieunterricht teilnehmen? Aber ich schweife ab.
Wenn man nun die beiden Meldungen miteinander liest, liegt die Lösung auf der Hand: Wir schalten die folgende Anzeige in allen Blättern der Welt:

Diktatoren! Machthaber! Staatsoberhäupter!
Schickt euer Geld, eure Kinder und eure Frauen und Schwestern in die Schweiz! Die Tresore, Internate und Villen stehen euch offen. Als kleine Gegenleistung schicken wir euch unsere übelsten Mitbürger: Notorische Schläger, Prügler und Brutalos. Ihr habt bestimmt Verwendung für sie, sei es als Leibwächter oder als Teil spezieller Eingreiftruppen.

Und so wird der kleine Syrer in Montana Pinguinpastete mampfen und sich fragen, warum das ein CH-Essen ist und Carlos wird beim Treffen des neuen Bundeskanzlers der BRD mit Assad aufpassen, dass dieser Assad keins mit dem Tennisschläger haut.
Und Sie werden die nächste Wurfzeitung ganz, ganz anders lesen.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen