Dienstag, 25. Dezember 2012

Wir haben überlebt - Weihnachtspause

Wir haben den Weltuntergang überlebt.
Es ist zwar irgendetwas passiert, aber ich weiss nicht genau, was. Als ich am Samstag, den 22.12. aufwachte, hatte ich entsetzliche Kopfschmerzen und der Himmel war tief rot. Da wusste ich: Irgendein kosmischer Ruck war geschehen. Wenn Sie jetzt behaupten, das Schädelweh kam von der Kombination eines Weihnachtsaperos mit dem Weihnachtsessen der KKB-Männerstimmen und das Rot war ein normales Morgenrot bei klarem Himmel, was so zutrifft, haben Sie trotzdem spirituell nichts kapiert.
Wir haben Weihnachten überlebt.
Das war schwieriger, aber wir sind noch einmal davongekommen. Meine Verwandten hatten eine neue Dimension des Hassgeschenkes präsentiert: Die Kleinigkeit. Wir hatten mal beschlossen, uns nur kleine Dinge zu schenken, aber auch da kann man den anderen sehr blamieren. Eva, meine Schwiegercousine 4.Grades schenkte mir "nur" ein Duschgel, handgerührt und in mundgeblasener Flasche abgefüllt von einem Pariser Designer, 300.- pro Fläschchen. Und Geri, mein Stiefgrossneffe, brachte "nur" ein kleines Büchlein, aber bibliophil und handsigniert. Und ich hatte "nur" ein paar Kerzlein auf dem Weihnachtsmarkt gekauft.
Das Essen wurde - erwartungsgemäss - eine Katastrophe, weil der Grossteil meiner Verwandtschaft inzwischen bestimmten Ernährungsphilosophien anhängt. Tina isst nur noch Fleisch von Tieren, die absolut mit ihrer Tötung einverstanden sind - sie ist Adamianerin - und das auch so kundtun, Patrick isst keine roten Lebensmittel mehr, Valentin ist Rohköstler geworden - er sei "entgiftet", war aber so giftig wie immer! - und Viola ist Fruktuarerin. Und Beppo isst nur noch Nahrungsmittel, die mit G anfangen. Das konnte ja nichts werden.
Aber ich habe auch das Christfest überlebt.
So, der Blog macht Pause bis zum 4.1.2013.
Sie brauchen Vorschläge für die blogfreie Zeit?
Gehen Sie doch mal wieder ins Museum! Hier die drei schönsten Vorschläge:
*Das Viktor Müller-Haus in Herten. Hier werden alle Räume des Wohnhauses, neu renoviert, präsentiert, zudem Dokumente zum Leben von Müller. Wer dieser Viktor Müller war? Nichts Besonderes, ein Verwaltungsangestellter, verheiratet, 2 Kinder, im Gesangverein und im Sportclub. Aber: Er war ein anständiger Mensch! Und das ist ja so selten, dass es sich lohnt, so ein Leben zu dokumentieren.
*Das Museum Olten zeigt die 40 unnötigsten Videoinstallationen Schweizer Künstler der letzten 30 Jahre. Leider ohne die Arbeiten von Pippilotta Rist, sie konnte sich nicht entscheiden, welches die unnötigsten ihrer Arbeiten waren, da alle völlig überflüssig sind.
*Das Visper Speisekarten-Museum. Eine Schau der schönsten Menüs der letzten 800 Jahre, darunter die Karten der Hochzeiten von Luther und Goethe, wobei der "Frankfurter Vorstadtdackel" (Bernhard) wieder einmal enttäuscht: Grüne Sosse ist ja was Leckeres, aber als Hochzeitsessen? Aber Goethe enttäuscht ja eigentlich immer.
So, jetzt wünsche ich Ihnen:
EINEN GUTEN RUTSCH.
Bis bald.

Freitag, 21. Dezember 2012

Was soll man am 21.12. noch machen?

Was für ein blöder Tag!
Was soll man denn heute noch machen, wenn die Welt vielleicht untergeht?
Sicher nicht die Wohnung putzen, den Keller aufräumen, das Geschirr abwaschen, bringt ja nichts, wenn das nicht mehr da ist. Oder doch? Ach, ich bin völlig konfus...
Wenn man nur wüsste, an was man sich halten soll.
Warum gibt es keine Schilder überall, so wie die in den Eisenbahnzügen:
IM FALLE EINES WELTUNTERGANGS
*Bewahren Sie Ruhe
*Fasen Sie keine herunterfallenden Meteoriten an
*Verlassen Sie gefasst und in Reih und Glied die Erde
*Befolgen Sie die Anweisungen von eventuellen Aliens
...
Warum gibt es solche Schilder nicht?
Was sagen Sie? Sie halten sich an Luther? Nun, das ist immer gut, aber das Apfelbäumchen hätten Sie am 20.12.2012 pflanzen müssen. Gestern! Es heisst doch: "Wen ich wissete, daz morgen die Werelt..." Morgen! Und morgen ist heute gestern. Hallo! Kapiert?
Sie halten sich an Douglas Adams? Das ist gut, weil er klare Anweisungen gibt: Bier und Erdnüsse gegen die Umwandlungsstrahlen und auf jeden Fall: Handtuch dabei haben! Man muss immer wissen, wo sein Handtuch ist.
Es gibt ja nun auch Leute, die meinen, dass heute die Transpostion der Welt in andere Dimensionen ins Haus steht. Zum Beispiel in eine kosmische Musik oder in einen Text. Ach, du liebe Zeit! Werde ich dann etwa ein c' in einem Orff-Stück? Wo ich doch immer eine Quinte bei Mahler sein wollte! Werde ich ein Satz bei Martin Walser? Wo ich doch immer ein Buchstabe bei Böll sein wollte... Oder werden wir alle Punkte in einem Bild? Und wenn, in was für einem? In einer Südsee-Fototapete?
Wieso kann einem das niemand beantworten?
Ich glaube, ich mache einfach weiter, brav weiter. Ich werde heute meine Noten eintragen und fürs Wochenende einkaufen, als ob nichts geschehen sei. Ich werde an meine Weihnachts-Aperos gehen und meinen Koffer für die Ferien packen, und wenn dann doch der Meteorit kommt, dann bleibt der Koffer halt im Zimmer stehen, das dann auch nicht mehr existiert.
Oder: Party.
Auf eine der 200 000 Weltuntergangsdiscos gehen, die auf dem Globus stattfinden.
Musik gibt es ja genug:
"This is the end, you know..."
"It's the final countdown..."
"Davon geht die Welt nicht unter..."
"Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern..."
Denn eines ist klar: In Wirklichkeit ging die Welt am 20.12. unter, die kosmische Katastrophe geschah gestern, eine Apokalypse von ungeahnten Ausmassen. Seit gestern ist alles zu Ende. Seit gestern ist alles vorbei. Seit dem 20.12. ist die Welt nicht mehr die gleiche.
Denn: ROSENSTOLZ HABEN SICH GETRENNT.

Dienstag, 18. Dezember 2012

Weltuntergang: Nur die Indonesische Knallpute überlebt


Den Weltuntergang wird als einziges Wirbeltier nur die Indonesische Knallpute überleben.
Und das wird so kommen: Am Freitag, den 21.12.2012 fliegen die Vogonen zur Erde. Adams hat leider hier die Interplanetarische Datumsgrenze vergessen, deswegen ist es kein Donnerstag, aber Londoner hatten ja schon immer Probleme mit Datumsgrenzen. Jedenfalls kommen die Vogonen und bombardieren den Planeten, solange, bis alle Menschen tot sind. Dann werden die Tiere erledigt. Schnell merken die Aliens, dass Einzeller, Quallen und Schaben irgendwie nicht kaputtzukriegen sind – das ist ja das leidige an ihnen - daher heisst die Parole: Wirbeltiere. Mit extraterrestrischen MPs durchstreifen sie die Lande und ballern alles ab, was sich ihren Wurstfressen in den Weg stellt. Nun kommt die Stunde der Indonesischen Knallpute. Der blaue, pummelige Vogel hat am Hals eine Art Kropf, mit dem er kleine Explosionsgeräusche macht, die sich ähnlich wie Gewehrsalven anhören. Wenn nun die Vogonen nach Tieren suchen, hören sie ein ständiges Piff-Paff und denken: Oh, da sind schon Kollegen am Werk. Also kommt die Indonesische Knallpute ungeschoren davon. Die Vogonen verschwinden in der Tiefe des dunklen Raumes.
Bei der am 22.12.2012 einberufenen Konferenz der Sondervögel gibt es ein einziges Traktandum: Evolution – ja oder nein? Soll man sich wieder in Richtung Affe und Mensch bewegen oder nicht?
Die Befürworter führen wichtige Argumente ins Feld: Das Rad sei ja schon eine tolle Sache gewesen, und auch der Reissverschluss. Homer – das sei doch grossartig, die Zwölftontechnik, Hegel und natürlich auch die Kaffeemaschine.  Die Nachtwache, wunderbar, Mozart und nicht zu schweigen von Gazpacho und Pizza. Ja, und Picasso, und natürlich auch das Handy. Der Mensch habe einfach erstaunliche Dinge vollbracht.
Die Gegner sind nicht einverstanden: Rad OK, aber auch Panzer hätten Räder gehabt, der Reissverschluss habe ja meistens nicht funktioniert, Homer sei ein Genie gewesen, aber die Menschheit habe ja nun auch Stifter und Konsalik hervorgebracht, und in der Musik? Kastelruther Spatzen! Take That! So setzen sie McDonalds gegen Gazpacho, Naive Malerei gegen Picasso, und das Handy? Ist ein evolutionärer Fortschritt, Tag und Nacht keine Ruhe zu haben. Ein Huhn kann die ganze Nacht schlafen.
Ausserdem sei der Vogel die Krone der Schöpfung. Seien nicht die Eulen das Sinnbild der Weisheit, weshalb man ja sie nicht nach Athen tragen solle? Hätten nicht die Neuseeländer den Kiwi als Nationalsymbol? Hätten nicht die Menschen sogar gesungen Ich wollt, ich wär ein Huhn? Und die Gänse! Sie verrieten St. Martin, der nicht Bischof werden wollte, sie sorgten dafür, dass ein fähiger Mensch sein Amt antrat. Wann hat das bei den Menschen selber je stattgefunden?
So kommt es zur Kampfabstimmung: Mit 234 zu 150 Stimmen wird der Antrag ENTWICKLUNG abgelehnt. Und der Mensch zur historischen Panne erklärt.
Und der Entscheid: Wir Indonesischen Knallputen bleiben, was wir sind mit einer Riesensalve gefeiert.

Freitag, 14. Dezember 2012

Intelligente Geschenke und blödes Verkaufspersonal

"Ist dieses Buch für eine achtzigjährige Dame geeignet?", frage ich die Verkäuferin im THALIA. Sie blickt kurz in die Ecke, in der ich stehe (Philosophie und Lebenshilfe) und meint: "Ja, durchaus." "Herr Herter", grinst meine Lieblingsverkäuferin im OLYMPUS & HADES, "eher nicht, aber warum nicht das neue Buch von Dobelli?" Das Buch, das ich in diesem Experiment hochhhielt, war Gespräche mit Sterbenden von Kübler-Ross. Das kann ein Mensch im letzten Lebensabschnitt doch ein bisschen missverstehen.
Als Zwanzigjähriger - und diese Story ist jetzt wahr - wollte ich Haydns Schöpfung in einer Aufnahme mit Originalinstrumenten. Meine Mutter war am Heiligabend sehr enttäuscht, als ich beim Auspacken feststellte, dass es moderne waren. Sie hatte nämlich den Verkäufer viermal gefragt, ob diese CD wirklich, wirklich, aber auch wirklich mit historischen Instrumenten gemacht sei. Er hatte es viermal bejaht, weil auf dem Cover Harnoncourt stand. Allerdings arbeitete zu dieser Zeit der gute Nikolaus auch schon mit modernen, bestehenden Orchestern. Bei Hengelbrock könnte man heute den gleichen Fehler machen.
Liebesgeschenke, bei denen man etwas Spezielles, Besonderes will, setzen geschultes Personal voraus. Oder eine gewisse Hartnäckigkeit. Daher hier ein paar Tipps.
Bestehen Sie darauf, dass das Verkaufspersonal sich den Artikel genau anschaut. Hier gilt die Faustregel: Mit jedem Meter, den der Verkäufer oder die Verkäuferin näher an das Produkt herantritt, vervierfacht sich die Genauigkeit. Manchmal gibt es sogar ganz tolle Typen, die das potentielle Geschenk sogar in die Hand nehmen und - glänzender Gipfel des Glücks! - auspacken! Da sieht man dann solche Hinweise wie mit den Instrumenten.
Gehen Sie in kleine Läden! Es gibt nämlich in Basel Buchhändlerinnen, die selber lesen. Es gibt Sportartikelverkäufer, die selber schwimmen und laufen. Es gibt Gewürzhändlerinnen, die selber kochen, aber nicht in der MANOR.
Wenn Sie doch in ein Massenkaufhaus gehen - und ich rechne THALIA dazu, den DENNER der Literatur, den Buch-ALDI, den COOP für Buchstaben, heute im Angebot: 450 Seiten für nur 20 Rappen pro Seite, beim Kauf von 5 Nikolaus Sparks gibt es einen gratis - dann seien sie wirklich standfest. Das kann dann so aussehen:
"Ich hätte gerne den Steppenwolf in der RoRoRo-Ausgabe." "Rowohlt hat das nicht verlegt." "Ist aber im Verzeichnis, das hinten in den Büchern drin ist." "Das ist nicht auf dem neuesten Stand." "Die schreiben da Bücher rein, die sie nicht im Angebot haben?" "Manchmal schon." "Erzählen Sie das ihrem Goldhamster und schauen Sie jetzt endlich im Computer nach!"
Sie sehen, Liebesgeschenke erfordern Geduld, Kraft, Hingabe und Durchhaltevermögen. Aber sie lohnen sich.
Ich kaufte dann für meine achtzigjährige Dame den neuen Dobelli, in dem es um Denkfehler geht. Denn für Denk- und Handlungsfehler ist man ja nie zu alt.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Hass- und Pflichtgeschenke


Ok, der Herr Gerer möchte keine Bücher. Ich möchte übrigens kein Autozubehör – ich habe keinen Wagen. Wie aber schenkt man nun richtig? Wem schenkt man was? Ich denke, das Wichtige ist, sich zunächst über die Motivation klar zu werden. Hat man eine eindeutige Motivation, und sei sie noch so fies, findet man sofort das Richtige. Die Präsentologie (Wissenschaft vom Schenken) teilt in der Regel in drei Motivationskategorien ein, nämlich das Hassgeschenk, das Pflichtgeschenk und das Liebesgeschenk. (dazu: Donator, Paul und Giver, Michael: Einführung in die Präsentologie, Castrop-Rauxel 1998)
Das Hassgeschenk hat als klare Triebkraft, den Beschenkten zu ärgern. Bei Wilhelm Busch kommen drei Tanten überein, ihrer Nichte ein Kleid in einer Farbe zu schenken, die diese nicht leiden kann.

Der dritten Tante war das recht:
Ja, sprach sie, mit gelben Ranken
Ich weiss, sie ärgert sich nicht schlecht
und muss sich auch noch bedanken.

Das ist eine schöne, eindeutige Motivation: Ich schenke, um den Mitmenschen zur Weissglut zu treiben. Ich schenke Mozart-Hassern eine Zauberflöten-CD und Vegetariern Bündnerfleisch, ich schenke Pazifisten eine Kalaschnikow und Reisemuffeln ein Flugticket. Eine Steigerung ist das Enttäuschungsgeschenk: So kann man zum Beispiel seinem schwulen Kumpel eine Karte für eine Men-Strip-Show  schicken, erst beim Einlass wird er merken: Women only. Oder diese wunderbare DVD des Albanischen Kultregisseurs Tochu Manndru, da funktionieren die Untertitel nicht.

Das Pflichtgeschenk ist eine Gabe nach dem Motto: Ich muss doch irgendetwas mitbringen. Hier eignen sich Geschenkartikel. Der Geschenkartikel ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Bis dahin schenkte man Dinge, die eine Funktion hatten, sie sollten gelesen, gegessen, getrunken, gehört oder gespielt werden, der  Geschenkartikel hat nur die Aufgabe, geschenkt zu werden. Er wird in speziellen Läden verkauft, schillernde kleine Teile, die sich drehen und hüpfen und jeder fragt: „Was soll ich denn damit?“ Ja, nichts, du sollst ihn geschenkt bekommen, damit hat es sich. Der Geschenkartikel erfüllt seine Aufgabe im Akt des Schenkens, dann kann er in den Schrank. Erfinder dieser tollen Sache ist Loriot. Wer erinnert sich nicht an den Familienbenutzer? Formschön, abwaschbar und vollkommen zweckfrei, GELL?

Das Liebesgeschenk ist das Schwierigste: Es soll dem anderen Menschen Freude machen.  Es ist so schwer, da etwas  Passendes zu finden. Aber warum eigentlich? Warum fragen wir nicht einfach mal: Du als Büchernarr – magst du Walser? Du als Beatles-Fan – hast du schon die Aufnahme, wo Lennon Didgeridoo spielt? Du als Sportler – es gibt jetzt die neue ADIDAS-Kollektion in Minzgrün und Schweinchenrosa. Also nicht fragen: „Was wünschst du dir?“, sondern: „Könnte dir das gefallen?“

Das ideale Präsent ist natürlich die Einführung in die Präsentologie, denn sie erfüllt alle drei Funktionen: Sie sagt:
…so sehr habe ich mir Gedanken über das Schenken gemacht.
…ich musste ja was mitbringen
damit du mal endlich – zum ersten Mal seit 2003 – etwas Anständiges schenkst!

Freitag, 7. Dezember 2012

Weihnachtsbüchergeschenke

Ich hoffe, sagte Gerer neulich zu mir, als wir vor dem Schaufenster der Deppenbarke standen, dass man mir diesmal keine Bücher schenkt. Diese Geschenke, diese Weihnachtsbüchergeschenke, sind das  Schrecklichste, was man sich vorstellen kann. Am Stephanstag häufen sich stets Werke auf meinem Tisch, die ich nicht lesen will und ohne schwere seelische Beeinträchtigung auch nicht lesen kann, so Gerer. Weihnachten an sich ist ja schon eine schlimme Sache, sagte er, während er auf einen Tannenzweig im Schaufenster zeigte, die Stadt ist voll von Kitsch, von Tannenkitsch und Krippenkitsch, die Stadt ist komplett weihnachtsverkitscht, aber dem könnte man sich ja noch entziehen, so Gerer, man werde aber durch das Schenken, das Weihnachtskleiderschenken und das Weihnachtsbücherschenken auf widerliche Weise in die Sache mit hineingezogen. Er habe, sagte er, in seiner Wohnung keinen Tannenkitsch und keinen Krippenkitsch, er würde sich völlig heraushalten, aber er werde beschenkt und müsse dann wieder schenken. Man schenkt mir eine Vase, so Gerer vor dem Schaufenster der Deppenbarke, und erwartet dann wieder irgendeinen Topf von mir, man schenkt mir einen Schal und erwartet eine Krawatte, so Gerer, schon im Oktober löst das Wort Weihnachtsgeschenke ein starkes Nervenzittern bei mir aus.
Von allem Schenken ist nun das Schenken von Büchern, das Weihnachtsbücherschenken, das Furchtbarste, sagte er, während er auf einen Stapel Kriminalromane zeigte, man gibt mir schlechte Bücher von schlechten Autoren, die schon beim Versuch der Lektüre mein vegetatives Nervensystem völlig erschüttern. Der Tannenkitsch und der Krippenkitsch bringen mich ja schon fast um, so Gerer, aber die Bücher, die ab dem 26.12. auf meinem Tischchen liegen geben mir den Rest. Vorletztes Jahr hat man mir 100 Seiten eines Modernen Lyrikers gegeben, sagte er, und dieser Moderne Lyriker bewirkte einen so starken Schwindel bei mir, dass ich mich für einen Tag hinlegen musste. Letztes Jahr lösten die falschen Bezüge in einem Historischen Roman einen Zusmmenbruch bei mir aus, sagte Gerer, während er in die Deppenbarke hineinschaute, ja, dieser Historische Roman hat mich fast umgebracht. Eine Seite Diderot, ein Satz von Lenz, ein Gedicht von Hölderlin, eine Novelle von Kleist sind mehr wert als dieses ganze Gerümpel, so Gerer, sie beruhigen und stärken mich, aber diese weihnachtsgeschenkten Bücher töten mich.
Deshalb hoffe ich, dieses Jahr keine Weihnachtsbüchergeschenke zu bekommen, sagte er, aber ich weiss, die Hoffnung wird sich nicht erfüllen.
Einmal, so Gerer, habe sein Patensohn ihm die Neuerscheinung eines wirklich guten Autors, einer der wenigen, die er wirklich schätze, auf den Gabentisch gelegt.
Die Lektüre sei dann entsetzlich gewesen.

Dienstag, 4. Dezember 2012

Aberglaube II: Blumenblau, Percht und Brautstrauss

Danke, danke, liebe Leser, sie haben mir noch ganz viele Aberglaubengeschichten zugeschickt. Ich möchte die schönsten hier veröffentlichen. (Die Speisekartenfehler und Verhörer sind bei mir übrigens falsch, die müssen zu Hacke nach Berlin.)
Frau M. aus Wunsiedel schreibt, ihre Grossmutter hätte beim Blaubeerverkleckern immer gesagt, das mache nichts, die Flecken verschwänden, wenn im Wald die Blaubeerzeit zu Ende gehe. Die Beeren im Forst und die in der Stube stünden irgendwie in Verbindung. Die Erklärung ist enttäuschend simpel, Phenolphtalein (Blumenblau) verblasst nach ein paar Wochen.
Herr P. aus Jerxheim - übrigens der Bäcker des Ortes, er ist kinderlos, dies für Nadolnyfans - erzählt, seine Mutter habe in den Rauhnächten (zwischen Weihnachten und Dreikönig) nie gewaschen, um nicht von der Wilden Frau Percht krank gemacht zu werden, liess es sich nicht vermeiden, habe sie der Percht, sie will ja weisse Speisen, ein Schälchen Milch hingestellt, das am nächsten Tag leer gewesen sei. Wer früher in der Sibirischen Temperatur der Waschküche stand, und das stundenlang, wurde vielleicht krank, auch im Februar. In den Rauhnächten war es besonders heikel, weil der Körper vom vielen Saufen und Fressen geschwächt war. Und die Milch? Nun, die Jerxheimer Katzen haben sich gefreut.
Frau G. aus Überlingen berichtet, ihre Urgrosstante habe stets ein geweihtes Tuch an der Türe befestigt, um sich vor Werwölfen zu schützen.Und tatsächlich sei nie einer bei ihr eingedrungen. Muss man da noch irgendetwas ergänzen??!! Ja, vielleicht, dass die Natur in den Vollmondnächten nicht mehr spinnt als sonst, wir hören mehr, weil wir schlechter schlafen.
Herr X. aus Grenchen schreibt, seine Tante habe auf der Hochzeit den Brautstrauss gefangen und am selben Abend noch ihren Gatten kennengelernt. Gut, den Wurf und den Fang haben ja alle gesehen, da konnte man sich schon an eine junge Dame heranmachen, wenn sie Ehebereitschaft sigalisiert. Sie hätte auch Mann gesucht auf ihren Hut stecken können.
Die Germanistin Dr.H. aus Zürich erklärte mir die Vorliebe für das morgendliche Auftauchen von Spinnen. Eigentlich hiess es:
Spinnen am Morgen (bedeutet) Kummer und Sorgen
Spinnen am Abend (ist) erquickend und labend.
Am Morgen spannen die armen Frauen, denen es wirtschaftlich schlecht ging, am Abend die reichen als Belustigung; dann wurde ist/bedeutet in bringt geändert und aus der Handarbeit wurde das Kerbtier.
Auch das Teller-leer-Essen für eine positive Wetterprognose hat einen Verständnisfehler als Ursache:
Eet leer, dann geeft et morge godes wedder
hiess: Leeressen, dann gibt es morgen wieder etwas Gutes.
Wir sehen, es gibt für alle Dinge eine ganz normale Erklärung, nur sehen wir sie manchmal nicht oder nicht mehr. Aberglauben können wir uns in einer globalisierten Welt auch immer weniger leisten, wenn wir zum Beispiel in Hotels alle Unglückszahlen vermeiden wollen (in China z.B. 4), gibt es bald keine möglichen Zimmernummern mehr.