Freitag, 17. Februar 2012

Blogferien - Schreibtipps

Der Blog macht wieder einmal Ferien. Ich bin zwei Wochen unterwegs. Wo? Zunächst Kulturstress in Berlin, dann Freunde besuchen. Zum Morgestraich bin ich kurz in Basel, es gibt wieder meine traditionelle Baiz.
Deshalb gibt es diesmal – nein keine Lesetipps – Schreibtipps. Ja, schreiben Sie doch mal selber! Sie können doch schreiben, oder? Na also! Hier also fünf Schreibaufgaben, nach dem Motto „Bücher, die Welt noch braucht“.

Diätbuch zum Zunehmen

10% unserer Jugendlichen sind bulimisch. Dieses Buch wird sie überlisten. Viele diätische Rezepte, die aber so viele versteckte Kalorien haben, dass man stark an Gewicht zulegt. (OK, das trifft auf fast alle Diäten zu, aber hier ist es Methode und Absicht.) Das Buch erscheint nicht im Handel, sondern wird über Elterngruppen vertrieben. 

Ihre Autobiografie

Schreiben Sie ihr Leben auf! Das ist nicht interessant? Aber natürlich! Das Private ist politisch - sagte man in den Sechzigern. Es ist genauso spannend, dass Sie Orangensaft zum Frühstück nehmen, wie die Körnerbrötchen, die Dieter Bohlen isst. Es ist genauso wichtig zu wissen, dass Sie nach Finnland in Urlaub fahren, wie die Tatsache, dass Stefan Raab seine Ferien in Bulgarien verbringt. Sie haben der Welt genauso viel mitzuteilen wie die Masse der A- und B-Promis, mit deren Biografien der Markt überschwemmt wird.

Grönland existiert nicht

Reihen Sie sich ein in die lückenlose Folge von Verschwörungstheorien. Inzwischen wird ja alles in Zweifel gezogen, warum nicht Grönland? Die meisten Menschen waren noch nie dort und Karten können ja gefälscht sein. Wahrscheinlich sind alle gezeigten Eismassen der Welt ein einziges kleines Eisfeld irgendwo in Alaska - wenn Alaska existiert.

Lyrik widerlegt

Schreiben Sie Gegengedichte. Widerlegen Sie die Grossen der Literaturgeschichte.
Beispiele?
A rose is not a rose is not a rose...
Über allen Wipfeln ist Lärm...
Ziemlich wacklig auf dem Boden steht die...

Adieu Euro - Ende einer Illusion

Los, schreiben Sie! Sie sind die/der Erste! Wenn in einem Jahr die Eurozone endgültig auseinanderbricht, haben Sie Ihr Manuskript schon in der Tasche. Sie glauben an die Zukunft des Euro? Gut, dann haben wir ein Problem. Vielleicht sollten Sie einen anderen Blog lesen. Ali Ben Wuzur, ein Kollege von mir aus Damaskus, bloggt inzwischen auch. Er ist Märchenerzähler...

In diesem Sinne: SCHÖNE FASTNACHTSFERIEN!

Und nicht vergessen, die Stromrechnung zu bezahlen! Denn auch in der Fastnacht wird es ganz Nacht.


Dienstag, 14. Februar 2012

Valentinstag

Haben Sie heute schon ein Valentinsgeschenk bekommen? Blumenstrauss, Konfekt? Wie fühlt sich das an, so ein Valentinsgeschenk? Weich, kuschelig, warm, nett?
Ich weiss das nämlich nicht. Ich habe noch nie ein Valentinsgeschenk bekommen - und auch noch keines gemacht - ich habe am 14.2. Geburtstag. Der 14.2. ist der dümmste Tag um seinen Alterungsprozess zu feiern, noch ungeschickter als Weihnachten. Mit den Geschenken ist es das Gleiche, aber während die Weihnachtsgeburtstagskinder halt ihre Präsente in Sternchenpapier erhalten, hat jeder, der mir etwas schenken will, das Problem, dass er es nicht in "Ich liebe dich-in 50 Sprachen-Papier" eingewickelt haben möchte. Genauso im Restaurant: Als ich vor einigen Jahren mit meiner alten Tante feierte, musste sie den Kellner fast mit Handgreiflichkeiten zwingen, die rote Plüschdekoration von der Tischdecke zu räumen. "Sonst denken doch alle: Hat die einen jungen Liebhaber!"
Der Valentinstag ist aber eigentlich eine gute Sache. Er ist auch keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, in Grossbritannien ist er sehr alt und wird schon bei Shakespeare erwähnt. Dass die Blumenhändler damit Geschäfte machen, ist OK. Wieso wirft man den Blumenhändler überhaupt ständig den 14.2. und den Muttertag vor? Natürlich wollen sie Geschäfte machen, das gehört zum Kapitalismus, Geschäfte zu machen, wem es nicht passt, soll nach - wohin überhaupt noch? - Kuba vielleicht. Den Blumenhändlern liegt die Liebe so wenig am Herzen wie den Pharmariesen die Gesundheit und den Filmproduzenten die Kultur, und denen wirft man es auch nicht ständig vor.
Vielleicht ist es aber besser, statt Blumen etwas anderes zu schenken, zum Beispiel ein schönes Valentinsfrühstück. Dann darf man es aber nicht wie mein Freund Peter machen: Er hatte letztes Jahr einen wunderbaren Frühstückstisch gedeckt, sogar einen Kuchen gebacken und herrlichen Kaffe zubereitet. Während des Essens wanderten die Blicke seiner Freundin allerdings zu den Kacheln, dem Boden und der Lampe, die alle mit Teigspritzern übersät waren und sie fragte sich, statt das Früchstück zu geniessen, wer das alles putzen würde - sie haben es erraten: Er war es nicht.
Aber, wie gesagt, für mich bleibt der Valentinstag ein unbekanntes Land. Eine Gruppe von Freunden ist allerdings dabei, etwas für mich zu tun: Sie feiern konsequent meinen Geburtstag in der ersten Oktoberwoche, mit Kuchen, Geschenken und "Happy birthday"-Singen. Leider stellen sich die Ämter stur; man kann in unserer Gesellschaft alles wechseln, nur nicht das Geburtsdatum, ich könnte schon längst eine Frau sein und Scholastika Urfeld heissen, aber der 14.2. bleibt im Pass.
In diesem Sinne: Einen schönen 14.2.! 

Donnerstag, 9. Februar 2012

Haushalt

Auf meinen letzten Post gab es ein paar sehr wütende Reaktionen. Nein, ich meine nicht die Oberlehrer, die immer noch der Meinung sind, es gehöre zur Allgemeinbildung die komplette Glocke auswendig zu können. Ich bekam ein paar Mails, in denen vehement gefordert wurde, das Kapitel "Haushalt" aus dem Kanon zu streichen. Aber ich bleibe dabei: Es gehört zur Allgemeinbildung, zu wissen
* dass Eier beim Kochen nicht weich werden - im Gegensatz zu Nudeln
* dass Fleisch sich besser von der Pfanne löst, wenn man Öl oder Fett hineintut
* dass man kein Geschirr in die Waschmaschine tun sollte, die schleudert nämlich
* dass die Mikrowelle ungeeignet ist, um Tiere zu trocknen
und vieles mehr.
Hannes Berger, ein CEO aus Bremen schrieb mir, er habe keine Ahnung von Haushaltsdingen, er habe eine Haushälterin, und wenn die krank sei, gebe es Ersatz, notfalls Gebäudereinigungsfirmen, ausserdem gebe es Hemdenservice, Lieferservice und - ganz wichtig - gute Restaurants. Der liebe Hannes scheint einen Zustand auszuschliessen: Kein Geld zu haben. Alles, was er nennt, kostet Geld, viel Geld und er geht einfach davon aus, dass er immer bei Kasse ist. Aber hat er nicht Recht? Sind nicht die Zeiten vorbei, als Unfähigkeit und grobe Fehler zu Kündigung und Not führten? Wenn Hannes seine Firma mit Schwung an die Wand gefahren hat, springt er mit einem goldenen Fallschirm ab, selbst wenn es keinen gibt, reichen die aufgehäuften Boni noch für etliche Hemden und zahllose Besuche in den "Weserstuben". Und wenn er krumme Dinger gedreht hat? Dann kommt er ins Kittchen und dort - Sie ahnen es - ist wieder für ihn gesorgt, er bekommt jede Woche seinen gebügelten blau-weissen Anzug - wird Sträflingskleidung gebügelt? - und jeden Tag sein Essen gebracht. Wieder wird alles erledigt.
Eine richtige Strafe für Abzocker und Spekulanten wäre also: Vermögen wird eingezogen, Hausarrest oder Fussfessel, sie müssen alles allein bewältigen. Eine schlimme Strafe! Die Wohnung wäre in den ersten Wochen dreckiger als Alcatraz, die ersten Suppen furchtbarer als die Brühe in Sing-Sing. Wenn die Dinge dann erlernt wären, würde verschärft: Kleidung wird verbrannt, selber nähen! Keine Nudelvorräte, selber machen!
Aber so weit kommt es ja meistens nicht, Berger wird weiterhin in den Weserstuben sein, wenn seine Haushälterin mal nicht kann, nur schade, dass er immer die falschen Speisen ausdrücklich lobt und andere übergeht, das täte er nicht, wenn er wüsste, dass eine Mousse au Chocolat gar nicht so schwer ist, wohl aber eine wirklich deliziöse Gemüsecremesuppe. Dieses Wissen erwirbt man nur durchs Selbermachen.
    

Montag, 6. Februar 2012

Allgemeinbildung

Ich fliege in den Osterferien nach Apulien. Wo das liegt? In Italien, Apulien ist der „Absatz“. Das ist doch Allgemeinbildung. Wissen Sie Schlumpf wenigstens wie die Hauptstadt heisst? Nein? Bari, das ist auch Allgemeinbildung. Jetzt enttäuschen Sie mich aber nicht: Der Stauferkaiser, der in Apulien residierte? Auch Fehlanzeige? Friedrich II. Nee, das war nicht in Canossa, das war Heinrich IV. und der hat da nicht gewohnt, sondern ist da hingefahren, um sich auf den Boden zu werfen und ein bisschen um Gnade zu winseln. Haben Sie Ihre ganze Schulzeit nur „Schiffe versenken“ gespielt? Sie haben keine – Sie ahnen es – Allgemeinbildung.
Das nervt, gell?
Es ist nämlich komisch, dass der Spruch mit der Allgemeinbildung immer nur fällt, wenn der Sprecher etwas weiss und der andere nicht. Ich habe noch nie gehört: „Ich weiss nicht, was die Hauptstadt von Wales ist, obwohl das Allgemeinbildung ist.“ Ich habe noch nie jemand sagen hören, er wisse nicht, wer die Mona Lisa gemalt habe und es sei ihm peinlich.
Was gehört zur Allgemeinbildung? Darüber könnte man sich stundenlang streiten und jeder wird tunlichst die Bereiche ausklammern, von denen er keine Ahnung hat. Ich selbst streite kategorisch ab, dass Sport und Auto zur Algemeinbildung gehören, eben weil ich keinen blassen Schimmer habe, ob Nürnberg noch in der 1.Bundesliga spielt oder wie ein Motor funktioniert. Ich war lange der Meinung, dass Schach eine Olympische Disziplin ist und konnte noch nie einen VW von einem Mercedes unterscheiden. Dabei – das muss ich nun doch zähneknirschend zugeben – gehört auch das zur Allgemeinbildung, nicht nur Schiller, Goethe, Wagner und Verdi.
Und wie ist es mit der Lebenspraxis? Auch die müsste man korrekterweise zur Allgemeinbildung rechnen. Da laufen natürlich Menschen wie Prof. Dr. Dr. Weinhard Schmidt-Grünlich heftig dagegen an. Schmidt-Grünlich, die Kapazität in Antiker Philosophie, der aber verloren ist, wenn seine Haushälterin krank wird, weil er niemals eine Spül- oder Waschmaschine in Gang bekäme oder sich ein Spiegelei machen könnte. Neulich hat er seine Haushälterin beim Wechseln des Staubsaugerbeutels beobachtet und völlig baff festgestellt, dass der Sauger nicht, wie er immer dachte, den Staub irgendwie vernichtet sondern ihn nur sammelt.
Ja, auch den Haushalt müsste man zur Allgemeinbildung rechnen.
Was ist nun Allgemeinbildung? Ich weiss es nicht. Aber vielleicht das: Wenn Sie etwas im Gespräch hören, sofort ihr Smartphone zücken und googeln, und alle lachen, dann war das Nichtgewusste Allgemeinbildung.
Im Übrigen weiss ich natürlich, wie ein Mercedes aussieht, der hat das Peace-Zeichen vorne dran.

Freitag, 3. Februar 2012

Operndichte

Wie ich am Ende meines letzten Posts sagte, hätte der Abend in Trier auch in anderen Städten stattfinden können. Oder anders formuliert: Der Theater-Trier-Reisende kann auch in Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Mainz oder Koblenz aussteigen und eine genau so interessante und schöne Opernvorstellung geniessen. Oder noch einmal anders formuliert: Deutschland hat die grösste Operndichte der Welt.
So weit, so gut. Allerdings wird dieser Satz immer mit einem Unterton gesagt. Einem Unterton, der einen zur Frage bringt: "Kann man da nichts dagegen machen?" Ein verschämter, peinlicher Tonfall, der Tonfall in dem man sagt: "Oli hat die Filzläuse." oder in dem man dem Bekannten erklärt, warum man gestern aus dem Beate-Uhse-Shop kam.
Deutschland hat die grösste Operndichte. Kann man wirklich nichts dagegen tun? Theater schliessen ist schwierig, erstens bringt es immer schlechte PR für die Politik, zweitens produziert man Arbeitslose, die nichts Vernünftiges gelernt haben. Besser wäre da die von Boulez vorgeschlagene Opernsprengung, vielleicht während einer Generalprobe, da entsorgt man noch ein paar nicht vermittelbare Maskenbildnerinnen und Oboisten mit. Nein, das ist zu zynisch. Kaputttsparen ist immer noch das Beste. Wenn ein Orchester auf 30 Personen geschrumpft ist, kann es nur noch Mozart spielen. Dann bleiben Besucher, die keine Wiener Klassik mögen, aber in alle Vorstellungen einer Philipp Glass-Produktion gehen, weg. (Die gibt es wirklich!)
Aber warum muss man etwas dagegen tun? Deutschland könnte mit seinem Geld auch viel törichtere Dinge anstellen: Raumstationen, riesige Armee, Atomwaffen. Es könnte die Staatsbeamten schon mit 55 in Pension schicken oder jedem dieser Beamten einen Elefanten schenken. So unsinnig ist es nicht, etwas für die Kultur zu tun.
Deutschland hat die grösste Theaterdichte der Welt. Und das ist gut so.