Dienstag, 31. August 2021

Special Fragen (5): Stellt keine Fragen, auf die wir lügen müssen!

Wir haben gelernt, dass bestimmte Dinge sehr unhöflich sind: Furzen, Rülpsen, explosionsartiges Niesen, donnerndes Husten, Reden mit vollem Mund usw.
Was aber die wenigsten begriffen haben, ist, dass auch die Reaktion auf oder das Auslösen von solchen Dingen sehr unhöflich ist.

Beispiele?

Stellen Sie sich vor, bei Ihrem Stehempfang lässt einer der Gäste einen fahren, und zwar richtig laut und richtig stinkend, was tun Sie? Sie tun gar nichts. Zur Etikette gehört, dass man solche Fauxpas einfach ignoriert, und zwar vollständig und komplett. Stellen Sie sich vor, beim Galadiner entfährt der Dame gegenüber ihre Luft in die andere Richtung, so im Sinne von „Hoppla, sprach das Kotelett, da bin ich wieder!“ – was tun Sie in diesem Fall? Das Gleiche. Nix.

Umgekehrt ist es natürlich auch unhöflich, Verhalten auszulösen, das dann wieder unhöflich ist. Wenn Sie mit jemandem vor einem alten Bücherregal stehen, dann ziehen Sie bitte kein Buch heraus und blasen den Staub weg. Der andere wird heftig, widerlich und stark, wird elefantig und explosionsartig niesen.
Und wenn Ihr Gegenüber sich gerade Fleisch, Gemüse und Nudeln in den Mund gestopft hat, dann sprechen Sie es nicht an, sonst bringen Sie es dazu, mit vollem Mund so etwas wie „knnnjetzetnchhchschprchn“ hervorzubringen.

Wir haben gelernt, dass bestimmte Dinge sehr unhöflich sind: Furzen, Rülpsen, explosionsartiges Niesen, donnerndes Husten, Reden mit vollem Mund usw.
Was aber die wenigsten begriffen haben, ist, dass auch die Reaktion auf oder das Auslösen von solchen Dingen sehr unhöflich ist.

Auch Lügen ist unhöflich. Sehr sogar.
Dann ist es aber auch unhöflich, Fragen zu stellen, auf die wir lügen müssen.

Nehmen wir nur einmal die Buchfrage: Immer wieder werde ich gefragt, was ich gerade lese. Eine Frage, auf die ich sicher keine ehrliche Antwort gebe. Keine ehrliche Antwort, denn meine Leseliste enthält sowohl literarisch hochstehende als auch zweifelhafte Bücher, sowie einige Romane, die irgendwo dazwischenstehen. Wenn nun mein aktuelles Buch ein Krimi von Ingrid Noll ist, das Buch davor eine Erzählung von Anette Pehnt und das Buch vor der Pehnt ein Roman von Heinrich Mann, was werde ich nehmen? Sicher nicht Noll, ich werde zwischen Pehnt und Mann schwanken, und wahrscheinlich dann den Heinrich wählen.
Ganz sicher, totsicher, tötestsicher werde ich niemals ehrlich sagen, was ich gerade lese.

Aber wir müssen gar nicht so weit gehen. Schon die Frage nach dem Ergehen, nach dem Befinden, dem Wohlbefinden, nach dem Zustand von Leib und Seele, die berühmte Frage „Wie geht es?“ zwingt einen ja meistens zum Lügen. Denn schon die Frage enthält ja eine Lüge, nämlich die Lüge, dass es den anderen interessiert. Also sagen wir „gut“, auch wenn das ja so in der Regel nicht stimmt.

Seit wir mit dem Handy zugange sind, wissen wir nicht mehr genau, in welcher Situation und an welchem Ort wir den anderen oder die andere antreffen. Früher war das klar: Wir wussten oft, wo das Telefon in der anderen Wohnung stand, und konnten uns alles vorstellen: Die andere Person sass auf dem grünen (dem blauen, dem roten) Sessel und hatte auf dem Tischchen daneben einen Drink (Zigaretten und Aschenbecher, Schokolade etc.) parat.
Heute ist das alles schwieriger und deshalb stellen wir dem oder der anderen zwei Fragen:
„Wo bist du?“
„Was machst du gerade?“

Und damit wird die andere Person natürlich extrem oft zum Lügen gezwungen. Und ich gehe jetzt gar nicht von der ganz obszönen Variante aus, bei der wir sagen müssten: „Ich bin gerade im Chez Paola und lasse mir von Lola die Brust lecken.“ Nein, es gibt viele Orte und viele Tätigkeiten, bei denen wir lügen müssten:
Wenn wir uns im Wellnessbad räkeln und das warme Wasser geniessen, obwohl wir den ganzen vorigen Tag gejammert haben, wir „hätten so viel zu tun“.
Wenn wir ständig bei BURGER KING® sitzen und Whopper und Pommes in uns hineinstopfen, obwohl alle uns als Gesunde-Ernährung-Apostel kennen.
Wenn wir im Solarium sind, obwohl wir immer behaupten, dass unsere Bräune echt sei…

Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen.

Wir haben gelernt, dass bestimmte Dinge sehr unhöflich sind: Furzen, Rülpsen, explosionsartiges Niesen, donnerndes Husten, Reden mit vollem Mund usw.
Was aber die wenigsten begriffen haben, ist, dass auch die Reaktion auf oder das Auslösen von solchen Dingen sehr unhöflich ist.
Auch Lügen ist unhöflich. Sehr sogar.
Dann ist es aber auch unhöflich, Fragen zu stellen, auf die wir lügen müssen.

Hat Ihnen der Post gefallen?
Nein, dass ist nicht unhöflich, ALLEN gefällt JEDER Post von mir, also muss auch niemand lügen.





 

 

 

Freitag, 27. August 2021

Special Fragen (4): Die ersten Fragen der Menschheit

In der Genesis (ich meine das erste Buch Moses, nicht die Popgruppe) beginnt das Fragen mit dem Auftritt des Menschen.

Denn in den ersten Versen wird nicht gefragt, da wird befohlen. Der HERR fragt nicht: „Könnte es vielleicht Licht werden?“, nein er donnert: „Fiat Lux!“, „Es werde Licht!“. Der HERR befragt auch nicht Land und Wasser, Licht und Dunkelheit, ob diese eventuell Lust hätten sich zu trennen, nein der HERR trennt einfach Land und Meer und Tag und Nacht. Er fragt auch nicht die Fische und Vögel, die Landtiere und Insekten, ob es ihnen Spass machen würde zu entstehen. Er ERSCHAFFT. Und er fragt natürlich ebenfalls nicht, ob jemand eine Pause braucht, ER ruht am siebten Tag und alle ruhen.

Und dann kommt der Mensch.
Und das Fragen geht los.

Und mit dem Fragen kommen die dummen Antworten, und in diesen ersten Kapiteln der Genesis (ich meine das erste Buch Moses, nicht die Popgruppe) haben wir schon die ganze Palette von blöden und ungeschickten Antworten parat.

«Ich wollte Kekse aus dem Regal holen», sagt Fritz, der so ungeschickt vom Küchenstuhl gefallen ist, dass er mehrere Teller mitgerissen und die Suppenschüssel auf dem Boden verteilt hat, aber mit dieser Ausrede bringt er sich noch mehr in Schwierigkeiten. Woher er denn wisse, dass dort Kekse seien und ob sie ihm erlaubt habe, dort Kekse zu holen, so fragt die Mutter streng.

Diese Story ist so alt wie die Menschheit.
«Wo bist du, Adam?», fragt der HERR und dieser verwickelt sich in Probleme. Er sei nackt, und da habe er sich versteckt. Dabei kann Adam ja gar nicht WISSEN, dass er nackt ist, es sei denn…, es sei denn…, ja, es sei denn er hat genau das getan, was ihm streng verboten war, nämlich vom Baum der Erkenntnis zu essen.

«Das war Marcos Idee», sagt Finn, als der Lehrer ihn fragt, warum er (mit Marco zusammen) ein Glas Konfitüre auf der Tafel verteilt habe. Abgesehen davon, dass Marco wahrscheinlich behaupten würde, dass es Finns Idee gewesen sei, stellt sich immer noch die Frage: Warum hat der andere mitgemacht? Es wird immer so getan, als ob man keine andere Wahl gehabt habe, diesen oder jenen Unsinn mitzumachen. Man könnte ja schlicht und einfach, trocken und simpel nein sagen…

Auch diese Story ist so alt wie die Menschheit.
Als der HERR fragt, warum von diesem einen Baum gegessen worden sei, schliesslich sei ja der Verzehr von ALLEN Früchten von ALLEN Bäumen und von ALLEN Sträuchern gestattet gewesen, nur eben von diesem einen nicht, da passiert genau das wie bei Marco und Finn 8000 Jahre später:
Adam schiebt es auf Eva, sie habe ihm die Frucht gereicht und da habe er halt gegessen.
Eva schiebt es auf die Schlange, sie habe sie überredet.
Die eine Frage, die auch hier nicht gestellt wird, ist die, warum sich Eva so leicht und locker von der Schlange überreden liess und nicht schlicht und einfach, trocken und simpel nein sagte. Die andere Frage, die auch nicht auftaucht, ist die, warum Adam einfach macht, was Eva sagt. Hätte zum Beispiel Eva ihn aufgefordert, in die Schlange zu beissen, hätte er das auch getan?

Neben dem Sich-in-Ausreden-verwickeln und dem Auf-andere-schieben ist noch die totale Ahnungslosigkeit eine mögliche Haltung, eine mögliche Reaktion auf Fragen. Wir kennen das aus den SOKOs, aus dem Tatort und den anderen Krimis. Und in den SOKOs, dem Tatort und den anderen Krimis gibt es immer wieder die gleichen Verhörsituationen:
Margot war zur Tatzeit in dem kleinen Park, hat aber vom Mord nichts gemerkt. Angesichts der wirklich winzigen Grösse der Grünanlage und der Tatsache, dass das Opfer bei 18 Messerstichen ja geschrien haben muss, ist diese Ahnungslosigkeit verdächtig.
Karl hat den Mann auf dem Foto nie gesehen. Merkwürdig, denn Karl wohnt seit 10 Jahren Benefizstrasse 30, der Mann auf dem Foto arbeitet seit 9 Jahren in dem Blumengeschäft Benefizstrasse 32, und auch wenn Karl sich nie Blumen kauft, irgendwann müssen die beiden sich doch einmal begegnet sein, wenn beide gingen oder kamen und der eine ging und der andere kam.

Auch diese Story…
Sie ahnen es: Sie ist so alt wie die Menschheit.
«Wo ist dein Bruder Abel?», fragt der HERR und Kain gibt die freche Antwort: «Soll ich meines Bruders Hüter sein?» Was so viel heisst wie: Ich habe keinen blassen Schimmer, ich habe keine Ahnung, wo er steckt, und überhaupt ist das auch nicht meine Aufgabe und mein Ressort. Dabei weiss Kain natürlich ganz genau, wo sein Bruder ist, immerhin hat er ihn erschlagen.

In der Genesis (ich meine das erste Buch Moses, nicht die Popgruppe) beginnt das Fragen mit dem Auftritt des Menschen.
Dem Licht und der Dunkelheit, dem Wasser und dem Land, den Pflanzen und den Tieren hat der HERR befohlen, sie hat er nicht gefragt, das Fragen kommt mit dem Menschen. Und mit dem Fragen kommen die dummen Antworten, und in diesen ersten Kapiteln der Genesis (ich meine das erste Buch Moses, nicht die Popgruppe) haben wir schon die ganze Palette von blöden und ungeschickten Antworten parat.
Die Verstrickung in Lüge, das Schieben auf andere, die vorgespielte Ahnungslosigkeit, sie sind so alt wie die Menschheit.





Dienstag, 24. August 2021

Special Fragen (3): Gute-Frage.net. Gute Frage?

Wir sind ja inzwischen viel im Internet unterwegs. Und da ist es sehr hilfreich, wenn die Namen der Pages ungefähr das spiegeln, was drauf ist. So ist es zum Beispiel praktisch, wenn eine Seite www.hotel-ich-finden.de auch wirklich Hotels anbietet. Oder wenn www.blumen-tipps.ch auch wirklich Tipps für Pflanzen und Garten bringt. Es ist praktisch, wenn www.konzertkkarten.com auch wirklich Konzertkarten anbietet und wenn www.mein-h-aus-tier.de auch echte Informationen zu Haustieren bringt.
Demnach müsste die legendäre Domain „Gute-Frage.net“ auch gute Fragen bringen. Ist aber nicht so. Diese Homepage ist ein Kompendium menschlicher Dummheit, ein Ort von Realsatire.

Wollen Sie ein Beispiel?

Da fragt einer:
Wie kann man möglichst viel essen? Ich werde morgen an einem Wettessen teilnehmen, Tipps wären nett.

Und bekommt die eine Antwort (die, die er dann als hilfreich kennzeichnet)
Ich habe mal gehört, man soll vorher im Laufe des Tages, viel trinken, weil man damit den Magen schon mal vordehnen kann. Ansonsten ist es glaube ich bei so was gut, so schnell wie möglich so viel wie möglich in sich reinzustopfen, bevor das Sättigungsgefühl einsetzt. aber da gibt es bestimmt YouTube Anleitungen zu.

Und die zweite Antwort:
Man kanns einen MAgen Trainieren, indem man versucht so viel Wasser zu trinken wie möglich, aber gesund ist das ganze nicht…auch wettessen ist nicht gerade gesund. (wir haben als Kinder schnell gegessen um möglichst viel hineinzubekommen = Sättigunggefühl tritt später ein)

Dabei gäbe es nur eine richtige Antwort:
LASS ES BLEIBEN!

Das habe ich jetzt nicht erfunden, Ehrenwort, es gibt aber auch umgekehrt Fragen betreffs des Loswerdens von zu viel Ware vom Burger King® oder McDonalds®, also Ware, die sich schon im Magen befindet, nach dem Motto „Wie kotzt man am besten?“

Zwei grosse Themenbereiche sind die Haustierhaltung und die Kunst. Da hat jemand ein verletztes Vögelchen gefunden, oder ein verletztes Eichhörnchen und findet es so süss, dass er oder sie fragt, ob man solche Tiere im Käfig halten darf. Nun, Gesetze sind das eine aber Gespür ist das andere, warum merkt man da nicht, dass ein Eichhörnchen einen ganzen Wald braucht, um sich auszutoben – Ais, Zweifingerfaultiere, sehen in dem ganzen Hörnchenkram sicher Fälle von ADHS – und dass Vögel fliegen wollen, ist am Anfang des Schellenursli zwischen Eltern und Flurina ja genug diskutiert worden.
Bei der Kunst läuft es auch immer gleich, er oder sie hat ein Ölbild gefunden, natürlich erkennt jemand den Maler und macht Hoffnung auf mehrere tausend Euro, vergessend, dass ein Maler, der vor 50 Jahren eine Ausstellung im Kunstverein Hamburg hatte und seitdem nicht mehr rezipiert wird, keinen Pfifferling wert ist.

Ganz heikel wird es bei ironischen Antworten, da muss man nämlich Ironie verstehen. Wenn also jemand auf die Fress-Frage antwortet: «Vorher Salzsäure trinken», dann sollte man das nicht ernst nehmen. Wenn jemand auf die Haustierfrage antwortet: «Eichhörnchen fühlen sich bei Vipern in Terrarien wohl», dann sollte man das auch nicht so machen. Und der Vorschlag mit dem Ölbild zum MOMA zu fahren, weil die geschenkt alles nehmen, ist auch nicht ernst gemeint.

Dieses Vorsicht-vor-Ironie gilt natürlich auch im grössten Bereich der Fragen, der sich um Länge und Grösse des … (na, was wohl?) dreht:
Sind 18 cm genug?
Wie bekomme ich ihn 4 cm länger?
Meine Freundin findet 17 cm zu kurz. Was soll ich tun?
Ein Freund von mir ist gay und benutzt so eine Pumpe. Nutzt die was?
usw.
usw.
Man fragt sich schon, ob die Leute keine anderen Sorgen haben. Aber wahrscheinlich haben sie wirklich keine anderen Probleme.

Heikel sind nun die Antworten, und man kann nur hoffen, dass die Frager Ironie verstehen. Aber haben Menschen – nein, sagen wir ehrlich: Männer – die ihr Gehirn im Penis haben und somit auch nur einen IQ von 50, Verständnis für Ironie?
«Schwanz umwickeln und 5 Min damit an die Decke hängen.» Man kann nur hoffen, dass das nicht gemacht wird. Denn die Website übernimmt keine Gewähr.

Wir sind viel im Netz unterwegs. Und da ist es hilfreich, wenn die Namen der Sites ungefähr das spiegeln, was drauf ist. So ist es praktisch, wenn eine Seite www.hotel-ich-finden.de auch wirklich Hotels anbietet. Oder wenn www.blumen-tipps.ch auch wirklich Tipps für Pflanzen und Garten bringt.
Demnach müsste die legendäre Domain „Gute-Frage.net“ auch gute Fragen bringen. 

Sie müsste aber in «Schlechte-Frage.net» umbenannt werden.















Freitag, 20. August 2021

Special Fragen (2): Die Gretchenfrage

Eine Gretchenfrage. Was ist das eigentlich? (auch das schon wieder eine Frage, die Frage nach der Gretchenfrage, also sozusagen die Gretchenfragefrage…)

Wikipedia hat – wie immer oder meistens oder vielleicht auch nur oft – eine Antwort parat:
Gretchenfrage bezeichnet als Gattungsbegriff eine direkte, an den Kern eines Problems gehende Frage, die die Absichten und die Gesinnung des Gefragten aufdecken soll. Sie ist dem Gefragten meistens unangenehm, da sie ihn zu einem Bekenntnis bewegen soll, das er bisher nicht abgegeben hat.

Der Begriff hat eine ziemliche Erweiterung erfahren, denn in der eigentlichen Gretchenfrage geht es um eine einzige Sache:

„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.“

Faust eiert dann ein wenig herum, kommt mit pantheistischem-holistischem Gerede, schwafelt und blabbert, philosophiert und theologisiert, in der Hoffnung, Gretchen verstehe nicht alles, was ja auch der Fall ist, sie aber wischt alles weg, meint, ihre Pfaffen würden das so ähnlich sagen, und nennt dann ihren heiklen Punkt:
Der Mann an Faustens Seite gefällt ihr nicht.
Und damit trifft die gute Margarete auf eine Weise ins Schwarze, die Bewunderung hervorruft. Denn dieser Mann ist ja nicht einfach ein Ungläubiger oder Atheist, ein Ketzer oder Lästerer, er ist der Teufel…

Wie würde aber heute eine Gretchenfrage gestellt? Und in welchem Umfeld? Würde sie angesichts von Skandalen und Eklats, von Multifinanz und Pädophilie, angesichts von Aktionen wie Maria 2.0, die im Sande verebben und Kardinälen, die nicht mehr wollen, angesichts des ganzen Ausmasses an Mist, angesichts des Augiasstalles, der nicht nur den Tiber, sondern auch Rhein, Donau und Ebro bräuchte, und selbst Tiber, Rhein, Donau und Ebro hätten Mühe, nicht lauten:

„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst zu viel davon.“

Und natürlich hiesse die Fragestellerin nicht Gretchen, sondern Hella oder Maya, hiesse Anke oder Pepa und natürlich wäre der Angesprochene auch kein Johann Georg, sondern allenfalls ein Johan-Gregor, aber vielleicht auch ein Malte-Marco, ein Finn-Falk oder Antanael-Ario. Und natürlich würde Johan-Gregor, Malte-Marco, Finn-Falk oder Antanael-Ario nicht die Theologie pantheistisch umschreiben, er würde aber auch schwafeln und blabbern, er würde stammeln und plappern und angesichts von Skandalen und Eklats, von Multifinanz und Pädophilie, angesichts von Aktionen wie Maria 2.0, die im Sande verebben und Kardinälen, die nicht mehr wollen, angesichts des ganzen Ausmasses an Mist, angesichts des Augiasstalles, der nicht nur den Tiber, sondern auch Rhein, Donau und Ebro bräuchte, den REFORMWILLEN der katholischen Kirche hervorheben.
Wie gesagt:
Den REFORMWILLEN.
Nicht etwa die konkreten REFORMBEMÜHUNGEN.
Oder gar REFORMERFOLGE.

Und nun käme Hella oder Maya Anke oder Pepa auf den heiklen Punkt: Johan-Gregor, Malte-Marco, Finn-Falk oder Antanael-Ario hat einen Freund, wir nennen ihn mal Hilarius-Vitus. Und jener Hilarius-Vitus ist nicht nur schon im Studium des Priesteramtes, er hat seine Fühler auch schon ganz kräftig nach Rom ausgestreckt, da ist das Ziel nicht mehr nur die Dorfpfarrei, sondern ganz, ganz, ganz, ganz oben. Und da muss er natürlich schauen, dass dieses Oben in zwanzig Jahren noch existiert und nicht irgendwelche 2.0-Weiber oder durchgeknallte Kardinäle ihm alles kaputtgemacht haben.
Und das ist dann «der Mann an deiner Seite», der das heutigen Gretchen so stört.

Nein, stellen wir die Gretchenfrage neu.
Hiess sie vor 100 Jahren: «Du glaubst doch an Gott?» heisst sie heute meist: «Du glaubst doch nicht etwa an Gott?»
Hiess sie vor 100 Jahren: «Du gehst doch in die Kirche?» heisst sie heute meist: «Du gehst doch nicht etwa in die Kirche?»
Hiess sie vor 100 Jahren: «Du liest doch die Bibel?» heisst sie heute meist: «Du liest doch nicht etwa die Bibel?» (Wobei man – auf Empfehlung des Atheisten Brechts – ja die Bibel lesen sollte, aber das ist eine andere Geschichte.)

„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst zu viel davon.“

Das wird die Gretchenfrage des 21. Jahrhunderts.



















Dienstag, 17. August 2021

Special Fragen (1): Editorial

Warum ein Special über Fragen? Das fragen Sie sich. Sie fragen sich, ob es nötig und wichtig ist, ein Special über Fragen zu machen. Aber da sehen Sie es schon: Sie fragen sich. Und damit beisst sich die Katze in den Schwanz. Sie haben Ihre Frage damit schon beantwortet.
Es ist also durchaus sinnvoll, ein Special über Fragen zu machen.
Denn Ihr ganzes Leben baut ja auf Fragen auf.
Fragen über Fragen – wie man so schön sagt.
Sie glauben mir nicht? (Und das ist ja auch schon wieder eine Frage…)

Sehen Sie, Sie sind irgendwie entstanden. (Wenn Sie kein Roboter sind, ich prüfe das ja nicht nach.)

Und wenn Ihre Entstehung bürgerlich-traditionell war, dann hat Ihr Vater zunächst Ihre Mutter gefragt, ob Sie seine Frau werden will, vielleicht sogar noch so richtig auf die kitschige, die Rosamunde-Pilcher-Weise, mit Rosen und Ring und Hinknien, und weil Rosen und Ring und Hinknien so wunderbar waren, hat Ihre Mutter ja gesagt, und dann wurde natürlich Papa gefragt, hier selbstverständlich ohne Rosen (eventuell für die Schwiegermutter in spe) und ohne Ring und Hinknien, und es wurde auch hier ja gesagt.
Und dann ging es ins Standesamt. Und was wurde dort getan? Gefragt.
Und dann noch einmal in die Kirche. Und was wurde dort getan? Gefragt.
Die Frage mit den «guten und schlechten Tagen» und dem «bis dass der Tod euch scheidet». Und das Tückische an diesen Formulierungen ist ja, dass man dann natürlich ja sagt, man sagt ja, obwohl man die Faktoren gar nicht kennt. Es könnten ja die vier Varianten a) viele gute Tage / später Tod b) viele gute Tage / früher Tod c) wenig gute Tage / früher Tod und d) wenig gute Tage / später Tod auftreten, die man sich nicht aussuchen kann…

Vielleicht war Ihre Entstehung aber auch ganz untraditionell. Vielleicht wurde da bald nach «your place or my place» gefragt, «zu mir oder zu dir», und vielleicht wurde dann noch gefragt, ob man es wagen könne… Ja, und das Ergebnis des Wagnisses war dann da, und die Frage, ob es bleiben dürfe, wurde klar bejaht.

Wie dem auch sei, Sie sind entstanden, und ihr weiterer Lebensweg war dann auch mit Fragen gepflastert.
Sie glauben mir wieder nicht? – und wieder das eine Frage.
Sie haben doch sicher irgendeine Schulbildung genossen. Nehme ich mal an. Und Ihre Noten werden durch Fragen zustande gekommen sein.
Was ist drei mal vier?
Wie schreibt man «Wasserstrasse»? (für Eidgenossen eine leichte Frage…)
Wie heisst die Hauptstadt von Frankreich?
Dann teilen sich die Möglichkeiten, wenn Sie Abitur gemacht haben, blieben die Fragen ähnlich, waren aber nur schwieriger:
Was ist der fünfzehnte Logarithmus von 3,4?
Welche Rolle spielten die Wasserstrassen im Roman des 19. Jahrhunderts?
Wie hiess die Hauptstadt des Vandalenreiches?
Aber auch wenn Sie eine Lehre gemacht haben, dann kamen Sie in der Abschlussprüfung um Fragen nicht herum.

Und dann die Bewerbung, egal als was. Auch nix als Fragen.
«Wieso haben Sie sich gerade für unser Unternehmen entschieden?» (Weil nix anderes frei ist, aber das darf man jetzt so nicht sagen.)
«Was reizt Sie an der Aufgabe als…?» (Viel Kohle und wenig Arbeit, aber das darf man jetzt so nicht sagen.)
«Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?» (Auf deinem Posten, aber das darf man jetzt so nicht sagen.)

Sie sehen also: Das ganze Leben ist ein Fragen. Und jetzt macht auch für Sie ein Special über Fragen Sinn.
Wir werden uns also in den kommenden Wochen mit folgenden Themen beschäftigten (vielleicht nicht genau in der Reihenfolge):
Die Gretchenfrage und warum sie heute genau umgekehrt gestellt wird.
Warum es unhöflich ist zu fragen, wenn der andere lügen muss.
Warum der Titel «gute-Frage» totaler Quatsch ist.
Die ersten Fragen im Paradies und die daraus resultierenden beiden Ur-Ausreden.
ENTHÜLLUNG: Die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest ist nicht 42!
und eventuell gibt es noch mehr, das ist noch – ja was wohl? – FRAGlich.

Freuen Sie sich also auf viele nette Posts. Und das ist keine Frage, das ist ein Befehl.