Dienstag, 29. Juni 2021

Wer soll das bezahlen?


Die Vorstellung der Wahlprogramme in den Nachrichten im Fernsehen wird dieses Jahr als fröhliche Karnevalsveranstaltung im heute-Journal inszeniert: Marietta Slomka, Bettina Schausten, Kay-Sölve Richter und Gundula Gause, Christian Sievers, Claus Kleber und Heinz Wolf sitzen zusammen im mit Luftschlangen übersäten Studio, trinken Sekt und haben dicke Pappnasen auf. Sie schauen sich die aus Berlin eingeblendeten Beiträge an.

Beitrag von der Pressekonferenz der CDU: Steuersenkungen, Mütterrente für alle, Wirtschaftshilfen für Sonnenenergiefirmen und Abschaffungen der Autobahnmaut

Beitrag von der Pressekonferenz der SPD: Mütter-, Väter und Grossmütterrente, Ausbau des ÖV, Mindestlohn von 25.-- und Abschaffung der Hundesteuer

Marietta Slomka, Bettina Schausten, Kay-Sölve Richter und Gundula Gause, Christian Sievers, Claus Kleber und Heinz Wolf haken sich unter und schunkeln und singen:

Wer soll das bezahlen?
Wer hat das bestellt?
Wer hat so viel Pinke, Pinke?
Wer hat so viel Geld?

Beitrag von der Pressekonferenz der FDP: Steuersenkungen für alle Unternehmen, Abschaffung der MwSt. für Hotels, Ausbau der Autobahnen in Ostwestrichtung, Sicherung der Rente für Tierpfleger.

Beitrag von der Pressekonferenz der GRÜNEN: Veganes Gratisessen an allen Schulen, Väter-, Mütter- und Kinderrente, Förderung der Erforschung der Energiegewinnung durch Verdauungskraft, Gratis-ÖV in allen Grossstädten.

Marietta Slomka, Bettina Schausten, Kay-Sölve Richter und Gundula Gause, Christian Sievers, Claus Kleber und Heinz Wolf haken sich unter und schunkeln und singen:

Mutter, der Mann mit dem Wahlgeschenk ist da!
Aber mein Junge, das wees ik ja!
Ich hab` kein Geld,
du hast kein Geld.
Wer hat den Mann mit dem Wahlgeschenk bestellt?

Beitrag von der Pressekonferenz der AfD: Bau einer Mauer rund um Deutschland, Steuerbefreiung aller Deutschen, die schon deutsche Grosseltern hatten, Ausbau der Autobahnen und Aufstockung der Sozialhilfe.

Beitrag von der Pressekonferenz der LINKEN: Mütter-, Väter und Grossmütter- und Grossväterrente, Gratisstudium, Gratis-Kita, Gratisleben

Marietta Slomka, Bettina Schausten, Kay-Sölve Richter und Gundula Gause, Christian Sievers, Claus Kleber und Heinz Wolf haken sich unter und schunkeln und singen:

Wenn das Wasser der Spree reines Gold wär`
Ja, dann möchte ich ein MdB sein…

Aber jetzt mal im Ernst:
Eigentlich hatten wir ja Corona, eigentlich haben wir 2020 schon ziemlich viel Geld ausgegeben, eigentlich haben wir aber auch eine Schuldenbremse, das heisst irgendwann sollte eine Null bei der Neuverschuldung stehen. Wie wollen die Parteien das bezahlen?
Gut, das war immer schon die Taktik: Vor der Wahl versprechen, und nach der Wahl ist kein Geld da, aber man versuchte doch immerhin noch, vor der Wahl irgendwie von einer Gegenfinanzierung zu reden.
Jetzt aber – das ist neu:
Söder redet ganz frech davon, dass man erst einmal tausend Dinge fordert, und dann muss man ja eh noch Koalitionsverhandlungen führen, und dann: «Schaun wir mal.»
«Schaun wir mal»?
Das ist sehr, sehr dreist.

Dabei gäbe es wirklich Finanzierungsmöglichkeiten, davon im nächsten Post.

Die Vorstellung der Wahlprogramme in den Nachrichten im Fernsehen wird dieses Jahr als fröhliche Karnevalsveranstaltung im heute-Journal inszeniert: Marietta Slomka, Bettina Schausten, Kay-Sölve Richter und Gundula Gause, Christian Sievers, Claus Kleber und Heinz Wolf sitzen zusammen im mit Luftschlangen übersäten Studio, trinken Sekt und haben dicke Pappnasen auf, sie schauen sich die aus Berlin eingeblendeten Beiträge an und singen: «Wer soll das bezahlen?»





 

 

 

 

 

 

Freitag, 25. Juni 2021

Ist Multiple Choice einfach?

Ich sitze über einem Test für meinen Lieblingsschüler Sajin. Sajin hat in den letzten Wochen mit mir Misery von Stephen King in einer Reader-Ausgabe gelesen und muss nun zeigen, was er von dem Roman behalten hat. Ich mache ein Matching (Zuordnen) mit 10 Punkten, ein Multiple Choice mit 10 Punkten und ein True/false mit 10 Punkten. Man beachte hier übrigens, dass im Englischtest natürlich schon das Verstehen der Frage die Aufgabe ist. Dennoch rümpft meine Freundin Anne, die mir beim Schreiben über die Schulter schaut, die Nase: „Multiple Choice? Du machst Multiple Choice? Und Matching? Und True/False? Das ist doch alles viel zu einfach.“

Anne ist Germanistin und so stelle ich sie spontan auf die Probe: „Ach, zu einfach? Ok. Dann machen wir das doch mal mit dir:
„In welchem Roman gibt es eine Figur namens Meta Nackedey?“
Anne grinst über das ganze Gesicht, wahrscheinlich war die Frage doch zu einfach. Aber ich fahre fort:
a) Der Zauberberg b) Felix Krull c) Die Buddenbrooks d) Doktor Faustus
Ich habe selten ein Lächeln so in den Keller rasen sehen. Im Film Terms of Endearment fällt Shirley MacLaine das Gesicht hinunter, als sie ihren Lover (Jack Nicholson) verabschiedet und ihr Enkel, aus dem Auto steigend, „Grandma! Grandma!“ brüllt. Anne toppt hier Shirley beinahe. (Beiseite: das war übrigens jener Film, für den die MacLaine ENDLICH ihren Oscar kriegte und die berühmten Worte „I earned it!“ sprach…)
„Ok“, sage ich, „Ok, du hattest natürlich gehofft, dass ich dir so etwas wie
a) Gruppenbild mit Dame b) Die Blechtrommel c) Kleiner Mann, was nun d) Doktor Faustus
präsentieren würde. DANN wäre nämlich alles klar gewesen, DANN hättest du es gewusst, denn dass es Thomas Mann ist, war dir klar, aber wenn ich NUR Mann-Texte aufzähle, dann kommst du ins Schleudern.“ Anne denkt 15 Minuten angestrengt nach. Dann verkündet sie triumphierend: „Die Klavierlehrerin! Klavierlehrerin, ein verhuschtes, ewig errötendes Geschöpf in den Dreißigern, mit Zwicker und blinzelnden Augen, hat einmal ihre Hemmungen überwunden und den verehrten Komponisten in der Münchner Strassenbahn angesprochen.»
«Gut», sage ich, «gut, aber mal ehrlich: War das EINFACH?»

Wir müssen – so glaube ich – Abschied nehmen von der Vorstellung, was einfach und was schwierig ist. Wenn Multiple Choice so einfach, so kinderleicht, so pipifaxmässig wäre, warum würden dann Mediziner beim Physikum damit geprüft? Nein, es kommt immer auf die Ausführung einer solchen Aufgabe an.

In meinem Examen der Klassischen Philologie des Lateinischen zur Erlangung der Gymnasialen Lehrbefähigung mit Kleiner Fakultas kam ein Cicero-Text dran. (Zur Erklärung: Examen der Klassischen Philologie des Lateinischen zur Erlangung der Gymnasialen Lehrbefähigung mit Kleiner Fakultas heisst, dass ich zur Schulmusik ein Zweitfach studiert habe und dann mit dem Examen der Klassischen Philologie des Lateinischen zur Erlangung der Gymnasialen Lehrbefähigung mit Kleiner Fakultas bis zur 10. Klasse hätte unterrichten dürfen können, aber dann kam ja alles anders – das gibt auch einmal einen Post…)
Jedenfalls: Der Cicero-Text. Als mein Prüfer einem Kollegen gegenüber erwähnte, er habe einen Cicerobrief genommen, da bekam er zu hören, nun müsse er aber entsprechend scharf korrigieren, wenn er schon so einfache Texte wähle. Mein Prüfer zeigte dann die Stelle und der Kollege musste schlucken…
Der Text war hammerschwer.
Und wenn mein Prüfer nicht Milde hätte walten lassen, dann wären wir alle durchgefallen, und wir hätten ausser dem Frust Spott und Schande gehabt, denn an einem Cicero zu scheitern ist in den Augen der Allgemeinheit so, wie als Nationalmannschaft 0:4 gegen San Marino zu verlieren oder es nicht zu schaffen, ein Essen mit Nudeln und Fertigpesto zu fabrizieren.

Nein.
Wir müssen immer neu nachdenken, was eine schwere und eine leichte Aufgabe ist.

Ist das Lehramt in Offenbach-Nord oder in Schlangenbad (Taunus) eine schwerere Aufgabe? In Offenbach-Nord haben Sie es mit unmöglichen, renitenten und gemeinen Schülerinnen und Schülern zu tun, in Schlangenbad (Villenort) mit unmöglichen, renitenten und gemeinen Eltern. Was wollen Sie lieber hören: «Isch mach disch kald!» oder «Ich habe einen guten Anwalt!»? Sehen Sie.

Was ist die schwerere Arie: «Ach, ich fühl`s» oder «Un bel dì, vendremo»? Jeder oder jede wird natürlich sagen, Puccini sei schwerer als Mozart, aber wenn dem so wäre, warum ist dann das Probestück für Profichöre «Ach, ich fühl`s» und nicht «Un bel dì, vendremo»?

Und was ist in den letzten Kriegstagen eine einfache Aufgabe für ein paar unerfahrene Teenies? Sicher das Bewachen einer Brücke. Was das für ein Trugschluss ist, hat Wicky in seinem phänomenalen Film Die Brücke dargestellt.

Sajin hat übrigens in dem Test über Misery Bestnote erzielt. Und zwar nicht, weil alles zu einfach war. Sondern weil er gut ist.

Hier noch eine (sauschwere) Aufgabe für Kenner meiner Person: Wo bin ich geboren?
a) Stuttgart-Nord b) Stuttgart-Ost c) Stuttgart-Süd d) Stuttgart-West





 

Dienstag, 22. Juni 2021

Geschmack und Geld

Benny von Frommli, bei dem ich neulich eingeladen war, ist ein Mann mit Stil.

Wenn man seine Wohnung betritt, sieht man sofort: Hier wohnt jemand mit Geschmack, da kauft jemand seine Möbel nicht bei IKEA oder im Warenhaus, im Billigcenter oder im Riesenwohnramschladen, nein, hier finden sich Stücke aus edelsten Designgeschäften, wenn nicht gleich direkt bei Vitra Design bestellt wurde. Hier stehen der Panton-Stuhl und das Corbusier-Sofa und das Saarinen-Regal.
Im Saarinen-Regal findet man dann die edelsten Bücher: Suhrkamp, Suhrkamp, Suhrkamp, Fischer, Kiepenheuer, Manesse, Gesamtausgaben von Kafka, Musil, Hesse und Heine, Suhrkamp und etliche halbbibliophile, bibliophile und starkbibliophile Bände.
Muss ich noch erwähnen, dass es zum Aperitif einen Château de Licouron von 1998 gibt, den man nur in sehr guten Weinhandlungen bekommt? Und zum Salat einen Château de Subitant von 1987, zum Hauptgang einen Château de Busselin von 2002 und zum Dessert einen Château de Duzene von 2001?

Beim Verabschieden lobe ich Benny aufs Höchste, ich lobe seine Wohnung, lobe Panton-Stuhl und das Corbusier-Sofa und Saarinen-Regal, ich lobe seine Bücher, Suhrkamp, Fischer, Kiepenheuer, Manesse, lobe die Gesamtausgaben von Kafka, Musil, Hesse und Heine, und die etlichen halbbibliophilen, bibliophilen und starkbibliophilen Bände. Ich lobe aber auch das (wirklich köstliche) Essen, es gab Salat mit Crevetten und Orangen, Lammgigot mit Erbsen und Gratin und eine wunderbare Mousse aus weisser Schokolade, und ich lobe den Château de Licouron von 1998,den Château de Subitant von 1987, den Château de Busselin von 2002 und den Château de Duzene von 2001.

Da spricht Benny die unglaublichen, weisen und philosophischen Worte: «Weisst du, ich habe einfach Geld, da ist es auch nicht schwierig, Geschmack zu haben. Schau doch einmal: In der Vitra kann man fast nichts falsch machen, in anderen Edelmöbelhäusern auch nicht. Bei Suhrkamp und Manesse kann man nichts falsch machen. Und bei meinem Weinhändler, der ja ausschliesslich in südfranzösischen Schlössern einkauft, kann man auch nichts falsch machen. Wer kein Geld oder weniger Geld hat und dann richtig gute Sachen findet, der hat Geschmack.»

Auf der Heimfahrt denke ich lange über Bennys Worte nach.
Und ich merke immer mehr, dass er recht hat.

Stellen Sie sich zum Beispiel Hanni vor. Hanni hat kein Geld für die Vitra, sie geht auf Flohmärkte und in Brockenstuben. Und hier zeigt sich ihr untrüglicher Geschmack. Unter 50 Schüsseln, alle um die 20.--, davon einige ganz nett und einige sehr schön und 80% potthässlich, findet sie die eine, die nicht nur so exzellent zu ihrem Tisch passt, sondern sich auch als ein Original von 1925 entpuppt. Und auch der Tisch war einst vom Flohmarkt gekommen, renoviert und vom furchtbaren grünen Lack befreit, sah man erst, dass das echtes Art Déco war…

Oder nehmen Sie einen Diogenes-Leser, nehmen Sie zum Beispiel, nehmen Sie zum Beispiel, zum Beispiel… mich. In meinem Bücherregal finden sie meterlang die weissen Buchrücken der Diogenes-Romane. Nun finden Sie in jenem Verlag – im Gegensatz zu Suhrkamp – auch sehr minderwertige Romane, amerikanische Heftchenkrimis, Familienliteratur und Unterhaltungsschmöker, aber eben auch sehr, sehr gute, ein Ian McEwan wird seit Jahren für Stockholm gehandelt, eine Amélie Nothomb ist hochdekoriert und ein Dürrenmatt gehört eben auch zum Sortiment.

Horst kauft seine Weine beim DENNER oder bei ALDI, und hier gilt das Gleiche: Ein wenig auskennen muss man sich schon, man bekommt nicht automatisch einen Spitzenwein, man muss wissen, welcher Wein etwas taugt und welcher nicht. Und hier ist es nicht einmal gesagt, dass der billigste auch der schlechteste und der teuerste der beste ist, es kann sein, dass ein Primitivo für 10,89 einen Merlot für 19,79 um Längen übertrifft.

So, und nun kommt das Schöne:

Ein Benny werden Sie vielleicht nicht mehr. Wenn Sie kein Lotto spielen, schon verheiratet sind, wenn Sie kein CEO sind und auch alle Erbschaften schon gemacht sind, dann werden Sie eventuell kein Vitrakunde-Manesseleser-Châteautrinker mehr, eben weil es für einen Vitrakunde-Manesseleser-Châteautrinker Money, Zaster, Knete braucht.

Aber: Sie können noch eine Flohmarktkundin-Diogenesleserin-DENNERtrinkerin werden. (Man beachte, wie geschickt ich hier mit den Formen umgehe, um das * zu vermeiden, mal männlich, mal weiblich…) Um eine Flohmarktkundin-Diogenesleserin-DENNERtrinkerin zu werden, brauchen Sie kein Geld, Sie brauchen vor allem Zeit, um Geschmack zu entwickeln: Ist das Kästchen da wirklich von 1910 oder ein schlechtes Imitat? Angucken! Ist McCarthy so gut wie McEwan? Lesen! Wie gut ist der Weisswein aus dem Rhonetal für sagenhafte 9,99? Probieren! Als Flohmarktkundin-Diogenesleserin-DENNERtrinkerin steht Ihnen die Welt offen, Sie müssen nur etwas tun.

Und das ist vielleicht das Problem…

Benny von Frommli, bei dem ich neulich eingeladen war, ist ein Mann mit Stil.
Aber er sagt ganz philosophisch: «Weisst du, ich habe einfach Geld, da ist es auch nicht schwierig, Geschmack zu haben.»









































 

 

Freitag, 18. Juni 2021

Suchfunktionen

Ich habe neulich über meine Kreuzworträtselsucht geschrieben, in jenem Post über verschiedene Aspekte wie fasche Definitionen und die Angabe der Richtigkeit (…der Applaus beim BLICK-Rätsel…) Während ich nun heute im Rätsel der Südschleswiger Nachrichten die Abkürzungen für Rostfreies Eisen (RFE) und Halbautomatisches Lesen (HAL) eintrage und mich tierisch darüber aufrege, denn diese Zeilen, bei denen es ja nichts zu raten gibt, könnte man ja auch einfach undefiniert lassen, überlege ich, ob ich schon über Abkürzungen geschrieben habe.

Für solche Recherche hat das Dashboard eine Suchfunktion. Und während ich nun strahlend „Abkürzungen“ in die Leiste eingebe, merke ich, dass ich mal über Suchfunktionen schreiben sollte, denn bei der Eingabe von
SUCHFUNKTION
in die Suchfunktion wird mir angezeigt, dass es keine Ergebnisse gebe.
Kann es sein, dass die Suchfunktion sich weigert, nach sich selbst zu ermitteln? So wie Dorfrichter Adam ja auch ziemlich in die Bredouille gerät, als er nach dem Zerbrecher des Kruges ermitteln muss, der er ja selbst ist… Aber ich glaube nicht, dass die Suchfunktion so denkt, ich habe wirklich noch nichts darüber geschrieben.

Also die Suchfunktion.

Toll, wenn man weiss, welches Wort man in einem Text benutzte.
Dann findet man den Text sofort, im nächsten Moment, in kürzester Kürze.
Ganz blöd, wenn man nicht mehr weiss, nach was man suchen muss.
Da weiss ich zum Beispiel, dass ich über Dichter der deutschen Romantik geschrieben habe – aber welche Poeten habe ich denn konkret erwähnt? Novalis? Fehlanzeige. Tieck? Fehlanzeige. Eichendorff? Auch nichts. Brentano? Heine? Ich finde keinen Eintrag. Habe ich eventuell oder vielleicht die romantischen Poeten umschrieben? Habe ich den guten Novalis den Montanistiker-Dichter genannt? Den Tieck den Shakespeare-Übersetzer? Heine den Toten vom Montmartre? Oder habe ich völlig anders geschrieben?
Da weiss ich zum Beispiel, dass ich einen Roboter in einem Text X-KKB-098 oder V-KKB-096 oder Y-KKB-645 oder Z-KKB-129, oder, oder, oder… genannt habe, und nun suche ich nach KKB, aber blöderweise ist eben die KKB mein Arbeitgeber und ich finde ca. 2000 Dateien, die eben diese drei Buchstaben drin haben.
Es wäre also am besten, ich wüsste exakt, was ich vor drei Jahren geschrieben habe, dann könnte ich exakter suchen, und dann könnte ich auch exakt finden. Ein catch 22-Problem.

Etwas ganz anderes sind die Suchen bei Google und anderen Suchmaschinen. Hier stehen wir vor extrem anderen Problemen.
Stellen Sie sich vor, Sie suchen einen Stefan Raab. Und zwar nicht diesen Blödsinnsshowmaster oder Comedyquatschkopf, sondern einen Juristen in Norddeutschland. Selbst wenn Sie „Stefan Raab Jurist“ in die Leiste eingeben, sie bekommen nur Einträge von diesem Blödsinnsshowmaster oder Comedyquatschkopf, Sie haben keine Chance den Juristen Dr. Stefan Raab in Hildesheim zu finden.
Stellen Sie sich vor, Sie suchen eine Helene Fischer. Und zwar nicht diese Trallalitrallalatante oder Extremshowgirl, sondern eine Ärztin in München. Selbst wenn Sie „Helene Fischer Ärztin“ in die Leiste eingeben, sie bekommen nur Einträge von dieser Trallalitrallalatante oder diesem Extremshowgirl und nicht von der Internistin in München-Passing.

Firmen zahlen dafür, dass Google ihren Namen oben in die Suchleisten hineinnimmt. Wenn sie beim Googeln von „Fischer“ (ohne Helene) auf bestimmte Firmen kommen, dann haben diese dafür bezahlt. Oder ein Domain-Namen ist so einschlagend, dass er – beim Verkauf – eine extreme Summe bringt.
Ich hatte die Idee, einem breiteren Publikum meine Schreibkünste anzubieten. Es gibt ja genügend Politiker, die eine Doktorarbeit brauchen und keine Zeit haben, sich an einen Schreibtisch zu setzen. (Guttenberg, Schavan, Giffey) Es gibt ja genügend Männer, die gerne Liebesbriefe schrieben, aber sie nicht hinbekommen. (siehe Cyrano de Bergerac) Es gibt genügend Menschen, die einen Text brauchen und können ihn nicht. Mal ganz ehrlich: Warum bestellt man für den 90sten von Grossvater vier Torten beim Bäcker und schreibt das 50zeilige Gedicht mit holprigem Rhythmus und schlechten Reimen selbst? Warum backt man nicht die Torten und bestellt das Festgedicht bei einem Profi?
Nun hatte ich die Adresse www.jeschreibfordich.ch gegoogelt und diese Adresse war zum Verkauf. Ich fragte an. Dann bekam ich eine lange Mail von einem Domainverkäufer, in der er mir klarmachte, wie toll der Name sei und wie leicht man meine Seite fände.
Und er wollte 8000.-- Euro. Die ich nicht hatte.

Ja, so ist das mit den Suchsachen.
Haben Sie sich eigentlich schon mal Ihren eigenen Namen gegoogelt? Sicher. Ist ja hoch spannend, wo man überall im Netz ist.
Hat nicht geklappt? Wie heissen sie denn?

Ach so, wenn man Angela Merkel heisst, ist das natürlich doof.
Siehe oben.







 

Dienstag, 15. Juni 2021

Kein Post über Werbung

Es kann manchmal sehr wertvoll und nützlich sein, einen kleinen Mann im Ohr zu haben. Mein kleiner Mann, ich nenne ihn mal Eugen – natürlich eine ganz bewusste Anspielung auf das Lied vom Kleinen Mann im Ohr vom Liedermacher Ulrich Roski, der heisst nämlich dort Egon – ist nun weniger der Schalk im Nacken und der dämonische Einflüsterer, nein, Eugen weist mich auf Dinge hin, die ich nicht tun sollte und sagt mir, was ich besser liesse.
Wenn ich Scherben im Mülleimer versenke, dann spricht Eugen: „In Zeitungspapier! Willst du dir wieder in den Daumen schneiden?“ und wenn ich meine Schwimmbadkabine verlasse, raunzt er: „Schlüssel! Schlüssel! Sonst bist du ausgesperrt.“
Wenn ich im Zug schlafen möchte, zischelt Eugen: „Tasche zwischen die Beine! Sonst klaut wieder einer!“ und wenn ich barfuss den Müll rausbringen will, dann kommt es aus dem Ohr: „Schuhe! Es hat Scherben und Hundekot!“.

Neulich wollte ich einen Post über Werbung beginnen. Ich hatte mich über ein bestimmtes Plakat so geärgert, es so doof, so bescheuert, so blöd und so sinnlos gefunden, dass ich meinen Laptop schnappte und eine Datei „Werbung“ erstellte. „Stopp – stopp“, rief Eugen, „du willst doch nicht wirklich Werbung machen?“ Nein, erwiderte ich, ich wolle keine Werbung machen, ich wolle Werbung verarschen. Aber dann würde ich dennoch, so sprach Eugen, den Slogan verbreiten und damit für das Produkt werben.

„Weisst du“, so begann mein kleiner Mann im Ohr nun eine längere Rede, „bei Werbung kommt es ja nicht darauf an, ob sie intelligent ist, gerade wenn sie doof und bescheuert, blöd und sinnlos ist, bleibt sie im Gedächtnis, und wenn du sie verarscht und veräppelst, sie verhöhnst und parodierst, dann wird der Effekt nur verstärkt.

Nimm einmal an, die Firma Pieper macht Fruchtsäfte, und irgendwann erscheint ein Spot mit einem Vogel auf einem Obstbaum, der Vogel piept und eine Stimme sagt: PIEPERSAFT DER SAFT MIT DEM PIEPS. Nun kommst du auf die tolle Idee daraus „der Saft mit dem Pups“ zu machen und eventuell dazu ein Klospülungsgeräusch. Die Leute werden lachen, aber sie werden den Rückschluss zur Firma Pieper ziehen, und diejenigen, die den Piepersaft nicht kennen, werden ihn googeln…“

Nimm auch einmal an, die Firma Deisser macht Toilettenpapier, und wirbt mit dem Wortspiel Deisser – Abreissen und du kommst auf die tolle Idee, dem Wortspiel Deisser – Reissen noch das Sch… hinzuzufügen, abgesehen davon, dass dies natürlich eine schwachsinnige Sache ist, und auch soooooooo originell, kommt ja gar nicht jeder drauf, abgesehen davon, du wirst mit deinem Sch… den Link zu Deisser und Reissen setzen und Werbung für sie machen.»

„Und OTTO?“
„Otto Waalkes hat mit seinen Parodien die Werbebranche so unterstützt, dass es ein Wunder ist, dass sie ihm nicht Geld dafür gezahlt hat. Vielleicht hat sie das auch getan, das ist nicht mehr herauszufinden. Sein Sketch mit dem sprechenden Kaffee, der dann so nuschelt, dass Otto immer näher rückt und ihm der Kaffee schliesslich übers Hemd fliesst, hat Eduscho direkt in die Hände gespielt.»

«Und das Stuyvesant-Gedicht?»
«???»
«Der Udo sitzt am Lokusrand
Und raucht die Peter Stuyvesant
Und was da in den Lokus fällt,
Das ist der Duft der grossen weiten Welt.
»
«Auch so ein Spottgedicht steigert den Umsatz des Produktes ungemein.»

Ach ja.
Eugen hat ja recht. In früheren Zeiten wurde sogar der Erfolg einer Werbung daran gemessen, wie viele Parodien, wie viele Spottgedichte und wie viele Verarschungen in Umlauf waren.
Ich hätte nun aber doch gerne mitgeteilt, über welche Werbung ich mich so geärgert habe. Soll ich es mit einem Rätsel tun? Umschreiben, so wie z. B. Ortsangabe + Verb des Sagens + Possessivpronomen + Heissgetränk, das wäre dann das «Hier spricht dein Kaffee», von dem wir es vorher hatten. Aber natürlich würden Sie sich dann so intensiv mit dem Spruch befassen, dass er sich ewig bei Ihnen einprägen würde, da hätte Eugen völlig recht.

Nein, es wird keinen Werbepost geben.
Mein kleiner Mann im Ohr lässt mich nicht.

Freitag, 11. Juni 2021

Wie kommt man an versierte Verbrecher?

Ich habe in meinem Entree, meinem Flur, meiner Diele, meinem Ern eine Reihe von Kunstwerken Basler Künstlerinnen und Künstler. Und durch Zufall – oder nicht Zufall? – sind die Werke von Meise, Göttin, Übersax und Mutzenbecher in meinem Entree, meinem Flur, meiner Diele, meinem Ern alle in Blau, Grau, Schwarz und Weiss. (Und bevor die Basler Leserinnen und Leser sich jetzt den Kopf ob einer eventuell bestehenden Verwandtschaft zermartern: Sie besteht, der Kabarettist Joel von Mutzenbecher ist der Neffe des Malers Werner von Mutzenbecher.) Jedenfalls habe ich am Freitag ein wunderbares Bild entdeckt, das zu den Werken von Meise, Göttin, Übersax und Mutzenbecher in meinem Ern oder Entree, Diele oder Flur passen würde. Es hängt zurzeit im Kunstmuseum und ist ein Juwel der abstrakten Malerei in Blau, Schwarz und Weiss von Sophie Taeuber-Arp. (Für die Nicht-Kunstfreunde: Sie haben die Taeuber jahrelang angeguckt, sie war auf dem alten 50 Franken-Schein.)

Das Bild hat nur ganz wenige Nachteile, die schlagen aber ein:
Es gehört der Hilti Foundation.
Es ist nicht verkäuflich.
Wenn es verkäuflich wäre, wäre es unbezahlbar.
Ich muss also das Bild klauen.

Aber stopp mal jetzt! Ich kann das gar nicht. Ich bin ein so ehrlicher und schüchterner Mensch, dass man mir es sofort ansieht, wenn ich ein krummes Ding probiere. ich kann weder eine Flasche Wein schmuggeln noch falsche Angaben bei der Steuer machen, geschweige denn vom Stehlen. ich habe noch nie einen Kaugummi im Supermarkt geklaut, ich habe noch nie ein Deo in der Drogerie gestohlen und noch nie ein Buch mitlaufen lassen. Ich kann es einfach nicht.

Und hier kommt nun wieder die Hertersche Regel ins Spiel:
Was man gar nicht kann, das soll man delegieren.
Was man nur ein wenig kann, das soll man mit anderen zusammen tun.
Was man ganz ordentlich kann, das soll man als Hobby betreiben.
Was man gut kann, damit soll man sein Geld verdienen.
Niemals darf man die Kategorien vermischen!

Nun wird es aber noch schwieriger: Wer nicht Autofahren kann, holt sich ein Taxi, wer keinen grünen Daumen hat, einen Gärtner, fürs Malen gibt es Malergeschäfte und fürs Fahrrad einen Velomech. Wie aber finde ich einen Dieb? Gar nicht so einfach.

Ich gebe bei Google Maps verschiedene Suchbegriffe ein, um Verbrecher in meiner Umgebung zu finden.
„Kunsträuber“ – Keine Treffer
„Kunstdiebe“ – Keine Treffer, beim Eintippen erschien allerdings „Kunst, die bewegt“, aber das ist wohl etwas anderes.
„Diebe“ – man bietet mir die „Häärli-Diebe“ an, eine Coiffure.
„Räuber“ – ganz viele Einträge, das ist ein beliebter Familienname, was ja erstaunlich ist, es ist klar, dass man früher vom Metzger-Karl sprach, woraus dann der Karl Metzger wurde, aber vom Räuber-Hans?

Ich glaube, ich müsste ins Darknet. Ins Darknet? Will ich eigentlich nicht, ich habe Angst im Dunkeln, ich will nicht nach unten, in den Keller, da wo die Ratten und Mäuse sind, bestimmt hat es im Darknet auch Asseln und Spinnen, es ist kalt und feucht und man holt sich Rheuma. Aber es hat noch einen anderen Grund: Man benötigt wieder spezielles Equipment, viel Technik und ich bin doch froh, dass ich überhaupt mailen kann und ins normale Net. (Natürlich gibt es Pages wie darknet.com, aber die führen nicht ins dunkle Netz, sie erklären nur den Weg.) Ein Thor-Browser? Wie um aller Welt komme ich zu einem Thor-Browser?



Also muss ich den normalen Weg wählen, einfach Menschen zu fragen. Aber wen fragt man, wenn man krumme Sachen braucht? Ich kenne keinen einzigen Menschen, den ich da anhauen könnte. ich kenne niemand, der falsche Pässe ausstellt, ich wüsste nicht, wo ich eine Knarre herbekomme, ich kenne keine Dealer und Hehler, ich wüsste nicht, wo ich einen Auftragsmord bestellen könnte oder wer mir bei einem Einbruch Schmiere stünde.

In den Filmen sieht das immer so einfach aus, da laufen die Helden dann in so eine zwielichtige Gasse in der Altstadt und drücken sich in einen Laden und da ist dann der, der falsche Pässe ausstellt, eine Knarre hergibt, der Dealer und Hehler, der einen Auftragsmord ausführt bei einem Einbruch Schmiere steht.

Aber wir sind in keinem Film. Wo sind denn nun die Basler Gangster? Ich weiss nicht einmal, wo in Basel die zwielichtigen Gassen sind…



Aber dann fällt mir doch Einstieg ein, ein entfernter Bekannter kokst und hat einen Dealer, über diesen komme ich zu einem anderen, dann zu einem Hehler, dann zu noch einem Hehler, dann zu noch einem Hehler und über diesen zu einem Kunstklauer.

Bingo!

Allerdings ist der Preis dann so hoch, dass ich mir die Sache nicht leisten kann.



Ich habe in meinem Entree eine Reihe von Kunstwerken Basler Künstlerinnen und Künstler. Und durch Zufall sind die Werke von Meise, Göttin, Übersax und Mutzenbecher in meiner Diele alle in Blau, Grau, Schwarz und Weiss.

Und bald hängt noch eine gerahmte Taeuber-Postkarte daneben.