Dienstag, 1. Juni 2021

Die Hertersche Regel

Mein Handy hatte jüngst ein Problem. Wenn ich eine App öffnen wollte, dann ging eine andere auf, öffnete ich also die SBB-App, dann bekam ich keinen Fahrplan, sondern eine Fülle von französischen Vokabeln, die zu Duolingo® gehören, versuchte ich aber die Duolingo-App aufzumachen, dann fielen lustige farbige Steine von oben herab, versuchte ich… und so weiter.
Mit diesem Problem ging ich in den Handyladen. Der Verkäufer war sehr freundlich und nett, hatte aber so etwas noch nie gesehen, das sah ich an seinem Gesicht. Er druckte und drückte eine Weile an den Tasten herum, er fingerte und wurstelte, und irgendwann musste ich sagen: Dieser Mann hat keine Ahnung von Elektronik, er hat keinen Draht dafür.

Ein Freund von mir hat einen Gärtner angestellt. Seit dieser Gärtner bei ihm arbeitet, sind fast alle Pflanzen eingegangen oder sind am Verdorren. Der Rhododendron trägt mickrige Blüten, das Gras ist braun, die Rosen lassen die Blätter fallen und das Laub der Linde ist fahl. Der Garten bietet einen Anblick, bei dem jedem Pflanzenfreund und jedem Botaniker das Herz stehen bleibt. Man kann es drehen oder wenden, wie man will: Der Gärtner hat keinen grünen Daumen.

Ich habe neulich geschrieben, es sei nicht schlimm, wenn man nicht alles kann. Blöd ist es aber, wenn man das nicht kann, womit man Geld verdient. Diese Erkenntnis ist mir jetzt erschienen. Und ich möchte diese Erkenntnis in eine Regel giessen, die

HERTERSCHE REGEL
Was man gar nicht kann, das soll man delegieren.
Was man nur ein wenig kann, das soll man mit anderen zusammen tun.
Was man ganz ordentlich kann, das soll man als Hobby betreiben.
Was man gut kann, damit soll man sein Geld verdienen.
Niemals darf man die Kategorien vermischen!

Lassen Sie mich ein Beispiel geben:
Susi kann nicht Auto fahren, daher lässt sie es sein und bestellt sich, wenn es mit dem ÖV nicht klappt, ein Taxi. Das ist sehr praktisch und sicher. Übrigens hat sich der Gesetzgeber hier an der Herterschen Regel orientiert, er lässt nämlich gar nicht zu, dass Susi fährt, ohne Fahrausweis bekommt sie ziemlichen Ärger, wenn sie sich in ein Auto setzt.
Susi kann nicht gut tapezieren, also holt sie sich, wenn eine Wohnung gerichtet werden muss, Hilfe von ihren Freundinnen Sara und Lola (wenn Sie jetzt gedacht haben, da kommen Männernamen, dann sind Sie ein schrecklicher Chauvi…). Lola und Sara können das, womit Susi Probleme hat, sie können die Bahnen gerade ansetzen, beim Einkleistern aber und glattstreichen, da steht Susi natürlich ihre Frau.
Susi ist eine musikalische Frau, sie spielt Violine und singt einen schönen Sopran. Es hätte sogar für ein Musikstudium gereicht, aber das Pädagogische liegt ihr nicht, und ins Orchester oder auf die Opernbühne hätte es nicht gelangt, also spielt Susi in einem grossen Laienorchester und singt in einem Oratorienchor. Dieses wunderbare Hobby hat sie bisher nicht nur zu Werken wie Brahms Dritter oder den Elias, sondern auch (auf Tourneen) in viele spannende Länder gebracht.
Was Susi nun wirklich gut kann, ist schreiben, und damit verdient sie ihr Geld. Als Redaktionsmitglied der Hannoverschen Allgemeinen schreibt sie über Politik, und sie ist nicht nur im Niedersächsischen Landtag, nein, auch in Berlin unterwegs, ihre Interviews sind fundiert und ihre Leitartikel gefürchtet. und da Susi erst 31 ist, wird die Leine auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Was man gar nicht kann, das soll man delegieren.
Was man nur ein wenig kann, das soll man mit anderen zusammen tun.
Was man ganz ordentlich kann, das soll man als Hobby betreiben.
Was man gut kann, damit soll man sein Geld verdienen.

Die Frage, die sich nun stellt, ist die folgende: Warum vermischen so viele Menschen die Kategorien, oder warum sind sie immer eine Zeile voraus, sprich: Warum helfen Menschen bei Dingen, die sie gar nicht können und stören damit diejenigen, die die Hauptarbeit machen? Warum suchen sich Menschen Hobbys, die sie nicht bewältigen? Und warum haben so viele Leute einen Job, für den sie nichts taugen?

Wer einen Job macht, bekommt von mir Geld. Und für dieses Geld möchte ich eine Person, die ihre Sache gut macht, sehr gut macht, exzellent macht, ich möchte einen Profi, eine Könnerin, eine Kanone, ein As.
Wenn ich ins Restaurant gehe, dann zahle ich viel Geld, und es macht für mich keinen Unterschied, ob der Koch nicht, ein wenig oder ganz gut kochen kann. Er soll exzellent kochen.
Wenn ich einen Maler hole, dann zahle ich viel Geld, und es macht für mich keinen Unterschied, ob der Maler nicht, ein wenig oder ganz gut malen kann. Er soll super malen.
Wenn ich ins Theater gehe, dann zahle ich viel Geld, und es macht für mich keinen Unterschied, ob der Schauspieler nicht, ein wenig oder ganz gut spielen kann. Er soll spielen wie ein junger Gott.

Die Hertersche Regel besagt,
dass man delegieren soll, was man nicht kann.
dass man mit anderen zusammen das tun soll, was man wenig kann.
dass man als Hobby das betreiben soll, was man ganz gut kann
und nur das als Beruf wählen soll, was man kann.
Und dass man die Kategorien nicht vermischen soll.

P.S. Der Spuk beim Handy war nach einmal Ausschalten und wieder Einschalten behoben.













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