Freitag, 4. Juni 2021

Stühle stapeln

Haben Sie schon einmal einen Saal aufgeräumt und geputzt? Wahrscheinlich schon. Und bei diesem Aufräumen und Putzen stellt sich ja immer die Stapelfrage. Diese Stapelfrage bedeutet, in wie vielen Stapeln mit wie vielen Stühlen dieselben gestapelt werden. Die Hausmeister und Hausmeisterinnen, die Hauswarte und Hauswartinnen, die Abwarte und Abwartinnen haben hier ja stets ihre ganz eigenen Vorstellungen und Wünsche – und man kann an diesen Stapelwünschen ihre Psyche ablesen, man kann an den Stapelbefehlen tief in die Seele der Hausmeister und Hausmeisterinnen, Hauswarte und Hauswartinnen, der Abwarte und Abwartinnen blicken. Im Grunde sind es vier Haupttypen:

Grossstapelnd

Ich schreibe „grossstapelnd“ um es klar vom Hochstapeln zu unterscheiden, Hochstapler oder Hochstaplerinnen sind Menschen, die uns das Blaue vom Himmel lügen, die flunkern und schwindeln und mogeln und bluffen, darum geht es hier nicht, nein, beim Grosstapeln geht es um das Aufbeugen von möglichst vielen Stühlen auf einen Stapel, sodass es wenige Stapel gibt und der Saal schön leer bleibt.
Das ist eine praktische Sache, wenn man den Raum viel zum Tanzen, Springen, zum Hüpfen und Singen benutzt, denn beim Tanzen, Springen, beim Hüpfen und Singen braucht man Platz. Wenn man aber den Saal nicht zum Hüpfen und Singen zum Tanzen und Springen verwendet, wird es doof. Dann muss man nämlich die 20er Stapel auflösen, was z. B. für kleinere Leute gar nicht geht. Da sagt man dann den Kinderchormitgliedern Mixi, Max und Moxi sie müssten Stühle stellen, und dann kommen sie gar nicht an die Stapel heran und Mixi, Max und Moxi fühlen sich wie Kinder aus Brennpunkthochhäusern in den 60ern, die an die Liftknöpfe nicht herankamen. (Diese nahmen dann immer Kochlöffel mit, und die Teenager versteckten ihnen die Löffel und wenn sie aufs WC mussten, dann konnten sie nicht in die Wohnung und machten in die Eingänge, angeblich…)
Was ist nun über die Psyche eines grossstapelnden Menschen zu sagen? Der Grossstapler / die Grossstaplerin liebt den grossen Entwurf, das weite Feld, die uneingeschränkte Sache, Platz braucht man, Weite und Ferne, und auch wenn die Probleme, in riesigen Stapeln geschichtet, eindeutig sichtbar sind, das macht nichts, das tut der Sache keinen Abbruch. Leider sagt diese psychische Disposition noch nichts über die Qualität des Menschen, ein Leonardo gehört genauso zu ihnen wie ein Stalin.

Kleinstapelnd

Der Kleinstapler oder die Kleinstaplerin macht das genaue Gegenteil vom vorigen: Viele, viele Stapel von nur 2-3 Stühlen nehmen ungefähr die Hälfte des Raumes ein; praktisch, wenn man oft verschiedene Bestuhlungen braucht, sehr, sehr, sehr, sehr unpraktisch, wenn man den Raum gesamthaft nutzen will. Auch wenn man Teile braucht, kann es notwendig sein, dass man die Stapel x-mal durch den Raum schiebt.
Der Kleinstapler und die Kleinstaplerin sind Pedanten und Kleingeister. Sie sind nicht in der Lage, der Gefahr eines hohen Stapels ins Auge zu sehen, sie sind nicht in der Lage, weit und gross zu denken. Viele kleine Dinge, Problemchen, Aktiönchen, Sörglein und Sächelein müssen für sie stets sichtbar bleiben.
Kleinstapler sind Korinthenkacker, sind Dünnbrettbohrer, aber…
Diese Menschen muss es auch geben. Immerhin hat das Kleinstapeln zwei entscheidende Vorteile: Auch ein Zwerg kann hier beim Bestuhlen helfen und ein Stapel, der umfliegt, kann keinen Menschen erschlagen.
Prominente finden sich natürlich unter den Kleinstaplern nicht.

Mittelstapelnd.

Beim Mittelstapeln wird ein Kompromiss zwischen beiden Varianten gewählt, als probat hat sich hier zum Beispiel eine Stuhlstapelgrösse von 6 Stühlen herausgestellt. Hier hat man genügend Platz für Tanzen und Springen für Hüpfen und Singen, man kann den Saal für die Seniorengymnastik, für die Salsagruppe, für das Kinderturnen und das Tangoturnier verwenden, aber auch das Kinderorchester kann proben und Max und Moxi, Mix und Muxi, Fix und Foxi kommen an den obersten Stuhl heran und müssen keine Angst haben, dass 20 Stühle auf sie herabprasseln.
Mittelstapler und Mittelstaplerinnen sind Pragmatiker. Sie finden eine Lösung zwischen den Extremen und sind stets dem Machbaren verpflichtet. ich würde behaupten, dass die meisten Staatschefs zivilisierter Länder mittelstapelnd sind. (Sie denken an…? Ich habe von zivilisierten Ländern geredet, Belarus und die Türkei gehören da nicht dazu.)

Buntstapler

Beim Buntstapeln wird nach folgenden Regeln gearbeitet:
Kein Stapel darf gleich hoch sein.
An jeder Wand müssen Stühle stehen.
Buntstapelnde Menschen sind die Bohemiens, die Künstler, sind die Freaks und Hippies unter den Leuten. «Was geht mich Ihre verdammte Stapelgrösse an, wenn mich der Geist überkommt?» oder so ähnlich…

Haben Sie schon einmal einen Saal aufgeräumt und geputzt? Wahrscheinlich schon. Und bei diesem Aufräumen und Putzen stellt sich ja immer die Stapelfrage. Man kann an Stapelwünschen Psychen ablesen, man kann an den Stapelbefehlen tief in die Seele der Hausmeister und Hausmeisterinnen, Hauswarte und Hauswartinnen, der Abwarte und Abwartinnen blicken.

Zeige mir deine Stuhlstapel, und ich sage dir, wer du bist.









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