Freitag, 29. April 2016

Darf Sommaruga davonlaufen?

Die Schweiz beschäftigt sich zurzeit mit einer wichtigen Frage: Wann und wie und warum und unter welchen Umständen darf man einen Saal verlassen? Unter dem speziellen Fokus, dass der Saal der Nationalratssaal ist, «man» eine Bundesrätin und die Umstände eine ziemliche heftige Attacke eines SVP-Politikers. «Frivole Leichtigkeit» hat Herr Köppel da Frau Sommaruga in den Verhandlungen über ein Kroatien-Abkommen vorgeworfen, und wir diskutieren später noch, ob das nicht eigentlich ein Kompliment war.

Fest steht, dass Sie in verschiedensten Situationen den Saal eben nicht verlassen dürfen, ohne dass es eine Menge Ärger gibt. Bei Gerichtsverhandlungen können Sie z.B. nicht einfach so rausmarschieren, wenn Sie auf der Anklagebank sitzen. Es sei denn, Sie beleidigen den Richter, dann kann er Sie des Saales verweisen, was ja zu den herrlich grotesken Dialogen im RAF-Prozess führte («Ich will in meine Zelle.» «Sie bleiben da.» «Muss ich Sie erst beleidigen? Muss ich Sie ein faschistisches Arschloch nennen?» «Herr Baader…» «Gut, Sie sind ein faschistisches Arschloch.» «Herr Baader, fürs Protokoll: Haben Sie mich eben ein faschistisches Arschloch genannt?» usw. usw.) Übrigens, wäre die Unflätigkeit eine Entgleisung des Richters gewesen, natürlich dann mit «kommunistisch», hätte der gute Baader nicht so einfach weglaufen können.

Andere Situationen, in denen ein Verlassen der Lokalität sehr problematisch wird, sind z.B. Hochzeiten, vor allem, wenn Sie der Standesbeamte, der Pfarrer, der Trauzeuge oder – ganz heikel – der Bräutigam sind. Auch Konzerte eignen sich nicht dafür, Stühle rückend und polternd aus dem Raum zu gehen, auch wenn Sie mit dem Allegro der Ces moll-Sonate sehr unzufrieden sind, nein, normalerweise harrt man bis zur Pause aus, eine Tatsache, die ja gerade Frau Sommaruga als Pianistin weiss. Wissen sollte. Aber wer weiss, wie viele Leute sie durch schlechte Interpretation der Ces moll-Sonate zum Ausharren zwang?

Sicher ist, dass die Weltgeschichte anders gelaufen wäre, dass wir weniger Streit, aber auch viel weniger schöne Texte und herrliche Debatten gehabt hätten, wenn die Betreffenden immer gleich aufgestanden und rausgegangen wären. Was wäre gewesen, wenn in den entscheidenden Momenten der Geschichte die Leute weggerannt wären?

Stellen Sie sich vor der gute alte Cicero hebt an: «Quo usque tandem abutere, Catilina, patienta nostra?», und der Angesprochene geht aus dem Senat. Da hätten wir die ganze Rede nicht, das wäre doch jemmerschade (sic), da würde doch im Kanon der Lateinschultexte etwas Entscheidendes fehlen. Stellen Sie sich vor, in den heissen Zeiten der Französischen Revolution hätten die entsprechenden Leute einfach den Raum verlassen, da müsste man doch die ganze Geschichte umgeschrieben werden. Ich glaube auch, dass man in den Jahren der Weimarer Republik nicht so zimperlich war wie heute. Ich habe zwar keine Redeprotokolle der Sitzungen vor mir, aber ich denke, dass man Leute wie Luxemburg und Liebknecht, die man ja später tot in den Landwehrkanal geworfen hat, auch verbal nicht verschont hat.

Zu den schönsten Momenten der bundesdeutschen Politgeschichte gehören die Rededuelle zwischen dem Ultrabayern Franz Josef Strauss, dem Urgestein der CSU und Herbert Wehner, dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, einem Ex-Kommunisten und Linksflügler der Sozialdemokraten. Die beiden schenkten sich so sehr nichts, dass es eine Wonne war, ihre Attacken zu Ohren zu nehmen und sich alle die Beleidigungen, die sich einander um die Köpfe schlugen, zu geniessen. Niemals wäre es FJS oder Herbie auf die Idee gekommen, den Raum zu verlassen, wenn der andere einmal wieder voll loslegte.

Langer Rede, kurzer Sinn: Wir hätten die besten Momente der Historik und Politik verpasst, wenn die betreffenden Leute aus dem Zimmer gerannt wären.

Wie schlimm ist eigentlich der Begriff «frivole Leichtfertigkeit»? Ich finde ihn eigentlich ganz hübsch. Hiess doch «frivol» ursprünglich nichts Sexuelles, sondern «keck, beherzt» und «Leichtfertigkeit», na ja da findet man jetzt nicht so viel positive Synonyme, aber immerhin auch «Impulsivität», das ist ja nicht so schlecht. Also impulsiv und beherzt zu sein, das kann so schlecht nicht sein…
Nein, Frau Sommaruga hätte bleiben sollen, das hätte uns eine schöne Debatte, ein schönes Wortgefecht gebracht, man hätte sie sicher nicht der Verschwörung angeklagt, man hätte sie sicher nicht auf die Guillotine geschickt und sicher nicht in den Landwehrkanal geworfen.
Aber eine schöne Debatte hätte man sich schon gewünscht.








 





































Dienstag, 26. April 2016

Abgaswerte-Fälschung: Cosi fan tutte/i


Sie alle kennen diesen Spruch:  50% der Männer finden ihr Ding zu klein – 50% haben ein kaputtes Lineal.
Sie alle kennen wahrscheinlich auch diesen Spruch:  Die Hälfte der Menschen sind (chronisch oder akut) psychisch krank, die andere Hälfte ist noch zu wenig psychiatrisch untersucht worden.
Man könnte aber auch so weitermachen: 30% der Athleten nimmt vor den Wettkämpfen verbotene Substanzen (you remember, der Trank aus der Hütte, die nachts unbewacht ist und deren Tür nicht schliesst…) – 70% haben es immer geschafft, die Kontrolleure auszutricksen.
Oder man könnte auch so schreiben: Die Hälfte der Autobauer mogelt bei den Abgaswerten – die  andere Hälfte hat man noch nicht erwischen können.

Erst war es nur VW – jetzt sind auch andere Firmen ins Visier der Kontrolleure geraten und irgendwie hat man das Gefühl: Cosi fan tutti/tutte! Es machen alle, alle tun es, alle mogeln da ein bisschen herum, die Hälfte ist bisher einfach noch nicht geschnappt worden.
Es ist ja immer das Gleiche: Geht der erste in die Falle, ist die hämische Freude bei den anderen gross: Oh, da hat jemand Mist gebaut, da hat jemand echt Blödsinn gemacht, da hat jemand tief in die Jauche gelangt. Verfälschung von Messwerten? Geht gar nicht, würde Angie sagen. Nun, wenn jemand hier so die Pfade des Legalen verlässt, ist das schlecht für ihn, aber gut für die Konkurrenz. Das hebt so lange, bis der zweite in Flagranti ertappt wird.

Stellen Sie sich vor, das Gesundheitsamt schliesst alle örtlichen Filialen von McDonalds®, weil man beobachtet hat, wie dort zwei alte Ratten mitten in der Nacht Tango tanzen; nicht der Tango ist das Problem, sondern dass Ratten in Küchen nichts verloren haben, egal ob sie Tango tanzen oder Poker spielen, man will sie da einfach nicht. Gut, die fünf Filialen sind dicht und BURGER KING® frohlockt, wer bislang auf BigMac schwor, stellt auf Whopper um. Bis, ja bis das Amt auch in den Restaurants des Konkurrenten Unstimmigkeiten entdeckt: Keine Ratten, sondern Salmonellen und Trichinen, die weder tanzen noch spielen, aber einfach so rumschwirren und das ist auch nicht so schön. Die Aufsichtsbehörde macht nun auch die 5 BURGER KING®-Schuppen zu. Nun tritt KFC® auf den Plan, KFC®, das bislang am Hamburger-Kartell gescheitert ist und seine Chance wittert. Die Südstaaten-Brathähnchen-Macher kaufen alle 10 Lokalitäten, sanieren, putzen, verhandeln mit Ratten, Salmonellen und Trichinen über eine Umsiedlung an bessere Plätze zum Tangotanzen, Herumschwirren und Pokerspielen, sie schrubben und desinfizieren, sie machen Werbung und warten auf Kundschaft.

Vergeblich.

Vergeblich.

Denn der Kunde traut auf einmal KEINEM Fast-Food-Etablissement mehr. Wer sagt denn, dass KFC®, wenn es schon keine Nager und Kleintiere hat, nicht vielleicht Würmer oder Maden beherbergt? Die dann weder Tangotanzen noch Schwirren sondern vielleicht einen Literaturkreis gründen, was ja auch schön ist, aber eben nicht in Lebensmitteln? Nein, auch die Brathuhnstationen bleiben leer. Nun übernimmt eine Vegikette, wir nennen sie mal MayaGaya®, die 10 Beizen. Aber auch sie wandert von der hämischen Freude über den Absturz der Fleischmafia in die glatte Katastrophe: Der Kunde misstraut inzwischen ALLEN, sämtlich ALLEN Systemgastronomen. Gut, Salmonellen und Trichinen sind bei Käse, Rüebli und Auberginen selten, aber ist nicht gerade der Käse ein Anziehungspunkt für die Nager, die vielleicht zwischen Jalousie und Blue Tango gerne einen Tilsiter, einen Brie oder einen Emmentaler nagen? Wie sauber sind Karotten und Auberginen? (Von der artgerechten Haltung will ich gar nicht reden, es soll ja Farmen geben, in denen Rüben ohne Tageslicht im Boden dahinvegetieren, dicht an dicht, ohne Auslauf, ohne Scharren und ohne Picken…)
Jedenfalls macht auch MayaGaya® nah zwei Monaten dicht.

Der Sturz des ersten Sünders, von den Branchenkollegen so hämisch, so zynisch belächelt, ist häufig der Anfang eines Problems für die ganze Branche.
Weil der Kunde, weil die Kundin eines begreift:
Cosi fan tutti/tutte.
Alle betrügen, alle mogeln, alle bescheissen (s.v.v.)

Übrigens auch die kleinen Leute selber. Wer sagt: «Ich fahre nie zu schnell und parke stets korrekt.» meint in Wirklichkeit: «Ich habe – toi, toi, toi – noch nie ein Knöllchen bekommen.» Wer sagt: «Meine Steuererklärung stimmt.» meint in Wirklichkeit: «Das Finanzamt hat meine Rechnung durchgewunken.» Dazu kommen die vielen, die gar keine Möglichkeit zum Mistbauen haben. Ich zum Beispiel fahre nie schwarz, ich kann es nämlich gar nicht, ich habe ein GA, selbst wenn ich es vergesse, wird nur eine Gebühr fällig. Ich fahre auch nie zu schnell, es sei denn ich sitze in der Linie 8 nach Weil am Rhein, die ist schon ein paar Mal in der Zone 30 geblitzt worden (kein Witz!). Ich würde auch sämtliche Briefkastenfirmen-Mogeleien mitmachen (o, wie schön ist Panama), aber dafür habe ich zu wenig Kohle.

Nein, Phrasen wie «ehrliche Firma» und «anständige Industrie» sind Paradoxa, genauso wie «anständige Menschen» oder «ehrliche Leute».
Es gibt nur die zwei Hälften: Die, die erwischt wurden und die, die man noch nicht geschnappt hat.


Donnerstag, 21. April 2016

Tipps für Vornamen

Sind Sie gerade schwanger? Dann beneide ich Sie nicht. Nein, nein, ich meine nicht die Morgenübelkeit oder Rückenschmerzen oder Wasser in den Beinen, ich meine auch nicht die Sorgen, die man sich so macht, ob das Kind gesund sein wird, ob es finanziell reichen wird, ob einem der Arbeitsplatz korrekt aufgehoben wird und solche Dinge.
Ich meine die Namensfindung.
Die Frage, wie er/sie denn heissen soll, hat schon Paare VOR der Geburt an den Rand der Scheidung gebracht, weil er von Bernd / Monika und sie von Roberto / Anna-Sofia nicht abrücken wollte.

Nichts ist schwieriger als einem Kind einen Namen zu geben. Brauchte ein Paar vor 150 Jahren sich gar keine Gedanken machen, denn die Auswahlmöglichkeiten bestanden aus Name des Grossvaters, Name des Vaters, Name des Paten oder Name des Heiligen des Geburtstages  (oder alle zusammen, ich hiesse dann Jakob Eberhard Ernst Valentin Herter), gab es vor 50 Jahren nur eine kleine Auswahl von 40-50 männlichen und weiblichen deutschen (!) Vornamen, die überhaupt genehmigt wurden. Heute ist die Liste auf gefühlte 3000 Namen angewachsen, kamen in meiner Geburtszeit die Skandinavier dazu, es wimmelte von Svens und Roalds und Larsens und Brittas, erschienen später die italienischen, französischen, spanischen und schliesslich die indischen, indianischen und afrikanischen Namen.

Wie soll ein Kind nun heissen? Lassen Sie mich – obwohl ich keine Kinder habe – Ihnen ein paar Ratschläge geben, vor allem was Sie nicht machen sollten.

1
Wählen Sie keinen Modenamen! Jedes Kind möchte doch irgendwie etwas Besonderes sein, und da ist es ein wenig hinderlich, wenn man in der Kita die 13., in der Grundschule die 14. und im Gymnasium die 15. Clara ist, wenn immer, wenn der Name fällt, jede(r) fragen muss: Welche Clara? Die Clara Meier oder die Clara Schulze oder die Clara Huber? Oder die Clara Schmid, stimmt die gibt es ja auch noch?

2
Achten Sie auf die Gesamtlänge des Namens und den Zusammenklang. Wenn Sie z.B. Gut heissen, kommen Sie bitte nicht auf die bescheuerte Idee, Ihren Sohn Knut zu nennen, nicht Hans, wenn Sie Stranz heissen. Ein einsilbiger Vorname kommt bei einem zweisilbigen Nachnamen gut. (So wie Rolf Herter, das ist jetzt aber Zufall…) Sollten Sie das schon an sich totalbehämmerte Vorhaben in die Tat umgesetzt haben, sich einen Doppelnamen zuzulegen, den auch die Kinder tragen, dann sind kurze Namen fast ein Muss. Ein Friedrich-Michael Scheufenberger-Hammerstein oder eine Rosmarie-Christiane Tautinger-Lachenmann sind eine Witznummer, und ich habe – voller Ernst! – schon solche Namen gesehen.

3
Niemand wird sein Leben lang mit der gleichen Frage konfrontiert, einer Frage, die er schon hört, wenn die Leute Luft holen, einer Frage, die irgendwann nur noch nervt, obwohl sie völlig logisch ist, die nervt, eben weil man sie schon 1239876mal gehört hat. Eine solche Frage ist: „Mochten deine Eltern XY?“
Überlegen Sie also gut: Sie mögen glühende Ibsenianer sein, aber muss Ihr Kind wirklich Hedda heissen? Sie mögen den Midsummernight’s Dream für das gelungenste Theaterstück halten, aber soll Ihr Sohn im Ernst ein Demetrius werden? Ende-Fans Ok, aber muss Atreju als Vorname des Filius sein? Meiden Sie auch Legolas, Frodo oder Gimli. Oder  Hermine oder Ron.

4
Blöd sind aber auch Namen, bei denen das Gegenüber einen falschen Bezug wittert. „Sind deine Eltern Ladykracher-Fans?“ wird Anke Drosthoff ständig gefragt, dabei hat sie ihren Namen (ihre Eltern sind Musikwissenschaftler) von jener Anke, auf die bei ihrer Hochzeit ein Loblied mit fast 200 Strophen in samländischer Mundart gesungen wurde, Anke van Tharaw, die später in gekürzter Fassung als Ännchen von Tharau wiederkehrte.
„Sind deine Eltern Quizfans?“ mit dieser Frage muss sich Günter Millich herumschlagen und wieder und wieder und wieder erklären, dass er nach Günter GRASS und nicht nach Günter JAUCH heisst, und wenn dann die Bemerkung kommt, Jauch sei aber auch ein sehr kluger Kopf, dann muss Günnie manchmal aufpassen, dass er nicht zuschlägt. (Jauch ist nämlich nicht, wie viele denken, einer der klügsten Köpfe der BRD, nein, er kann einfach lesen, die Antwort steht auf dem Teleprompter, gut, lesen können ist in Zeiten des grassierenden Analphabetismus ja bald ein Zeichen von Intelligenz.)

Sind Sie gerade schwanger? Dann beneide ich Sie nicht.
Ich meine die Namensfindung.
Nichts ist schwieriger als einem Kind einen Namen zu geben

Dienstag, 19. April 2016

Erdogan 3: Schachern, aber richtig!

Liebe Onliner,

ich stelle Ihnen jetzt eine Frage. Nehmen Sie sich eine Minute Zeit zum Überlegen:
Wenn der Vatikan alle Flüchtlinge aufnehmen würde, würden Sie dann jeden Tag ein Vaterunser beten, in die Kirche und zur Beichte gehen, sprich ein(e) gute(r) Katholik(in) werden?
...
Gar nicht einfach, die Frage, was? Die Idee wäre schon verlockend, man müsste ja das Vaterunser nur sagen und nicht meinen und man könnte sich ja auch eine Pfarrei mit einem sehr progressiven Priester raussuchen, für den die Beichte ein lockeres Gespräch ist und die Predigt eine philosophische Vorlesung. Gut, das ist alles Fiktion. Der Vatikan, der jetzt symbolisch 12 Flüchtlinge aufgenommen hat, KANN gar nicht alle bei sich beherbergen. Selbst wenn man die 40 Quadratkilometer grossen Räume der Kardinalswohnungen, die Terrassen der Würdenträger und das Vatikanische Museum mit einbezieht, ist nicht genug Platz. Und es würde auch - denke ich - dem Tourismus ein wenig schaden, wer will schon die Laokoon-Gruppe mit drei schlafenden Syrern davor angucken oder beim Gänsemarsch durch die Sixtinische Kapelle, der ja eh schon eine Qual ist, über Matratzenlager steigen?

Gut, dann noch eine Frage, und zwar an die Deutschen in der Schweiz, überlegen Sie wieder genau:
Die Schweiz nimmt alle Flüchtlinge, wenn die ungeliebten "Schwobe" alle die Eidgenossenschaft verlassen, nach dem Motto: "Lieber die, wer kein Deutsch kann, kann auch nicht ständig meckern." Lassen Sie sich auf den Deal ein?
...
Würden Sie, gell? Sie müssten zwar einen guten Arbeitsplatz und das schönste Land der Welt räumen, kämen aber in ein sauberes, reines, problemloses und cleanes Heimatland. Oder sind Sie der Meinung, die Probleme in der BRD kommen gar nicht alle von den Ausländern? Die Meinung kann und darf man ja auch haben.

So, jetzt kommen wir zur dritten und entscheidenden Frage;
Würden Sie einem Verbot aller Satirezeitschriften und -magazine, Rede- und Schreibverbot für alle Nestbeschmutzer und der Schliessung des Vorderhauses, des Unterhauses, des Renitenztheaters, der Lach- und Schiessgesellschaft, der Stilllegung von Distel, Stachelschweinen und Wühlmäusen, sprich der Umnutzung aller dieser Schmierenkabaretts als dm-Markt oder ALDI, also würden Sie alle dem zustimmen, wenn die Türkei ALLE Flüchtlinge nimmt?
...
Schwierig, nicht? Ich kann mir vorstellen, dass es Leute gibt, die da JA sagen würden. Nämlich die dümmlichen Rechten, die eh kein Satiremagazin schauen, die noch nie in Distel oder Unterhaus waren und die nicht wissen, wer Richling, Schramm oder Pispers sind, weil sie das alles nämlich gar nicht verstehen. (Nicht umsonst heisst das Kürzel AfD ja Alle furchtbar Dumm)
Aber Sie?
Na?

Jetzt tun Sie doch nicht so pikiert. Genau um diese Fragen geht es doch. Der vorauseilende Gehorsam Merkels hat doch gezeigt, wie sehr wir in der Klemme stecken. Es war richtig, den Fall nach §103 an die Gerichte zu überweisen, es war schrecklich dämlich, das Schmähgedicht schon vorher öffentlich zu verurteilen, ganz egal wie dumm es auch war. Aber: Wir brauchen den Erdie halt, damit er uns die Syrer vom Hals hält, genau darum geht es doch.
Warum sagt das niemand ehrlich?

Ich finde, wenn schon schachern, dann richtig. Weg mit aller Heimlichtuerei!
Das war früher, in den guten Zeiten des Mittelalters viel einfacher. Da konnte Ritter Hubertus von Hohenlohe-Speckstein ganz offen zu Fürst Niebald von Künzelsau-Schweinberg sagen: "Du weisst, dass ich dich hasse, ich hasse dich aus tiefem, tiefem Herzen, weil du einfach ein ... bist, aber den Ritter von Hall-Fruhburg, den hasse ich noch mehr, darum helfe ich dir gegen ihn." Das war doch eine schöne Aussage. In den guten Zeiten des Mittelalters wurde Tacheles geredet. Keine Edelfrau musste sagen, dass sie den alten, fetten, hässlichen Fürst von und zu XY aus Liebe heirate, nein, sie vermählte sich mit ihm aus politischen Gründen. Geschenke wurden üppig und ausgiebig verteilt, aber es war klar, dass immer ein Hintergedanke dabei war. Und wenn Hubertus von Hohenlohe-Speckstein zu Niebald von Künzelsau-Schweinberg gesagt hätte, er hasse auch ganz arg den Hofnarr auf der Burg Schweinberg, ja, dann wäre der gute Narr halt am nächsten Tag die Treppe heruntergefallen, wer guckt da so genau hin.

Wenn Schachern, dann mit offenen Karten: Erdogan hat gerade eine Schlüsselposition, also muss er und seine Politik in Ruhe gelassen werden.

Liebe Onliner, haben Sie sich die drei Fragen überlegt?

Nein, die Variante "alle Deutsche in die Schweiz, alle Schweizer in den Vatikan, die Türken nach Deutschland, die Syrer an den Bosporus", das geht nicht auf.


Freitag, 15. April 2016

Pubertäres Schlechtbenehmen aus religiösen Gründen


Die meisten Kirchen haben ein Problem: Sie sind überaltert. Wenn man in einen Gottesdienst, eine Messe, eine Bibelstunde oder ein Rosenkranzgebet schaut, entdeckt man wenige Leute, deren Teint noch keine Feuchtigkeitscreme bräuchte und deren Haar noch keine Tönung. Die jungen, athletischen Staturen sind in Gottesdiensten und Messen klar in der Unterzahl – im Vergleich zu Bierbäuchen und Buckeln und vor den Räumen, in denen Bibeltreffs und Rosenkränze zelebriert werden, sind auch mehr Rollatoren als Mountainbikes parkiert.

Dabei wäre es doch so einfach: Man muss den Jugendlichen etwas bieten.
Und damit meine ich nicht, nach Gottesdiensten und Messen Freibier anzubieten, oder nach Bibeltreffs Marshmallows, ich rede nicht von Kinoabenden oder Fussballturnieren, die sind eh nur Lockvogelangebote.
Nein. Was die Kiddies in eine religiöse Gruppe triebe, wären Gebote, die ihnen den Alltag leichter machen und mit denen sie ihren Lehrern und Mama und Papa ein Schnippchen schlagen könnten.

Also gründe ich eine Sekte mit folgenden Regeln, Regeln, die die Teenies ihren Eltern und Lehrern genüsslich aufs Brot schmieren können:
·         Die Stunden vor Mitternacht sind heilige Stunden, daher müssen sie ausgenutzt werden, es darf nicht vor 24.00 ins Bett gegangen werden.
·         Der Sonntag ist ein heiliger Tag, an dem man keinen Gedanken an Schule oder Arbeit verschwenden darf.
·         Das heilige Getränk ist Ibirum, ein Gebräu aus Hopfen, Malz und Wasser, das in grossen Mengen eingenommen wird. (Es wird in den Supermärkten fälschlich unter dem Namen «Bier» verkauft.)
·         Zu Menschen, die einem nicht passen, muss man nicht nett sein.
·         Die Kleidung der orthodoxen Gläubigen ist Trainerhose, T-Shirt (nabelfrei) und Käppi.
·         Menschen, denen man die Hand nicht geben will, muss man die Hand nicht geben.
·         Wenn man gerade kein Ibirum trinkt, muss man Gummus kauen, eine weiche, klebrige Substanz. (Wird unter dem falschen Titel «Kaugummi» verkauft.)

Stellen Sie sich nun vor, ein Lehrer versucht, den Kaugummi zu verbieten. Keine Chance, meine Jünger dürfen ihm genüsslich erzählen, dass sie ja kauen MÜSSEN. Oder er setzt einen Test am Montagmorgen an. Keine Chance, meine Anhänger DÜRFEN ja am Sonntag nicht an die Schule denken. Ebenso ist er auf verlorenem Posten, wenn er ihnen auf der Schulreise die Ibirum-Dosen wegnehmen will, oder sie ermahnt, nicht im Trainer in die Schule zu kommen, immer können sie auf ihre religiösen Gründe verweisen, die ihr Handeln rechtfertigen.
Meine Kirche wird voll sein, das können Sie glauben, und zwar nicht mit Rollatoren, sondern mit Skateboards…

Natürlich müssen meine Sektenleute auch niemand die Hand geben, wenn sie nicht wollen. Und hier sind wir bei jenem Fall aus Therwil (BL):

In der Schweiz gehört es noch zur guten Sinne, dass Schülerinnen und Schüler der Lehrperson beim Verlassen des Raumes die Hand geben. Nun verweigern zwei muslimische Jungs ihrer Lehrerin das Shakehand, sie dürften aus religiösen Gründen keine Frau anfassen. Und der Schulleiter hat das genehmigt.
Gute Güte!
Die anderen pubertierenden, wilden, ungezähmten Gestalten freuen sich ja auch nicht die ganze Stunde darauf, Frau Müller oder Herrn Meier die Hand zu geben. Aber sie haben als Grund eben nur ihre Unlust, ihre Abneigung gegen gute alte Rituale, sie haben keine RELIGIÖSEN Gründe, nur ihr Alter und ihre spinnenden Hormone.

Daher:
Teenies, Jugendliche, Buben und Mädchen, Vor-, Total- und Spätpubertierende kommt zu mir!
Wenn ihr Mitglied in meiner Kirche seid, dann kann euch niemand mehr!
Ihr dürft den Nachbarn, der wirklich ein Ekel ist, einen blöden Sack nennen, ihr dürft nabelfrei rumlaufen, die Kappe nicht mehr abnehmen und Kaugummi kauen. Ihr müsst nicht mehr vor Mitternacht ins Bett und müsst am Tag des Herrn nicht mehr lernen. Und ihr müsst nie, nie, nie, nie mehr irgendjemand die Hand geben.

Am Rande sei noch der Kommentar eines Imams zitiert: Er sagte, erst fasse man Frauen an (Köln), dann sei das nicht Recht, man solle Abstand von Frauen halten, dann solle man Frauen wieder anfassen, das könne doch niemand verstehen.

Da bleibt einem die Spucke weg…

Dienstag, 12. April 2016

Jamaika und Kenia - der höhere Blödsinn der Koalitionsnamen


Liebe Onliner,
machen wir einen kleinen Test:

Welche dieser Koalitionen existieren:
Ampel – Bärlauch – Holland – Kenia – Burundi – Jamaika – Teddy – IKEA – Pizza

Korrekt. Nummer 1, 4 und 6.
Wüssten Sie auch, was sich dahinter verbirgt?
Ampel = SPD/FDP/Grün
Kenia = CDU/SPD/Grün
Jamaika = CDU/FDP/Grün
(oder jeweils mit anderem „Seniorpartner“)

Wer denkt sich eigentlich diesen ganzen Schwachsinn aus? Hier eine Chronologie des höheren Blödsinns der Koalitionsnomenklatur:

Bis in die 80er war alles in Ordnung: Da regierten SPD oder CDU, die grossen Volksparteien – ja, die SPD war damals noch eine grosse Volkspartei – in absoluter Mehrheit oder waren auf die Liberalen als Zünglein an der Waage angewiesen. Die Freiheitlichen sassen deshalb in x Landtagen, obwohl sie nie besonders viele Wähler hatten und nie, nie, niemals eine(n) Direktkandidat(in) durchbekamen. Die Koalitionen hiessen dann christlich-liberal, sozial-liberal oder, wenn die FDP-Stimmen auch nicht reichten, gross.

Dann kam das, was man hätte verbieten müssen: Eine Partei nannte sich nach einer Farbe. Das war der Anfang allen Übels, denn damit hielten die Benennungen, die sich stets wie ein Modejournal lasen, Einzug in die Medien. Nein, nein, hätte man rufen sollen, GRÜN als Parteiname geht nicht, nennt euch ÖP oder DÖP oder DÖV, irgendwas mit Ö, aber nicht GRÜN. Da die Youngsters das aber nicht machten, hatten wir irgendwann eine Rot-Grüne Regierung. (Sie erinnern sich? Das war die mit dem Kanzler mit den gefärbten Haaren und dem joggenden Aussenminister.)

Jetzt fing man an, von Koalitionen in Farben zu reden, schwarz-gelb oder rot-grün.
Das dies eigentlich nicht geht, zeigt das Problem einer SPD-Linke-Verbindung. Wer ist bei einer rot-roten Zusammenarbeit der Grössere? Bisher immer die SPD, aber wenn es umgekehrt wäre? Müsste man nicht von rot-tiefrot oder tiefrot-rot reden?

Aber jeder Blödsinn findet noch eine Potenz, jeder Schwachsinn ist steigerbar, denn nun kamen die flotten Dreier.
Und um zu vermeiden, dass man drei Farben nennen muss, kam irgendein findiger Journalist auf die Idee, statt drei Farben irgendetwas zu sagen oder schreiben, das aus den drei Farben besteht. Man hätte ihn oder sie sofort rausschmeissen müssen, denn man weiss ja, was eine(r) schreibt oder sagt, machen alle in diesen Deppenbranche, betont der/die erste tschechische Komponisten falsch, tun es alle, ist eine(r) zu faul sich einen Isländischen Vulkan zu merken, sagen auf einmal alle „der Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen“.

„Ampel“ verstehen ja noch alle. Die Farben der Lichtsignalanlage sind jeder und jedem vertraut.
Aber „Jamaika“?
„Kenia“?
Wer hat bei sich zu Hause eine Tafel mit allen Flaggen der Welt? Zumal eine ganze Generation mit „Jamaika“ nicht die Landes-, sondern die Rastafarben verbindet, („noooo womaannnn nooo cryyyyy…“) und die entsprechen der Ampel.

So ist im Radio jetzt immer wieder zu hören „Eine Kenia-Koalition, also eine Koalition aus CDU, SPD und Grünen…“
Gute Güte! Wenn die Merkhilfe so untauglich ist, dass ich sie erklären muss, warum lasse ich sie dann nicht ganz sein? Das ist, wie wenn man sich den Geburtstag von Büchner als Eselsbrücke für das Passwort nimmt und sich dann irgendwo das Geburtsdatum von Büchner aufschreiben muss, weil man es stets vergisst. Oder wollen die Medien uns so lange einhämmern, was „Keniakoalition“ ist, bis wir es tief in den Kopf eingegraben haben? Bis zur nächsten Farbkombi?
Die „Spanien-Koalition“? (=SPD, FDP und Linke)
oder die
„Osterglocke“ ? (= Grüne und FDP)

Und um eines auch noch klar zu stellen: Die AfD ist nicht blau, wie es ihren Plakaten zu entnehmen wäre, sie ist und bleibt braun, und wenn doch in ein paar Jahren mit ihr zusammengearbeitet wird, was sicher der Fall sein wird, dann ist die entsprechende Verbindung die „Haselnuss“

 

 

  

Freitag, 8. April 2016

Die Realität holt einen ein: Erdogan 2



Manchmal ist die Realität genauso, wie man sie als Satiriker beschreibt.
Das ist manchmal gut und manchmal schlecht.
Wenn z.B. vor 20 Jahren ein Glossist geschrieben hätte, die GRÜNEN würden auch noch bürgerlich, im SW-Staat die stärkste Partei werden und mit der CDU koalieren, dann könnte er jetzt feiern. Wenn jemand schreibt, man könne doch mal alle Pannen ins Netz stellen und nicht weiss, dass es FAIL OF THE WEEK schon gibt, ist das doof.

Ich habe neulich einem schwäbischen Kabarettisten, der sich beklagte, dass man nichts über Kretschie machen könne, die Worte in den Mund gelegt:

Er habe auch einen guten Draht zu den Amis, und er wisse aus zuverlässiger Quelle, dass die AAC sie seine Politik gut fänden, sondern weil sie endlich wieder Arbeit wollten. Die Amerikanische Satire leide ja – wie die Baden-Württembergische – seit Jahren unter einem Präsidenten, der dem Kabarett, der Glosse, den Comedians und Sketschschreiber nichts biete. Obama sei so etwas von anständig und sauber, dass man an ihm abgleite wie an einem rutschigen Fisch. «In Trump investieren heisst in die Zukunft investieren» sei der Slogan der AAC, an diesem Kerl sei nun alles unmöglich, der sei nun wirklich eine Goldgrube, ein Eldorado, ein Garten Eden der Kleinkunst. Wo man hingreife, sei dieser Mensch peinlich: Peinliche Frisur, peinliche Ansichten, peinliche Äusserungen, wo man hinlange, sei Trump geschmacklos, geschmacklos sei seine Wohnung, seine Bilder an den Wänden, seine Tischdekoration, geschmacklos seine Einstellung zu jeder und jedem, der nicht ins Raster W-M-W (working, married, white) passe.

Ein Beitrag in SWR2/Kultur am Mittag belehrte mich jetzt neulich, dass ich genau ins Schwarze getroffen hatte: Die US-Comedians schwimmen gerade in einem Wonneschaumbad. Über keinen Politiker konnten sie so viel machen wie über Trump. Während der 10minütigen Reportage machte ich eine Flasche Sekt auf und feierte mein Wie-recht-du-doch-hattest.

Blöder ist, wenn man als Verulkung etwas erfindet, was es schon gibt, da holt einen die Realität auf ganz fiese Weise ein, da macht man dann keinen Sekt auf, man stellt sich in die Ecke und schämt sich und murmelt den Sokratischen Satz mit Ergänzung: «Ich weiss, dass ich nichts weiss und das ist Scheisse (s.v.v.)» Ich habe neulich gepostet:

Und jetzt? Erdi versteht die Welt nicht mehr. Das kann doch nicht sein, dass den Heinis in Berlin die Hände gebunden sind, dass sie sich an Gesetze halten müssen, an die verfassungsmässig garantierte Freiheit von Medien, von Kunst und Kultur, das kann doch nicht sein, dass da gar nix geht? Die sind doch Regierung, oder? Und die Regierung macht die Gesetze, oder? Da kann man doch kurz einen StGB-Paragraphen entwerfen, wie z.B.
§ 45367 Wer ausländische Regierungschefs auf unangemessene Weise darstellt, sie verhöhnt oder beleidigt, wird mit Zwangsarbeit in Oberbayern, Vorpommern oder Niedersachsen nicht unter 3 Monaten bestraft.
Das muss doch gehen, wenn man Regierung ist, oder?

So, Freunde, hier wurde ich nun eines Besseren belehrt. Es gibt den Paragraphen! Es ist nicht der § 45367 StGB sondern der § 103 und die Strafe ist nicht Zwangsarbeit in Oberbayern, Vorpommern oder Niedersachsen (Warum habe ich eigentlich nicht noch Unterfranken genannt, das wäre doch auch schlimm?) sondern Gefängnis, aber im Prinzip steht genau das drin: Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt beleidigt, kann mit bis zu 3 Jahren Gefängnis bestraft werden.

Nun gilt der alte Grundsatz: Wo kein Kläger, da kein Richter. Aber genau diese Kläger haben sich anscheinend nun gefunden.
Anzeigen sind eingegangen, Anzeigen nicht gegen EXTRA 3, sondern gegen Jan Böhmermann, der den guten Erdi schmähte und gegen den jetzt ermittelt wird.

Wieso hatte ich – und das ist wohl die entscheidende Frage – von diesem § noch nix gehört? Wurde noch nie ein ausländisches Staatsoberhaupt durch den Kakao gezogen? Das kann ja wohl nicht sein. Wie ich oben schon sagte, fehlt, wo der Kläger fehlt auch der Richter und damit sein Henker, wenn also niemand eine Anzeige erstattete, dann passierte auch nichts.
Zum Beispiel wären die vor dem Mittelafrikanischen König Bubn Ib Mussa geflohenen Untertanen ja ganz froh gewesen, wenn dieser auch in der BRD nicht so beliebt gewesen wäre, sie hätten jede Bubn-Parodie und jede Mussa-Persiflage mit Genugtuung gesehen. Die Anhänger Ib Mussas aber wären nicht in Deutschland gewesen, sondern daheim, wo der Verehrte seinen treuen Fans Ämter und Geld zuschanzte.
Bürger anderer, demokratischerer Nationen hätte jede Satire mit Humor genommen, wären vielleicht nicht begeistert, aber auch nicht totalsauer gewesen, so kann ich mich nicht erinnern, dass Elke Heidenreich alias Else Stratmann wegen ihrer Royal-Satiren («Lisbeth, hallo bis du’s?») einmal von Briten verzeigt worden wäre.
Nein, der 103er schlummerte bislang friedlich in der Ecke, bis, ja bis irgendwelche Menschen, die – ich kann mir es nicht anders vorstellen – erdogantreu  und humorlos sind (was fast das Gleiche ist) und ihn jetzt aus seinem Schlaf reissen. Das ist genau der Menschentyp, der Tag und Nacht seine Nachbarn beobachtet, stets mit dem BGB in der Hand und permanent nachschlägt:
Dürfen die das?
Ist das nicht verboten?
Was sagt das Gesetzt?
Dürfen zwei alte Tanten in der Nacht Tango tanzen?
Ist denn das legal? Ist denn das normal? Ist denn das erlaubt?

Seien wir gespannt.
Ich aber werde aufpassen und alle meine Post noch einmal durchforsten.
Denn ins Gefängnis möchte ich nun wirklich nicht.


Dienstag, 5. April 2016

Sommerzeit


So, seit dem Ostersonntag ist sie wieder da: Die Sommerzeit. Wir haben die Uhren vorgestellt, haben uns wieder eine Stunde klauen lassen und sind jetzt wieder bis zum Herbst eine Stunde verschoben.
Ich habe es dieses Mal sogar geschafft, die Uhr an meinem Herd ohne Nervenzusammenbruch umzustellen, eine Tatsache, auf die ich sehr stolz bin.
Sagen Sie jetzt aber bitte nicht den Satz, den ich am meisten hasse: «Schön, dass es am Abend jetzt so lange hell ist.» Wollten Sie gerade sagen? Oder Sie haben es zumindest gedacht? Das Krokodil soll Sie holen. Denn das, was es nun am Abend heller ist, ist es am Morgen dunkler.

Nehmen Sie z.B. einen Menschen, der jeden Tag um 6.03 den Zug via Moutier nach Solothurn nimmt. Wie? Ob das zufällig ich bin? Das bin nicht zufällig ich, das bin ganz bewusst ich, denn ich kann ja am besten nicht über andere Leiden schreiben, sondern über meine, die Leiden des jungen Herters (Randbemerkung: Im Original ist das Genitiv-S wirklich noch da.) Also, ich wollte von mir erzählen. Ich stehe um 4.45 auf, gehe um 5.38 auf das Tram 2 und besteige um 6.03 den IC nach Laufen-Delemont-Moutier-Grenchen-Biel. In Moutier steige ich um 7.54 in den Bummler, der durch den Weissenstein fährt und bin um 7.20 in Solothurn West.
War es VOR dem unsäglichen 27.3. beim Loslaufen daheim schon noch dunkel, wurde es in Laufen schon heller, in Moutier war es sehr hell und während der Fahrt durch den Berner Jura kam die Sonne hervor, um in Brudersphären Wettgesang zu tönen. Jetzt ist wieder alles dahin: Loslaufen, Tramfahrt, Birstalfahrt, Jurafahrt, alles im Dunkeln, Kuhnacht. Es ist so, wie wenn man einem die Verlockungen der hellen Jahreszeit gezeigt hätte und ihm dann auf die Finger haut und es ihm wieder wegnimmt.

Sagen Sie jetzt bitte nicht, ich sei die Ausnahme. Wollten Sie gerade sagen? Oder haben es zumindest gedacht? Das Gnu soll Sie holen. Sie werden es nicht glauben, aber es ist NICHT so, dass ich morgens wie in I Am a Legend durch eine verwaiste, menschenleere Stadt laufe. Staunen Sie: Wir sind viele. Das Tram ist voll, am Bahnhof SBB strömen Hunderte auf die Züge, die Blumenhändlerinnen sind schon am Auspacken, die Kioskerinnen am Verkaufen, da wird Kaffee gebrüht, da werden Gipfeli gebacken und die 20min-Zeitungen sind so schnell weg, dass man gar nicht schauen kann. Nein, wir sind viele! Wir sind Legion! Wir sind eine Armee!

Aber jedes Jahr verhallen die Bitten der Frühaufsteher ungehört. Die Bitten, die lauten: Lasst uns den hellen Morgen (ohne Sorgen) und stellt die Uhr nicht um.
In Pflege- und Betreuungsheimen hat man das umgekehrte Problem. Es gibt sowieso schon ein sehr frühes Abendessen und ein frühes Ins-Bett-Gehen, ist nun 18.30 eine mögliche Zeit für ein Z’Nacht, ist (der Sonne nach) 17.30 eine unmögliche Zeit. Oder singen Sie mal – das weiss ich noch aus dem Zivildienst – mit Kindern
Nun legen wir uns schlafen, ‘s ist schon spät
Der Himmel ist mit Sternlein übersät
wenn die pralle Nachmittagssonne noch durchs Fenster dringt.

Die offizielle Begründung der SZ war ja damals der Energiespareffekt. Ein Argument, das man damals schon mit ein wenig Logik hätte entkräften können. Denn wenn ich Strom spare, weil ich abends die Lampen später anzünde, verbrauche ich umgekehrt Strom am Morgen, wenn es nicht hell wird. Statistiken belegen nun ganz offiziell, dass das Stromsparziel nicht erreicht wurde. Was hindert uns nun daran, den Unsinn wieder zu beenden?
Die Eidgenossen haben ja eh nur mitgemacht, weil es alle anderen taten. Es war auch doof, wenn ein Zug, der um 8.00 in Stuttgart losfuhr schon um 9.00 in der Schweiz war und dann um 13.00 in Mailand, das brachte ja ganz falsche Ideen über die Reisezeit. Noch lustiger am Bodensee, da fuhr die Fähre Friedrichshafen-Romanshorn, die keine Stunde braucht, um 11.00 am Schwabenufer los und kam um 10.45 im Thurgau an. Nein, die Eidgenossen würden den Unsinn auch wieder beenden, wenn es der Rest von Europa täte.

Vielleicht mache ich es aber auch auf eigene Faust. Und damit es nicht so auffällt, gehe ich pro Tag nur fünf Minuten zurück. Das heisst, nach 12 Tagen bin ich wieder beim alten Modus. Das gibt dann eine kleine Zeit der Verwirrung, aber damit muss ich leben. Und ab Mitte April lebe ich die Winterzeit, also die normale.
Also passen Sie auf: Wenn Sie mich in den nächsten Tagen zu einer bestimmten Uhrzeit bestellen, komme ich NICHT zu dieser Uhrzeit, ab dem 17.4. komme ich GENAU zu dieser Uhrzeit, aber nach der Sonne. Wenn Sie damit nicht klarkommen, ist es nicht mein Problem.

Schön, dass es am Abend heller ist?
Das Krokodil und das Gnu, und das Känguru und das Tapir sollen Sie holen.