Dienstag, 19. April 2016

Erdogan 3: Schachern, aber richtig!

Liebe Onliner,

ich stelle Ihnen jetzt eine Frage. Nehmen Sie sich eine Minute Zeit zum Überlegen:
Wenn der Vatikan alle Flüchtlinge aufnehmen würde, würden Sie dann jeden Tag ein Vaterunser beten, in die Kirche und zur Beichte gehen, sprich ein(e) gute(r) Katholik(in) werden?
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Gar nicht einfach, die Frage, was? Die Idee wäre schon verlockend, man müsste ja das Vaterunser nur sagen und nicht meinen und man könnte sich ja auch eine Pfarrei mit einem sehr progressiven Priester raussuchen, für den die Beichte ein lockeres Gespräch ist und die Predigt eine philosophische Vorlesung. Gut, das ist alles Fiktion. Der Vatikan, der jetzt symbolisch 12 Flüchtlinge aufgenommen hat, KANN gar nicht alle bei sich beherbergen. Selbst wenn man die 40 Quadratkilometer grossen Räume der Kardinalswohnungen, die Terrassen der Würdenträger und das Vatikanische Museum mit einbezieht, ist nicht genug Platz. Und es würde auch - denke ich - dem Tourismus ein wenig schaden, wer will schon die Laokoon-Gruppe mit drei schlafenden Syrern davor angucken oder beim Gänsemarsch durch die Sixtinische Kapelle, der ja eh schon eine Qual ist, über Matratzenlager steigen?

Gut, dann noch eine Frage, und zwar an die Deutschen in der Schweiz, überlegen Sie wieder genau:
Die Schweiz nimmt alle Flüchtlinge, wenn die ungeliebten "Schwobe" alle die Eidgenossenschaft verlassen, nach dem Motto: "Lieber die, wer kein Deutsch kann, kann auch nicht ständig meckern." Lassen Sie sich auf den Deal ein?
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Würden Sie, gell? Sie müssten zwar einen guten Arbeitsplatz und das schönste Land der Welt räumen, kämen aber in ein sauberes, reines, problemloses und cleanes Heimatland. Oder sind Sie der Meinung, die Probleme in der BRD kommen gar nicht alle von den Ausländern? Die Meinung kann und darf man ja auch haben.

So, jetzt kommen wir zur dritten und entscheidenden Frage;
Würden Sie einem Verbot aller Satirezeitschriften und -magazine, Rede- und Schreibverbot für alle Nestbeschmutzer und der Schliessung des Vorderhauses, des Unterhauses, des Renitenztheaters, der Lach- und Schiessgesellschaft, der Stilllegung von Distel, Stachelschweinen und Wühlmäusen, sprich der Umnutzung aller dieser Schmierenkabaretts als dm-Markt oder ALDI, also würden Sie alle dem zustimmen, wenn die Türkei ALLE Flüchtlinge nimmt?
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Schwierig, nicht? Ich kann mir vorstellen, dass es Leute gibt, die da JA sagen würden. Nämlich die dümmlichen Rechten, die eh kein Satiremagazin schauen, die noch nie in Distel oder Unterhaus waren und die nicht wissen, wer Richling, Schramm oder Pispers sind, weil sie das alles nämlich gar nicht verstehen. (Nicht umsonst heisst das Kürzel AfD ja Alle furchtbar Dumm)
Aber Sie?
Na?

Jetzt tun Sie doch nicht so pikiert. Genau um diese Fragen geht es doch. Der vorauseilende Gehorsam Merkels hat doch gezeigt, wie sehr wir in der Klemme stecken. Es war richtig, den Fall nach §103 an die Gerichte zu überweisen, es war schrecklich dämlich, das Schmähgedicht schon vorher öffentlich zu verurteilen, ganz egal wie dumm es auch war. Aber: Wir brauchen den Erdie halt, damit er uns die Syrer vom Hals hält, genau darum geht es doch.
Warum sagt das niemand ehrlich?

Ich finde, wenn schon schachern, dann richtig. Weg mit aller Heimlichtuerei!
Das war früher, in den guten Zeiten des Mittelalters viel einfacher. Da konnte Ritter Hubertus von Hohenlohe-Speckstein ganz offen zu Fürst Niebald von Künzelsau-Schweinberg sagen: "Du weisst, dass ich dich hasse, ich hasse dich aus tiefem, tiefem Herzen, weil du einfach ein ... bist, aber den Ritter von Hall-Fruhburg, den hasse ich noch mehr, darum helfe ich dir gegen ihn." Das war doch eine schöne Aussage. In den guten Zeiten des Mittelalters wurde Tacheles geredet. Keine Edelfrau musste sagen, dass sie den alten, fetten, hässlichen Fürst von und zu XY aus Liebe heirate, nein, sie vermählte sich mit ihm aus politischen Gründen. Geschenke wurden üppig und ausgiebig verteilt, aber es war klar, dass immer ein Hintergedanke dabei war. Und wenn Hubertus von Hohenlohe-Speckstein zu Niebald von Künzelsau-Schweinberg gesagt hätte, er hasse auch ganz arg den Hofnarr auf der Burg Schweinberg, ja, dann wäre der gute Narr halt am nächsten Tag die Treppe heruntergefallen, wer guckt da so genau hin.

Wenn Schachern, dann mit offenen Karten: Erdogan hat gerade eine Schlüsselposition, also muss er und seine Politik in Ruhe gelassen werden.

Liebe Onliner, haben Sie sich die drei Fragen überlegt?

Nein, die Variante "alle Deutsche in die Schweiz, alle Schweizer in den Vatikan, die Türken nach Deutschland, die Syrer an den Bosporus", das geht nicht auf.


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