Freitag, 26. Februar 2016

Der EUxit steht bevor (alle gehen)



Was haben ein Perpetuum mobile, der Kommunismus, die DB und die EU gemeinsam?
Genau:
Es sind super Ideen, aber sie funktionieren nicht.

Eine Maschine, die die Energie, die sie zu ihrem Betrieb braucht, selber herstellt und so zum ewig laufenden Apparat wird, zur Konstruktion, die von Ewigkeit zu Ewigkeit rattert und pfeift, wäre eine witzige Sache. Leider funktioniert es nicht.
Eine Gesellschaft, in der alles allen gehört, in der glückliche Bauern ihre eigenen Felder bestellen und glückliche Arbeiter in ihren Fabriken werkeln, in der es keine Unterdrückung und keine Entfremdung mehr gibt, in der gesunde, rotbäckige Kinder auf den Spielplätzen herumtollen, wäre ein gut Ding. Leider funktioniert es nicht.
Ein Zugnetz, das alle Deutschen zuverlässig von A nach B und von B nach C – oder vielleicht auch von B nach A über C oder von C nach A über B, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt – befördert, in dem man auf bequemen Sitzplätzen in warmen (im Sommer kühlen) Zügen die Aussicht geniesst, d.h. ein Zugnetz, in dem die Züge auch fahren und reservierte Waggons auch vorhanden sind, wäre eine tolle Sache. Leider funktioniert sie nicht.
Eine Gemeinschaft der Europäischen Staaten, in der grenzenlos gehandelt wird, wo es EINE Währung und EINEN Sinn gibt, in der sich glückliche Menschen als glückliche Europäer fühlen, in dem Süd-, Nord-, Ost- und Westländer zusammenwachsen, eine Gemeinschaft, in der es EINE Sprache und EINE Tradition gibt, das wäre zu schön.
Leider….
Sie wissen es schon, es geht nicht, es klappt nicht.
Alle Konstruktionen, die so toll wären, aber einfach nicht funktionieren, scheitern an der Belastungsprobe.
Für das Perpetuum ist die Belastungsprobe der simple Betrieb. Da entsteht nämlich Reibung und die bringt das ganze Ding zum Stehen. Nein, reibungslos geht nicht, beim besten Willen nicht, und so wird die Maschine irgendwann nicht mehr tun, sei es nach 100 Jahren.
Für den Kommunismus war die Belastungsprobe die Präsentation der Ideen vor dem Volk. Man hatte sich so schön vorgestellt, wie man vor die Menge tritt und alle jubeln: «Wir gründen LPGs!» Volk jubelt. «Wir brauchen keine Kirchen mehr, wir fackeln sie ab.» Volk jubelt. «Wir arbeiten nach Plan.» Volk jubelt. Nein, es gab so viele, die weiterhin alleine die Felder bestellen, die weiterhin in den Gottesdienst gehen und weiterhin eigene Produkte herstellen wollten, dass man dummerweise doch zu Repressionen greifen musste.
Für die DB sind die Belastungsproben kaum aufzuzählen: Eis, Regen, Schnee, Graupel, Hagel, Wind, Sonne, kranke Mitarbeiter, streikende Mitarbeiter, mehr als 10 Fahrgäste pro Tag, alte Züge, uralte Züge, historische Züge, antike Züge, Loks, Weichen, Stromleitungen usw.
Und für die EU?

Die eine Belastungsprobe war die Finanzknappheit, das konnte man durch ständige deutsche Geldspritzen ja noch lösen, aber jetzt kommen die Flüchtlinge. Und sofort denkt man wieder über Kontrollen und Zäune nach und meckert herum: Wien tagt im Alleingang mit Balkanesen, die Briten sind kurz vor dem «Brexit» und Ungarn stimmt ab, ob sie Flüchtlinge nehmen. Jeder wurschtelt und macht und tut und auf einmal ist es scheissegal (s.v.v.), was irgendein Nachbarstaat denkt.
Nein, die EU ist eine schöne Sache, die wie Perpetuum mobile, Kommunismus und DB nicht funktioniert.

Nun ist es merkwürdigerweise so, dass dieser Club nicht mit seinem Scheitern gerechnet und auch nicht an seine eigene Auflösung gedacht hat. Es gibt keinerlei Regelung, keine Gesetze und keine Schemata für einen EUxit (d.h. ALLE gehen). Das ist deshalb so komisch, weil man sonst ja immer schon an das schlimme Ende, das ja immer noch kommen kann, denkt. Viele Paare setzen in ihren Ehevertrag eine klare Klausel, die alle Eventualitäten im Falle einer Scheidung regelt, von A bis Anwaltskosten bis Z Zuwendungen. Jeder Jodelclub, jeder Fussballverein, jede Musikgemeinschaft und jeder Taubenzüchterverband hat in seinen Statuten einen letzten Paragraphen, der mit folgendem Wortlaut beginnt:
§ X: Die Auflösung des Vereins kann mit 2/3-Mehrheit auf einer GV beschlossen werden. Im Falle der Auflösung…
Auch die GMBH ist ein Firmenkonstrukt, das von vorneherein ans Scheitern denkt. Denn wenn der Gesellschafter nur mit der Einlage haftet, haftet er ja im Falle eines Konkurses und nicht im Falle eines Riesengewinns.

Die EU hat kein Szenario für ihr Scheitern, jenes Scheitern, das so kurz bevorsteht. Wie hätte das auch gehen sollen? Hätten schon Adenauer und de Gaulle sich überlegen müssen, was sie machen, wenn es nicht klappt? Noch bevor sie anfingen? Kann man erwarten, dass in Brüssel hochbezahlte EU-Mitarbeiter an ihrem eigenen Stuhl sägen? Dass es in der Europa-Zentrale eine Auslöschungs-Truppe gibt? So quasi eine schweigende Abteilung innerhalb der Organisation? Die MEN IN BLACK?
Nein.
Das kann man wirklich nicht erwarten und so sehen wir gespannt einem Ereignis entgegen, das es eigentlich nicht geben kann: Dem EUxit. Wird es wieder die DM geben? Wieder Stempel im Pass? (Habe ich geliebt!) Die Antwort, mein Freund…

Was haben ein Perpetuum mobile, der Kommunismus, die DB und die EU gemeinsam?
Genau:
Es sind super Ideen, aber sie funktionieren nicht.



Dienstag, 23. Februar 2016

Kretschmann oder CDU? Seltsame Frage, nich?


«Wählst du Kretschmann oder die CDU?», fragt die ältere Dame in einem Freiburger Café ihre Freundin. Die Frage belustigt mich. Sie belustigt mich, weil in ihr das ganze Dilemma der Landtagswahl zu Tage tritt. Eigentlich müsste die Frage doch entweder GRÜNE vs CDU oder Kretschmann vs Wolf lauten. Sie wird aber so nicht gestellt, nein, die nette Lady um die 70 fragt ihre ein paar Jährchen jüngere Freundin – oder ist es gar die Tochter? Bei den fitten Senioren heutzutage weiss man ja gar nix mehr – ob sie Kretschmann oder CDU wähle, und jede andere würde die Frage wahrscheinlich genauso stellen…

Die GRÜNEN haben für die Landtagswahl fünf schlagende, gute, bewährte, fünf hervorragende Argumente, und diese lauten:
1.)    Kretschmann
2.)    Kretschmann
3.)    Kretschmann
4.)    Kretschmann
Nun raten Sie mal das fünfte! Hihihihi, falsch, das 5. Argument lautet Ökologie, allerdings belegt Winnie dann wieder die Plätze 6-10.

Kretschi hat das Problem, in der falschen Partei zu sein. Ein Problem, das zum Beispiel auch Schmidt Schnauze hatte. Wäre Kretschi bei den Christdemokraten, er wäre längst Bundesminister, wenn nicht Bundeskanzler. Der Gute ist ein Phänomen, er ist bürgerlich, grundsolide, bodenständig, er ist erzkatholisch, anständig, inkorrupt, Kirchenchorsänger und Dorfbewohner. Auf den Wahlplakaten lächelt einen ein seriöser Herr in den besten Jahren an, seine weissen Stoppelhaare haben – wie bei allen Herren in den besten Jahren – etwas überaus Attraktives, es geht ein beinahe erotischer Charme von ihm aus. Einem solchen Herrn würde man ein Auto abkaufen, man würde ihm einen Kredit gewähren und ihm die Wohnungsschlüssel geben, ja man würde ihm sogar die Kinder zum Hüten geben und hätte keine Angst, dass er Böses mit ihnen anstellen würde. Gut, strenge Atheisten täten es vielleicht nicht, denn wahrscheinlich würde Winnie sie – der Nichthimmel helf – mit in eine Kirche nehmen und mit ihnen beten.

Ob des Charismas Kretschis ist es nicht verwunderlich, dass die GRÜNEN nicht mehr mit Ökoideologie, sondern mit IHM werben, nicht für die UMWELT, die NATUR solle man grün wählen, sondern FÜR KRETSCHMANN.

Wolfieboy hat umgekehrt das Glück, in der richtigen Partei zu sein. Haben Sie sich die Wahlplakate einmal angeschaut? Sollte je einmal ein Preis für das schlechteste Wahlfoto verliehen werden, Wolfieboy bekäme ihn. Hier steht ein spätpubertärer Früherwachsener in einem so miserabel sitzenden Anzug, dass man unwillkürlich «den hat Mami aber feingemacht» denkt. Das mondrunde Antlitz wird durch falsche Brille und falsche Frisur so betont, dass es noch mondiger und noch grinserundiger wird. Im Film Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Grossstädter zur Paarungszeit gibt es den Verlags-Jungchef Henrik jr. (gespielt von Frank Giering), der in seinem Drehstuhl thront und von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, der sieht genauso aus.  Wolfieboy hat auch keine Argumente, er hat weder Charme noch Wissen, kein Mensch kann sich an irgendeinen Ausspruch, irgendeine Rede, irgendeine Aktion von ihm erinnern. Er hofft schlicht und einfach auf die CDU-Stammwähler. Angeblich soll man in der CDU-Zentrale in Stuttgart diskutiert haben, auf die Plakate CDU WÄHLEN – TROTZ WOLF zu schreiben, es sei aber dann doch verworfen worden.

Der Wahlkampf läuft nun ein wenig wie ein Hindernistanz, ja nichts Falsches sagen, ja nichts Falsches schreiben. Auf der persönlichen Ebene ist eh nix zu holen. So ein schöner Sexskandal, das wäre es etwas, aber Winnie ist dafür zu katholisch, Wolfieboy müsste ja erst einmal geschlechtsreif werden. Argument Wirtschaft? Der Wirtschaft geht es gut, WEGEN uns, sagen die Grünen, TROTZ euch, sagt die CDU, Fakt ist, dass eine funktionierende Wirtschaft immer den Regierenden zugeschrieben wird, und Fakt ist auch, dass die Badisch-Schwäbische Wirtschaft stets funktioniert, egal, wer oder was am Ruder sitzt. Man könnte die Firmen des Landes auch verstaatlichen, sie würden trotzdem perfekt weiterarbeiten.

Argument Flüchtlinge? Ach du lieber Himmel, das meiden beide wie der Teufel das Weihwasser. Denn wenn Wolfieboy forderte, weniger Flüchtlinge ins Land zu lassen, würde Winnie ihm so etwas von genüsslich um die Ohren hauen, dass es ja Wolfieboys Parteichefin ist, die alle weiterhin willkommen heisst. Nein, solche heissen Eisen packt man nicht an. Da schreibt man lieber «Mehr Tempo beim Strassenbau» und lässt offen, wie man das bewerkstelligen will. (Den Bürgerinnen und Bürgern die Einspruchsrechte nehmen? Käme beim Wahlvolk nicht gut an.)

Es bleibt also spannend im Ländle, spannend bleibt auch, wie die regierende SPD abschneidet. Ja, die SPD ist Regierungspartei, merkt zwar niemand, aber es ist so. Die SPD hat das Geschick als Juniorpartner immer unterzugehen, egal ob grosskoalitisch oder grünrot.

Die jüngere der beiden älteren Damen hat übrigens eine Antwort auf die Frage bereit, eine Antwort, die einem das Blut in den Adern gefrieren und den Atem stocken lässt. Sie sagt das Grausamste, das Schrecklichste, das, was niemand vermutete. Sie spricht das widerlichste und fieseste Wort aus, indem sie zu ihrer Freundin flüstert (ich höre es doch):

«Ich wähle AFD.»

Freitag, 19. Februar 2016

Stoppt die Pendlerströme (2): Home Office

Wäre Heimbüro (ich wähle mal diesen deutschen Ausdruck für das neuenglische Home-Office) eine Alternative zu den Pendlerströmen?

Letzte Nacht hatte ich einen schrecklichen Albtraum:

Ich sass an meinem Pult und hatte Heimbürotag. Irgendwann während des fröhlichen Arbeitens kommt eine Mail von meinem Kollegen Tim: Kannst du mir Dokument XXY 8946453 einscannen und senden, ich habe Heimbüro. Ich musste ihm leider zurückschreiben, dass ich auch Heimbürotag hätte, und somit an Dokument XXY 8946453 auch nicht herankäme, dass ich aber gehofft hätte, er werde mir YYZ 3334444 einscannen und schicken. Nun blieb uns nur Tom. Aber sie können sich’s denken: Als wir ihn anmailten, teilte er uns mit er sei im Heimbüro, habe aber gehofft einer von uns werde ihm ZZA 63534297564dscvx elektronisch einlesen und mailen…

Es half nichts, einer von uns musste ins Büro. Da es noch kein wirklich gutes elektronisches Schere/Stein/Papier gibt, spielten wir eine Weile Stadt/Land/Fluss. Auch das ist nicht so lustig, wenn alle am PC sitzen, weil man ja nur googelt und nicht WEISS. Jedoch irgendwann, vielleicht war einfach mein Browser zu langsam, hatte ich verloren. Ich musste in unser Büro im Hauptsitz der HUHAMAG.

Ich lief in die Tiefgarage, startete meinen BMW und sauste los. Ca. 5 km vor der Firma gab mein Wagen zunächst stotternde und fiepende Geräusche von sich, hüpfte dann zweimal wie ein epileptisches Kaninchen und blieb schlussendlich stehen. Ich rief meinen Garagisten an und fragte, ob er mich entweder abschleppen und mir einen Leihwagen geben oder ob er kommen und den Schaden beheben könne. Er habe Heimbüro, so dieser, er liege ganz entspannt auf dem Sofa und esse Schokocrossies, könne mir aber einen Reparaturplan zusimsen, wenn ich den Schaden genau beschriebe. Ich teilte ihm, etwas verdutzt und verärgert, mit, dass mein BMW zunächst gestottert und gefiept habe, dann kaninchenhaft gesprungen sei, schliesslich sei er stehengeblieben. Dann sei alles klar, so mein Mechaniker. 30 Sekunden später erreichte mich seine SMS mit 14 Schritten, von Motorhaube öffnen über diverse Knöpfe, die zu drücken und Schalter, die umzulegen waren, bis Motorhaube schliessen. Ich hätte es sogar in 60 Minuten geschafft, hätten nicht Tim und Tom genervt, wo YYZ 3334444 und ZZA 63534297564dscvx blieben…

Kurz und gut, endlich erreichte ich die HUHAMAG, parkte in der Tiefgarage und machte mich auf den Weg zu Büro und Dokumenten. Als hätte es das auch noch gebraucht, ging die Lifttür auch nach mehrmaligem Knopfdrücken nicht auf. Ich rief die aussen auf einer Tafel angebrachte Nummer an und erfuhr – Sie ahnen es, gell, gell, Sie ahnen es! – sie hätten heute alle Heimbüro und ich müsse leider laufen. Nun liegt unser Büro im 40. Stockwerk, und ich bin trotz viel Sport und gesunder Ernährung, halt auch nicht mehr der Jüngste. Aber nach einer Dreiviertelstunde war ich dort. (Dieses Mal war ich um die Nervtelefonate von Tim und Tom ganz froh, weil sie mir bei Stockwerk 20 und 31 je eine kleine Rast bescherten.)

Ein winziger Lichtblick war, dass bei uns auf der Etage der Kaffeeautomat makellos funktionierte. So gestärkt durch drei Espressos ging alles ganz schnell: Scannen, Mailen, Runterlaufen, Tiefgarage, Auto, heim.

Zuhause angekommen und wieder am PC sitzend, stellte ich fest, dass meine Knie wehtaten. Ich entblösste meine Beine und bemerkte eine grün-violett-rosa Färbung, die sich von der Mitte der Unterschenkel bis fast zur Lende hochzog. Irgendwie hatte die Lauferei über 40 Stockwerke hinweg mir nicht gutgetan. Ich rief meinen Orthopäden an. Muss ich noch kundtun, dass dieser Heimbüro hatte, muss ich sagen, dass er ein Foto von meinen Beinen wollte? Muss ich erwähnen, dass, als ich schickte, er gemütlich sagte, mit ein bisschen Mobilat® werde das schon wieder?

Ich strich also die Salbe auf die Beine und legte mich aufs Sofa. Aber irgendwie hatte sich mein Doktor getäuscht, die Knie wurden immer grüner, immer violetter, immer rosaner, sie schwollen an, erst auf Apfel-, dann auf Melonengrösse, zudem schmerzten sie inzwischen höllisch. Ich konnte nicht anders als wie am Spiess zu schreien, gellend und durchdringend.
Mein Nachbar von oben rief an, er habe Heimbüro und könne – bei aller Liebe – wirklich nicht arbeiten, wenn ich solchen Lärm machte…
Die Knie waren inzwischen schwarz, hatten einen Umfang eines Kühlschranks und fingen an zu bluten.

Schweissgebadet wachte ich auf.

Natürlich ist der Traum völliger Unsinn, natürlich werden nie ALLE Leute gleichzeitig den Betrieben fernbleiben, natürlich werden Ärzte, Feuerwehrleute und Gastronomen immer an Ort und Stelle sein. Aber wird es nicht viele blöde Veränderungen geben?
Werden sich z.B. Robi und Annie nie treffen, weil ihre Heimbüro-Tage genau komplementär verlaufen und erst nach 40 Jahren auf einer Betriebsfeier merken, dass sie eigentlich für einander bestimmt waren? Wie soll man umgekehrt eigentlich noch fremdgehen, wenn der oder die andere ständig zuhause sitzt?

Fest steht: Wir drohen zu vereinsamen. Wir arbeiten den ganzen Tag virtuell, flirten dann virtuell, bestellen dann online irgendwelche Speisen um sie bei Filmen aus dem Internet zu konsumieren.
Waren Sie eigentlich heute schon vor der Türe? Dann hören Sie auf, irgendwelche dumme Glossen zu lesen und gehen Sie schwimmen! Na los! Morgen ist zwar auch noch ein Tag, aber wieder einer mit Heimbüro.








Dienstag, 16. Februar 2016

Stoppt die Pendlerströme (1): Reportage über den 10 Uhr-Pendler 1. Klasse

Ob man die Gotthardröhre jetzt braucht oder nicht, ob man jetzt 15 weitere Tunnel gräbt, ob das Volk ja oder nein zu Gotthard oder weiteren Wühlmausaktionen sagt, feststeht, dass die entscheidenden Verkehrsströme gar nicht durch die Alpen laufen. Die entscheidenden Ströme rinnen zwischen Zürich und Bern, Bern und Basel, Basel und Zürich, es ist diese schreckliche Pendelei, Berufspendelei, Arbeitspendelei, und das Schlimme ist, auch zu mir muss man sagen: «Wahrlich, du bist auch einer von denen, denn deine Steuererklärung verrät dich.»

Wäre hier nicht der Zug, die SBB eine prima Alternative?

In der Zeitschrift HALLO SCHWEIZ war neulich ein netter Artikel. Die Journalistin Regula Hibberli hat einen Pendler bei seinem Weg zur Arbeit begleitet und ihn interviewt. Prof. Dr. Beat Stugger ist Professor für Nichtvergleichende Textlinguistik des Katalanischen an der Uni Zürich und wohnt in Basel. Er arbeitet montags, donnerstags und freitags zuhause, am Dienstag und Mittwoch erwartet ihn an der Limmat ein dichtgedrängtes Programm von 10.00 – 20.00. Da er in Basel im Gundeli wohnt, also im Quartier direkt hinter dem Zentralbahnhof, kann er gemütlich um 7.40 losgehen und erreicht mühelos den 8.07 nach Zürich. Hibberli hat ihn vor der Haustüre erwartet und kann auf dem Weg durch die Gründerzeitstrassen des Gundeldingerquartiers schon ein wenig plaudern. «Ich könnte mir nie vorstellen, mit dem Auto zu fahren», so Stugger, «das ist doch alles viel entspannter so.» Ein Foto zeigt den Mittevierziger in hellem Mantel, mit Schal und Laptoptasche, wie er in den ersten Strahlen der Morgensonne zum Bahnhof schreitet. Es stellt sich die Frage, ob das Bild auch so anheimelnd wäre, wenn Stugger sich durch einen Schneesturm kämpfen müsste, der im Januar (da war das Interview) doch eigentlich mehr dran wäre als die Lenztemperaturen, die wir hatten, aber davon später…

Das nächste Foto zeigt Stugger und Hibberli lachend beim Gespräch im 1. Klasse-Abteil, Unterlagen und Laptop auf dem Tisch, Platz, viel Platz, auch noch für zwei doppelte Espressos und Gipfeli. «Sehen Sie, ich habe ein GA 1.Klasse, um Tickets muss ich mich nicht kümmern, ich muss auch nicht an Tanken oder Wasserstand denken, und dann habe ich eine Stunde Zeit um zu arbeiten, ich habe Platz für alle Unterlagen und einen guten Kaffee gibt es hier auch.» In Zürich hat Stugger nun wiederum das Glück, dass das Institut für Nichtvergleichende Textlinguistik des Katalanischen in Bahnhofsnähe liegt und er ganz locker durch die Januarfrühlingssonne an seinen Arbeitsplatz gelangen kann.

Warum nutzen, so fragt Hibberli am Ende ihres Textes, nicht mehr Leute diese wunderbare Möglichkeit zur Arbeit zu kommen?

Ja, warum eigentlich?
Weil, und das scheint die gute Regula irgendwie völlig zu ignorieren, die meisten Menschen eben nicht Professoren für Nichtvergleichende Textlinguistik des Katalanischen sind. Kann man sich – und das ist das grosse Privileg der Angehörigen des akademischen Oberbaus – seine Arbeitszeiten selber legen, ist das natürlich extrem entspannend. Ganz anderes sähe es aus, müsste Stugger wie die meisten Arbeitnehmer von 8.00-17.00 arbeiten. Dann wäre es nicht der Achtuhrzug nach Zürich, sondern der Siebenuhrzug, und der ist voll. Da kämpfen zwei Laptops und zwei Tablets um den Platz auf dem ca. 40 Quadratzentimeter grossen Tisch, da ist dann kein Platz für Espresso und Gipfeli, wenn man überhaupt einen Sitzplatz bekommt. Da ist dann, eingezwängt zwischen Leuten, die nach Knoblauch, Hautcreme oder AXE riechen, die Lage nicht mehr so entspannt. Auf dem Rückweg die gleiche Misere: Die Hauptverkehrszeitenwaggons sind so voll wie ein Viehtransport, jetzt wollte man eigentlich schlafen, aber dazu müsste man sich ein wenig ausstrecken, was ja nicht geht, siehe oben. Nur altgediente Interrailer (wie z.B. ich) sind in der Lage sich zu einer kompakten Kugel zu formen und als diese sofort einzupennen.

Natürlich können manche gleitzeiten, aber hier kommt noch ein anderer Punkt ins Spiel: Normalarbeiter müssen 42 Stunden an Ort und Stelle sein, das heisst um 10.00 anfangen (und späteren Zug nehmen) hiesse dann aber auch später aufhören. Wer will schon jeden Abend erst um 20.30 zuhause sein? Man ist ja vielleicht in einem Chor, einem Sportverein, man will ins Kino oder ins Theater, oder einfach nur das Z’nacht nicht erst um 21.00 beginnen.

Warum nicht Erste Klasse? Du lieber Himmel! Weil ein normaler Bankangestellter, Verkäufer, Büromensch etc. auch nicht so viel verdient wie ein Professor für Nichtvergleichende Textlinguistik des Katalanischen. Die 3600.- für ein GA ZWEITE KLASSE müssen auch erst einmal verdient sein…

Die Geschichte von Hibberli ist kein Einzelfall. VIA und MOBIL, die Hauszeitschriften von SBB und DB sind voll von lachenden, glücklichen Menschen, die sich in leeren Zügen räkeln. Ich habe noch nie eine Reportage «Um 6.30 im IC Basel-Olten» gesehen, die wäre mal aufschlussreich…
Vielleicht fragen Sie sich, warum ich selbst immer noch ein so überzeugter Bahnfahrer bin. Ich habe das Glück, am Morgen einen anderen Weg wählen zu können, auf dem der Zug leer ist und um 12.00 von Solothurn wieder heimzufahren, da ist auch nicht so Hochbetrieb. Allerdings soll diese Strecke 2020 geschlossen werden, aber vielleicht findet sich noch ein Sponsor für die Renovierung des Weissenstein-Tunnels, wie wär’s mit Ihnen?

IM ZUG ZUHAUSE
wirbt die SBB mit Plakaten.
Bei allem Respekt: ZUHAUSE bin ich bei aller Zugliebe doch lieber ZUHAUSE.




































Donnerstag, 11. Februar 2016

Es gibt nichts Idiotensicheres, weil die Welt voller Idioten ist.


Mein Freund Alex ist ein Null-Koch, also ein Mensch, der vom Kochen keine Ahnung hat. Er bekommt inzwischen Spaghetti Pesto hin, aber das ist mit Fertigsauce auch nicht so ein Problem. Als ich ihn neulich zu Toast und Salat eingeladen hatte, war er begeistert von meinen Toastvariationen:
*Toast mit Salami, Pomodori secci und grünem Pfeffer
*Toast mit Mandarinen, Erdnüssen und Curry
*Toast mit Schinken, gekochtem Ei und Koriander
Er wollte eine genaue, eine idiotensichere Anleitung, um die Brote nachzuzubereiten, und die gab ich ihm. Ich dachte, ich hätte alles berücksichtigt, alles aufgeschrieben, es wirklich idiotensicher gemacht, aber denkste. Alex machte alles wie aufgeschrieben, schob die Toasts in den Backofen, setzte sich mit einem Aperitif auf sein Sofa und wartete auf den wunderbaren Duft, den er bei mir genossen hatte. Aber statt eines herrlichen Aromas wanderte ein grässlicher Gestank durch Küche und Wohnzimmer, ein beissender, widerlicher Geruch. Alex hatte nämlich vergessen, die Plastikfolie der Scheibletten abzumachen. Das hatte ich ihm auch nicht ausdrücklich aufgeschrieben…

Es gibt nichts Idiotensicheres. Es gibt keine idiotensichere Technik, keine idiotensicheren Anleitungen und keine idiotensicheren Vorgänge. Eben weil es Idioten gibt, weil es Deppen gibt, weil es Halbschuhe und Vollpfosten gibt. Es gibt immer jemand, der es kaputtkriegt, der es ausser Gefecht setzt, der es zerstört. Es gibt nichts Idiotensicheres, weil die Welt voller Idioten ist.

Da fährt ein Mann in einen anderen Wagen, und bei der polizeilichen Untersuchung kommt heraus, dass der Mann gar nix mehr sieht und bei den wöchentlichen Einkaufsfahrten die Frau ihn immer gelotst hatte, nach zwei Metern links, nach 10 Metern rechts, nach 30 Metern links. Nur an diesem Morgen hatte die Gute irgendwie geschlafen. Gut, der Mann fuhr langsam und es gab nur einen Blechschaden.

Da ging der Copilot auf die Toilette und der Pilot wollte der Stewardess irgendwas sagen, er verliess auch das Cockpit und dummerweise fiel die Tür hinter ihm zu. Nun ist es so, dass man das Cockpit aus Sicherheitsgründen von aussen nicht öffnen kann. Das hiess also, beide Piloten hatten sich ausgesperrt. Ein Beil kam zum Einsatz, eine Axt, die mit sinnlos waltenden rohen Kräften die Türe öffnete und den beiden Flugkapitänen den Einlass in ihr Reich wieder gewährte. Allerdings mussten die beiden bei der Landung erklären, warum ein riesiges Loch in der Cockpittüre klaffte: Pilot und Copilot waren ihren Job los.

Die Welt ist voller Deppen, Vollidioten und Vollpfosten. Und kein System kann so sicher gemacht werden, dass nicht irgendein Halbschuh es ausser Gefecht setzen kann…

Die DB hat eine makellose Sicherheitstechnik. Wenn irgendwo eine Weiche klemmt, wenn ein Draht wackelt, wenn eine Schraube lose ist, dann gehen alle Signale auf ROT. Das Ganze funktioniert perfekt, bis irgendein Idiot, ein Depp, ein Vollidiot, Halbschuh, Vollpfosten auf die Idee kommt, das ganze System ausser Kraft zu setzen. Ein Knopfdruck und alle Elektrik schweigt. Und es rasen Züge ineinander, wie eben in Bayern geschehen, bis jetzt 11 Tote. Kein System hält der Idiotie des Menschen stand.

Ich fahre heute mit dem IC nach Mainz und habe ein wenig Sorge, ob der Fahrer wirklich den Totmannknopf immer drückt oder ob er dafür seinen Enkel angestellt hat: «Drück einfach immer alle 5 Minuten das Knöpflein, Opi schlummert ein wenig, wenn was Wichtiges ist, weck mich..»

Die Anzahl an Deppen und Vollpfosten lässt einen fast religiös werden.
Und so wird das neue Abendgebet lauten:
Herr, ich weiss, dass du auf deine Erde auch Deppen, Idioten und Halbschuhe rumlaufen lässt, das ist auch in Ordnung.
Aber schenke, dass morgen mein Fahrer (Taxichauffeur, Chirurg, Pilot, Fahrdienstleiter usw.) keiner ist.
Amen

Eben rief Alex an.
Er braucht ein idiotensicheres Rezept für Rouladen mit Gemüse und Nudeln.
Wenn ich daran denke, was ein Null-Koch wie er alles falsch machen könnte…
Haben Sie heute 5 ½ Stunden Zeit um das aufzuschreiben?




Montag, 8. Februar 2016

Mützbacher und die Faschingsklausur

Mützbacher habe mit seiner Faschingsklausur, in die er seit drei Jahren fahre, eigentlich Recht, so Renner neulich zu mir, als wir beim Apéro im Löwen sassen. Die Faschingsklausur sei eine verrückte Idee, so Renner, wie Mützbacher viele verrückte Ideen habe, aber im Grunde genommen könne er Mützbacher verstehen. Dieser fahre, so Renner zu mir im Löwen, seit drei Jahren vom Schmutzigen Donnerstag an bis zum Aschermittwoch in eine Waldhütte, um sich die Zeit lang intensiv mit je einem Philosophen zu beschäftigen. So sei, so Mützbacher, 2013 Rousseau auf dem Programm gestanden, 2014 Kant und 2015 Hegel. Dieses Jahr werde Mützbacher, so Renner, sich mit Augustinus auseinandersetzen. Augustinus werde immer noch unterschätzt, habe Mützbacher gesagt, so Renner zu mir im Löwen, Augustinus sei einer der ganz Wichtigen. Böll habe ihn im Clown lächerlich gemacht, so Mützbacher, das verzeihe er ihm nicht, dieser Böse Böll, habe Mützbacher gesagt, so Renner, habe Schmutz auf einen der ganz Grossen geworfen. Aber er werde, so Mützbacher, Augustinus wieder zu Ehren verhelfen, sagte Renner zu mir.

 Auf die Frage, warum er in die Faschingsklausur fahre, warum er nicht einmal die Sau raus lasse, warum er nicht mit den Narren laufe, Lärm mache, warum er nicht in den Ausnahmezustand gehe, sagte Mützbacher, der Ausnahmezustand sei ja inzwischen permanent. Die Fast-Nacht, habe Mützbacher gesagt, so Renner im Löwen zu mir, sei früher die Nacht vor dem Fasten gewesen, also ein letztes Feiern vor einer Zeit des Darbens. Heute würden ja direkt nach den Fastnachtsküchlein die Schokoeier und die Osterhasen in die Regale und in den Mund gestopft. Dieses Schokoeierfressen und Osterhasenfuttern sei ihm ein Gräuel, so Mützbacher.

Zum Thema Sau raus lassen, habe Mützbacher nur gesagt, so Renner, dass die Sau ja das ganze Jahr rausgelassen sei. Die ganze Zeit werde man mit Fotos, Witzen und komischen Filmen bombardiert, dass es einem grause, so Mützbacher. Ständig erreiche einen ein Bild mit einem grinsenden Gesicht, das der Betreffende selbst aufgenommen habe und total witzig finde, habe Mützbacher gesagt, so Renner. Diese Selbstaufnahmen, diese sogenannten Selfies, gingen ihm so auf die Nerven, dass es kaum zum Aushalten sei. Das Internet sei ein Ort des perversen Auslebens von dämlicher Fröhlichkeit, habe Mützbacher gesagt, die Sau werde rausgelassen, Tag und Nacht, Nacht und Tag. Er sperre während seiner Faschingsklausur, so Mützbacher, die Sau ein und lasse sie nicht mehr raus.

Die Narren, habe Mützbacher gesagt, seien ja nicht nur in der Faschingszeit am Ruder, sondern das ganze Jahr. Bei dem sogenannten Rathausstürmen würden ja nur die Narren innerhalb des Rathauses durch die Narren von aussen ersetzt. Denn alle Politiker seien Narren, so Mützbacher, die SPD bestehe aus sozialdemokratischen Narren, die FDP aus liberalen Narren und die GRÜNEN aus grünen Narren. So würden also die Narren der Stadt das Rathaus stürmen, das eh schon von Narren besetzt sei. Viel besser wäre es doch, habe Mützbacher gesagt, so Renner zu mir im Löwen, wenn die Rathäuser von Philosophen gestürmt würden, damit endlich einmal gedacht würde in diesen Etablissements.

Der Lärm, so Mützbacher, sei ja inzwischen ein Dauerphänomen, so dass ein Lärmen zur Fastnacht, zum Fasching oder Karneval Eulen nach Athen tragen sei. Wir stehen unter Dauerbeschallung, habe Mützbacher geklagt, sagte Renner, wir werden überall und immer beschallt, dass ein klares Denken kaum mehr möglich sei. Wir gehen ins Kaufhaus und werden beschallt, wir gehen ins Restaurant und werden beschallt, wir gehen durch die Stadt, durch den Park oder sitzen im Zug und werden permanent beschallt. Diese Dauerbeschallung sei mit ein Grund, weshalb er, Mützbacher eben in diese Faschingsklausur fahre, die Hütte habe keinen Strom, kein Internet und er werde gezwungen, sich völlig auf seine Philosophen zu konzentrieren.

Er werde in aller Ruhe, habe Mützbacher gesagt, seinen Augustinus lesen und exzerpieren, er werde die Sau drinnen lassen und sich nicht zum Narren, sondern zum Weisen machen, so Renner.

Jedes Jahr, so Renner zu mir im Löwen, entstehe in der Faschingsklausur ein kleiner Essay zu einem der grossen Philosophen, 2013 über Rousseau, 2014 über Hegel und 2015 über Kant. 2016 werde nun ein kleiner Text über Augustinus erscheinen, der den vom Bösen Böll so schlecht gemachten Kirchenvater wieder ins rechte Licht rücke.

Er jedenfalls, so Mützbacher, werde die Sau drinnen und die Narrenkappe abgezogen lassen. Bei einer Gesellschaft, die das ganze Jahr in Lärm, Witzelei und Blödsinn verbringe, brauche es keinen Fasching.

(Hommage an Thomas Bernhard, der am 9.2.2016 85 geworden wäre)





 









                                                       

Donnerstag, 4. Februar 2016

Es darf (morgen zurück-) geschossen werden

Sie alle kennen eine Filmszene dieser Art: Jack (oder Bob oder Jim), der beste Freund, Partner, Kollege und Mitstreiter des Filmhelden Michael (oder James oder Edward), zückt in der 80. Minute des Streifens (oder in der 79. oder 81.) auf einmal seinen Revolver und richtet ihn auf Michael (oder James oder Edward). Fassungslos blicken wir auf die Waffe und in das Gesicht von Jack (oder Bob oder Jim), in ein Gesicht, das wir in 80 Minuten Film (oder 79 oder 81) liebgewonnen haben. Auf einmal ist alles klar, es fällt uns wie Schuppen von den Augen: ER ist der Verräter, ER ist das Schwein, ER ist der Kerl, hinter dem unser Held (also James oder Michael oder Edward) die ganze Zeit her war. Die Maske ist gefallen, die Schminke ist ab, die Verkleidung weg und wir blicken in die höhnische Fratze des Bösewichts.

Das Zücken der Waffe, das Ausstrecken der Revolverhand ist also der entscheidende Moment.

Immer, wenn eine Bewegung, eine Partei, eine Gruppe, wenn eine Ideologie, eine Gemeinschaft vom Schiessen redet, wenn sie die Waffe ausfährt, zeigt sie ihre wahre Fresse. (s.v.v.)

Meine Mutter schrieb in ein schönes Oktavheft alle Parteitage auf. 1939 fand sich dann der Eintrag:
PARTEITAG DES FRIEDENS  fiel aus wegen Krieg
Hier war die Maske gefallen, man hatte zwar einen Friedensparteitag propagiert, nun aber zeigte man die Knarren mit dem schönen Satz
«…ab morgen wird zurückgeschossen…»

Das Ausstrecken der Revolverhand zeigt die hässliche Fratze des wahren Schurken.

Eine ganz ähnlich widerliche Grimasse zeigte dann auch die RAF, die ja viele Linke für irgendwie ganz nötig und unvermeidbar hielten, so ganz nach dem Motto «die tun wenigstens etwas.». Sie zeigte ihre widerliche Visage, als Frau M. verkündete, Bullen seien keine Menschen und man könne ihnen alles antun, was man keinem Menschen antäte. Ein Text, der sogar den Erzlinken Wallraff, der weiss der Himmel genügend Probleme mit der Polizei hatte, zu erbitterter Replik trieb. Frau M. wählte übrigens die schönen, sehr an 1939 erinnernden Worte
«…und natürlich darf geschossen werden…»

Es fällt uns wie Schuppen von den Augen, wenn wir sehen, wer der Verräter, der Verbrecher ist, wenn dieser seine Knarre zückt und in die Kamera hält.

Auch die DDR liess die Maske fallen, als sie anfing, Leute, die austesten wollten, wie sicher der «Antifaschistische Schutzwall» von der Ostseite sei, einfach abzuknallen. Auch sehr, sehr, sehr wohlmeinende Leute im Westen, die irgendwie immer noch die DDR für einen ganz süssen Versuch hielten, konnten nicht umhin, hier nun ein paar Frage- und auch etliche Ausrufezeichen zu setzen.

Das Ausstrecken der Revolverhand.

Und nun steht da mit hässlicher Fratze die gute Beatrix von Storch und hält uns die Knarre vors Gesicht: Notfalls müsse auch auf Leute an der deutschen Grenze geschossen werden. Es ist ein komischer Zufall, dass ihr Name so stark an Bellatrix Lestrange, die gemeine und widerwärtige Hexe aus Harry Potter, erinnert. Ja, die AFD hat ihre wahre Natur offenbart, sie hat die hässliche Fratze gezeigt, selbst heimliche Sympathisanten können nun nicht umhin, sie als Erzschurkenpartei zu sehen.

Abgesehen von dieser doch sehr hässlichen Geste wären bei Umsetzung des AFD-Vorschlags ja noch etliche juristische und internationale Probleme zu lösen. Stellen wir uns vor, ein paar Verzweifelte stürmen die Grenzanlagen in Weil-Friedlingen (oder Weil-Otterbach oder Lörrach-Stetten oder Grenzach). Wenn die Deutschen jetzt losknallen, schiessen sie ja auf CH-Gebiet, denn BEVOR die Flüchtlinge auf deutschen Boden gelangen, sind sie ja im Ausland, das ist das Wesen einer Grenze. Wären die Eidgenossen damit einverstanden, dass hier Kugeln in ihren Staat fliegen? Wären die Basler auch damit einverstanden, dass dann tote Orientalen oder Afrikaner auf Schweizer Boden herumliegen? Wer entsorgt sie? Dürfen die Deutschen auf CH-Grund um die von ihnen getöteten Menschen zu holen, die übrigens ja auch wiederum Bürger von Staaten sind, die vielleicht auch noch mitreden wollen?
Wie und wie oft wird gewarnt? Dreimal wie üblich? Auf Deutsch und Englisch oder auch auf Arabisch oder Suaheli? Brauchen wir dafür nicht Dolmetscher? Und welcher Dolmetscher gäbe sich dafür her, da sein Metier ja eigentlich die VERSTÄNDIGUNG ist?

In der 80. Minute des Streifens Flucht ohne Wiederkehr wissen wir endlich, wie die Rollen verteilt sind: Angela (gespielt von A. Merkel) ist die Gute und Bella (gespielt von B.v.Storch) zeigt sich endlich als Schurkin, mit gezogener Waffe und hässlicher Fratze.

Und uns bleibt, damit wir nicht auch schiesswütig werden, nur (was heisst NUR?) das Wort.
Also.
Frau von Storch:
Ab heute wird zurückgebloggt.
Und natürlich darf getwittert werden…






Dienstag, 2. Februar 2016

Der Schweizer wühlt und gräbt gerne


Es gibt kein Gesamtschweizer Wappentier. Es gibt den Steinbock, den Stier und den Bär in einzelnen Kantonen (GR, UR, BE), es gibt inoffizielle wie den phantastischen Vogel Gryff in Basel, es gibt auch noch Gemeindetiere, aber ein Wappentier ALLER Eidgenossen gibt es nicht. Gäbe es aber eines, dann wäre es sicher das Murmeltier. Und zwar nicht wegen der Herzigkeit, der Goldigkeit, wegen des niedlichen Aussehens, sondern wegen des Tunnelbaus.

Man könnte auch den Hamster, den Maulwurf oder den Fuchs nehmen, irgendein Tier, das gräbt, wühlt und buddelt, das Baue und Tunnel und Gräben und Schächte anlegt.

Denn das ist des Eidgenossen liebstes Hobby.

Der Schweizer kommt auf die Welt und fängt an zu graben, er erblickt das Licht der Welt und wendet sich sofort dem Dunkel der Berge zu, er spielt mit Schaufel und Bagger und seine ersten Worte sind nicht Mama oder Papa, sondern Tunnel und Stollen.

Nun ist das einerseits verständlich, denn da stehen nun mal die Alpen, und da KANN man halt so schön tunneln und wühlen, Stollen und Schächte anlegen und sich mit Bagger und Bohrer austoben – ein Niederländer kann das nicht, wo er gräbt kommt Wasser, wo er wühlt, wird es nass – andererseits müsste man doch auch mal sagen: Gut ist.

Mit dem Fahrplanwechsel Winter 2016 wird der neue Gotthardtunnel befahren (die Jungfernfahrt ist schon im Juni), mit dem man ohne Steigung von Nord nach Süd kommt. Gut und schön, das spart Zeit und Energie, man verpasst leider auch eine der schönsten Zugstrecken Europas, aber man will ja SCHNELL von A nach B.

Aber es hat schon etwas Verrücktes, wenn man den Alpenstaat durchfährt, ohne irgendwie in die Berge geraten zu sein. Obelix, der ja bekanntlich die Überquerung der Genfer Alpen wegen seines Pflümlirausches völlig verpennt, sagt am Ende von Asterix bei den Schweizern auf die Frage, wie den ebendiese so sei: „Flach.“  Und macht eine entsprechende Handbewegung. Japaner, Chinesen und Thais werden vielleicht den gleichen Satz sprechen und die gleiche Handbewegung machen. Man war zwar bei den Eidgenossen, reiste von Zürich an den Lago di Lugano, aber waren da irgendwo Berge?

Bald stimmt das Volk über die zweite Tunnelröhre ab, und es gibt gute Chancen für die Annahme. Ich will mich hier in die Diskussion gar nicht einmischen, ich finde nur lustig, dass die Anhänger der NEIN-Parole mit einem Murmeltier werben, dass einer LKW-Kolonne eben dieses NEIN zuschreit. Das eigentliche CH-Wappentier freut sich nämlich über jeden Tunnel, jede Bohrung und jeden Stollen, es zeigt ihm so schön, dass der Zürcher, der Basler, der Berner und der Urner, sie allesamt auch nur etwas degenerierte Murmelis sind.

Aber weiter im Text: Kaum hat man den Haupt-Süd-Nord-Tunnel in Betrieb, kommt die nächste Idee: Ein Mega-Tunnel zwischen ZH-Altstetten und Rupperswil (AG), der die Fahrtzeit auf unter 45 Minuten drückt. 
Leute, Leute, Leute, als intensiver Bahnfahrer, Bahnschläfer, als überzeugter Bahnleser, Bahnarbeiter und Bahnesser sage ich euch: Zu kurze Fahrtzeiten sind doch reiner Quatsch. 56 Minuten zwischen echter und heimlicher Hauptstadt sind ideal für ein Nickerchen, oder Arbeit am Laptop oder ein Risotto im Zugrestaurant oder 5 Kapitel meines Buches. 35 Minuten sind für alles zu kurz. „Langsam, SBB, langsam“, möchte man da wie weiland der Hauptmann im Woyzeck rufen, „was soll ich denn mit den zehn Minuten anfangen, die ihr zu früh da seid?“

Und mit der Megatunnel-Diskussion – oder ist es eine Mega-Tunneldiskussion? – kommt auch wieder SwissMetro ins Spiel, jene Bieridee, die Eidgenossenschaft zu untertunneln und rohrpostartige Gefährte durch ein Vakuum zu schicken, sie taucht für Personen und als CARGO-METRO als Gütervariante auf, hier sind einige wildgewordene CEOs schon kräftig am planen. Tja, der Eigenosse gräbt halt gerne, wenn’s grad keine Berge hat auch unter der Erde, und hier müsste das gesamtschweizer Wappentier, das nicht Stier, Steinbock, Gryff oder Bär ist, nun sicher der Hamster oder der Maulwurf sein.

Eine Variante mit Personen brächte einen entzückenden Umstand: Das schönste Land der Erde wäre komplett zu  durchfahren, ohne dass man etwas von ihm sähe.

Die Japaner, Chinesen und Thais würden also nicht sagen: „Flach.“, wenn sie nach der Schweiz gefragt würden, sie würden, getravelt habend von Stuttgart nach Mailand, von Karlsruhe nach Genf, schlicht und einfach fragen: „Welche Schweiz?“

Nein, Leute, wenn man schon Länder untertunneln muss, kann man da nicht Staaten unterfahren, die wirklich nicht sehenswert sind? Zum Beispiel könnte ich mir gut einen Kompletttunnel unter Niedersachsen vorstellen, das würde niemand vermissen.

Es gibt kein gesamtschweizer Wappentier, aber wenn es eines gäbe, wäre es der Maulwurf.

Oder der Hamster.

Oder das Murmeltier.

Auf jeden Fall, irgendein Tier, das gräbt, das buddelt und wühlt.

Vielleicht steht dann in einem Geschichtsbuch von 2245 n. Chr.:

Zu grössten europäischen Katastrophe kam es 2198, als die von den 5000 Tunneln ausgehöhlten Alpen in sich zusammenstürzten.