Freitag, 31. Juli 2015

Alles immer besser ausgedrückt...

Ein Wort, das ich für meine Germanistikprüfung wie ein Schwein geübt habe, ich konnte es wochenlang nicht ohne Stocken aussprechen, war das Wort Determinativkompositum. Es bezeichnet ein zusammengesetztes Wort, bei dem die erste Hälfte die zweite erklärt. Oft wird der Inhalt angegeben, wie z.B. bei Mango-Mousse, oder aber auch die Funktion. So ist ein Koch-Topf ein Topf, in dem man Sachen kocht, meistens essbare, und eine Brat-Pfanne eine Pfanne, in der man brät, auch meistens essbare Dinge.

Wie ich im letzten Post erwähnte, vermeiden wir bei unangenehmen Dingen aber genau diese genaue Angabe. Was ist ein Fallbeil? Ein Beil, das fällt. Aber wozu? Müsste es nicht Tötungsbeil, Kopf-ab-Beil oder Nackentrennbeil heissen? Müssten wir nicht Hexenvernichtungs-, Ketzerverbrennungs- oder Hinrichtungshaufen statt Scheiterhaufen sagen, was ja determinativkompositumstechnisch einfach ein Haufen aus Holzscheiten ist? Müssten wir nicht Vergiftungsspritze statt Giftspritze sagen?

Besonders nett ist es, wenn die Worte französisch sind.
Guillotine. Klingt das nicht nach Frauenname?
J’aime deux filles galantes: Marie-Claire et Guillotine…
Vielleicht auch nach einem Nahrungsstoff : Bitte geben Sie, nachdem Sie die Eier untergerührt haben, noch ein wenig Guillotine in die Créme…
Dabei ist das Ding ein Turbofallbeil, mit dem man in den wilden Pariser Zeiten die Anzahl an abgetrennten Köpfen pro Tag um ein Vielfaches steigern konnte.
Genauso schön klingt Garotte.
Ein Tanz? Den fulminanten Abschluss des Balles bildete eine extra für das Fest von Hofcompositeur Lalaix geschriebene Garotte… Oder ein Fluss? Vielleicht hat man die Ferien in einem entzückenden Mittelalterstädtchen im Midi verbracht, dem so überaus reizenden Bourg de Blussaux, malerisch an der Garotte gelegen… Ist es ein Gemüse?  Escalope de cerf avec Pommes alumettes et Garottes…
Keineswegs. Die Garotte ist eine der fiesesten Tötungsarten, eine Schlinge um den Hals, die dann ganz, ganz, ganz in Zeitlupe zugedreht wird. Diese Hinrichtungsmethode ist besonders qualvoll und wurde bei angeblichen Staatsfeinden und Juden angewandt, umso mehr, wenn sie beides waren, so wie Joseph Süss Oppenheimer.

Warum sagen wir nicht Kopf-ab-Beil oder Turbo-Kopf-ab-Beil oder Hexenverbrennungshaufen , Vergiftungsspritze und Hinrichtungsstuhl, wenn doch allen klar ist, was gemeint ist? Weil wir Euphemismen lieben. Die Welt ist so grausam und fies und hässlich, dass wir meinen, sie wird ein Stückelein besser, wenn wir sie nicht auch noch als grausam, fies und hässlich titulieren.

Das treibt manchmal so wunderbare Blüten, dass man sich vor Lachen kringeln könnte.
Da meinte neulich ein Mann zu mir, er habe während der Hitzewelle ziemlich transpiriert.
Transpiriert? Ich habe geschwitzt, geschwitzt und nochmal geschwitzt, bei 39° im Schatten transpiriert man nicht mehr.
Da sagt neulich jemand, der und der sei eher praktisch veranlagt. Was auf Deutsch heisst: Dumm.
Da redet jemand von Inneren Werten und meint: Die Aussenansicht ist nicht gerade fototauglich, also auf Deutsch hässlich.

Während die Toilette, die eigentlich die Gesamtaufmachung einer Dame benamste (Grosse oder Kleine Toilette), bei uns das exakte Determinativkompositum  Scheisshaus verdrängt hat, dürfen Sie in Amerika auch nicht mehr toilet sagen sondern bathroom. 

Nein, manchmal sollten wir die Dinge wirklich beim Namen nennen. Sache und klaren Zweck.
Dafür haben wir das Determinativkompositum ja erfunden.
Das übrigens selber auch eines ist...

Dienstag, 28. Juli 2015

Hus zum 600. Todestag: Ist selber denken noch in?

Wäre der Griechische Ex-Finanzminister 600 Jahre früher zu einer internationalen Konferenz erschienen, hätte man ihn wahrscheinlich auf das Gerät bugsiert, das so herrlich euphemistisch als Scheiterhaufen bezeichnet wird. (Die Holzscheite sind ja nicht das Problem, das Problem ist, dass sie brennen, aber es kommt ja in allen Tötungsmaschinen das Wort TOD nicht vor, dazu ein anderes Mal etwas.) Jedenfalls kommen, wenn man in einer unterlegenen Position ist, freche Schnauze und Stinkefinger nicht so gut an. Dem guten Jan hatte man 1415 Jahren freies Geleit zugesichert, in der Hoffnung, er benehme sich anständig, was er auch teilweise tat, er zeigte keinen Mittelfinger (gab es den schon?), war aber ansonsten frech. Und so sah man sich gezwungen ihn – trotz der Zusicherung freien Geleites – auf das bucerium zu befördern. (Es gibt dieses Wort nicht, aber es klingt mehr nach Latein. als das korrekte "rogus", das ist so wie mit Handy und mobil phone)

Hus hatte alle verärgert, die Kardinäle und Bischöfe, die Könige und Päpste (ja, Plural, es gab derzeit 3 davon), aber sicher auch die wichtigste Person, die Nutte Imperia, die Sie heute am Eingang des Konstanzer Hafens sehen können, frech ihre Scham zeigend und Kaiser und Papst in der Hand haltend. Imperia war auf jeden Fall sauer auf den Ketzer, dennn Männer, die die Oberen der Unmoral zeihen, sind schlecht fürs Geschäft. Man stelle sich vor, die Kirchenleute hätten sich auf einmal ihres Gelübdes erinnert…

Hus‘ Botschaft war so simpel wie heikel: Untertanentum und Unterwerfung  müssten aus freiem Willen geschehen und die Menschen sollten mit ihrem Verstand prüfen, wem sie dienen, sollten ihren Grips also benutzen, er war also quasi ein Vorreiter der Reformation und der Aufklärung. Was mich aber an den Beiträgen, die in der NZZ und ZEIT, in SRF und SWR zum 600. Jubiläums seiner Verbrennung erschienen, so stört, ist, dass alle betonen, in unseren Zeiten seien seine Ideen verwirklicht.

Stellen Sie sich vor, Sie bekommen am Freitag eine Mail, die Sie zu einem völlig überflüssigen Meeting (Pleonasmus?) am Montag einlädt, und Sie schlagen bei Hus nach. Danach schreiben Sie Ihrem Chef, Sie hätten nachgedacht (Fehler!), die Frage sei nur bilateral zu klären (Fehler!) und das ganze Meeting sei unnotwendig (grober Fehler!). Gut, man wird Sie nicht verbrennen oder sonstwie Ihren Körper traktieren. Es gibt zwar Gerüchte, dass in den ursprünglichen Entwürfen des Novartis-Campus bucerien geplant gewesen seien, die man dann nur aus architekturästhetischen, nicht aus ethischen Gründen nicht gebaut habe, aber das sind Gerüchte. Man weiss auch nicht, was im Kellergeschoss des Roche-Towers alles sein wird, es wird ja keinen Publikumszugang geben, von Streckbänken und Nagelbrettern, von Verliessen und Folterkammern wird da gemunkelt, aber eben nur gemunkelt.
Fest steht, man wird Sie böse abstrafen, selbst gedacht, Verstand gebraucht, Chef widersprochen, das gibt (best case) eine Sozialnote C und damit einen Bonusabzug von 10.000.- oder man macht (worst case) kurzen Prozess und schmeisst Sie raus. (Erinnert die Phrase „kurzer Prozess“  wiederum nicht sehr an die Inquisition?)

Nein, nach der kurzen Zeit der Illumination, bei der der Mensch aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit trat, sind wir wieder im Mittelalter angekommen.
Was würde Jan zu einem Autofahrer sagen, der um 12.00 auf der A5, von Freiburg nach Karlsruhe wollend, in die Sonne hineinfährt, weil sein Navi das sagt? (You remember: Im Norden ist sie nie zu sehn…)
Was würde Jan dazu sagen, dass Leute 4 Wochen lang nur gegrillte Pfifferlinge essen, weil irgendein Star in seinem Pilz-Blitz-Diät-Buch das vorschlägt, und dann von einer Mangelerscheinung in die andere kippen?
Was würde Hus dazu meinen, dass in einem Online-Knigge die SMS  muss nachdenken, melde mich LG als unhöflich gebrandmarkt wird, weil man eine SMS innert 3 Sekunden zu beantworten habe? Was würde der 1415 für das Denken Gestorbene zu unserer Zeit äussern, wo eben nicht mehr gedacht, überlegt, sinniert, wo nicht mehr gegrübelt, philosophiert und in Ruhe dargelegt wird?

Käme er zurück und würde er sein „Prüfe, wem du folgst“ in die Runde werfen, er bekäme einen solchen Shitstorm ab, dass er freiwillig nach Konstanz fahren, dort starke Scheite aufschichten und sich selbst verbrennen würde.
Oder er würde einer der vielen anderen Tötungsarten wählen, die wir alle so nett umschreiben.    

   

Freitag, 24. Juli 2015

Wer darf welche Waffen haben?

In der 9F gibt es bei den Jungs eine zentrale Clique, eine Gruppe der „Wichtigen“, der „Coolen“, die Regeln und Zusammenleben bestimmen. Die Wichtigen und Coolen, genauer Ronnie, Marc, Tobi, Mehmed und Giovanni haben schon mal ein Mädchen geküsst (Ronnie auch schon mehr als das), haben schon geraucht und Alkohol getrunken (Tobi auch schon mehr als das) und sind immer wieder mit den Ordnungshütern ihres Kantons und ihrer Gemeinde zusammengeprallt (Mehmed auch schon mehr als das). Die „Wichtigen und Coolen“ tragen die richtigen Kappen und Shirts, sie hören die richtige Musik und gehen an die richtigen Orte. Als Zeichen ihrer Macht haben sie alle ein Klappmesser dabei, das zwar die Lehrer nicht sehen dürfen, von dem die Mitschüler aber wissen, dass es existiert.

Neben Marc, Ronnie, Mehmed, Giovanni und Tobi gibt es noch eine genauso grosse Gruppe der „Normalen“, die noch kein Mädchen geküsst haben, jedenfalls in echt, nur in ihren pubertären Träumen, Jungs, die noch Cola trinken und Gummibären essen, die Fussball spielen und gamen und sonst halt einfach normale Buben sind. Sie sind nie an den richtigen Orten, tragen die falschen Klamotten und hören die falsche Musik, es ist ihnen aber (bislang) relativ wurscht. Diesen Buben (Fabio, Ali, Flo, Joel und Dominik) wird von den Wichtigen und Coolen erlaubt, Schweizer Armeemesser, also die roten aufklappbaren Teile, mit in die Schule zu bringen.

Ja, und dann gibt es noch das Duo Robby und Timmy. Die beiden Aussenseiter sind irgendwie schwierig, seltsam, sie brüten manchmal dumpf vor sich hin und prügeln manchmal auch einfach los, sie sind weder wichtig noch cool, aber auch nicht ganze Normalos, sie schauen seltsame Videos  auf YouTube und haben seltsame Dinge in der Tasche.  Ihnen ist das Tragen, Mitnehmen oder Benutzen  jeglicher Messer seitens der Zentralclique grundsätzlich verboten.

Nun wurde Robby neulich beobachtet, wie er seine Nase am Schaufenster des örtlichen Victorinox-Händlers plattdrückte. Daraufhin nahmen sich Ronnie und Mehmed ihn zur Brust und machten ihm noch einmal sehr deutlich, dass er sich den Erwerb eines  solchen Teiles von vorneherein abschminken könne. Robby flehte die beiden daraufhin an, ihm doch wenigstens die Funktionen wie Schere, Ahle, Zahnstocher und Lupe zu erlauben, natürlich auch den Flaschenöffner, manchmal müsse man eben einen Faden abschneiden, manchmal müsse man ein Loch bohren, manchmal sei eine Fleischfaser aus dem Gebiss zu entfernen oder eine Winzschrift zu lesen. Und gelegentlich gebe es doch auch noch Kronkorken. 
Nach langen Beratungen gab die Wichtig-Cool-Clique ein paar Tage später den beiden Losern Bescheid: Sie dürften beide ein Armeemesser kaufen und tragen, müssten aber auf die Verwendung der beiden Klingen verzichten und sich regelmässigen Kontrollen unterziehen, ob sie nicht doch noch weitere Dinge mit in die Schule schleppten…

Abstruse Story?
Vielleicht.
Aber geht es auf internationalem Parkett nicht genauso zu? Wer hat eigentlich den Atommächten erlaubt, Atomwaffen zu haben? Und wieso spielt sich die einzige Nation, die echte Scheisse (s.v.v.) mit diesem Zeug gebaut hat, jetzt als Aufpasser und Richter auf?
Wieso dürfen USA und Russland und China Atom in Raketen und Reaktoren haben und die Schweiz und Holland nur in Reaktoren und andere Länder gar nicht? Gut, die Eidgenossen haben keine Verwendung für Nuklearwaffen, ihr Land ist zu klein, aber was wäre, wenn sie einfach welche wollten, nur so zum Spass?
Wer legt denn fest, wer was darf und wer nicht?

Ok, einverstanden, ein Iran mit Atomwaffen wäre mir nicht geheuer, ein Iran mit AKWs aber auch nicht, mir ist die ganze Spalterei nicht geheuer, ich traue dem Atom nicht, militärisch und zivil und in jedem Land.

Das ist doch alles ein bisschen schräg gelaufen, da fangen die USA in der Wüste ein wenig mit Basteleien an, sagen aber, das gibt keine Bombe, das ist nur als Versuch gedacht, und – schwupps – fliegt so ein Ding auf Japan. Gut, sagt man, ab jetzt nur zur Abschreckung, aber friedlich, friedlich können wir die Sache ja nutzen, friedlich macht nix, da kann gar und überhaupt nix passieren, und dann geht in der Ukraine so ein Ding in die Luft und man kann keine Milch und kein Gemüse mehr zu sich nehmen. Alter Bau, sagt man dann, alter Bau, war eben UdSSR, kann in einem Hightech-Land auf keinen Fall passieren, und später geht dann in Japan was hoch und jetzt weiss man gar nicht, was man sagen soll…

An der Pestalozzi-Schule werden, nachdem die Messergeschichte herausgekommen ist, alle Messer verboten, die Klappmesser von Tobi, Ronnie, Mehmed, Giovanni und Marc genauso wie die Schweizermesser der anderen. Messer seien Waffen und die wolle man nicht in der Schule. Scheren und Zahnstocher  könne man im Etui haben und Lupen bräuchte ein 17jähriger nicht. Die Löcher könne man zuhause bohren und die in der Schule verkauften Flaschen hätten Drehverschlüsse. So verschwinden alle echten und potentiellen Waffen vom Schulgelände. 

Wünschte man sich für die Welt auch.

Montag, 20. Juli 2015

Filmszene: Mr. and Mrs. Money


Wäre das Folgende eventuell eine gute Filmszene?

Ein etwas heruntergekommenes Motelzimmer mit einer Standardeinrichtung,
Halbtotale.

Alex sitzt gefesselt auf einem roten, gepolsterten Stuhl. Er schaut gequält in die Runde. Wulf sitzt ihm gegenüber. Angie lehnt ruhig an der Wand.

Wulf:         
 
Also, Schätzchen, du hast drei Möglichkeiten.
Möglichkeit A:
Du sparst jetzt richtig, verkaufst alle Staatsunternehmen, die etwas bringen, an Privatleute, du setzt das Rentenalter auf 67 hoch, du erhöhst die Mehrwert-, die Tabak-, die Alkohol- und die Hundesteuer, du entlässt 2/3 der Beamten und schliesst die Athener Oper, dann gibt es Kohle, richtig Kohle, Mäuse, Zaster.
Variante B:
Du machst das alles nicht und ihr fliegt aus der EU, Grexit, Ende der Fahnenstange, aus die Maus, Klappe zu, Affe tot.
Variante C:
Ich gehe nicht in Details, aber am Schluss existiert dein Land nicht mehr. Doch, ich gehe in Details: Den Westen bekommen wieder die Italiener, den Osten wieder die Türken und die ca. 4000 Inseln bekommen die Eidgenossen, die zahlen gut und brauchen als Segelnation eh ein Meer.

Alex hat mit offenem Mund zugehört und verfällt für eine Weile in dumpfes Brüten.

Alex:            
 
Was war noch einmal B?

Angie stösst sich vehement von der Wand ab und fasst das Telefon. Mit einem Satz springt sie zu
Alex  und schlägt ihm den Apparat auf den Kopf. Dieser schreit auf.

Alex:            
 
A!
A!
Ich nehme A!
Ich spare jetzt!
Ja! A!
Ich spare richtig, ich fange morgen gleich an! Ich werde auch noch die Vergnügungs- und die Benzin- und die Katzensteuer erhöhen, ich schliesse nicht nur die Athener Oper, sondern alle Museen und Theater, ich veräussere alle Häfen und vor allem die Akropolis, da gibt es ja schon tolle Angebote von Disney und den Warner Brothers. Ausserdem geht das Rentenalter auf 70 und ich werde  3/4 der Beamten entlassen!
Nur schmeisst mich nicht raus!
Zerschlagt mein Land nicht!
Ich flehe euch an!
A!
Ich nehme A!

Angie ist wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückgekehrt  und grinst dümmlich in die Gegend.

Wulf:         
 
Guter Schlag!

Schnitt.

Ja, ich glaube, dass das eine gute Filmszene würde. Das ist schön fies, jemand, der gefesselt und angebunden vor einem sitzt, mit Alternativen zu behelligen, die keine sind. Und dann auch noch zuzuschlagen, bis er die richtige wählt.
Zum Glück kommen solche Dinge, wo man mit der Pistole an der Schläfe verhandelt, in Wirklichkeit nicht vor, sondern nur in Thrillern, Krimis und Western. 

 

 

 

 

 

Montag, 6. Juli 2015

Post-Ferien wegen Hitze, sogenannte Hitze-Ferien

Alte Hasen, alte Leute, Alte und Ältere, also Leute wie ich werden sich sicher noch erinnern: Wenn das Thermometer ausserhalb des Rektorats zu Beginn der grossen Pause auf 30°C kletterte, gab es schulfrei. Man konnte einfach nach Hause und den Rest des Tages im Schwimmbad verbringen.
Diese gute alte Tradition ist jetzt leider abgeschafft. Aber ich lasse sie wieder aufleben: Wir machen eine Blog-Pause bis 21.7.
Grund ist die Hitze.
Leute, es ist einfach zu heiss zum Schreiben. Meine Finger, meine in Schweiss gebadeten Finger rutschen auf der Tastatur meines Laptops ab wie Winterspaziergänger auf dem Eis, nehme ich einen Kuli, rutscht auch der in meiner Hand  und ich verbrenne mich an dem Metallring.
Aber:
Es ist auch zu heiss zum Denken. Meine Synapsen scheinen zu schmelzen wie die Weichen der DB und genau wie bei der Bundesbahn fahren dann gewisse Gedankenzüge einfach nicht mehr. Meine grauen Zellen haben Sonnenbrand, meine grauen Zellen sind eingeschmurgelt wie kleine pikante Würstchen auf dem Grill, mein Gehirn hat den Geist aufgegeben.

Um es jetzt aber einmal klarzustellen: Ich liebe die Hitze. Ich liebe die Hitze und kann gar nicht genug davon bekommen. Ab 40°C lebe ich auf - unter bestimmten Bedingungen:
* Ich bin den ganzen Tag an kühlem Wasser (See oder Badi).
* Zuhause wartet ein kaltes Bier auf mich.
* Ich muss nichts denken, schreiben oder arbeiten.

Und genau das sollte ich jetzt ja machen.

Nein, man kann jetzt nicht denken oder schreiben.
Über was sollte man denn auch schreiben? Soll ich vielleicht ein Heisses Eisen anfassen? Soll ich über eine hitzige Debatte berichten, über schweisstreibende Verhandlungen, über heisse Sachen, die den Leuten rote Köpfe machen? Soll ich über die AfD schreiben, wo es ja wirklich heiss hergeht oder über die heisse Sache Griechenland? Nein, das ist alles zu hitzig, zu warm, zu heiss.

Was wären dann aber coole, kalte, kühlende Themen? Was wären Themen, die einen erfrischen, kühlen, abkühlen? Gibt es doch fast nicht mehr.

Nein, wir machen jetzt erst einmal eine kleine Pause. Und daran denken:
* Viel trinken.
* Kopf immer wieder einmal ins Wasser.
* Wohnung tagsüber abdunkeln.
* Kaltes Lesen, vielleicht einen Bericht über den Himalaya oder den Südpol.

In dem Sinne: Bis bald.
Für die Älteren: Freuen Sie sich, dass Sie nach 40 Jahren einmal wieder hitzefrei bekommen, auch wenn mein Zimmer kein Rektorat ist und ich auch gar kein Celsiometer besitze.

Freitag, 3. Juli 2015

Sachsen-Anhalt II

FÜRSTENTÜMER

Deutschland hat Bundesländer, eingeteilt in Regierungsbezirke, eingeteilt in Landkreise, so ist die normale politische Struktur. Abgesehen davon, dass kein Mensch weiss, warum es Regierungsbezirke braucht und was die sogenannten Regierungspräsidenten in ihren millionenteuren Regierungspräsidien überhaupt den ganzen Tag treiben (Facebook? Gamen? Pornos?), ist das eine ganz sinnvolle Einteilung. Sie gilt aber nur staatlich-politisch, bei Gewerkschaften, Verbänden, Kirchen stösst der unbedarfte Ausländer, z.B. der Eidgenosse immer wieder auf merkwürdige Strukturen. Warum gibt es die Tarifbezirke Nordwürttemberg-Nordbaden, Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern? Wieso finden wir eine Landeskirche in  Hessen-Nassau und eine in Kurhessen-Waldeck? Was ist mit diesen ganzen bescheuerten Sondernamen? Hier haben sich die alten Herzogtümer, Fürstentümer, Grafschaften, die alten Reiche und Kleinreiche, die alten Kleinstaaten voll erhalten. Auch in den Köpfen der Leute. „Ich komme aus Anhalt“, sagt der Dessauer, „Ich komme aus Lippe“, sagt der Herforder, „Ich komme aus dem Herzogtum Lauenburg“, sagt der Möllner. Und wenn Sie in Idstein Ihr Geld vom Automaten der SPARKASSE NASSAU beziehen und von Hechingen nach Sigmaringen mit der HOHENZOLLERISCHEN LANDESBAHN fahren, wissen Sie: Die Kleinstaaten leben! Der Deutsche ist einfach kein Mensch für grosse politische Würfe, trotz Kaiserreich, trotz Nazireich, trotz Wiedervereinigung und Berlin als Hauptstadt: Er ist aus Anhalt. Er ist aus Nassau. Er ist aus Lippe, aus Oldenburg, Lauenburg und Hohenzollern. Und wird das auch im 22. Jahrhundert noch sein.

ANHALTEN

Der Name des früheren – oder wir müssen ja sagen heutigen – Fürstentum Anhalt wird auf verschiedene Weise gedeutet. Klar ist, dass da irgendwie angehalten wurde. Irgendwie fuhren da Postkutschen und Privatkutschen, später dann die Dampfzüge erst mal nicht weiter. Eine alte Frau erklärte mir im Café am Markt die Sache so: Die Menschen seien von Stuttgart, Bruchsal oder Augsburg losgefahren, nach dem Norden, und dann hätten sie einfach gemerkt, dass sie gar nicht nach Berlin oder Rostock müssten, denn hier sei es ja so schön. Und dann hätten sie eben angehalten. Eine andere Deutung dünkt mich plausibler: Die Postkutschen schafften, auch wenn sie schon bei Sonnenaufgang in Bruchsal, Augsburg oder Ravensburg starteten, es schlicht und einfach nicht ganz nach Preussen;  Pferde sind keine Autos, sie machen irgendwann schlapp, und wenn die Rösser nach Heu und Wasser lechzten, dann lechzte der Mensch auf einmal nach einem kühlen Bier und einer Bockwurst, vielleicht auch nach drei Bier und zwei Würsten, auf jeden Fall hielt man erst einmal in Anhalt an.
Ganz fies ist die dritte Version: Schwaben seien nicht nur heute in Berlin unwillkommen, sie seien es immer schon gewesen, und weil die Berliner, die Preussen, aber auch die Hansestädter an der Ostsee nicht wollten, dass da Massen von Häberles, Schäufeles und Pfluderles eintrudeln, habe man sie schon in Köthen oder Dessau mit Waffengewalt abgefangen und zum Anhalten gezwungen. Und dann, nach einem Bier (oder zwei) und einer Bockwurst am nächsten Tag wieder nach Hause geschickt.

BAUHAUS EVERYWHERE

Ist Wittenberg verluthert, dann ist Dessau verbauhaust. Ein Tapaslokal bietet tatsächlich einen Teller an, auf dem die spanischen Vorspeisen so angeordnet werden, dass sie an Schlemmer erinnern. Ein Schlemmer-Teller oder eine Schlemmer-Schnitte kommt also in der Bauhausstadt nicht von Schlemmen, sondern von Oskar. Kein Hotel, kein Restaurant, kein Möbelhaus und kein Supermarkt lässt sich nehmen zu betonen, dass sie mit ihren Zimmern, ihren Produkten, ihrem Verkaufsraum der Bauhaus-Idee folgen. Nun ist die damals revolutionäre Sache inzwischen natürlich absolut normal, „form follows function“ ist bei uns Alltag, und so ist natürlich alles auch irgendwie Bauhaus. Haben Sie schneckenförmige Schnörkel an ihrer Küchenmaschine? Natürlich nicht. Also Bauhaus. Haben Sie ornithologische  Ornamente an ihren Tischbeinen? Auf keinen Fall. Also Bauhaus. Bauhaus ist überall, also kann auch jeder mit Bauhaus werben.
Und wenn ein Hotel, was wirklich vorkommt, im Prospekt schreibt, es habe die Bauhaus-Idee in den Zimmern, den Bädern, in den Schränken und Betten verwirklicht, dann ist das Schwachsinn. Das Gegenteil wäre aufsehenerregend: Wenn Hotels, Restaurants, Supermärkte und Möbelhäuser zum Schnörkel, zum Ornament, zum Mäandern und Ziselieren, zum Weit- und Ausschweifigen zurückkehren würden. Und ehrlich gesagt: Manchmal wünsche ich mir das auch. Nichts ist doch schöner als Wasserhähne in Schwanform mit viel Gold und Geschneukerl. Wenn man sie nicht selber saubermachen muss.

ESSEN

Das Essen in Sachsen-Anhalt ist die typische deutsche Küche des 21. Jahrhunderts: Burger, Döner, Pizza und Wok-Gerichte. Eine Spezialität fiel uns allerdings auf: Ein Dessert, das aus Milchreis, Zimt, Zucker und Knackwurst bestand.


In diesem Sinne: Guten Appetit.