Freitag, 24. Juli 2015

Wer darf welche Waffen haben?

In der 9F gibt es bei den Jungs eine zentrale Clique, eine Gruppe der „Wichtigen“, der „Coolen“, die Regeln und Zusammenleben bestimmen. Die Wichtigen und Coolen, genauer Ronnie, Marc, Tobi, Mehmed und Giovanni haben schon mal ein Mädchen geküsst (Ronnie auch schon mehr als das), haben schon geraucht und Alkohol getrunken (Tobi auch schon mehr als das) und sind immer wieder mit den Ordnungshütern ihres Kantons und ihrer Gemeinde zusammengeprallt (Mehmed auch schon mehr als das). Die „Wichtigen und Coolen“ tragen die richtigen Kappen und Shirts, sie hören die richtige Musik und gehen an die richtigen Orte. Als Zeichen ihrer Macht haben sie alle ein Klappmesser dabei, das zwar die Lehrer nicht sehen dürfen, von dem die Mitschüler aber wissen, dass es existiert.

Neben Marc, Ronnie, Mehmed, Giovanni und Tobi gibt es noch eine genauso grosse Gruppe der „Normalen“, die noch kein Mädchen geküsst haben, jedenfalls in echt, nur in ihren pubertären Träumen, Jungs, die noch Cola trinken und Gummibären essen, die Fussball spielen und gamen und sonst halt einfach normale Buben sind. Sie sind nie an den richtigen Orten, tragen die falschen Klamotten und hören die falsche Musik, es ist ihnen aber (bislang) relativ wurscht. Diesen Buben (Fabio, Ali, Flo, Joel und Dominik) wird von den Wichtigen und Coolen erlaubt, Schweizer Armeemesser, also die roten aufklappbaren Teile, mit in die Schule zu bringen.

Ja, und dann gibt es noch das Duo Robby und Timmy. Die beiden Aussenseiter sind irgendwie schwierig, seltsam, sie brüten manchmal dumpf vor sich hin und prügeln manchmal auch einfach los, sie sind weder wichtig noch cool, aber auch nicht ganze Normalos, sie schauen seltsame Videos  auf YouTube und haben seltsame Dinge in der Tasche.  Ihnen ist das Tragen, Mitnehmen oder Benutzen  jeglicher Messer seitens der Zentralclique grundsätzlich verboten.

Nun wurde Robby neulich beobachtet, wie er seine Nase am Schaufenster des örtlichen Victorinox-Händlers plattdrückte. Daraufhin nahmen sich Ronnie und Mehmed ihn zur Brust und machten ihm noch einmal sehr deutlich, dass er sich den Erwerb eines  solchen Teiles von vorneherein abschminken könne. Robby flehte die beiden daraufhin an, ihm doch wenigstens die Funktionen wie Schere, Ahle, Zahnstocher und Lupe zu erlauben, natürlich auch den Flaschenöffner, manchmal müsse man eben einen Faden abschneiden, manchmal müsse man ein Loch bohren, manchmal sei eine Fleischfaser aus dem Gebiss zu entfernen oder eine Winzschrift zu lesen. Und gelegentlich gebe es doch auch noch Kronkorken. 
Nach langen Beratungen gab die Wichtig-Cool-Clique ein paar Tage später den beiden Losern Bescheid: Sie dürften beide ein Armeemesser kaufen und tragen, müssten aber auf die Verwendung der beiden Klingen verzichten und sich regelmässigen Kontrollen unterziehen, ob sie nicht doch noch weitere Dinge mit in die Schule schleppten…

Abstruse Story?
Vielleicht.
Aber geht es auf internationalem Parkett nicht genauso zu? Wer hat eigentlich den Atommächten erlaubt, Atomwaffen zu haben? Und wieso spielt sich die einzige Nation, die echte Scheisse (s.v.v.) mit diesem Zeug gebaut hat, jetzt als Aufpasser und Richter auf?
Wieso dürfen USA und Russland und China Atom in Raketen und Reaktoren haben und die Schweiz und Holland nur in Reaktoren und andere Länder gar nicht? Gut, die Eidgenossen haben keine Verwendung für Nuklearwaffen, ihr Land ist zu klein, aber was wäre, wenn sie einfach welche wollten, nur so zum Spass?
Wer legt denn fest, wer was darf und wer nicht?

Ok, einverstanden, ein Iran mit Atomwaffen wäre mir nicht geheuer, ein Iran mit AKWs aber auch nicht, mir ist die ganze Spalterei nicht geheuer, ich traue dem Atom nicht, militärisch und zivil und in jedem Land.

Das ist doch alles ein bisschen schräg gelaufen, da fangen die USA in der Wüste ein wenig mit Basteleien an, sagen aber, das gibt keine Bombe, das ist nur als Versuch gedacht, und – schwupps – fliegt so ein Ding auf Japan. Gut, sagt man, ab jetzt nur zur Abschreckung, aber friedlich, friedlich können wir die Sache ja nutzen, friedlich macht nix, da kann gar und überhaupt nix passieren, und dann geht in der Ukraine so ein Ding in die Luft und man kann keine Milch und kein Gemüse mehr zu sich nehmen. Alter Bau, sagt man dann, alter Bau, war eben UdSSR, kann in einem Hightech-Land auf keinen Fall passieren, und später geht dann in Japan was hoch und jetzt weiss man gar nicht, was man sagen soll…

An der Pestalozzi-Schule werden, nachdem die Messergeschichte herausgekommen ist, alle Messer verboten, die Klappmesser von Tobi, Ronnie, Mehmed, Giovanni und Marc genauso wie die Schweizermesser der anderen. Messer seien Waffen und die wolle man nicht in der Schule. Scheren und Zahnstocher  könne man im Etui haben und Lupen bräuchte ein 17jähriger nicht. Die Löcher könne man zuhause bohren und die in der Schule verkauften Flaschen hätten Drehverschlüsse. So verschwinden alle echten und potentiellen Waffen vom Schulgelände. 

Wünschte man sich für die Welt auch.

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