Freitag, 31. Juli 2015

Alles immer besser ausgedrückt...

Ein Wort, das ich für meine Germanistikprüfung wie ein Schwein geübt habe, ich konnte es wochenlang nicht ohne Stocken aussprechen, war das Wort Determinativkompositum. Es bezeichnet ein zusammengesetztes Wort, bei dem die erste Hälfte die zweite erklärt. Oft wird der Inhalt angegeben, wie z.B. bei Mango-Mousse, oder aber auch die Funktion. So ist ein Koch-Topf ein Topf, in dem man Sachen kocht, meistens essbare, und eine Brat-Pfanne eine Pfanne, in der man brät, auch meistens essbare Dinge.

Wie ich im letzten Post erwähnte, vermeiden wir bei unangenehmen Dingen aber genau diese genaue Angabe. Was ist ein Fallbeil? Ein Beil, das fällt. Aber wozu? Müsste es nicht Tötungsbeil, Kopf-ab-Beil oder Nackentrennbeil heissen? Müssten wir nicht Hexenvernichtungs-, Ketzerverbrennungs- oder Hinrichtungshaufen statt Scheiterhaufen sagen, was ja determinativkompositumstechnisch einfach ein Haufen aus Holzscheiten ist? Müssten wir nicht Vergiftungsspritze statt Giftspritze sagen?

Besonders nett ist es, wenn die Worte französisch sind.
Guillotine. Klingt das nicht nach Frauenname?
J’aime deux filles galantes: Marie-Claire et Guillotine…
Vielleicht auch nach einem Nahrungsstoff : Bitte geben Sie, nachdem Sie die Eier untergerührt haben, noch ein wenig Guillotine in die Créme…
Dabei ist das Ding ein Turbofallbeil, mit dem man in den wilden Pariser Zeiten die Anzahl an abgetrennten Köpfen pro Tag um ein Vielfaches steigern konnte.
Genauso schön klingt Garotte.
Ein Tanz? Den fulminanten Abschluss des Balles bildete eine extra für das Fest von Hofcompositeur Lalaix geschriebene Garotte… Oder ein Fluss? Vielleicht hat man die Ferien in einem entzückenden Mittelalterstädtchen im Midi verbracht, dem so überaus reizenden Bourg de Blussaux, malerisch an der Garotte gelegen… Ist es ein Gemüse?  Escalope de cerf avec Pommes alumettes et Garottes…
Keineswegs. Die Garotte ist eine der fiesesten Tötungsarten, eine Schlinge um den Hals, die dann ganz, ganz, ganz in Zeitlupe zugedreht wird. Diese Hinrichtungsmethode ist besonders qualvoll und wurde bei angeblichen Staatsfeinden und Juden angewandt, umso mehr, wenn sie beides waren, so wie Joseph Süss Oppenheimer.

Warum sagen wir nicht Kopf-ab-Beil oder Turbo-Kopf-ab-Beil oder Hexenverbrennungshaufen , Vergiftungsspritze und Hinrichtungsstuhl, wenn doch allen klar ist, was gemeint ist? Weil wir Euphemismen lieben. Die Welt ist so grausam und fies und hässlich, dass wir meinen, sie wird ein Stückelein besser, wenn wir sie nicht auch noch als grausam, fies und hässlich titulieren.

Das treibt manchmal so wunderbare Blüten, dass man sich vor Lachen kringeln könnte.
Da meinte neulich ein Mann zu mir, er habe während der Hitzewelle ziemlich transpiriert.
Transpiriert? Ich habe geschwitzt, geschwitzt und nochmal geschwitzt, bei 39° im Schatten transpiriert man nicht mehr.
Da sagt neulich jemand, der und der sei eher praktisch veranlagt. Was auf Deutsch heisst: Dumm.
Da redet jemand von Inneren Werten und meint: Die Aussenansicht ist nicht gerade fototauglich, also auf Deutsch hässlich.

Während die Toilette, die eigentlich die Gesamtaufmachung einer Dame benamste (Grosse oder Kleine Toilette), bei uns das exakte Determinativkompositum  Scheisshaus verdrängt hat, dürfen Sie in Amerika auch nicht mehr toilet sagen sondern bathroom. 

Nein, manchmal sollten wir die Dinge wirklich beim Namen nennen. Sache und klaren Zweck.
Dafür haben wir das Determinativkompositum ja erfunden.
Das übrigens selber auch eines ist...

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