Dienstag, 28. August 2018

Das Mysterium des Doppelten-Espresso-Preises / Blogpause


Es gibt ja immer weniger Mysterien auf der Welt. Der Gencode ist entschlüsselt, die Schwarzen Löcher sind gefunden, die Quarks sind benannt und die Erde kartographiert; wir wissen, was 2 Sekunden nach dem Urknall passierte und welche Blutgruppe Julius Cäsar hatte, wir können das Herz eines Oktopusses in einen Pinguin setzen und zum Jupiter oder zum Saturn fliegen. Die Anzahl der wirklichen Mysterien, der ungeklärten, unklaren, der nebulösen und schwammigen Sachen, die Summe der Dinge, die uns noch spanisch vorkommen, tendiert gegen Null. Wo gibt es noch Böhmische Dörfer, wo gibt es noch Rätsel, wo gibt es noch Katzen im Sack? Kurz: Was ist noch ein Mysterium?

Eines der wenigen noch bleibenden Mysterien ist der Preis eines Doppelten Espresso. Ich trinke, wenn ich Espresso trinke, diesen gerne doppelt, ein simpler ist zwar herrlich stark, aber wenig, ein Kaffee ist mehr Flüssigkeit, aber schwach, hier bietet der Espresso Doppio eine wunderbare Alternative. Der Preis eines solchen liegt stets zwischen zwei Zahlen: Zahl 1 ist der Preis eines Einfachen, Zahl 2 ist der doppelte Preis.
Wenn man davon ausgeht, dass die Flüssigkeit «Kaffee», sprich Wasser, in dem sich ein paar Böhnchen aufgelöst haben, sowieso nix kostet und die entscheidenden Faktoren das Geschirr und dessen Abwaschen, das Servieren, Ausschenken, dass die entscheidende Sache eben nicht der Espresso selber ist, dann muss der Doppelte Espresso das gleiche kosten wie der einfache. Geht man vom Gegenteil aus, sagt sich also, dass der Kunde ja die ZWIEFACHE Portion bekommt und für die ZWIEFACHE Menge eben auch eine ZWIEFACHE Menge Geld hinblättern muss, dann ist der Preis genau der ZWIEFACHE.
Meistens liegt der Preis aber irgendwo dazwischen, es gilt also, wenn wir den Preis eines einfachen als X und den Preis eines doppelten als Y setzen, die Gleichung:

X Y ≤ 2X

So weit, so gut.
Nun kommen aber die wirklich mysteriösen Dinge.
Da der Preis sich irgendwo in dem Land zwischen Einfach- und Doppelsumme bewegt, gibt es für den Servierangestellten sehr viele Möglichkeiten der Bepreisung. Er könnte bei einem Einfachespressopreis von 3, 20.- dem Gast eben diese Dreizwanzig, aber auch Dreidreissig, Dreivierzig, Dreifünfzig usw. bis zu einem Preis von 6, 40.- abverlangen. Daher wäre es äusserst sinnvoll, den Preis für einen Doppelten Espresso in die Kassen einzuprogrammieren.
Genau das geschieht eben nicht, und da der DE (wir kürzen jetzt ab) so selten verlangt wird, blühen die Fantasiepreise wie einst das Paradies.
An einem verlängerten Wochenende zahlte ich in einem Stuttgarter Freibad die folgenden Preise:

Freitag, 17.00                    Kiosk Kasse 1                     2 Euro 10
Samstag, 15.00                 Restaurant Kasse 1         2 Euro 50
Sonntag, 16.00                  Kiosk Kasse 2                     1 Euro 70
Montag, 9.00                     Restaurant Kasse 2         3 Euro 40
(Kiosk und Restaurant werden übrigens von der derselben Firma betrieben.)

Wenn wir ein wenig logisch denken wollen: Bei 1,70 muss es sich um X handeln, bei 3,40 also um 2X, die beiden anderen Preise versuchen, sich irgendwo vernünftig in der Mitte zu bewegen.
Sie können sich vielleicht vorstellen, welch reizende Dialoge es an den verschiedenen Kassen gab:
Samstag: «Einen Doppelten Espresso bitte.» «Macht 2, 50.-« «Oh, gestern waren es 2,10.-« «Unmöglich, der doppelte kostet immer 2,50.-«
Sonntag: «Einen Doppelten Espresso bitte.» «Macht 1,70.-« «Oh, Sie werden billiger; gestern waren es 2,10.-« «Unmöglich, der doppelte kostet immer 1,70.-«
Montag: «Einen Doppelten Espresso bitte.» «Macht 3,40.-« «Jetzt wird es mir aber wirklich zu bunt, das ist jetzt der vierte Preis, der hier verlangt wird. Am Freitag Zweizehn, am Samstag Zweifünfzig, gestern Einssiebzig und heute Dreivierzig???!!!» «Völliger Unsinn. Der Espresso Doppio kostet an allen Kassen und zu allen Zeiten 3,40.-«

Warum, warum und zum dritten Mal warum kann man den Preis für einen DE nicht einfach in die Kassen programmieren? Warum darf jeder Angestellte einen Fantasiepreis verlangen und dann auch noch behaupten, das wäre nie anders? Warum macht das Ganze nicht einheitlich und einfach? Es kommt ja im Freibad noch das Folgende dazu: Wenn ich einen Getränkepreis weiss – oder glaube zu wissen – nehme ich meist das Geld abgezählt aus dem Kästchen, um nach dem Kaffeegenuss gleich auf mein Badetuch zurückkehren zu können. Das macht dann Spass, wenn man am Samstag mit abgezählten 2,10.- dasteht und der Mist kostet auf einmal 2,50.- und man darf noch einmal zum Locker.

Es gibt ja immer weniger Mysterien auf der Welt. Der Gencode ist entschlüsselt, die Schwarzen Löcher und die Quarks sind benannt und der Globus kartographiert; wir wissen, was 13 Sekunden vor dem Urknall passierte und welchen Rhesusfaktor Alexander der Grosse hatte, wir können das Herz eines Krokodils in einen Eisbären setzen und zum Saturn fliegen. Die Anzahl der wirklichen Mysterien tendiert gegen Null.
Eines der wenigen noch bleibenden Mysterien ist der Preis eines Doppelten Espresso. 

So, wir machen mal wieder eine Pause, am 14. 9. geht es weiter, einer der Gründe ist, dass ich eine Weile in Skandinavien bin, und da hat es nur Fjorde und Rentiere, aber kein Internet.
Fangen Sie etwas Sinnvolles mit der blogfreien Zeit an!
Ihr 
Rolf Herter








Freitag, 24. August 2018

Vom Entsorgen der Dinge (3): Büsst endlich die Litterer


Neulich betrat ich ein Kaufhaus, um mir eine neue Unterhose zu kaufen. (Ich lebe ja jetzt nach dem Motto «Simplify your life» und habe alles reduziert, aber nachdem ich den Slip, den ich trug schon drei Tage anhatte und der Zweitslip in der Wäsche war, hatte ich mir gedacht, dass eine Drittboxer doch keine schlechte Idee wäre…) Jedenfalls, ich betrat das Kaufhaus, als sofort ein hübscher, fröhlicher Mann auf mich zu sprang und mir einen Zettel und eine Tüte HARIBO in die Hand drückte. Voll Erstaunen las ich:

DANKESCHÖN FÜR ALLE EHRLICHEN

Der fröhliche Mann erklärte mir, dass Sie das Konzept geändert hätten und jetzt, statt Diebe zu verfolgen und zu bestrafen, statt Kaufhausdetektive einzusetzen und Ladendiebe in Flagranti zu ertappen, statt langwierige Prozesse einzugehen und Rechtsanwaltskanzleien zu beauftragen, statt der Polizei Arbeit zu geben, einfach an die Ehrlichkeit der Kunden appellieren würden. Als Dank für meine Ehrlichkeit bekäme ich deshalb diese Gummibärchen geschenkt.

Nachdem ich meine Unterhose gekauft hatte, und ich hatte mir, weil es so wunderbar geschnittene dunkelblaue gab, sogar einen Viert-, Fünft- und Sechstslip zugelegt (CK, was sonst), betrat ich wieder das freie und sah einen Polizisten, der Zettel in einem fröhlichen Orange plus Gummibärchentüten an die Scheibenwischer von Autos klemmte. Neugierig las ich einen der Zettel:

VIELEN DANK, DASS SIE DAS NÄCHSTE MAL RICHTIG PARKIEREN!

Der Polizist erklärte mir, dass sie das Konzept geändert hätten und jetzt, statt Falschparkierer aufzuschreiben, statt Bussen zu verhängen und Geld einzutreiben, einfach an die Vernunft der Menschen appellieren würden, die Kampagne heisse «Wir parken an der korrekten Stelle und haben Spass dabei» und bestehe darin, den Leuten klarzumachen, wie wichtig es sei, nicht an verbotenen Stellen zu parken.

Muss ich noch erzählen, dass ich auf diese Schrecken hin in ein Café ging und einen Kognak trank, dabei die Zeitung aufschlug und auf folgenden Artikel stiess:

Schmulk sucht Dialog mit dem IS
Der nassauische Innenminister gab gestern bekannt, dass er in Zukunft mit Führern des IS ins Gespräch kommen wolle, wobei er versuchen würde, diese zu überzeugen keine Bomben mehr zu legen (mehr auf Seite 4)

So, dass ist natürlich alles erfunden, alles erstunken und erlogen, alles fabuliert und erdichtet. Ich war in keinem Kaufhaus, ich besitze 32 Unterhosen (und trage kein CK). Aber wenn ich in einem Kaufhaus gewesen wäre, hätte es Detektive und Kameras gehabt und ein Ladendiebstahl wäre zur Anzeige gekommen. Ich traf auch keinen Polizisten, aber wenn ich einen in der Nähe von im Parkverbot stehenden Wagen getroffen hätte, hätte dieser natürlich Strafzettel an die Windschutzscheiben gemacht. Und ein Dialog mit Terroristen nach dem Motto «Bitte keine Bomben mehr» wäre das Dümmste, was man je hörte.

Diese Geschichte aber ist wahr:
Am Freitag, 17. August stehen fröhliche Junge Menschen auf dem Barfüsserplatz und haben kleine Plastiksäckchen in den Händen. Sie zeigen den Passanten den Inhalt (Müll) und fordern sie fröhlich auf, doch diesen Müll korrekt zu entsorgen. Diese völlig idiotische Kampagne (die ja auch mein Steuergeld kostet) steht unter dem Motto «Saubere Stadt» und gipfelt in einem Anti-Abfall-Picknick am Tag darauf.
Das kann jetzt wirklich nicht sein. Ich habe vor vier Tagen über die rigide Basler Abfallwirtschaft geschrieben (Bussen für zu früh rausgestellte Müllsäcke, zu volle Säcke werden nicht mitgenommen, etc.), aber beim Thema Littering scheinen nur Gutmenschen am Werk zu sein. Daher mein Appell, den ich auch schon einmal formuliert habe:
Büsst endlich die Verunreiniger! Büsst sie hart und kostspielig, es gäbe Methoden Leute zu erwischen. Ein Dieb wird stehlen und sich nicht durch Zettel davon abhalten lassen, Falschparkierer werden ihren Wagen stets im Halteverbot abstellen, trotz Gummibärchen, der IS wird weiterbomben, da kann man noch so viel bitten
ja, und Litterer werden littern, sie werden ihren Müll auf den Plätzen hinterlassen, wenn keine Strafe sondern einfach die Stadtreinigung kommt.
So einfach ist das.










Dienstag, 21. August 2018

Vom Entsorgen der Dinge (2)


Und weiter geht es im fröhlichen Entsorgen von Dingen, ganz nach dem Motto «Simplify your life» – «Beschränke dich auf das Nötigste» – «Ausmisten macht Spass» – «Die Freiheit des Wenigen»

Pflanzen
Wer eine Pflanze grossgezogen hat, wer sich einen Ableger holte, diesen eine Weile in ein Wasserglas stellte und zusah, wie er Wurzeln schlug, wer dann diesen in Erde tat und ihn hegte und pflegte, ihn düngte und begoss, wird diese Pflanze irgendwann liebgewinnen. Ausgeschlossen, so ein Wesen einfach abzuhauen und auf Müllsäcke zu verteilen. Das Problem bei den Pflanzen allerdings ist – und das unterscheidet sie von Tischen und Sesseln, von Betten und Büchern, das trennt sie von Stereoanlagen und Kleidern, dass sie seit dem letzten Umzug GEWACHSEN sind. Nehmen wir nur meinen Ficus: Ich weiss gar nicht mehr, von wem ich ihn geschenkt bekam oder ob ich selber kaufte, jedenfalls war er damals ein zarter Teenager von 50 cm Höhe und 70 cm Breite. Nun, als ich ein neues Heim für ihn finden musste, war er zu einem stattlichen Baum von weit über zwei Meter Höhe und weit über drei Meter Breite angeschwollen. Wohin also mit ihm? Wie gesagt, unmöglich ihn zu töten, ich wäre mit weniger Skrupel auf die Strasse gerannt und hätte zwei Passanten erstochen. Nun, beim Ficus hatte ich Glück, eine Kollegin holte ihn für ihren Wintergarten, schön, dass ich hier weiss, dass die Pflanze in besten Händen ist, es blieben aber immer noch 22 weitere. Einige konnte ich verschenken, es waren aber immer noch zwölf da. Hier kam nun der Geheimtipp: Der Zoo Basel nimmt Pflanzen.
Anruf beim Zoo: «Ich habe gehört, dass man bei Ihnen Pflanzen…» «Schon längst nicht mehr, versuchen Sie es mal bei der Stadtgärtnerei oder dem Garten-Lehrbetrieb Basel.»
Anruf bei der Stadtgärtnerei: «Ich habe gehört, dass man bei Ihnen Pflanzen…» «Schon längst nicht mehr, versuchen Sie es mal beim Zoo oder dem Garten-Lehrbetrieb Basel.»
Anruf beim Garten-Lehrbetrieb Basel: «Ich habe gehört, dass man bei Ihnen Pflanzen…» «Schon längst nicht mehr, versuchen Sie es mal bei der Stadtgärtnerei oder dem Zoo.» «Die haben schon abgelehnt, was mache ich jetzt?» «Wegwerfen.» «Aaaaarrrgggggggggggggggggghhhhhhhhh!»
Fakt ist:
Alle meine zwölf Kinder sind mit mir umgezogen, Freiheit des Wenigen hin oder her.

Geschirr
Auch eine schwer komplizierte Sache. Natürlich braucht der Mensch ein paar Teller, ein paar Tassen, er braucht ein paar Gläser und einen Topf, in meinem Fall war es nun so, dass es in der oberen Wohnung alles hat. Dazu kommt, dass «lustige Tassen» ein beliebtes Mitbringsel sind und dann stapeln sich eben die «Guten Morgen-Gute Laune»-Tassen, die «Weimar bei Nacht»-Tassen (das sind die, die von schwarz auf Bild wechseln, wenn Heisses hineinkommt), die Sprichwort-, Redensart-, die Joke- und Witztassen in ihrem Schrank.
So, und nun kommt das Entscheidende: Sie dürfen Tassen, Gläser und Töpfe nicht einfach in Müllsäcke tun, sie gelten als Unbrennbares und Unbrennbares muss separat wie Sperrgut angemeldet werden und kostet beim Entsorgen. Theoretisch dürfen Sie Unbrennbares niemals in den Hausmüll tun, theoretisch dürfen Sie nicht einmal eine einzige kaputte Tasse in den Mülleimer fallen lassen, eben weil sie Unbrennbares ist. Und die Basler Abfallwirtschaft gilt als streng, es sind schon Leute mit 100.- Busse belegt worden, weil sie ihren Müllsack eine Stunde früher als erlaubt auf die Strasse stellten. Die Basler Abfallwirtschaft gilt als streng, was Privathaushalte anbelangt, dass Sie 3000 Tonnen giftige Schwellen lagern können (wir berichteten) oder am Wochenende Ihren Partymüll ungebüsst auf dem Barfüsserplatz lassen können (davon am Freitag), das steht auf einem anderen Blatt.
Was ich also gemacht habe?
Natürlich habe ich das Geschirr in Abfallsäcke gesteckt und es so mit Textilien drapiert, dass es beim Hineinwuchten in den Müllwagen nicht klappert. Und die Stadtreinigung hat alles mitgenommen.
Aber:
Bitte verpfeifen Sie mich nicht! Ich bekomme den grössten Ärger und im schlimmsten Fall drohen bis zu 5 Tagen Gefängnis.

Möbel
Vergleichsweise einfach. Einiges konnte ich verschenken, einiges holte ein Elsässer Abholer, ein paar grössere Sachen gingen auf www.tutti.ch weg und nur wenige Stücke musste ich als Klein- und Grobsperrgut entsorgen. Hier allerdings stellt sich ein kleines Problem, nämlich das, dass pro 10 Kilogramm eine Abfallvignette anzubringen ist. Wie wiegt man Möbel? Indem man – wie übrigens auch bei Koffern für Flugreisen – sich auf die Personenwaage stellt und dann den Stuhl, Hocker oder Tisch in die Hand nimmt: Sie wiegen ohne Hocker 76 kg, Sie wiegen mit Hocker 80 kg, dann wiegt der Hocker nach Adam Riese und Eva Zwerg 4 kg. Bei sperrigen Möbeln ist dieses Wiegen eine ziemliche Akrobatik, so kippte ich beim Wiegen eines sperrigen Beistelltischchens von der Waage und zog mir eine üble Zerrung zu. Wie man übrigens ein Sofa wiegt, dass konnte mir Frau Hotline von der Basler Abfallentsorgung auch nicht beantworten…

«Simplify your life»
Unter diesem Titel weibeln Lebensberatungsbücher und Lebensverbesserungskurse für eine Reduktion, ein Reduzieren, für ein Zurückschrauben und Wenigermachen der vielen Dinge, die uns umgeben, egal ob Zen oder Franziskanisch, egal ob norddeutsch-protestantisch oder Fernost: Überall her klingt es: «Simplify! Brauchst du die vielen Ordner wirklich?», «Beschränkung! Sind 10 Hosen nicht genug!» «Ausmisten! Hast du die hässlichen Porzellanfiguren jetzt nicht lange genug angeschaut?» «Freiheit des Wenigen! Einfach weg damit!»

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es einfacher ist, kompliziert zu bleiben…