Donnerstag, 16. August 2018

Vereinfache dein Leben - Vom Entsorgen der Dinge (1)


«Simplify your life» – «Beschränke dich auf das Nötigste» – «Ausmisten macht Spass» – «Die Freiheit des Wenigen» usw. usw,
Unter all diesen Titeln weibeln Lebensberatungsbücher und Lebensverbesserungskurse für eine Reduktion, ein Reduzieren, für ein Zurückschrauben und Wenigermachen der vielen Dinge, die uns umgeben, egal ob Zen oder Franziskanisch, egal ob norddeutsch-protestantisch oder Fernost: Überall her klingt es: «Simplify! Brauchst du die vielen Ordner wirklich?», «Beschränkung! Sind 10 Hosen nicht genug!» «Ausmisten! Hast du die hässlichen Porzellanfiguren jetzt nicht lange genug angeschaut?» «Freiheit des Wenigen! Einfach weg damit!»

Einfach weg damit? Leute, Leute, Leute, ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass dies gar nicht so einfach ist, wie die Propheten des «Less is More», sei es nun Tiki Küstenmacher oder irgendein Zen-Mönch, uns weismachen wollen. Deshalb beschäftigen uns die nächsten Wochen ein wenig mit der kompletten Entsorgung eines Haushaltes.
Und hierin bin ich Experte geworden, denn ich bin umgezogen und habe mich verkleinert (oder vergrössert, wenn man die neue Wohnsituation bedenkt, ich habe neu eine kleine Einzimmerbude direkt UNTER der 4-Zimmer-Wohnung meines Partners).
Gehen wir also ans Werk, aber bevor wir uns an die Einzelprobleme wie Bücher, Möbel, Geschirr, Elektro, Textilien und Pflanzen machen, seien zwei Bemerkungen vorangestellt:

Der Wahn des Neuen
In meiner Jugend übernahm man extrem viel von anderen Leuten. So hatten z.B. in meinem Kinderwagen mein Cousin Hans und meine Cousinen Dorothea, Sybille und Rosmarie gelegen, und dann hatte mein Götti beschlossen, dass «jetzt gut ist». Und meine Eltern bekamen den Kinderwagen. Nicht, dass wir kein Geld gehabt hätten, wir hatten weiss der Himmel genug, man empfand es einfach als eine Schande, etwas wegzuwerfen, was ein anderer braucht. (Dann starb übrigens mein Cousin unter tragischen Umständen und mein Götti musste zur in seinen Augen unabdingbaren Stammhalterproduktion doch noch einmal ans Werk, also lagen meine Cousine Ilse und mein Cousin Helmut wieder in diesem Wagen.)
Heutzutage kommt jedes Jahr ein neues Modell auf den Markt, jedes Mal noch ergonomischer, noch kinderfreundlicher, jedes Mal noch bequemer, noch hipper und noch IQ-steigernder, und keine Familie würde den KIDDIBUM® von Freunden übernehmen, wenn gerade der neue BUGGYDREAM® auf den Markt gekommen ist.

Die Prokrastination
Das wunderschöne Wort ist vom lateinischen cras (=morgen) abgeleitet und bezeichnet ein Phänomen, dem sich die Psychologie erst in den letzten Jahren richtig angenommen hat, nämlich der Frage: «Warum erledigen wir Dinge nicht gleich, sondern verschieben sie auf spätere Zeiten?» Zu diesen Dingen gehören Post aufmachen, Leute anrufen, Tickets bestellen usw., usw., usw. Und eben auch die Entsorgung von Müll. So stehen erst einmal drei Wochen der alte, wüste, kaputte Laptop und das neue Notebook Seite an Seite auf dem Schreibtisch. Dann packt uns eine kleine Arbeitswut und wir tragen das Altnotebook in den Keller. Gute Güte! Warum in den Keller, warum nicht zum Interdiscount®, SATURN®, Media Markt® oder MIGROS electronics®, wo überall grosse Container für Elektroschrott herumstehen? Man könnte bei diesem Gang auch noch den alten Drucker, das alte Handy, den alten Handstaubsauger und die alte Kaffeemaschine mitnehmen, die ebenfalls im Keller herumgammeln. Warum handeln wir so blöde? Das ist eben die Frage, die sich die Psychologie seit ca. 10 Jahren zum Thema gemacht hat. Auf Antworten sind wir gespannt.

Nun aber endlich in Medias Res und die einzelnen Punkte betrachtet:

Bücher
Wenn wir unsere Bücherregale betrachten, dann kann man die dort gestapelten Werke in 6 Gruppen unterteilen:
a)       Bücher, die wir einmal gelesen haben und immer wieder lesen wollen
b)      Bücher, die wir noch nicht gelesen haben, aber sicher irgendwann lesen werden
c)       Bücher, die wir nicht gelesen haben, zwei Mal in Angriff nahmen, aber nie lesen werden
(z. B. Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften)
d)      Bücher, die wir einmal gelesen haben, aber sicher nicht nochmal lesen wollen
(z. B. die Romane von Tommy Jaud, VOLLIDIOT etc.)
e)      Bücher, die veraltet sind (wie z. B. Mallorca für Insider aus dem Jahr 2010)
f)        Bücher, die nicht hätten geschrieben werden dürfen und die niemand lesen sollte
(der gesamte Coelho, der gesamte M. Walser, der gesamte Kishon usw.)
a) und b) bleiben sicher in Ihrem Besitz, e) und f) gehören in den Papiermüll. Wohin aber mit c) und d)? Antiquariat? Fehlanzeige. Der Antiquar wird Ihre 300 Bücher mit sicherem Blick überfliegen und den ganzen Mist nur mitnehmen, wenn er mindestens 20 Bände entdeckt, die ihm noch fehlen und die er verkaufen kann. Der Mann ohne Eigenschaften gehört nicht dazu, den hat er schon fünfmal und kriegt ihn nicht los. Brockenstuben? Nehmen keine Bücher mehr. Bücher-gratis-mitnehmen-Schränke? Da bekommen Sie in einen noch 25 Romane rein, dann sind die voll. Flohmarkt? Vergessen Sie’s.
Ihnen bleibt also nicht anderes übrig, als die 300 Bücher sorgsam in Pappkartons zu verpacken und sie auf die Strasse zu stellen, damit die Papiermüllentsorgung sie holt. Kostet Sie nur zwei Stunden Arbeit, aber «Simplify Your Life» ist eben nicht so simpel, wie wir denken.

Im nächsten Post geht es dann um Möbel, Geschirr und Pflanzen.  












     

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