Freitag, 31. Juli 2020

Digital ist richtig gut


Die Corona-Krise hat uns alle zu digitalen Aktivitäten gezwungen: Home-Office, Fernunterricht, Online-Bestellungen, usw. Und viele andere Dinge mehr.
Nicht alle haben das geschätzt, viele Menschen haben gestöhnt und geächzt, haben geseufzt und geweint, haben geklagt und gemurrt. Und diesen Leuten, die da gestöhnt und gemurrt haben, bei denen Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen vorherrschte, bei denen viel Bekümmernis war, deren Herz im Blute schwamm und sich mit einem Fuss im Grabe wähnten, möchte ich nun zurufen: Jauchzet, frohlocket, denn:
Digital ist geil! (s.v.v.)
Und das möchte ich an drei Beispielen erläutern.

Die digitale Hochzeit

«Sie hat nein gedacht und ja gesagt» schreibt Brigitte Schwaiger in ihrem Roman Wie kommt das Salz ins Meer. Und das ist ja auch so eine Sache. Wie viele Frauen haben erst am Traualtar erkannt, dass der Frosch, den sie nun ein paar Male geküsst haben, immer noch ein Frosch geblieben ist, wie viele Bräute haben erst in der Kirche gecheckt, dass sie nun mit diesem Tölpel, der sich da neben ihnen aufgebaut hat, das ganze Leben verbringen müssen. Und die Zeiten, wo man dann einfach rausrennen konnte, ins Kloster gehen, die Orgel erfinden und auf die Heiligsprechung warten konnte wie weiland Cäcilia, die sind lange, lange, lange vorbei. Und ganz ehrlich: Klöster sind ja auch nicht die wirkliche Alternative, das wissen wir seit Sister Act und vielleicht ist frau auch gar nicht katholisch.
Und dann sagt man halt das berühmte «ja» und ist gebunden, gefesselt und geknebelt und probiert dem ungeliebten Gatten giftige Kräuter ins Essen zu mischen, denn es hat ja geheissen «bis das der Tod euch scheidet» und das kann sehr lange gehen, wenn frau nicht ein wenig nachhilft.
Und hier kommt die Online-Trauung ins Spiel:
Wenn der Pfarrer fragt, ob frau den XY lieben, ehren usw. blablabla, und frau nun wirklich im letzten Moment noch einsieht, dass der Frosch eben ein Frosch ist und immer einer bleiben wird, dann klickt sie auf den Button
MEETING VERLASSEN
und weg ist die Braut. Und sie ist nicht im Kloster und nicht bei ihren Eltern und nicht in der Ferne, sondern daheim auf ihrem Sofa und schenkt sich ein Glas Rotwein ein schaltet ihr Lieblingsprogramm an und denkt:
Noch einmal Glück gehabt.

Der digitale Fresspalast

Es gibt nichts Schöneres, als durch grosse Markthallen, grosse Fresstempel, grosse Delikatessenabteilungen zu schlendern, und Käse und Kandis, Hummer und Hummus, Rahmwurst und Rumkugeln zu bestaunen, Platz 1 hat hier sicher die obere Etage des KDW in Berlin, wo allein die gefühlten 3 Kilometer Fischtheke einem den Mund zum Aufsperren bringen. Nun ist das toll, Käse und Kandis, Hummer und Hummus, Rahmwurst und Rumkugeln zu bestaunen, der grosse Nachteil ist, dass man die Sachen eben nicht nur bestaunt, sondern häufig auch probiert. Und wenn dann beim Naschen zu Käse und Kandis noch Kaninchenpastete, zu Hummer und Hummus noch Hefezopf und zu Rahmwurst und Rumkugeln noch Rotwein kommt, ja dann kommt eben zu dem kleinen Pölsterchen auf den Hüften noch ein grösseres Pölsterchen auf die Hüften, sprich: Man nimmt zu. Und hier ist nun der digitale Fresstempel, die digitale Markthalle, der Auftritt www.ka-de-we-fressen.de die ideale Lösung:
Nach Herzenslust kann man hier schauen und gucken und glotzen und stieren, auf Fische und Fleisch und Feigen und Fenchel, kann im Geiste sich durch Lindt, Cailler und Leonidas speisen, und man nimmt kein Gramm zu.

Der virtuelle Extremsport

Ich würde nie Bunjee Jumping, BASE Jump, Fallschirmspringen, Gleitschirmfliegen oder Wildwasserrafting machen. Und zwar aus einem Grund: Ich habe Angst. Ich halte Bunjee Jumping, BASE Jump, Fallschirmspringen, Gleitschirmfliegen oder Wildwasserrafting für gefährlich, und da habe ich bei diesen Extremsportarten ja auch nicht so unrecht. Der Reiz der Gefahr, der Kick der Angst, die Möglichkeit, dass etwas passieren KÖNNTE, das gehört bei diesen Dingen ja auch dazu. Wobei man hier differenzieren muss, es gibt hier eine Rangliste, die sicher vom BASE Jump angeführt wird; im Paradies dieser Sportart Lauterbrunnen (BE) hat jeder Einwohner schon einen Sportler sterben sehen, aber da die Gemeinde mit ihren perfekten Felsen in der ganzen Welt bekannt ist, und man an den Jumpern ganz gut verdient, nimmt man das halt in Kauf. Ich habe aber nun im Lockdown Bunjee Jumping, BASE Jump, Fallschirmspringen, Gleitschirmfliegen oder Wildwasserrafting gemacht. Und zwar online. Ich bin nämlich mit Freude und Jauchzen den Filmen gefolgt, die irgendwelche furchtlosen Leute mit einer Kamera auf ihrem Helm aufgenommen haben, ich selbst aber ungefährdet, daheim, auf meinem Sofa.
Und das macht einen Riesenspass.

Ja, liebe Leserinnen und Leser.
Digital ist toll.
Daran gibt es nichts zu rütteln.















Dienstag, 28. Juli 2020

Jetzt kommt es nicht mehr drauf an


Guten morgen, liebe Leserinen und Leser, ich hoffe das es ihnen gut geht.

Ich entdecke gerade, dass im ersten Satz dieses Posts schon fünf Schreibfehler sind, der zu kleine Morgen, die Leserinnen, die ein n verloren haben, das abhandengekommene Komma nach der Hoffnung, die berühmte dass/das-Geschichte und die fehlende Höflichkeits-Grossschreibung. Die Frage ist nun, mache ich jetzt so unorthografisch weiter, oder korrigiere ich, also lasse ich den zu kleine Morgen, die Leserinnen, die ein n verloren haben, das abhandengekommene Komma nach der Hoffnung, die berühmte dass/das-Geschichte und die fehlende Höflichkeits-Grossschreibung stehen und sage mir:
«Jetzt kommt es nicht mehr darauf an!»
oder bringe ich einen korrekten ersten Satz?

Natürlich das Zweite:
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser, ich hoffe, dass es Ihnen gut geht.
Mein Erzengel würde mich sonst schlicht und einfach töten.

«Jetzt kommt es nicht mehr darauf an!» Wie oft, wo und wann denken wir diesen Satz?

Wir denken ihn, wenn wir unser Auto am unmöglichsten Platz parkiert haben, und wenn das Knöllchen schon auf der Windschutzscheibe zappelt. Eigentlich wäre es ja korrekt, das Fahrzeug von diesem unmöglichen Platz zu entfernen, aber da die Busse schon da ist, kommt es eben nicht mehr darauf an.
Wir denken diesen Satz, wenn wir bei «Chez Augustino» merken, dass wir zu wenig Geld dabei haben und unsere Master Card® zuhause auf der Kommode liegt, dass heisst, dass wir eh ziemlich viel Ärger bekommen und wir bestellen noch einen Grappa und einen Espresso, und noch einen Grappa und noch einen Espresso.
«Jetzt kommt es nicht mehr darauf an!» jagt durch unser Hirn, wenn wir auf die Uhr schauen und zugeben müssen, dass wir es nicht mehr in time zur Sitzung schaffen und was tun wir? Wir VERLANGSAMEN unseren Schritt…

So weit, so schlecht.

Problematisch wird diese Haltung, wenn sie sich in grösseren Dimensionen bewegt.

Da hat man ein wenig Bilanzen gefälscht und ein wenig Summen erfunden, und die Bankaufsicht ist einem zwar nicht auf die Schliche gekommen, aber man weiss, man ist inzwischen kriminell. Und dann sagt man sich:
«Jetzt kommt es nicht mehr darauf an!»
Und man fügt den 2 Millionen, die irgendwo in Asien sind (oder eben NICHT sind) noch ein paar dazu, und plötzlich ist klar, man muss sowieso in den Knast und dann macht aus den 2 Millionen halt 2 Milliarden, denn es kommt ja…

Da hat man ein grosses finanzielles Problem wegen der Corona-Krise, und man fängt an zu überlegen, wem man alles Geld geben muss und wen man alles retten will, ja, und dann kommt man auf Millionen, dann auf Milliarden, dann sind es Hunderte von Milliarden, und dann kommt der Wumms, dann kommt die Bazooka, es kommt ja jetzt schon nicht mehr darauf an, und dann spendiert Deutschland eine Billion, und bei der EU ist man bei der Billion, und die EZB gibt Unsummen…
Jetzt kommt es ja nicht mehr darauf an.
Man fragt sich schon, woher das ganze Geld kommen soll. Haben die in Brüssel, in Berlin und in Frankfurt, haben die an der Spree, am Main und an der Senne Geräte zum Gelddrucken oder einen Goldesel? Aber irgendwie wird es schon gehen, muss ja.

Es kommt nicht mehr darauf an.
Obwohl:
Es gibt Situationen, wo es eben doch darauf ankommt. Machen Sie einmal den Test und füllen ein Glas mit Wasser, Tropfen für Tropfen, Kleinmenge auf Kleinmenge, irgendwann wird es einen Tropfen geben, einen Milliliter, der das Glas zum Überlaufen bringt, das ist dann eben der berühmte Tropfen, der das Fass…

Wenn Sie bei einer Prüfung nur eine bestimmte Menge an Schreibfehler machen, sagen wir z.B. genau fünf, dann käme es ab dem ersten Satz, in dem sich schon 5 befinden, eben nun genau darauf an.
Wenn das Knöllchen mit einer Abschlepp-Androhung verbunden ist, dann kommt es darauf an, jetzt schnell wegzuparken.
Wenn Augustino einem die 3 Euro, die man überzogen hat, noch schenken würde, immerhin ist man Stammgast, dann sind die zwei Grappas und die zwei Espressos eben zuviel.
Und wenn der Chef halt schon überlegt, wen er in der Sitzung feuern soll, dann sind eben 7 Minuten Verspätung (Herr Dobler), 10 Minuten Verspätung (Frau Sieber) und 40 Minuten Verspätung (Sie) ein grosser Unterschied.

Manchmal kommt es darauf an.

In diesem Sinne:
Machen sie es gut beiben sie gsunsd.
Nein, wir machen es richtig:
Machen Sie es gut, bleiben Sie gesund.  


Freitag, 24. Juli 2020

Ich hatte noch viel tolle Dinge gemacht...


Ich habe im letzten Post über meinen phänomenalen Text berichtet, den Text, den ich leider gelöscht habe. 
Nun muss ich Ihnen ehrlich sagen: Es gibt noch viel mehr Phänomenales vor mir, was nicht mehr existiert. Es gibt keinen Namen für mich, ich bin kein verkanntes Genie, eigentlich muss man sagen verkanntes Universalgenie, ich bin auch kein verhindertes Genie, oder sagen wir verhindertes Universalgenie, ich bin ein…
Könnten wir sagen „Selbstverhindertes Universalgenie“?
oder:
„Schicksalsbetroffenes Universalgenie“?
Oder etwas anderes?
Aber gehen wir einmal in die Details:

Im Sommer 2018 habe ich ein Bild gemalt, ein Bild, das in der Kunstmetropole der Welt, im Big Apple, das mir am Hudson aus der Hand gerissen worden wäre. Gavin Brown`s Enterprise hätte es bei mir zu Hause abgeholt und Hauser und Wirth hätten extra Platz für mein Bild geschaffen, natürlich hätten auch Gargosian und David Zwirner es auf jeden Fall, um jeden Preis und unter allen Umständen haben wollen. Und natürlich – da müssen wir jetzt gar nicht darüber reden – hätte Komposition in Blau Nr.45A an der ART Basel gehangen, weil Komposition in Blau Nr.45A das Beste gewesen wäre, was die ART Basel zu bieten gehabt hätte (wenn sie denn stattgefunden hätte). Komposition in Blau Nr.45A war ein Ölbild in den Ausmassen 340cm x 450cm und von einer Schönheit, die Sie sich nicht vorstellen können. Klar, ergreifend, expressiv, dekorativ und politisch.
Leider…
Leider…
Ja, leider gab es einen Wasserschaden in der Wohnung über mir und das Wasser rann und sickerte und schwoll und tropfte und regnete direkt auf Komposition in Blau Nr.45A. Und das war das Ende eines der tollsten Kunstwerke, das die Welt gesehen hätte.

Ebenso kam mir im Jahre 2019, am 3. März, das weiss ich noch genau, eine Melodie in den Sinn, die zum Schönsten gehörte, das Sie sich vorstellen können. Sie kam einfach auf mich zugeflogen, sie sprang mich an und setze sich in meinem Ohr fest. Diese Melodie, oder sagen wir besser Melodei, die Weise war erfrischender als die Kleine Nachtmusik und lyrischer als Pour Elise, sie war expressiver als La fille au cheveux de lin und sie war melodiöser als die Morgenstimmung aus der Peer Gynt Suite.
Leider hatte ich nichts zu schreiben bei mir, auch keinen Computer mit Finale®, Capella® oder Sibelius®, ich hatte weder Stift noch Notenschreibprogramm, denn ich stand im Gurten-Bad unter der Dusche. Und Sie können sich es denken: Als ich in der Garderobe ankam, wo im Spind nicht nur Stift und Papier, sondern auch mein Tablet warteten, da war die Melodie, die Melodei, da war die Weise weg.

Im Winter 201672017 hatte ich eine Weltformel entwickelt:
(sin 6 – cos 7 / tan 8 – cot 9) / 3476,98 x

hätte den Globus verändert.
Mit dieser Formel hätte die Menschheit nicht nur die Klimakatastrophe, sondern auch die Coronakrise in den Griff bekommen, man hätte die Produktion von Solarenergie um 600% steigern und den CO2-Ausstoss um 300% verringern. Natürlich hätte man aus   
(sin 6 – cos 7 / tan 8 – cot 9) / 3476,98 x

auch die gefährlichsten Waffen bauen können, das ist mit Weltformeln halt nun mal so. Was aber war das Schicksal von
(sin 6 – cos 7 / tan 8 – cot 9) / 3476,98 x  ?

Ich hatte – und das wahr sicher doof – diese Formel auf eine Rechnung im Restaurant geschrieben, und zwar – blöderweise! – auf eine Rechnung, die mein (unbekannter) Voresser auf dem Tisch gelassen hatte. Und als der Kellner kam, putzte er den Tisch, zerknüllte den Zettel und weg war er. Als ich ihm in die Küche folgte, wusste er von nichts mehr. Dass er Chinese war, ist sicher kein Zufall…

Muss ich noch von architektonischen Plänen, von philosophischen Lehrsätzen, muss ich von Skulpturen, von neuen Kunststoffen und neuen Denkansätzen, muss ich von Grafiken und Videoinstallationen, muss ich von Gedichten und neuen Instrumenten erzählen, die alle verlorengingen, von Hunden gefressen und von Katzen zerfetzt, von Möbelpackern fallengelassen und von Paketzulieferern stehengelassen wurden?

Es gibt keinen Namen für mich, ich bin kein verkanntes Genie, eigentlich muss man sagen verkanntes Universalgenie, ich bin auch kein verhindertes Genie, oder sagen wir verhindertes Universalgenie, ich bin ein selbstverhindertes Universalgenie, ein schicksalsbetroffenes Universalgenie.
Und ich bin nicht allein.
Wir sind viele.
Wir sind eine ganze Horde von Leuten, die alle eines gemeinsam haben:

Wir sind die tollsten Menschen auf dieser Welt.
Nur:
Leider können wir es nicht beweisen.

Oder: Gottseidank müssen wir es nicht beweisen.