Dienstag, 7. Juli 2020

Erlauben Sie den Zugriff auf...?


Ich bin wieder einmal am Herunterladen von Apps. Und da stosse ich auf eine ganz tolle, baselnews genannt, die mir die neuesten lokalen Ereignisse präsentiert. Und während des Downloads stellt sie mir die Frage:

Möchten Sie zulassen, dass baselnews auf Ihren Standort zugreift?
ZULASSEN                           ABLEHNEN

Natürlich lehne ich nicht ab, das finde ich doch super, dass so eine App mich genau ortet und dann die Meldungen speziell auf meinen Standort zuschneidet. Stellen Sie sich vor, Sie stehen in der Mattenstrasse 50 und ihr Handy meldet, dass im 3. Stock gerade ein Mann seine Frau tötet. Das heisst, Sie müssen über den Mord nicht am nächsten Tag in der Wurfzeitung lesen, sondern Sie sind live dabei. (Ob Sie nicht eigentlich eingreifen und/oder die Polizei holen müssten, steht auf einem anderen Blatt.) Oder stellen Sie sich vor, Sie sind am Nadelberg 15, wo ein junger Mann seiner Angebeteten gerade einen Heiratsantrag macht. Wie rührend!

Eine genauso schöne App scheint mir buddhawords. Worte des Buddhismus, die einen durch den Tag geleiten. Das ist doch immer wunderschön, wenn einen Sätze wie «Der Vogel fliegt – der Fisch schwimmt – die Sonne scheint» durch die Stunden führen. (Wenn Sie jetzt denken, das ist ja eigentlich banaler Schwachsinn, dann liegt das daran, dass im Zen die Sätze eben keinen Sinn machen, sondern dieser tiefere Sinn sich erst beim Nachdenken ergibt.) Auch diese App fragt mich etwas:

Möchten Sie zulassen, dass buddhawords auf Ihren Terminkalender zugreift?
ZULASSEN                           ABLEHNEN

Wieder nehme ich an. Wunderbar, wundervoll, fantastisch und grossartig! Die App liefert nicht nur kluge Sentenzen, sie liefert sie auch zu meinen speziellen Appointments. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Meeting in einer anderen Stadt, z. B. Bern, und buddhawords schreibt Ihnen «Wenn du es eilig hast, mache einen Umweg», und Sie fahren über Biel und werden vom Brand im Bahnhof Olten nicht tangiert. Und kurz vor dem Meeting schreibt Ihnen die App «In der Ruhe liegt die Kraft», und Sie wissen genau, bei dem anstrengenden Termin ist es wichtig, cool zu bleiben. 

Die dritte Applikation ist interpretaporter, eine Übersetzungs-App, die mir 345 Sprachen ins Deutsche übertragen kann. Braucht man ja auch unbedingt. Hier fragt das Programm beim Download:

Möchten Sie zulassen, dass interpretaporter auf Ihre Fotos, Videos, Dokumente und Musik zugreift?
ZULASSEN                           ABLEHNEN

Zugelassen! Das wird super. Also, mit den Fotos begreife ich das nicht so ganz, aber ich kann mein Video vom Rundgang in der Alhambra durch das Programm laufen lassen, und die Reiseführerin spricht auf einmal makelloses Deutsch. Und Cohen singt auf einmal:

Susanne nimmt dich mi-hit
Zu ihrem Platz am Flu-huss
Und du kannst die Boote hören
Und die Nacht mit ihr verbringen
Du weisst, sie ist halb irre
Deshalb willst du bei ihr sein

Aber wissen Sie, was?

Der ganze Scheiss (s.v.v.) funktioniert überhaupt nicht.

Da stehe ich vor der Burgunderstrasse 23 und baselnews liefert mir Nachrichten über einen Grossratsbeschluss, über eine Vernissage im Kunstmuseum und die Route des Stadtlaufs, will ich doch gar nicht wissen, ich will wissen, welche Dramen, Tragödien, welche Morde und Verletzungen, aber auch welche Wonne und welche Lust in dem Haus passiert, welche Nächte der Liebe herniedersinken, wer im Schlafe weint oder welche Leute, vor denen ganz Basel gezittert hat, gerade erstochen werden.

Auch buddhawords ist eine Enttäuschung. Da sitze ich bei einem Lunchmeeting (oder streichen wir den Anglizismus und nehmen das gute deutsche Wort «Arbeitsessen»?) und kann mich für keine Speise entscheiden und die App bringt mir den Satz «Der Lotos blüht das ganze Jahr». Sofort frage ich den Kellner, ob sie was mit Lotos haben, aber er schüttelt den Kopf. Gut, Chez Donati im St. Johann pflegt nun auch eher die italienische Küche, da spielt Lotos keine Rolle.

Und natürlich geht das mit interpretaporter auch nicht, nur Textdateien werden übersetzt, keine Videos, keine Fotos und keine Musik. Übrigens ist die Qualität der Übersetzungen leider ungefähr so wie der Cohen oben.

Warum – so frage ich Sie – wollen dann alle die Apps Zugriff auf mein Leben? Warum wollen alle wissen, wo ich bin, was in meinem Kalender steht und wie meine Dateien aussehen? Wieso erforschen die das? Die wollen mich doch nicht etwa…
ausspionieren?
Und dann meine Daten unerlaubt – ich wage es kaum auszusprechen –
weitergeben?

Nein, das wäre ja ungeheuer. Das hielte ich für eine Verschwörungstheorie.
Warum ich aber ständig den Zugriff erlauben soll, bleibt ein Rätsel.


 




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