Freitag, 25. Februar 2022

Wie oft was tun?

Wie oft darf oder kann man welche Dinge in welchem Zeitraum machen?

Hans hat an einem schönen Donnerstagnachmittag Lust schwimmen zu gehen. Schwimmen ist gesund, macht fit und Hans liebt die Schwimmhalle und den Chlorgeruch (!) und seine schnittige schwarze Badehose. Also warum nicht in die Olympiahalle ins Turnerbad? Sein Partner Fred aber ist entsetzt: „Du warst doch erst heute Morgen!“ Also streicht Hans das Turnerbad und den Chlorgeruch aus seinem Kopf und packt die schnittige schwarze Badehose wieder aus.

Wie oft darf oder kann man welche Dinge in welchem Zeitraum machen?

Immer wenn ich in Olten aufwache und wunderbar im Regionalzug von Solothurn her geschlafen habe, dann gehe ich auf den Intercity nach Basel und – schlafe manchmal dort noch einmal ein. Immer mit dem Gefühl etwas Verbotenes, etwas Unanständiges zu tun, denn einmal im Zug schlafen ist ja ganz ok, aber im nächsten Zug schon wieder, das hat etwas Verrufenes und Schlampiges.

Wie oft darf oder kann man welche Dinge in welchem Zeitraum machen?

Manche Leute lesen ein Buch nur einmal, manche lesen ein Buch nach einer Weile ein zweites und vielleicht nach einer längeren Weile noch ein drittes Mal. Marga aber liest jedes Buch dreimal, dreimal in Folge, dreimal hintereinander. Wenn sie einen Mann oder Böll oder Grass oder Hesse durchhat, dann schlägt sie den Mann oder Böll oder Grass oder Hesse zu und dreht ihn um und fängt den Mann oder Böll oder Grass oder Hesse von vorne an. Ihre Begründung ist simpel: „Ich habe schon wieder vergessen, was auf den ersten Seiten passierte.“

Wie oft darf oder kann man welche Dinge in welchem Zeitraum machen?

Lilja will schon wieder Sex. Schon wieder. Dabei haben Lilja und Piotr dieses Jahr schon zweimal miteinander geschlafen. Einmal am 6. Januar und einmal am 7. Februar. Aber Lilja scheint unersättlich zu sein. Die Positionen „einmal pro Tag“ (sie) und „einmal pro Monat“ (er) liegen halt doch weit auseinander. Vielleicht liegt die Unlust des Mannes – die ist ja eher selten – daran, dass Piotr jeden Tag mehrmals masturbiert; auch hier könnte man diskutieren, was hier die richtige Anzahl ist.

Wie oft darf oder kann man welche Dinge in welchem Zeitraum machen?

Ja, das ist oft die Frage.
Nun gibt es natürlich Dinge und Sachen, da ist es schlicht und einfach nicht möglich, es geht nicht oder es ist ungesund. Und manchmal kommt es eben darauf an, wer man ist und was man macht.
Alle Stunde einen Whiskey ist sicher nicht gut, auch wenn man Swing-Sänger oder Chansonette, auch wenn man Regisseur oder Abenteuerschriftsteller ist, es macht die Leber kaputt und führt irgendwann zum Tode. Genauso alle fünf Minuten eine Zigarette oder jede halbe Stunde etwas zu essen.
Wie viel Sport tut einem gut? Mancher mag sagen, dass zwei Stunden pro Tag schon sehr viel ist, wenn man aber Spieler bei Bayern München oder bei den Borussen ist, dann ist das entschieden zu wenig.
Wie viel Meditation am Tag? Für einen Lama, für einen buddhistischen Mönch, sind fünf Einheiten normal, für einen Manager ist das zu viel. Er kommt nämlich dann nicht mehr zum Arbeiten.

Wie oft darf oder kann man welche Dinge in welchem Zeitraum machen?

Bei den Sachen aber, die nicht ungesund oder unmöglich oder bestimmten Gruppen vorbehalten sind, ist es die Frage, warum wir bestimmte Frequenzen quasi festlegen.
Warum soll Hans nicht an jenem schönen Donnerstag ein zweites Mal schwimmen gehen? Er hat gerade Ferien, er hat noch einmal Lust dazu, er liebt – wie gesagt – Schwimmhalle und Chlorgeruch und seine schnittige schwarze Badehose, und warum soll er diese nicht noch einmal einpacken?
Warum darf ich im zweiten Zug nicht noch einmal einschlafen? Wenn ich noch müde bin? Umso fitter und ausgeschlafener und wacher werde ich dann in Basel sein.
Und warum soll Marga nicht einen Stanišić oder eine Lewitscharoff oder eine Helfer nicht drei, wenn nicht sogar viermal lesen? Die Menschen früherer Jahrhunderte hatten nur ein Buch, und das lasen sie ständig: Das Buch der Bücher.

Wie oft darf oder kann man welche Dinge in welchem Zeitraum machen?

Tja, das ist die Frage.
Klar ist nur, wie oft man die Dienstag-Freitag-Glosse lesen sollte:
Zweimal die Woche.







 

 

 

 

Dienstag, 22. Februar 2022

Meine vertanen Chancen

Wenn ich mein Leben so anschaue, dann ist es eine Abfolge von vertanen Chancen gewesen. Ich habe ja versprochen, Ihnen über das zu schreiben, was ich nicht geworden bin. Und wenn ich das jetzt so bedenke, sehe ich schon, dass da extrem viel zu holen gewesen wäre.

Meine erste vertane Chance war die, der Stuttgarter Modepapst zu werden, der – wie es damals geheissen hätte – Super-Trendsetter oder – wie man heute sagen würde – Super-Influencer. Meine Grosstante lebte in Union, New Jersey. Das ist so quasi ein unbedeutendes Kaff mit ein paar Einwohnern, einem Drugstore und einem Schnellimbiss, das entscheidende ist die Nähe zu New York. Wenn man sich in sein Auto setzt, dann ist man in einer guten halben Stunde am Broadway oder am Rockefeller Center (so gibt das Google Maps an, wahrscheinlich stimmt das natürlich nicht und man steht ab Grenze Manhattan im Stau…).
Nun, jedenfalls kaufte meine Grosstante in irgendeinem New Yorker Laden ein paar T-Shirts. T-Shirts für einen Jungen, in meiner Erinnerung schwarz und blau mit weissen und gelben Aufdrucken. Und diese Shirts kamen dann im Jahre 1969 in Stuttgart an – ich war damals 4. Ja, und dann entschied meine Mutter, dass man mit «solchen Lappen» unmöglich herumlaufen könne.
Und warf sie weg.
Wahrscheinlich hätte ich das zu dieser Zeit und an ihrer Stelle auch getan. Aber hier wurde meine Chance verspielt, als erstes Kind des Quartiers, der Stadt, vielleicht sogar des Bundeslandes solche T-Shirts zu tragen. Und mich als Trendsetter zu etablieren.

Wenn ich mein Leben so anschaue, dann ist es eine Abfolge von versauten Chancen gewesen.

Ein paar Jahre später vermasselte ich selbst meine spätere Karriere als Profisportler.
Wenn ich meine Bewegungen beim Schwimmen und Volleyballspielen beobachte, wenn ich meinen immer noch jugendlichen, sportlich-gestählten Körper im Spiegel anschaue, wenn ich Fotos von mir bei Badminton oder Ping-Pong betrachte, dann ist mir klar, dass ich ein Spitzensportler geworden wäre.
Dummerweise begann ich meine Laufbahn als Teilnehmer des Kinderturnens der SKG, der Sport- und Kulturgemeinschaft Stuttgart-Gablenberg. Dieses Kinderturnen fand in einer Turnhalle mit 8 Gruppen mit je 10 Kindern statt, was mit Leitern und Co-Leitern fast 100 Personen bedeutete. Heisst auf Deutsch: Unbeschreiblicher Lärm, unbeschreiblicher Gestank, unbeschreibliches Durcheinander. Zudem bekam ich einmal eins auf die Nase, als ich einen Turner darauf hinwies, dass man den Rotz nicht die Nase hochzieht. Blöderweise war er 3 Jahre älter und einen Kopf grösser.
Jedenfalls, ich trat nach einem halben Jahr aus dem Turnen und aus der SKG aus; und ich habe es erst im Erwachsenenalter mich wieder sportlich betätigt.

Ich habe versprochen, Ihnen über das zu schreiben, was ich nicht geworden bin. Und wenn ich dies nun so schreibe, merke ich, dass extrem viel zu holen gewesen wäre.

Die nächste verpatzte Chance hat nun mit Geld zu tun. Im Sommer 1982 wechselte ich die Schule vom Stuttgarter Osten in den Stuttgarter Westen. Man weiss nicht erst seit East End Boys West End Girls von den Tierladenjungs, dass der Osten schlecht und der Westen gut, der Osten asozial und der Westen gehoben und der Osten arm und der Westen reich ist. Das hat sogar wirklich historische Gründe, hat mit Wind und so zu tun, aber das würde zu weit führen.
Jedenfalls verbrachte ich meine letzten beiden Schuljahre in einem guten Gymnasium in einem reichen Quartier.
Das letzte dieser beiden Schuljahre gab ich Nachhilfe, und zwar einer jungen Dame, die so schön und reich wie dumm war. Es war so richtig klischeemässig, wir sassen in ihrem 67 qm grossen Zimmer und blickten auf Garten mit Pool, manchmal kam der Vater (Inhaber einer grossen Firma) herein, um zu sagen, dass er jetzt Golf spielen ginge. Und während ich der guten Mamsell zum 92ten Male den Ablativus Absolutus und die zweite Ableitung (zur zufällig zwei «Abls») erklärte, dachte ich darüber nach, wie es wohl wäre, mit ihr anzubandeln. Sie sah extrem gut aus, und ich wäre finanziell gesattelt gewesen.
Aber ich habe es nicht getan.

Wenn ich mein Leben so anschaue, dann ist es eine Abfolge von vertanen Chancen gewesen.

Die letzte grosse Chance bot sich bei einer Reise in die DDR. Ich überschritt im Sommer 1984 die innerdeutsche Grenze am Bahnhof Friedrichsstrasse. Im Gepäck hatte ich viel Übematerial zu den Themen Musikgeschichte und Musiktheorie, denn meine Aufnahmeprüfungen im Fach Schulmusik standen direkt bevor.
Als der Vopo nun Generalbass-Übungen zu Gesicht bekam, fand er sie extrem suspekt. Man muss hier sagen, dass eine Anhäufung von Dingen wie
9 – 8
7 – 6
4b
2#
auch verdächtig ist. Er hielt das für Raketen- oder Bombenbaupläne. Und ich erklärte ihm eine halbe Stunde den Basso Continuo. Und er glaubte mir.
Und hier versäumte ich es, dem BND die Umschrift von Geheimnissen in Generalbassnotation vorzuschlagen und mich gleich als Agent anzudienen…

Modepapst.
Olympiasieger.
Firmeninhaber.
Meisterspion.
Mein Leben ist eine Abfolge vertaner Chancen.

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 18. Februar 2022

Wie schreiben wir Daten?

Mein Grossneffe Finn schaut mir beim Korrigieren eines Posts über die Schulter. «Was ist denn das?», fragt er und zeigt auf die Zeile über dem Eintrag:

Freitag, 4. Februar 2022

«Das ist doch das Datum», erkläre ich, «das schreibt man so.» «Schreibt man nicht 04. Februar?» «Nein, das tut man nicht.» Da holt Finn sein Schulheft und präsentiert mir grinsend und freudebewegt seinen Aufschrieb:

Mögliche Schreibweisen eines Datums:

a) 07. März 2021
b) 07. 03. 2021
c) 07 / 03 / 2021
d) 03 / 07 / 2021
e) 2021_03_07

Ich bekomme sofort Vögel, die Krätze und einen Anfall.
Ich weiss, dass es sich gerade durchsetzt, und sogar schon so erlaubt ist. Ich selbst kann mich an die Null VOR einer Zahl nicht gewöhnen. Werden wir in Zukunft auch Konzertprogramme so scheiben? (Sinfonie Nr. 04 in cis-Moll) Werden wir von Sportlern so berichten? (Heinzl erreichte einen ehrenvollen Platz 08.) Werden wir Leute zum 07. Geburtstag unserer Kinder einladen?

Mir ist klar, dass wir allen diesen Unsinn dem Computer und der Elektronik verdanken. Aber wir benennen ja auch nicht alle Städte um, es müsste ja dann auch Muenchen, Koeln und Schwaebisch Hall, es müsste Duesseldorf, Loerrach und Schwaebisch Gmuend heissen.

Und wie ist es mit den Arten c) bis e)?
Das e) macht ja noch irgendwie Sinn, denn so kann man eine Ordnung schaffen, bei der Computer einem Dokumente richtig sortiert, ich selbst benenne meine Protokolle so. (Ja, ich schreibe Protokolle, ja, und ich kann das, ganz ohne Wiederholungen und Wortspiele und Sprachverdrehungen…)
Aber c) und d)? Da kann man ja gar nicht wissen, was für eine Art der Schreibung benutzt wird. Bei einem Einzeldatum ist man aufgeschmissen, hat man mehrere, dann muss man in der Liste weiterlesen, bis man auf einen Eintrag wie 02 / 14 / 1965 oder 14 / 02 / 1965 stösst, da es keinen vierzehnten Monat gibt, ist hier die Sache klar.

Ich erkläre nun meinem lieben Finn, dass er in Zukunft z.B. 2. Juli 2022 schreiben soll, und wenn seine Lehrerin Probleme macht, würde ich diese beseitigen (doppeldeutig, bewusst, Probleme UND Lehrerin…) Es gelte, das Althergebrachte zu ehren und zu bewahren.

In der Nacht wache ich auf, und ich brauche eine Weile, um mich zu sortieren. Auf dem Stuhl gegenüber von meinem Bett sitzt ein Mann in Kleidern des 15. Jahrhunderts. Seine Jacke ist schon ein wenig abgewetzt und seine Strumpfhose hat ein Loch, aber seine Schuhe sind poliert und seine Kappe hat eine neue Feder. Diese wackelt, wenn er seinen Kopf schüttelt, wenn er lacht oder hustet.
Der Mann starrt mich eine Weile lang an, dann beginnt er mit drohender Stimme:

«Das Althergebrachte ehren? Und bewahren? Gott, dass ich nicht lache! Das habt ihr doch auch nicht getan! Natürlich heisst es Muenchen und Kaese und Schoenheit und so weiter, diese Punkte sind Quatsch und man kehrt hier nur zu den Ursprüngen zurück.
Und die Daten?
2021_03_07 – grosser Blödsinn (Bloedsinn)
3. März (Maerz?) 2021 – genauso Blödsinn (Bloedsinn)
Korrekt muss es heissen:

Am gesegneten Tage der Heiligen Felicitas und Perpetua Anno Domini MMXXI

2022_04_0 – extremer Schwachsinn
4. Februar 2022 – genauso extremer Schwachsinn
Korrekt muss es heissen:

Am gesegneten Tage des Heiligen Rabanus Anno Domini MMXXII

Auf meine Frage, ob ich denn nun alle Heiligentage auswendig lernen müsse, sagt er lapidar: «Natürlich.» Sonst sei ich kein guter Christ.
Und verschwindet und ich schlafe wieder ein.

So ist das nun mit den Traditionen und Änderungen. Wir empfinden das, was gerade Sache ist, als Althergebrachtes, und es ist doch auch nur ein Produkt vieler Wandlungen und Angleichungen.

Vielleicht kehre ich wirklich zu den ganz alten Daten zurück.
Immerhin weiss ich ja schon meinen Geburtstag, es ist der

Gesegnete Tag des Heiligen Valentin Anno Domini MCMLXV

P.S. Ich liebe blogger.com dafür, dass die die Daten immer noch traditionell schreiben.




 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 15. Februar 2022

Die es nicht wurden

Kennen Sie die Damen und Herren Trabert, Otte und Gebauer? Klar kennen Sie die – habe ich mir gedacht. Gerhard Trabert (parteilos, vorgeschlagen von der Linken), Max Otte (CDU, vorgeschlagen von der AfD) und Stefanie Gebauer (vorgeschlagen von den Freien Wählern) traten als Kandidatgendergapsterncheninnen gegen Steinmeier an, oder anders formuliert: Heute, am 15. Februar sind Gerhard Trabert (parteilos, vorgeschlagen von der Linken), Max Otte (CDU, vorgeschlagen von der AfD) und Stefanie Gebauer (vorgeschlagen von den Freien Wählern) die Menschen, die gegen den amtierenden Bundespräsidenten verloren haben. Denn da CDU, SPD, Grüne und FDP schon gesagt hatten, dass sie Frankie-Walti wählen, stand seine Wahl ja fest und ist auch so geschehen.

Die nicht-gewählten Kandidatgendergapsterncheninnen zum höchsten Staatsamt. Das wäre doch mal ein Thema! Aber da bei dieser Wahl schon vorher alles ausgelotet wird, verschwinden die
Kandidatgendergapsterncheninnen dann stets in der Versenkung. Das ist in Deutschland alles schrecklich korrekt und langweilig, nicht wie in südeuropäischen Bananenstaaten, in denen man 400 Wahlgänge macht, um dann das jetzige Staatsoberhaupt zu behalten (obwohl es gefühlte 95 ist…)

Aber halt!
Aber halt!
Aber halt!
Ein paar klingende Namen haben wir doch:
Die linkskatholische Schriftstellerin, Friedensaktivistin und Priestergeliebte Luise Rinser, die 1984 antrat.
Die Theologin und Vatikanfeindin, Bundespräsidententochter und Kämpferin Uta Ranke-Heinemann, die 1999 antrat.
Die Nazijägerin und Bundeskanzler-Ohrfeigerin Beate Klarsfeld, die es 2012 probierte.
Und natürlich die Gesine Schwan, Rektorin der Europa-Uni Frankfurt, die es zweimal versuchte. (2004 und 2009)
Bezeichnend, dass Frauen immer scheitern – aber ZWEI Frauen in den beiden höchsten Ämtern, das wäre ja auch zu viel gewesen…

Gerhard Trabert (parteilos, vorgeschlagen von der Linken), Max Otte (CDU, vorgeschlagen von der AfD) und Stefanie Gebauer (vorgeschlagen von den Freien Wählern) sind also «die, die es nicht schafften». Aber das Spannende ist ja, das eben diese Nicht-Schaffer hier bekannt sind, im Gegensatz zu den meisten anderen Fällen.

Angeblich waren, als es darum ging, ein grosses Schiff zu bauen, ein Schiff, das dann Arche genannt wurde, vier Männer in der engeren Auswahl. Dass dann Noah genommen wurde, lag – so sagt der Volksmund – nicht an seinem Glauben oder seinen Fähigkeiten mit Holz umzugehen. Nein, es lag (so die Gerüchte) daran, dass der eine Konkurrent schon bei einem Wind der Stärke 2 seekrank wurde, ein anderer eine heftige Allergie gegen Katzenartige hatte (die Löwen und Tiger wollte man ja nicht ertrinken lassen…) und der dritte Single war. (Wie hätte er dem Befehl von Fruchtbarkeit und Mehrung nachkommen können?)

Angeblich waren für die Berufung des wichtigsten Apostels der Christenheit und Schreiber der wichtigsten Briefe, für den Bekehrer Europas und Etablierer der Theologica Crucis ebenfalls vier Kandidaten im Gespräch. Bei allen vieren – auch hier haben wir nur Gerüchte, Sagen und Mythen und ausser beim erwählten Saulus/Paulus keine Namen – wurde hier das gleiche Assessment durchgeführt. Vor jeweils einem wichtigen Ort wurde eine Lichterscheinung installiert und damit die Ausgesuchten geschockt. Dreimal ging es schief, der eine stürzte vor Aschkelon vom Pferd und wurde gelähmt, der eine stürzte vor Jerusalem vom Wagen und konnte sich danach nur höchstens drei Sätze merken und der dritte stürzte vor Tyros vom Kamel und starb; nur bei besagtem Saulus/Paulus ging es gut, er stürzte vor Damaskus zwar auch, aber er war nur eine Woche blind, dann war er voll da, bekehrt und fit und ging auf die Reisen…

Bei den Wahlen zu seinem Nachfolger wäre man ja auch gerne Mäuschen. Ach, nee, halt, nee, das ist ja falsch, das ist ja der Stuhl Petri und nicht der Stuhl Pauli, aber jedenfalls wüsste man da auch gerne, wer es nicht geschafft hat. Und warum. Gab es vielleicht einen Kardinal, der sich offen geoutet hat? Gab es einen Bewerber, der sich für die Frauenordination einsetzte? Für die Abschaffung des Zölibats? Für eine Reform? Sprich: Gab es schwule, witzige, fortschrittliche, reformfreudige Päpste in spe – vielleicht sogar nicht-weisser Hautfarbe? Und haben die das Konklave dann noch lebend verlassen?

Noch ein Thema: Was ist mit den grandiosen Schreibenden, die den Literaturnobelpreis nicht bekommen haben? Brecht, weil er zu links war, George, weil er zu rechts war, Bernhard, weil er zu schwierig war und Dürrenmatt, warum auch immer? Wie weit waren sie in der engsten Wahl? Waren sie es überhaupt?

Kennen Sie die Damen und Herren Trabert, Otte und Gebauer? Klar kennen Sie die – habe ich mir gedacht. Gerhard Trabert (parteilos, vorgeschlagen von der Linken), Max Otte (CDU, vorgeschlagen von der AfD) und Stefanie Gebauer (vorgeschlagen von den Freien Wählern) traten als Kandidatgendergapsterncheninnen gegen Steinmeier an, oder anders formuliert: Heute, am 15. Februar sind Gerhard, Max und Stefanie die Menschen, die gegen den amtierenden Bundespräsidenten verloren haben.

In einem der nächsten Posts erzähle ich Ihnen von den Dingen, die ICH nicht geworden bin…



 

 

 

 

 

Freitag, 11. Februar 2022

Teambildung

Ich habe in einem der letzten Posts die Teambildung erwähnt. Ich habe geschrieben, dass Boris Johnson bei seiner Party-Teambildung einiges falsch gemacht habe. Und einige Leserinnen und Leser meinten, dass das ja Quatsch sei, denn Borislein habe ja keine Teambildung gemacht. Und da habe ich in meinen Post gesucht, ob ich das Thema nicht schon abgearbeitet habe. Und habe festgestellt: Nein. (Zur Erklärung: Bei über 1000 Beiträgen weiss man oft nicht, was man schon geschrieben hat.) Auf jeden Fall müssen wir uns mit der Sache beschäftigen.

Grundsätzlich ist zu sagen: Alle Teambildungsmassnahmen sind Unsinn. Menschen sind teamfähig oder nicht. Wenn sie es sind, fügen sie sich zu einem Team zusammen. Wenn nicht, dann nicht, da helfen auch keine Massnahmen. Aber dennoch kann man die eigentlich unsinnigen Massnahmen in vier Arten unterteilen.

Teambildungs-Art A: Das gruppendynamisch-psychologische Arbeiten mit einem Coach.

Der Coach ist ein toller, witziger und erfahrener Typ und verlangt 1000.-- die Stunde plus Spesen. Er macht eine kleine Einführungsrunde, zum Beispiel Wir-werfen-das-Wollknäuel oder Wir-knüpfen-ein-Netz, dann hängt er Plakate mit Themen auf und Sie dürfen rumlaufen und Punkte aufkleben, keine Punkte = Thema nicht wichtig für mich, viele Punkte = Thema ist wichtig für mich. Und nach einer halben Stunde steht fest, dass aus den Themen BRATKARTOFFEL / RESPEKT / WOCHENENDE / COMPUTER / MITEINANDER / PARFÜM / EISENBAHN die Themen Respekt und Miteinander wichtig sind. Und nun stürzen wir uns in einen durchrhythmisierten Tag, Plena, Gruppengespräche und immer wieder diese herrlichen psychologischen Spielchen: «Ich lasse dich auf eine genaue Distanz herankommen», «Ich fange dich auf», usw., usw.
Am Ende des Workshops – oder vielmehr hinterher in der Kneipe – merkt man aber, dass die Tage einen Erfolg hatten: Beim Merlot und beim Campari ist man sich einig, wie doof das alles war und der Hass auf solche Coaches (1000.-- die Stunde!) schweisst die Gruppe zusammen…

Teambildungs-Art B: Das themenbezogene Arbeiten mit einem Ergo-Coach.

Hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Die Teambildung kann von gemeinsamem Plätzchenbacken über Volleyballspielen bis zum Bauen mit Legosteinen, kann von Origami über Fotografie-Workshop bis zum Orientierungslauf im Wald, kann vom Malen mit Fingerfarben über Knetfiguren bis zum Bergwandern gehen. Und wer in der Grossindustrie arbeitet, weiss, dass ich hier nichts erfinde, auch Suter hat in seinen Businessclass-Kolumnen immer wieder solche Dinge erzählt. Es scheint, dass gerade die Kindergartentechniken sich immer mehr durchsetzen. Es ist ja schon lustig, dass Max K. einen Tag zum Legobauen geht, zu jenem Legobauen, das sein Sohn Marco (7) ablehnt, weil «ich bin ja kein Kind mehr». Es ist ja schon lustig, dass Max H. zwei Tagen beim Backen verbringt, nachdem er zu Hause sich sogar weigert, eine Suppe zu wärmen…
Am Ende des Workshops – oder vielmehr hinterher in der Kneipe – merkt man aber auch wieder, dass die Tage einen Erfolg hatten: Beim Fendant und beim Grappa ist man sich einig, wie doof das alles war und der Hass auf solche Ergo-Coaches (1200.-- die Stunde!) schweisst die Gruppe zusammen…

Teambildungs-Art C: Die Party-Teambildung

Diese Art ist eigentlich relativ einfach zu beschreiben: Hier wird das, was früher als Betriebsfeier, Weihnachtsfeier, Mitarbeiteranlass oder wie auch immer bezeichnet wurde, hinterrücks und kurzerhand als Teambildung definiert. Die Zutaten sind klar: Ein sehr leckeres Buffet, viel (ja, viel, sehr viel!) Alkohol, eine Live-Band und eine grosse Tanzfläche. Nach drei Stunden sind alle zu einer trinkenden, tanzenden Einheit verwoben und ein grosses Team. Man kommt sich näher, man ist sich nähergekommen, manche auch ein wenig zu viel, aber ein paar gescheiterte Ehen sind ein Kollateralschaden. Die Schwierigkeit dieser Teambildung ist, sie der Unternehmensleitung zu verkaufen. Vor allem die Kosten werden wahrscheinlich kritisch beäugt werden. Wobei: Mit ca. 6000.-- für Buffet und Alkohol und 5000.-- für die Band sind Sie immer noch unter den 14000.-- für Coaches und Ergo-Coaches. (mit Spesen)

Teambildungs-Art D: Gar nichts machen, zulassen.

Die Kolleginnen und Kollegen blödeln eine halbe Stunde herum, anstatt Mails zu lesen? Sie überziehen die Kaffeepause? Sie überziehen die Mittagspause? Sie spielen «Wir probieren beim Papierwegwerfen den Papierkorb zu treffen?» Die Kolleginnen und Kollegen legen sich ein Büro-Kaninchen als Maskottchen zu? Sie gehen früher, um noch in eine Punk-Disco zu gehen? Sie legen Gummitiere aus, um das Putzpersonal zu erschrecken?
Lassen Sie alles das zu. Es ist die beste Teambildung.

So, nun ist dieses Thema auch beackert.
Und nun gehe ich mit meinem Dienstag-Freitag-Glossen-Team einen trinken. Ok, ich bin der einzige im DFG-Team, aber nichtsdestotrotz:
Prost.











Dienstag, 8. Februar 2022

Wo soll Olympia stattfinden?

Ich liebe Blödsinns-Umfragen.
Ich liebe es, wenn den Leuten Dinge gefragt werden, die keinen Sinn machen, die Quatsch sind, die ausserhalb ihrer Möglichkeiten liegen. Dinge, über die wir nur lachen können.
So wurden sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland Menschen gefragt, wen sie als Bundesrat (CH) oder als Bundespräsident (D) wählen werden – und ob sie zur Wahl gehen würden. Die grosse Mehrheit war unschlüssig, gab aber an, auf jeden Fall wählen zu gehen. Sehr lustig, denn sowohl die CH-Bundesräte als auch der Bewohner von Schloss Bellevue werden nicht vom Volk gewählt…

Sehr lustig sind auch folgende Ergebnisse auf folgende Fragen:

«Sollen unsere Kinder in der Schule mit arabischen Ziffern arbeiten?»

Fast einhelliger Protest, nein, natürlich nicht, diese Muslime, wo kommen wir dahin, wo sind wir gelandet, ca. 79 % der Befragten sprechen sich dagegen aus. Wenn die wüssten, dass wir die Zahlen 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 von den Arabern übernommen haben, und vor allem die Idee der Null ist natürlich extrem Klasse. Und wer gegen die arabische Kultur ist, sollte auch keinen Kaffee trinken und keine Marschmusik hören – das Becken und der Schellenbaum kommen auch aus dem Orient…

«Was halten Sie von der Zweiten Lautverschiebung?»

Auch hier Protest, nichts mehr verschieben, nichts mehr verändern bitte, diese Jugendsprache und diese Anglizismen, nein, keine Verschiebung, und wenn man den Leuten klarmacht, dass die Zweite Lautverschiebung schon stattgefunden hat, erwacht der Wunsch nach Rückgängigmachung, immerhin sind 82% für genau das, na ja, wenn die wüssten, dass man die ganze deutsche Literatur (und nicht nur die) neu schreiben müsste. Schon der Satz «Ich bin gegen diesen Zeitgeist-Pfusch.» müsste ja heissen: «Ik bin gegen diesen Teit-Pusch.» Die Lautverschiebung fand übrigens vor anderthalbtausend Jahren statt…

Natürlich, natürlich, natürlich arbeiten diese Umfragen mit einer fiesen Überrumpelungstaktik, sie lassen dem oder der Befragten keine Zeit zum Nachdenken, sie haben fiese Klischee-Wörter und führen den oder die Befragte aufs Glatteis. Aber Spass machen sie doch.

Eine schöne Fragerei betraf neulich den Austragungsort der documenta. Ich habe vor fünf Jahren den letzten Post über die documenta geschrieben, das liegt vor allem daran, dass die letzte documenta 2017 stattfand.
Ein paar Freunde und ich gingen in Wopperstrüten an der Wopper auf die Strasse, um in jener kleinen westfälischen Stadt ein Meinungsbild zu bekommen. Und hier sind die Ergebnisse:

81,34 Prozent finden es gut, dass die documenta wieder in Kassel stattfindet.
76,48 Prozent fänden es sogar gut, wenn die documenta immer am gleichen Ort wäre.
75, 29 Prozent fänden es gut, wenn die documenta immer in Kassel wäre.
91, 22 Prozent fänden es NICHT gut, wenn man die Kunstausstellung in Ländern mit problematischen Staatsformen oder problematischen Menschenrechtsverhältnissen ausrichten würde.
96, 33 Prozent fänden es eine Katastrophe, wenn die documenta nach China ginge.

Es ist doch schön, wenn man Befragte so glücklich machen kann, wenn die Wünsche sich so leicht erfüllen lassen, schlicht und einfach, weil sie schon erfüllt sind.
Die Mehrheit möchte die documenta in Kassel und sie möchte sie immer in Kassel, das ist doch schön, das ist prächtig, denn die Kunstschau hat seit 1955 nie einen anderen Ort gehabt. Und sie wird auch nicht wandern, nicht nach Minsk und nicht nach Moskau und nicht nach Pjöngjang. Und Peking ist auch nie im Gespräch gewesen, das Ding ist eine Kassler Erfindung und wird auch in Kassel bleiben.

Nun komme ich aber ins Überlegen: Wie sähen solchen Umfragen bei der Olympiade aus und wäre es nicht möglich, ganz klar solche Fragen zu stellen:
Warum findet die Olympiade nicht immer am gleichen Ort statt? Zum Beispiel in Athen (natürlich dann Sommer, nicht Winter, Sie Scherzbold…)
Man hätte dann so viele Probleme nicht mehr, man hätte ein für alle Mal tolle und schöne Anlagen hingestellt, man hätte nicht ständig die Boykott- und Unterstützungsdiskussionen und die Korruption würde auf ein Minimum zurückgehen. Natürlich müsste man Herrn Bach ein wenig mehr zahlen, denn wenn er keine Bestechungsgelder mehr bekommt, kann er vielleicht sein Ferienhaus nicht mehr zahlen.

Ich liebe Blödsinns-Umfragen.
Ich liebe es, wenn den Leuten Dinge gefragt werden, die keinen Sinn machen, die Quatsch sind, die ausserhalb ihrer Möglichkeiten liegen. Dinge, über die wir nur lachen können.
Aber jetzt werde ich am morgen auf die Strasse gehen und eine ernsthafte Frage stellen:

Sollen die Olympischen Spiele ab jetzt immer am gleichen Ort stattfinden?











 

 

  

 

Freitag, 4. Februar 2022

Der (unerlaubte) Flyer von der Pizzeria

Dieser Dialog hat einen realen Hintergrund: Ich hatte wieder einmal einen Flyer eines Lokals (des Restaurant Schützen) in meinem Briefkasten, obwohl gross BITTE KEINE WERBUNG draufsteht. Als ich sah, dass alle Parteien in meinem Haus solche Flyer hatten, stellte ich mir vor, wie ein Beschwerdeanruf bei einem solchen Etablissement funktionieren könnte.

Ristorante Roma: Ristorante Roma, guten Tag, was kann ich für Sie tun?
Bernhard Normal: Ich hatte Ihren Flyer im Briefkasten, und…
Ristorante Roma: Na, das ist doch schön, und jetzt haben Sie das Angebot studiert…
Bernhard Normal: Nein, habe ich nicht.
Ristorante Roma: Ach, aber Sie möchten bestellen?
Bernhard Normal: Nein, möchte ich nicht.
Ristorante Roma: Nein.
Bernhard Normal: Nein. Auf dem Briefkasten war ein Schild BITTE KEINE WERBUNG.
Ristorante Roma: Schön, aber jetzt haben Sie doch trotzdem unser Angebot. Was kann ich also für Sie tun?
Bernhard Normal: Fangen wir noch einmal von vorne an. Ich hatte Ihren Flyer trotz eines Verbotsschild im Briefkasten.
Ristorante Roma: Ja.
Bernhard Normal: Und das ist nicht in Ordnung.
Ristorante Roma: Aber wie kommen Sie dann sonst zu unserem hervorragenden Angebot an Pizza und Pasta?
Bernhard Normal: Aber ich will Ihr fantastisches Angebot ja gar nicht, genauso wenig wie ich das Angebot des China-Restaurants, des Baumarktes und der Büromöbelleute will, genauso wenig wie das Angebot der Papeterie oder des Elektrohandels.
Ristorante Roma: Nicht.
Bernhard Normal: Nein, aber Sie werfen mir das Ding hinein.
Ristorante Roma: Das war unser Austräger.
Bernhard Normal: Dachte ich mir…
Ristorante Roma: Und der hat das Schild übersehen.
Bernhard Normal: Hm, er hat allerdings in ALLE Briefkästen im Haus den Scheissflyer geworfen, und ALLE Briefkästen zeigen BITTE KEINE WERBUNG.
Ristorante Roma: Hat er alle übersehen, das tut mir leid.
Bernhard Normal: Hat er alle übersehen. Ist er der deutschen Sprache nicht mächtig? Oder ist er blind? Oder ist sein IQ unter 56? Oder kann es sein, dass Sie ihn in die Mangel nehmen? Wie viele Flyer sollte er verteilen?
Ristorante Roma: 1500, alle Haushalte im Quartier.
Bernhard Normal: Gut, aber ich weiss, dass an 2/3 der Kästen eben dieses Schild BITTE KEINE WERBUNG klebt, was macht er dann mit den übrigen 1000 Zetteln?
Ristorante Roma: Tja, das ist schwierig.
Bernhard Normal: Ja, ein tragischer Konflikt. Entweder erfüllt er Ihren Auftrag nicht oder er verstösst gegen das Gesetz, ja, geradezu tragisch, es ist ein Wunder, dass Euripides oder Aischylos oder Schiller oder Goethe sich noch nicht um Austräger gekümmert haben.
Ristorante Roma: Wer?
Bernhard Normal: Das ist Literatur, das kennen Sie nicht. Wie kommen wir nun weiter?
Ristorante Roma: Wenn Sie mir Ihre Adresse geben, dann schreibe ich auf, dass der Austräger in Ihrem Haus nix einwirft.
Bernhard Normal: Das ist doch völliger Quatsch. Sie sollen ihm sagen, dass er ÜBERALL, wo der Zettel klebt nix einwirft und Sie sollen ihm nicht so viel Zettel geben.
Ristorante Roma: Das geht natürlich nicht.
Bernhard Normal: Hören Sie, ich kann auch meinen Anwalt bemühen, Sie verstossen einfach gegen Gesetze.
Ristorante Roma: Nun mal langsam, junger Mann, wenn alle eigentlich keine Werbung wollen, wie erklären Sie sich dann, dass das Telefon seit Tagen heissläuft?
Bernhard Normal: Die Menschen motzen, bestellen aber dann?
Ristorante Roma: Tja, wo gibt es eine Pizza Funghi für 12.--?
Bernhard Normal: Äh…
Ristorante Roma: Oder Spaghetti Carbonara für 13,50?
Bernhard Normal: Äh…
Ristorante Roma: Oder einen Caprese für 11.--?
Bernhard Normal: Und das ist alles gut? Ich meine, richtig gut für so einen Spottpreis?
Ristorante Roma: Natürlich.
Bernhard Normal: Och, dann – nein, jetzt hätten Sie mich fast dranbekommen.
Ristorante Roma: Fast.
Bernhard Normal: Sie sind schon ein gerissener Hund.
Ristorante Roma: Tja, bin ich, und das mit dem Anwalt können Sie sich auch abschminken, der Wirteverband hat eine gute Rechtsabteilung…
Bernhard Normal: Sie meinen, ich habe keine Chance. Was mache ich nun mit dem Flyer?
Ristorante Roma: Ich weiss nicht – wegwerfen?
Bernhard Normal: Wegwerfen.
Ristorante Roma: Sie können mir auch Ihre Mailadresse geben. Dann bekommen Sie nix Schriftliches mehr.
Bernhard Normal: Können Sie sich abschminken.
Ristorante Roma: Oder wir rufen Sie jeden Tag an – Ihre Nummer habe ich ja jetzt.
Bernhard Normal: Scheisse.
Ristorante Roma: Lassen Sie es gut sein, schmeissen Sie das Papier einfach weg. Sie sind kein Kohlhaas.
Bernhard Normal: Kohlhaas? Ich denke, Sie kennen keine Literatur?
Ristorante Roma: Ich habe einen Magister in Germanistik. Deshalb arbeite ich ja bei einer Pizzeria, bis meine Dissertation über Die Kronenhalle in der Schweizer Literatur angenommen wird.
Bernhard Normal: Da muss sich doch ein Doktorvater finden…
Ristorante Roma: Ja, aber ich möchte auch, dass man mir die Spesen für Recherche vor Ort zahlt.
Bernhard Normal: Na dann…
Ristorante Roma: Na dann..
Bernhard Normal: Guten Appetit.
Ristorante Roma: Buon Appetito.

 

 

 

 

 

Dienstag, 1. Februar 2022

Quod licet Iovi...

Ich habe ja immer schon gerne über Sprichwörter geschrieben. Und wenn man so über Sprichwörter schreibt, merkt man, dass es drei Arten gibt, es gibt welche, die stimmen, es gibt welche, die totaler Quatsch sind und es gibt welche, die stimmen, aber sehr heikel sind und die man eigentlich nur alle 345 Jahre benutzen sollte.

Zur ersten Art gehören Sätze wie

Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse.
Wenn dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Glatteis.

Das kennen wir, das kennen wir gut, wenn die Kontrolle und vor allem die Selbstkontrolle aufgegeben werden, dann fangen wir an zu spinnen und wagen zu viel, wenn es uns richtig gut geht, wenn alles OK ist, dann feiern wir Partys und trinken und rauchen zu viel, machen Blödsinn und Firlefanz und wenn der Chef eine Woche in Urlaub ist, dann finden diese Partys eben auch im Büro statt. Nein, komischerweise brauchen wir stets ein Quantum an Kontrolle und (leider) auch ein Quantum an Angst und Unwohlsein.

Zur zweiten Art gehören Sätze wie

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Morgenstund hat Gold im Mund.

Alles das ist so bitter kapitalistisch, calvinistisch, so moralinsauer, dass man nur speien kann. Es gibt nun mal – das hat die Psychologie längst bewiesen – Menschen mit verschiedenem Biorhythmus, es gibt aber auch Menschen mit verschiedenem Lebensrhythmus, es gibt Lerchen und Eulen, also Leute, die früh etwas leisten und solche, die erst am Nachmittag zur Höchstform auflaufen, genauso gibt es Frühreife und Spätzünder.

Zur dritten Art (und um die wird es heute gehen) gehören

Wo gehobelt wird, da fallen Späne.
Quod licet Iovi, non licet bovi.

Sätze, die irgendwie und irgendwo stimmen, die aber in ihrer Verwendung extrem heikel sind. Das mit dem Hobeln zum Beispiel, das wird immer dann eingesetzt, wenn brutale und fiese Massnahmen, die den falschen Leuten schaden, aus dem Ruder laufen. Das Sprichwort wird zum Beispiel eingesetzt, wenn eine Grossmacht ein Terroristennest ausheben will und sie Bomben wirft, Bomben, die dann dummerweise ein Kinderspital treffen. «Kollateralschaden» nennt man – in zynischster Weise – solche Dinge. Das Sprichwort wird aber auch eingesetzt, wenn McKinsey in ein Unternehmen einfällt, um dieses zu sanieren und dann halt eine ganze Menge von Leuten entlassen wird, auch Leute, die vierzig Jahre super für das Unternehmen gearbeitet haben.

Und was ist jetzt mit dem Iovi?
Was dem Jupiter erlaubt ist, das ist dem Ochsen nicht erlaubt. Das ist natürlich ein Satz, der irgendwie stimmt, aber er ist kreuzgefährlich. Denn natürlich gibt es Privilegien, aber sie so herauszustreichen ist ziemlich gemein. Vor allem ist doch die Frage, ob der, der ein Privileg hat, wirklich als oberster Gott gesehen werden kann, und ob der Unterprivilegierte wirklich ein Ochse ist…
Selbstverständlich darf ein Lehrer rauchen und Alkohol trinken. Aber er sollte es nicht vor den Schülern tun.
Selbstverständlich muss ein Staatsoberhaupt mehr fliegen als ein normaler Bürger, auch wenn er bei den GRÜNEN ist. Aber er sollte es nicht ständig twittern…

Und natürlich darf ein britischer Premier Corona-Regeln brechen, Regeln, deren harte Einhaltung er von allen Bürgern verlangt. Natürlich darf ein britischer Premier in seinem Wohnhaus Teambildung veranstalten, Teambildung, bei der dann eben auch – und zwar nur, weil die Teambildung das verlangt – getrunken und getanzt wird.
Quod licet Iovi, …
Boris darf feiern, auch wenn das ganze Land im Lockdown ist.
Boris darf eine Fete machen, auch wenn alle sich genau das verkneifen müssen.
Die Frage ist, ob das so klug ist.
Und die Frage ist, ob Boris das noch irgendwas nützt.

Ich habe ja immer schon gerne über Sprichwörter geschrieben. Und wenn man so über Sprichwörter schreibt, merkt man, dass es drei Arten gibt, es gibt welche, die stimmen, es gibt welche, die totaler Quatsch sind und es gibt welche, die stimmen, aber sehr heikel sind und die man eigentlich nur alle 345 Jahre benutzen sollte.
Und zu diesen Sätzen gehört der schreckliche Satz

Quod licet Iovi non licet bovi.