Donnerstag, 26. Februar 2015

Das Räppli-Prinzip

Der Schoggistängel! Ich hätte den Schoggistängel nicht begehren sollen, nicht nach ihm greifen, nicht nach ihm fassen. Ich hätte den Schoggistängel nicht fangen sollen, denn in dem Moment, als ich ihn in der Hand hielt, ergoss sich ca. 1 Tonne Räppli über mich.

Die letzten Jahre bin ich stets räpplifrei durch die drey scheenschte Dääg gewandert. Diese kleinen bunten Biester, die deutsche Touristen stets falsch mit Konfetti bezeichnen, sind nämlich hartnäckige Gesellen. Hast du sie einmal in den Kleidern, und damit auch in der Wohnung, kriegst du sie nicht mehr weg. Sie fallen auf den Boden und schieben sich in alle Ritzen, sie wandern auf deinen Schreibtisch und in deinen PC, sie scheinen sich zu vermehren und überfluten deine Küche. Noch an Pfingsten entdeckst du im Bad ein paar rote, blaue und grüne Papierkreise, noch in den  Sommerferien tauchen sie auf einmal in deinen Badesachen auf.

 Um räpplifrei zu bleiben, muss man so wachsam wie ein Agent Ihrer Majestät 008 sein, denn sie werden nicht nur von den Wagen heruntergeworfen, sondern auch im Zweikampf Mann gegen Mann. Wenn also ein Waggis (für Nichtbasler: =Narr) mit extremperückter Larve (für Nichtbasler: =Maske) auf dich zu rennt, hilft nur die Flucht oder ein Sprung in den zweiten Stock des benachbarten Hauses wie weiland Tell auf dem See auf die Tellplatte sprang. Nein, Gewalt ist hier keine Lösung, die Basler Fasnacht ist eine der friedlichsten Veranstaltungen der Welt, obwohl die ganze Stadt auf den Beinen ist und obwohl Alkohol konsumiert wird.

Natürlich muss man sich auch von den Wagen fernhalten. Sie locken dich nämlich mit Blumen (Rosen und Mimosen), mit Schoggi und Bonbons, aber auch mit so gesunden Dingen wie Mandarinen oder Orangen. Und wenn du das Geworfene fangen willst, wirst du mit Räppli übergossen. Das weiss ich eigentlich alles, aber am Montag flog nun dieser Schoggistängel auf mich zu und ich blickte nur nach diesem Teil und schwupps – ich hatte meine Ladung abbekommen.

Als ich zuhause mich umzog, die Räppli hatten es bis in meine Unterhose geschafft, keine Ahnung, wie sie das gemacht haben, dachte ich, dass es immer so läuft: Man lenkt dich ab, bietet dir etwas, du passt nicht auf – und es ist geschehen.
Das Räppli-Prinzip.

Da sitzt eine Jungfrau auf dem Felsen und kämmt ihr lockiges Haar und singt eine wundersame Melodey und der Schiffer im Kahne wird von wildem Weh ergriffen und achtet nicht mehr auf die Felsen und schwupps: Schiffbruch und Bad im kalten Rhein.
Räppli-Prinzip.

Da blockiert ein Mann mit seinem Koffer den Gang im Zug und du hilfst ihm noch das brutal schwere Gepäckstück weiterzuschieben und bist so abgelenkt, dass du nicht mehr nach hinten schaust und schwupps: Dein Geldbeutel ist weg, schon aus dem Zugfenster gereicht und auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Wenn dich dann noch jemand beim Code-Eintippen beobachtet hat, ist dein Konto geplündert, bevor in Rheinfelden der Kontrolleur kommt, du deine Börse nicht findest und deine Sperr-Hotline anrufst. (Ist einer Kollegin passiert.)
Räppli-Prinzip.

Da gibt man dir beim COOP ein Los mit Sofortgewinn, der dann ein einzelner Kaugummi ist, aber man kann ein ganzes Wellness-Wochenende gewinnen, wenn man die Gewinnnummer per SMS an die COOP AG schickt und du denkst, warum nicht, kostet ja nicht viel und schreibst die 86735364875 an die COOP AG und schwupps: Du hast der Werbeabteilung des Handelsriesen deine Handynummer gegeben.
Da verwickeln dich Leute in nette Gespräche und du denkst an nichts Böses und schwupps: Du hast FRAU MIT LEBER oder AGATHE oder MEN OF STEEL abonniert, du bist auf einmal Passivmitglied bei den FREUNDEN DES PULLOVERSTRICKENS 1899 e.V. oder beim KANUPOLO-CLUB DIESSENHAUSEN 1976 e.V., du bist – schlimmste aller Möglichkeiten – den Mormonen, den Zeugen Jehovas oder der Scientology beigetreten.

Politiker haben das Räppli-Prinzip zur wahren Perfektion gebracht. Wenn also da eine Pressekonferenz stattfindet, auf der Minister A verkündet, dass die Hochschulen mit zusätzlichen 45 Millionen unterstützt werden, eine Pressekonferenz, auf der Minister B sagt, dass zusätzliche Sozialwohnungen gebaut werden, wenn C von Steuersenkung und D von Verbessrung des ÖV spricht:
Schaut nach den Waggisen mit den Räpplisäcken!
Schaut nach den Waggisen!
Schaut nach den grossen Plastiksäcken mit Räpplis!
Irgendwo wird gerade eine grosse, eine ganz grosse, eine Riesenschweinerei vorbereitet.
Man will euch nur ablenken.

Am Dienstag habe ich es dann wieder richtig gemacht: Ich habe den Warnspruch der Basler Polizei beachtet, heisst es da: Augen auf und Tasche zu, hiess es bei mir Augen auf und Kragen zu. Ich habe keine Mimosen, keine Orangen, keine Bonbons und keine Schokolade nach Hause getragen, aber dafür waren auch meine Unterhose und mein T-Shirt papierfrei.   

Montag, 23. Februar 2015

Oscars oder: Schönheit ist harte Arbeit

Es gibt schon komische Zufälle, sehr komische und ein solch komischer Zufall war, dass ich in der Bar, in der ich die Oscarverleihung anschaute, neben einem Visagisten zu sitzen kam. Er hiess Jacques, war Franzose, lebte aber zurzeit in N.Y.

Auf dem Bildschirm posierte gerade die Knightley auf dem Roten Teppich. „Was für ein Rummel“, konstatierte ich, „die steht ja wirklich im Mittelpunkt.“ „Soll sie ruhig“, meinte mein Gegenüber, “die hat hart gearbeitet.“ Und damit sprach Jacques keineswegs von der Schauspielerei. „Schönheit kommt nicht über Nacht und von nix kommt nix, die Amis sagen: Beauty is hard work.“

Ich sah in an: „Ich bin 50.“ „Sieht man.“ „Danke für die Blumen, aber meine Frage wäre: Was müsste ich tun, um wie 40 auszusehen?“ „Too late, old boy, too late. Wenn du mit 40 wie 30 ausschauen willst, musst du mit 20  damit anfangen, wenn du mit 50 wie 40 ausschauen willst, mit 30.“ „Gut, was hätte ich den tun müssen?“ Jaques grinste: „Zunächst einmal wäre zu erwähnen, was du hättest lassen sollen.“ Er deutete auf meinen Dreier Dôle: Todsünde! Auf das Päckli Parisenne in meiner Brusttasche: Todsünde! „Ausserdem kein Kaffee, keine Milchprodukte, kein Zucker, überhaupt keine Kohlenhydrate, statt dessen literweise Wasser, Kräutertee, Gemüse und Obst. Täglich Sport, am besten mit Personal Trainer.“

Dann kam Jacques zu den Mittelchen, und ich war völlig baff, was es da alles gibt. Die Menge an Zeug, die ich meinem Gesicht zuführen müsste – oder zuführen hätte gemusst – würde meinen Badezimmerschrank sprengen, ja er müsste – hätte gemusst – zehnmal so gross sein.

Es gebe, so mein Gesprächspartner, nicht nur Tages- und Nachtcremes, sondern Vormittags-, Mittags- und Nachmittagsprodukte, es gebe vollfettende, halbfettende und zartfettende, solche auf Olivenbasis, auf Mandelbasis, auf Kohle-, Schlamm- und Teerbasis, solche auf Nussbasis oder Soja-.
Es gebe linkshydrierende, rechtshydrierende, kreis- und quadrathydrierende. Viermal die Woche eine Maske, komme man nicht drum herum, da könne man alles Obst und Gemüse verwenden, was so im Kühlschrank sei, ganz easy.

Einmal die Woche zum Kosmetiker, einmal im Monat zum Dermatologen. Bei den Profis werde dann gepeelt, gepult, gekratzt, geschabt, werde gezupft und gerupft und gelupft und getupft, dass es eine wahre Freude sei. Da werde Laser und Phaser eingesetzt, ja, und auch, dass müsse man ehrlich sagen, gebotoxt, gebe niemand zu, aber alle täten es.
Und alle wollten die Ultima Ratio vermeiden, so lange wie möglich: Die OP, das Liften, das Straffziehen.

„Du brauchst für die Schönheit zwei Dinge, old boy“, flüsterte Jaques – wieso eigentlich immer old boy, old boy, aber wahrscheinlich sieht für einen Visagisten, einen Gesichtsprofi jemand, der mit 50 wie 50 aussieht so aus wie für uns eine Mumie – „du brauchst Zeit und du brauchst Geld. Gehe davon aus, dass ein Hollywoodstar bis zu 50.000.- im Jahr dafür hinlegt. Für Produkte und Spezialisten. Ganz, ganz teuer wird es, wenn du zwei Tage vor den Academy Awards irgendetwas Hässliches in deinem Face entdeckst, eine Flechte, eine Rose, einen Pickel oder einen Kratzer, das gibt dann eine Notbehandlung und die wird richtig teuer.“

Inzwischen stolzierte die Blanchett über den Red Carpet und was vorher bei der Knightley noch Admiration gewesen war, kippte jetzt in pures Mitleid. Sie dauerten mich, diese Stars und Starlets, denn wie blöd ist es, in so etwas Vergängliches wie die Schönheit so viel harte Arbeit zu investieren. Alles Fleisch ist wie Gras – Gras gehört natürlich auch zu den absolut, absolutest verbotenen Sachen.
Ja, und hat man dann 2 Millionen für einen Werbeauftritt der Kosmetikbranche bekommen, muss man schon wieder aufpassen, wie man das Geld einsetzt: Party, Saufen, Drogen – geht ja nicht! Auf die Bahamas – ja, aber nicht zu viel ins Salzwasser (trocknet aus) und nur wenig in die Sonne (Rötungsgefahr) und die vierzehn Koffer mit all den voll- und halbfettenden Produkten, all den Cremes auf X- und Y-Basis, all den Obst- und Gemüsemasken, all den Tuben, Döschen, Schächtelchen und Fläschchen muss man ja auch erst einmal transportieren.

„Weisst du“, sagte ich zu Jaques, „ich bin 50 und sehe aus wie 50. Und in zehn Jahren bin 60 und sehe aus wie 60. Und das ist, glaube ich, ok so.“  
Und dann tat ich noch etwas für meinen Körper.
Auf Traubenbasis.
Und auf Teerbasis.

Donnerstag, 19. Februar 2015

Bindfaden zu Fesseln, Putzlappen zu Knebeln

Meine Freundin Anne kommt immer spontan und unangemeldet. Und meistens trifft sie mich sie mich, weil sie ja spontan und unangemeldet kommt, bei irgendeiner Tätigkeit an, ich sitze ja selten einfach nur so herum. Wenn also Anne spontan und unangemeldet läutet, stehe ich unter der Dusche, koche eine Kürbissuppe, backe einen Kuchen, schreibe einen Post oder lege eine Patience. Neulich, als Anne unangemeldet und spontan erschien, war ich dabei, einige häusliche Arbeiten zu erledigen und so sah Anne etwas, was sonst wenige sehen: Das Innere meines Flurschranks. Mein Flurschrank ist aussen über und über mit Zitaten, Sprüchen, Sentenzen und Bonmots dekoriert, was meine Freunde stets fasziniert, aber das Innere haben wenige gesehen.

Anne blickte also hinein und sprach: „Wow, Du bist ja voll ausgerüstet!“ Ich entgegnete: „Man tut was man kann.“
„Ich wusste gar nicht, dass du auf so was stehst.“ „Auf häusliche Arbeiten?“ „Hihihi, natürlich nicht, du weisst schon, was ich meine…“

Ach du liebe Zeit!
Anne war in 50 Shades of Grey gewesen.

Fast zärtlich strich sie über Bindfäden, Putzlappen, über Teelichter und Besen, berührte sie Hammer und Nägel: “Fesseln, Knebel, Heisses-Wachs-Spiele, Fisting, Schlagen, Fakirspiele…“ Dann schaute sie mich an und fragte, ob ich auch schon einmal…
Ich konterte mit dem Witz, den ich immer zu diesem Thema beisteuere, dass ich nämlich SM-Experte sei, weil ich SM unterrichte. Das Bildungsamt war stur bei den Abkürzungen,  zweiwortige Fächer wurden mit den beiden Anfangsbuchstaben benamt, Hauswirtschaft = HW, Werken Holz=WH usw., und trotz flehentlicher Bitten der Schulmusiker das Fach Singen und Musik doch SI oder MU zu nennen, wurden wir zu SM-Lehrern.

Anne liess das nicht gelten, papperlapapp, man müsse alles einmal ausprobieren, sie sei seit 50 Shades richtig auf den Geschmack gekommen und ich glaube, wenn sie nicht gewusst hätte, dass ich nicht auf Frauen stehe, hätte sie uns beiden sofort die Kleider vom Leib gerissen und Bindfäden, Nägel, Teelichter und Putzlappen aus meinem Schrank geräumt und HeissesWachs-Spiele und Bonding begonnen (wahrscheinlich in umgekehrter Reihenfolge).

Sadismus kann ich noch verstehen. Manchmal ist man ja so drauf, dass man einfach jemand quälen will, und da ist es besser, man ruft Bodislaw, den blutjungen, durchtrainierten Slave (gemeint Sklave, nicht Slawe) aus Minsk, der sich knebeln und schlagen lässt, bis seine weisse Marmorhaut 60 Shades of Yellow ausweist, der aber viel, viel Geld dafür bekommt. Man könnte sonst seine Phantasien am falschen Ort ausleben, man könnte Lehrer, Polizist oder Kondukteur werden, man könnte sich als Dirigent oder Trainer betätigen, oder man könnte gar zur CIA und muslimische Köpfe in Wassereimer tauchen, was da gelaufen ist, kommt ja erst ganz allmählich ans Licht.

Mit Masochismus tue ich mich schwerer.
Es gehe um Kontrollverlust, um das Gefühl, einmal ohnmächtig zu sein, deshalb kämen auch viele Männer aus der Teppichetage zu ihr, sagt Black Aphrodite, eine Domina aus Zürich im Interview.
Hallo? Welcher CEO meint da denn, er habe irgendetwas unter Kontrolle? Welcher Finanzer redet da von Macht? Und, wenn man als Nadelstreifenträger wirklich einmal die Kontrolle verlieren will, muss man da zu Black Aphrodite in ihr Dungeon hinabsteigen? Muss man sich von Dark Rider, dem männlichen Kollegen von ihr, an eine Gitterwand anketten lassen? 

Man könnte ja mal versuchen, beim nächsten PC-Fehler nicht den Helpdesk zu rufen, sondern es selber zu probieren, man könnnte mal eine Woche den Haushalt und die Kinder übernehmen, niemand zeigt dir deine Ohnmacht  so wie die junge Generation. Man könnte auch Frau Meier-Robli, der PA, eine Woche freigeben. Dann sähe man auch, WER eigentlich die Kontrolle im Unternehmen hat. Abgesehen davon, dass es noch einen Verwaltungsrat gibt und einen Aufsichtsrat, die jeden Teppichetägler und jeden Nadelstreifler sofort zum Arbeitsamt schicken können, was den Teppichetäglern und den Nadelstreiflern umgekehrt nicht gelingt.
Nein, wer sich für so mächtig hält, dass er zu Black Aphrodite und Dark Rider schleicht, um bei ihnen unter Stock- und Peitschenhieben eine lustvolle Ohnmacht zu spüren, hat ein Wahrnehmungsproblem.
 
Anne war in 50 Shades of Grey.

Sachte schloss sie meinen Flurschrank und seufzte leise.
„Komm“, sagte ich, „ich mach uns einen Kaffee und kneble dich ein wenig mit Schokopralinen.“
Damit war sie einverstanden. Und als die Truffes vor uns in 30 Shades of Brown and Black vor uns leuchteten, waren wir uns einig, dass Sex eh nur ein schwacher Ersatz für Schokolade ist. (Nicht umgekehrt.)

Montag, 16. Februar 2015

in vitro

Wilhelm Busch schreibt in einem seiner Gedichte aus Kritik des Herzens an eine Dame, sie sei ein kleines Mädchen gewesen, als sie die Frage gestellt habe, wo die kleinen Kinder herkommen. Als er sie Jahre später getroffen habe, habe sie die Frage schon hübsch praktisch gelöst und aufgeklärt.

Ja, so war das früher. Man erzählte den Kindern vom Klapperstorch, der in seinem Schnabel die Windel trägt, in der ein Baby liegt, das er bei den Eltern abliefert. Schnell fanden die jungen Menschen heraus, dass das so nicht ganz stimmt, man reimte sich zusammen, dass das Kleine, das die Cousine auf dem Arm hatte, irgendwie damit zusammenhing, dass man sie mit dem Knecht im Heu erwischt hatte, oder man kam darauf, dass die Ferkel immer dann erschienen, wenn der Eber auf der Sau gewesen war…

Dann kam die Epoche der behutsamen Aufklärung, der Bienchen und Blümchen, in der dann immer der Spruch fiel, dass, wenn Mama und Papa sich so ganz doll liebhaben... wobei die Kinder nie kapierten, was das mit den Blümchen und Bienchen eigentlich sollte und das mit dem Liebhaben stimmte ja auch nicht, denn man kann eine Frau auch schwängern, wenn man sie überhaupt nicht doll liebhat.

Die 68er räumten dann mit Bienchen und Blümchen auf, jetzt wurde schonungslos gezeigt, was zu zeigen war, bloss nicht etwa einen Bademantel anlegen, wenn man aus dem Bad kam, die Kleinen sollten sehen, was zu sehen war, am besten liess man sie gleich zuschauen, eine ganze Generation hat man so traumatisiert, indem man Fragen, die gar nicht gestellt waren, beantwortet hat. Viele Autoren haben diese Jugend in den Kommunen und Haushalten der 68er erzählt.

Was sagt man aber nun heute?

Vielleicht sagt man: Weil der Papi und die Mami sich so liebhaben, ist der Papi in eine Klinik, und da hat er dann in so ein kleines Röhrchen onaniert und dabei ganz fest an die Mami gedacht, und die Mami ist auch in eine Klinik, und da hat man ihr ganz zärtlich eine Eizelle rausgenommen, und sie hat auch ganz fest an den Papi gedacht, und dann hat man das Zellmaterial ganz zärtlich im Reagenzglas vereint.

Gut, sich einen Kinderwunsch so zu erfüllen, ist absolut legitim. Schwieriger wird es, wenn da noch ganz andere Leute mit im Spiel sind. Da hat dann ein Mann in Asien seinen Saft in das Glas kommen lassen, und der hat NICHT an die Mami gedacht, weil er die nämlich gar nicht kennt, und die Eizelle wurde in Südosteuropa herausgenommen, und die Frau in Mazedonien hat NICHT an den Papi gedacht, weil sie nämlich auch gar nicht weiss, wer das ist. Und ausgetragen wurde das Baby in Südamerika, auch hier dachte niemand an Mami und Papi, alle dachten nur an das Geld.
Ich erfinde das nämlich nicht, Leihmutter und Eizellenspenderin sind schon richtige Jobs geworden.
Und die Repro-Medizin ein wachsender Geschäftszweig, wo man viel, viel Kohle machen kann.
Das arme Kind hat also nun drei Mütter und zwei Väter und wenn es weiss, in welchem Land die Leihmutter sass, weiss es immerhin, warum es beim Klang einer bestimmten Sprache immer so glücklich ist.

Eine Supermethode ist auch das Sozial Freezing, hier werden der Frau Eizellen entnommen, die sie dann auf Eis legt, eingefriert. Auch völlig legitim, wenn man z.B. in der fruchtbarsten Phase mit einer schweren Krankheit kämpft und nach vollständiger Genesung mit 41 noch Mutter werden möchte, problematischer, wenn der Chef bei der Einstellung sagt:
„Frau Müller, wir haben hier Grosses mit Ihnen vor, Gebietsleitung China, das ist eine Riesenkiste, also schminken Sie sich Nachwuchs erst einmal ab, später, wenn alles in trockenen Tüchern ist, gerne, ich empfehle Ihnen dringend, ja, wirklich dringend erst einmal Eizellen ins Gefrierfach zu legen, Sozial Freezing, die Firma übernimmt selbstverständlich alle Kosten…“
Was die Firma nicht übernehmen kann, ist das Risiko, das doch besteht, immerhin werden die Eizellen unter Narkose herausgepult und es kann Komplikationen geben, das ist nicht wie beim Mann, der ja bei der Abgabe in das Röhrchen etwas betreibt, was er eh schon tut, nur eben nicht in ein Glasröhrchen.

Wilhelm Buschs Gedicht geht noch weiter. In der 3. und 4. Strophe ist die Dame bejahrt und stellt die Frage, wo denn die alten Leute hingingen. Der Autor meint nun, die praktische Lösung DIESER Frage sei eigentlich recht unbequem.
Aber vielleicht in Zukunft nicht mehr. Vielleicht kann man uns in 40 Jahren ganz sanft in Moleküle auflösen, wir werden in der Klinik ganz zärtlich analysiert und aufgespalten und enden dann da, wo wir unser Leben begonnen haben:
Im Reagenzglas.
Und bei Trauergottesdiensten wird das schöne Lied gesungen: Aus dem Labor kamst du, ins Labor gehst du.
Wer weiss.

Freitag, 13. Februar 2015

Buch, Haus, Sohn und Baum

Einen Sohn zeugen.
Einen Baum pflanzen.
Ein Haus bauen.
Ein Buch schreiben.

Dies die Dinge, die ein Mann in seinem Leben erledigen sollte.
Jetzt werde ich morgen 50 - in Worten: FÜNZIG! - und habe noch keine von diesen Sachen gemacht. Ich erreiche morgen ein biblisches Alter, das Seniorentum beginnt, der Rollator ist bestellt und ich für die Wohnung mit integrierter Pflege vorgemerkt, ich werde 50 und habe noch nix getan.

Einen Sohn zeugen.
Einen Baum pflanzen.
Ein Haus bauen.
Ein Buch schreiben.

Wobei das ja heute doch alles etwas anders aussieht: Buch und Haus sind Geldfragen. Wer "ein Haus baut" mauert und zimmert ja nicht mehr, er setzt keine Steine und Balken aufeinander, er rührt keinen Mörtel und keinen Leim, er sucht sich einen Bauplatz und einen Architekt und einen Bauunternehmer - und (am wichtigsten) eine Bank. Den Rest erledigen die Fachleute vom Bau und die Fachleute des Geldinstitutes bezahlen. Mit dem Buch ist es genauso: Jeder kann ein Buch herausbringen - in einem dieser Verlage, die so gerne Ihr Machwerk drucken lassen, wenn Sie denen einen Druck- und Marketingvorschuss von ca. 10.000.- überweisen.

Mit dem Zeugen ist es inzwischen noch mal anders, ich werde am Dienstag ausführlicher darauf eingehen. Auf jeden Fall heisst "zeugen" nicht mehr unbedingt, Sex zu haben, seinen erigierten Penis in eine Scheide zu führen und dort zu einem Samenerguss zu kommen. Der Erguss kann auch in ein Reagenzglas erfolgen, den Rest erledigen Repro-Mediziner.
Aber müsste der Satz nicht sowieso heissen: Einen Sohn grossziehen? Ich meine, eine Frau zu schwängern ist ja nicht die allergrösste Kunst, das bekommen sogar Teenager aus Versehen hin, ist es nicht die grosse Kunst, einen jungen Menschen so ans Leben heranzuführen, dass aus ihm - ich lehne mich an Brecht (sic)- weder ein Einbrecher noch ein Bankdirektor wird, weder ein Mörder noch ein HR-Typ, weder ein Aktionär noch ein Türenknacker?

Einen Sohn zeugen.
Einen Baum pflanzen.
Ein Haus bauen.
Ein Buch schreiben.

Wenn ich die Sache aber ein wenig kleingliedriger sehe, ein wenig aufspalte, splitte, teile, dividiere und aufdrösele, dann habe ich doch alles gemacht.

Ich habe kein Buch geschrieben, aber inzwischen 340 Posts veröffentlicht, die im Durchschnitt von 44 Leuten gelesen wurden. Damit habe ich mehr Leser als die Kulturgeschichte der Hethiter in 14 Bänden von Prof. Dr. Scheitz-Gröbel (Frankfurt 1999), der Lyrikband Nasen im Nebel von Griefhold Seibest (Berlin 2007) und das 1000seitige Handbuch der modernen Ikebana von Mashuki Tonobashi (Stuttgart 2001). Dass diese Dinger in Bibliotheken stehen, heisst nix, jede historische Abteilung z.B. MUSS den Hethiterschinken kaufen, ich rede von lesen.

Ich habe kein Haus gebaut, aber bei x Häusern umbauen geholfen. Staunen Sie, wenn man mir nämlich was gut erklärt und mich ein wenig beaufsichtigt, bin ich gar nicht sooo ungeschickt. So habe ich tapeziert und gestrichen, ich habe Mörtel, Gips und Kleister gerührt, ich habe Bäder gefliest und Böden verlegt. Ich habe keinen Baum gepflanzt, aber geschätzte 800x Blumen ein- und umgetopft, Ableger gezogen und in die Erde gebracht, ich gab Schefflera, Forellenbegonien in die Erde, ich setzte Rosen und Kakteen, Wasserlilien und Sukkulenten in ihre neue Behausung.

Ich habe keinen Sohn gezeugt, weder im Bett noch im Glas, ich habe auch keinen grossgezogen, aber ich habe bei Hunderten von jungen Burschen ein wenig, ganz ein wenig mitgeholfen, sie fürs  Leben auszurüsten, zu schauen, dass sie in keine Banken einbrechen und keine gründen, dass sie keine Leute töten und keine einstellen, dass sie weder Aktien noch Dietriche besitzen. 

Kleinvieh macht auch Mist, viele Kekse sind auch ein Kuchen und ein paar Lehraufträge sind auch eine Professur. Viele Charakterstücke sind auch eine Sinfonie und viele Punkte geben ein Bild (zumindest wenn man Seurat ist)
Sagen wir also:

Einen Sohn zeugen oder viele miterziehen.
Einen Baum pflanzen oder ganz viele Zimmerblumen.
Ein Haus bauen oder ganz viele umbauen.
Ein Buch schreiben oder ganz, ganz, ganz emsig posten.

In diesem Sinne: Happy birthday to me!


Montag, 9. Februar 2015

Anstand und Charisma

Ich habe die letzten Beiträge über Leute geschrieben, die gegensätzlicher nicht sein könnten: RvW und DSK. Die beiden zeigen, dass Moral und Anstand auf der einen und Beliebtheit und Charisma auf der anderen Seite nicht immer zusammengehören, beliebt waren bzw. sind sie beide, anständig nur der eine.
Der katholische Humor teilt die Päpste in vier Spalten ein:
... war ein Heiliger und wusste es
... war ein Heiliger und wusste es nicht
... war kein Heiliger und wusste es
... war kein Heiliger und wusste es nicht
Wer wohin gehört, dürfen Sie selber rausfinden.
Dementsprechend kann man auch Politiker klassifizieren. Sie möchten in die Politik? Nun, Sie haben die Wahl zwischen vier Möglichkeiten.
Lassen Sie mich das anhand des Sports erläutern:

Sie sind ein guter Basketballer, eine gute Fussballerin, Sie treffen, Sie machen Punkte. Dabei sind Sie dennoch fair und anständig, Sie sind bei der Mann(Frau)schaft, beim Trainer und bei den Gegner(innne)n anerkannt. Man wählt Sie im Unterricht stets in das Team.
Für Sie ist
Typ AB (anständig/beliebt)
anzustreben.
Dieser Typ ist äussert selten und bringt solche Ausnahmeerscheinungen wie Richard von Weizsäcker hervor: Moralische Instanz, kluger Redner, beim Volk und bei allen Parteien anerkannt. Die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Wahlkreis X ein ABler kandidiert ist so hoch wie die, in unseren Wäldern einen Dino zu treffen oder in einer Auster eine schwarze Perle zu finden.

Sie sind ein guter Volleyballer, eine gute Hockeyspielerin. Sie treffen, Sie machen Punkte. Sie sind für Siege verantwortlich. Dabei nehmen Sie es aber mit dem Fairplay nicht so genau. Sie langen schon mal den anderen zwischen die Beine oder an den Arsch (sic venia verbo), Sie fluchen, zeigen Mittelfinger und beleidigen den/die Unparteiische(n), wenn das ungestüme Temperament mit Ihnen durchgeht. Aber komischerweise verzeiht man Ihnen alles, weil Sie so sportlich, so trainiert, so smart, so charismatisch sind, weil Sie so nette Grübchen und ein so tolles Lachen haben. Sie sind halt "ein wenig heftig, ein bisschen wild".
Für Sie ist
Typ UB (unanständig/beliebt)
anzustreben.
In diese Kategorie gehören so schillernde Figuren wie Kennedy, Strauss-Kahn, aber auch Berlusconi oder Haider, ihnen kann das Schmiergeld aus der Tasche ragen, die Mafia bei ihnen aus und ein gehen, sie lassen sich von ihrer Maitresse Happy birthday singen, sie nehmen Drogen und begehen Fahrerflucht, das Volk verzeiht ihnen alles. Sie sind der Sonnyboy, der alles tun und lassen kann, was er will.

Sie sind ein guter Handballer, eine gute Wasserballerin, Sie gewinnen und machen Punkte, dabei spielen Sie fair und ohne Fouls. Trotzdem werden Sie selten aufgestellt, weil man Sie irgendwie nicht so mag. Niemand kann Ihnen etwas Böses nachsagen, aber Ihre Bewegungen sind irgendwie zu gelernt, ein wenig unbeholfen, ein wenig linkisch, obschon sehr effektiv. Sie sind weder smart noch schön, nur einfach ein(e) gute(r) Spieler(in), deshalb sitzen Sie häufig auf der Ersatzbank.
Sie müssen
Typ AU (anständig/unbeliebt)
anstreben.
Leute aus dieser Schublade gewinnen nicht die grossen Wahlen, sie dienen sich in der Partei hoch und machen eine gute Arbeit. Dennoch mag sie das Volk nicht. "Why don't they love me? Kennedy was an asshole and they liked him." war die ständige Frage Nixons. Auch der Vater der Deutsch-Osteuropäischen Aussöhnung, Egon Bahr gehört in diese Kategorie. Posthum gelangen solche Politiker(innen) oft zu hohen Ehren: "Inzwischen sind seine/ihre Verdienste um .... als solche anerkannt worden und haben ihm/ihr einen Platz in der Ehrenhalle gesichert."
Haben Sie leider nichts davon, wenn Ihre Taten nach 70 Jahren von der Historik äusserst gewürdigt werden.

Sie sind jemand, der keine Möglichkeit zum Foulen auslässt. Sie stellen Beine, schlagen nach dem Gegner, Sie nennen den Schiedsrichter einen dummen Sack und benehmen sich auf dem Spielfeld wie auch in der Kabine wie die letzte Sau. Aber im Gegensatz zum wilden Sonnyboy nimmt man es Ihnen, weil Sie hässlich und bucklig sind, richtig übel. Machen Sie einen Punkt, schreit man "Zufall", und wenn Sie unfair spielen, ist es nach Meinung der Sportseiten nicht ein Zeichen von Temperament, sondern von miesem Charakter.
Für Sie bleibt
Typ UU (unanständig/unbeliebt).
Auf dieser Schiene fuhren und fahren Leute wie Honecker oder das koreanische Schweinchen. In einer Demokratie würde so jemand natürlich nicht gewählt, daher sollte man rechtzeitig Geld beiseite legen und sich eine wirklich effektive Schlägertruppe zusammenstellen. Typ UU geht nur, wenn man Diktator ist: "Mögen Sie mich hassen, wenn sie mich nur fürchten."

Nun können Sie entscheiden: Typ AB? Typ UB? Typ AU? Typ UU?

Vielleicht reihen Sie sich aber auch in eine der Papstkategorien ein. Papst werden ist gar nicht so schwer, offiziell müssen Sie nur die Bedingungen zum Priesteramt erfüllen...



Freitag, 6. Februar 2015

Warum erkennt man Nutten nicht mehr am Aussehen?


Es ist doch wirklich schrecklich, dass man heute die Nutten, die Huren, dass man die Damen der Halbwelt, die Prostituierten und Dirnen, dass man die Stricher und Callboys nicht mehr klar erkennen kann. Es ist schrecklich, dass man es mit solchen Leuten zu tun hat und gar nicht weiss, dass sie solche sind.
In einem ihrer herrlichsten Sketsche der Serie LADYKRACHER spielt Anke Engelke eine Nutte, die ihrem Mann, mit dem sie seit Jahren zusammen ist und zwei Kinder hat, plötzlich klar macht, dass sie eigentlich eine Käufliche ist: „Schatz, es sind jetzt fünf Jahre und wir müssen nun mal abrechnen.“ Der Mann fällt aus allen Wolken, das Witzige ist, dass die Nachbarn und auch die Kinder das wussten.
Im Mittelalter gab es ein wasserklares Zeichen für die Frauen des ältesten Gewerbes: Rote Schuhe. Obwohl das eigentlich, der Exkurs sei gestattet, gar nicht das älteste Gewerbe ist, die ältesten Gewerbe sind der Musiker, der Arzt und der Priester, die wurden schon von den Nomaden in einer Person, dem Medizinmann oder Regenmacher, freigestellt, Prostitution brauchte die Kultur der Stadt. Aber sei’s drum. Wie man den Stricher und Callboy erkannte, weiss ich nicht, wahrscheinlich gab es den gar nicht, weil schwuler Sex ja vom Teufel war. Später gab es wieder ein eindeutiges Zeichen: Rauchen. Eine Frau, die auf der Strasse rauchte, war eine Dirne.

Aber abgesehen von solchen Dingen war es doch die Kleidung, das Outfit, die Aufmachung, die einem Indizien lieferte. War der Rock sehr eng und kurz, war die Schminke sehr dick, war das Top geschmacklos und auffällig, waren die Absätze meterhoch und die Haare gefärbt, war das doch sicher eine Hure. War die Hose so eng, dass sich die Arbeitsmittel abzeichneten, betonte noch ein schillernder Gürtel das Ganze, war das Top hauteng, glitzernd und ärmellos und der Träger jung, sehr jung, dann konnte man von einem Callboy ausgehen.

Aber heute? Wenn man durch die Konzerthallenfoyers und Hotellobbies schlendert, sieht man so viel grelle und geschmacklose, so viel ordinäre und schrille Kleidung, dass man sich einfach nicht mehr sicher sein kann. Die Dame da drüben, die genauso aussieht wie die Roberts in Pretty Woman VOR ihrer Shoppingtour, ist vielleicht Kuratorin der Richter-Retrospektive, die man so toll fand. Der junge Mann da drüben, der genauso aussieht wie Layke Anderson in House of Boys, ist vielleicht ein CEO eines mittelständischen Unternehmens im Casual-Look, die CEOs werden ja auch immer jünger.

Insofern: DSK ist in dem Punkt entschuldigt! Ihm war einfach nicht klar, dass seine Sexorgien Orgien mit Nutten waren, er hielt sie (O-Ton) für Damen der Gesellschaft und wir haben ja gezeigt, dass man das wirklich nicht mehr sehen kann. Nein, Strauss-Kahn kann man nichts vorwerfen, wie soll er denn wissen, dass er da 10 Huren so in seinem Bett hat wie Mackie Messer die Damen von Turnbridge. Und deswegen stehen die Franzosen ja immer noch hinter ihm, ja, viele halten ihn immer noch für den besseren Präsidenten.

Gut, Nutten kann man nicht mehr auf den ersten Blick erkennen, aber würde man es nicht beim ersten Kontakt merken? War DSK da nicht ein wenig naiv? Würde eine Dame der Gesellschaft nicht beim Vorschlag, sie für harten Gruppensex zu engagieren, laut aufschreien? Ich glaube, wenn ich eine noch so nuttig angezogene Dame im Festspielhaus Baden-Baden an der Sekttheke anspräche, würde sie mir das Programm von Mahler VIII so heftig ins Gesicht schlagen, dass der Name des Dirigenten, der auf dem Schriftstück in erhabenen Buchstaben steht, sich auf meiner Backe einprägen und ich eine Weile mit Barenboim auf der Wange rumlaufen würde.
Ich glaube, wenn ich den smarten Boy an der Theke früge, ob ich ihn engagieren könnte, würde er antworten: „Ich arbeite schon lange nicht mehr als Unternehmensberater, aber ich kann Ihnen ein paar gute Kollegen nennen. Oder was hatten Sie gedacht – Sie perverses Schwein?“

Nein, so ganz glaube ich DSK seine Ausrede nicht. Abgesehen davon, wie verachtend er seine Damen bezeichnete, von Material war da die Rede, Material sollten seine Assistenten liefern, er brauche Material. Das ist menschenfeindlich.
Aber die Franzosen scheinen ihm das nicht übel zu nehmen. Was ist mit denen los? Sie leiden am JFK-Syndrom: Einen Politiker besinnungslos zu lieben und ihm ALLES, aber auch ALLES zu verzeihen, so wie die Amis Kennedy jeden seiner 567 Seitensprünge nachsahen. Kennedy meinte wahrscheinlich auch, die Dame, die an seinem Wiegenfest "Happy Birthday" ins Mikro hauchte, sei seine Gattin gewesen, nur dass sie eine blonde Perücke trug.

Nein, ich habe da meine Zweifel an DSK.

So, genug für heute. Jetzt gehe ich in die Disco. In meiner engsten Hose und in meinem glänzendsten Top. Und in meinen grellsten Schuhen. Und ich lege ganz viel schweinesüsses Parfüm auf. Aber keine Angst: Ich bin längst aus dem Alter, in dem man mich für einen Callboy halten könnte.      

Montag, 2. Februar 2015

Gespräch auf Wolke 435: Vicco und Richard

VvB: Nun bist du also auch da.
RvW: Nun bin ich also auch da.
VvB: Ich hab dich vermisst.
RvW: Ich dich auch. Ist es kompliziert hier oben?
VvB: Iwo, die sind alle ganz cool drauf. Einmal in der Woche ist Halleluja-Singen und einmal Gottesdienst, sonst hast du frei.
RvW: Mal wieder Zeit zum Lesen.
VvB: Ja, aber täusche dich nicht, es sind so viele interessante Leute hier..
RvW: Ich dachte, die sind in der Hölle.
VvB: Nur die wirklichen Schweine, sonst ist Petrus sehr tolerant. Also keine Angst, die Leute, die dich - die uns in den Krieg geschickt haben, die wirst du hier nicht treffen. Die meisten sind noch im Fegefeuer, aber sie beharren einfach drauf, Recht gehabt zu haben.. Kannst du noch deine Altsprachen?
RvW: Ach du liebe Zeit! Amo, amas. amat, amamus, amatis, amant. Latein geht noch, aber Griechisch?
VvB: Aufpolieren! Plato ist so ein spannender Erzähler und es gibt einen wunderbaren Ouzo bei ihm, aber sein Englisch ist miserabel, obwohl er seit Jahren Unterricht nimmt. Und bei Sokrates gibt es einen exzellenten Rotwein, er ist übrigens live unglaublich witzig, aber auch sein Englisch ist schlecht, auch sein Deutsch.
RvW: Die sind alle hier.
VvB: Alle, natürlich auch die christlichen Denker, Thomas von Aquin, Augustinus, Hildegard, Franziskus...
RvW: Nicht, dass ich die in einem Atemzug nenne wollte, aber ist auch Luise hier?
VvB: Klar, die gute Rinser. Die hat gegen dich kandidiert, nicht?
RvW: Stimmt so nicht ganz, sie wurde von den GRÜNEN genötigt, weil die keine so absolut einstimmige Wahl wollten, das riecht ja immer ein wenig nach Ermächtigung...So wurde dann die erzkatholische Luise von den GRÜNEN gegen einen protestantischen CDUler aufgestellt, sehr witzig. Und sie war froh, dass ich es war, der gewählt wurde. Hat sie immer so gesagt.
VvB: Du warst in der CDU? Weisst du, hier oben vergisst man vieles, was da unten so wichtig war.
RvW: Natürlich war ich in der CDU, auch wenn viele das vergessen haben.
VvB: Aber du hast dich doch immer mit Kohl gezofft.
RvW: Nur einmal, aber das 10 Jahre lang. Er konnte nicht verknusen, dass ich sagte, Macht sei nicht alles.
VvB: Du warst in der CDU, jetzt verstehe ich aber nicht, warum Adenauer so Bammel vor deiner Ankunft hatte.
RvW: Er hatte damals gesagt, die Partei brauche mich nicht, aber das ist alles vergeben und vergessen.

VvB: Ich hab dich immer bewundert, du hast so viel bewirkt, hast so grossartige Reden gehalten, zum Beispiel die zum vierzigsten...
RvW: Ja, ja. Das sagen jetzt alle, die Rede wird sogar permanent im Radio wiederholt. Aber kann irgendjemand zitieren, was ich eigentlich sagte? Hat irgendjemand etwas behalten?
Dich, dich kennt man. Jeder hat einen Satz von dir im Kopf.
VvB: Du übertreibst.
RvW: Nein, nein. Die Ente bleibt draussen und Es saugt und bläst der Heinzelmann und Früher war mehr Lametta, das sind Sätze, die BRD geprägt haben.
VvB: Einigen wir uns auf Unentschieden.
RvW: Einverstanden.

RvW: Wie sind nun die Pläne für heute?
VvB: Erst gehen wir mal etwas essen. Die Küche hier ist absolut genial.
RvW: Im Ernst?
VvB: Immerhin sind alle grossen Chefköche hier. Und das mit Recht, sie haben ja den Menschen Freude bereitet. Ich habe einen Tisch beim alten Sacher reserviert, Evelyn kommt auch.
RvW: Stimmt, die ist ja auch schon hier...
VvB: Und danach gehen wir in ein Konzert.
RvW: Was wird gegeben?
VvB: Erste Hälfte: Bernstein spielt Bach. Zweite Hälfte: Bach spielt Bernstein.

RvW: Noch eine Frage: Warum gibt es eigentlich so wenig Gottesdienste? Du weisst, ich war immerhin Chef des Evangelischen Kirchentages.
VvB: Es gibt einfach zu wenig Theologen hier. Und immer Bonhoeffer und Kolbe, das wird auf die Dauer auch sehr, sehr langweilig.
RvW: Na dann...
VvB: Willkommen im Himmel.