Montag, 23. Februar 2015

Oscars oder: Schönheit ist harte Arbeit

Es gibt schon komische Zufälle, sehr komische und ein solch komischer Zufall war, dass ich in der Bar, in der ich die Oscarverleihung anschaute, neben einem Visagisten zu sitzen kam. Er hiess Jacques, war Franzose, lebte aber zurzeit in N.Y.

Auf dem Bildschirm posierte gerade die Knightley auf dem Roten Teppich. „Was für ein Rummel“, konstatierte ich, „die steht ja wirklich im Mittelpunkt.“ „Soll sie ruhig“, meinte mein Gegenüber, “die hat hart gearbeitet.“ Und damit sprach Jacques keineswegs von der Schauspielerei. „Schönheit kommt nicht über Nacht und von nix kommt nix, die Amis sagen: Beauty is hard work.“

Ich sah in an: „Ich bin 50.“ „Sieht man.“ „Danke für die Blumen, aber meine Frage wäre: Was müsste ich tun, um wie 40 auszusehen?“ „Too late, old boy, too late. Wenn du mit 40 wie 30 ausschauen willst, musst du mit 20  damit anfangen, wenn du mit 50 wie 40 ausschauen willst, mit 30.“ „Gut, was hätte ich den tun müssen?“ Jaques grinste: „Zunächst einmal wäre zu erwähnen, was du hättest lassen sollen.“ Er deutete auf meinen Dreier Dôle: Todsünde! Auf das Päckli Parisenne in meiner Brusttasche: Todsünde! „Ausserdem kein Kaffee, keine Milchprodukte, kein Zucker, überhaupt keine Kohlenhydrate, statt dessen literweise Wasser, Kräutertee, Gemüse und Obst. Täglich Sport, am besten mit Personal Trainer.“

Dann kam Jacques zu den Mittelchen, und ich war völlig baff, was es da alles gibt. Die Menge an Zeug, die ich meinem Gesicht zuführen müsste – oder zuführen hätte gemusst – würde meinen Badezimmerschrank sprengen, ja er müsste – hätte gemusst – zehnmal so gross sein.

Es gebe, so mein Gesprächspartner, nicht nur Tages- und Nachtcremes, sondern Vormittags-, Mittags- und Nachmittagsprodukte, es gebe vollfettende, halbfettende und zartfettende, solche auf Olivenbasis, auf Mandelbasis, auf Kohle-, Schlamm- und Teerbasis, solche auf Nussbasis oder Soja-.
Es gebe linkshydrierende, rechtshydrierende, kreis- und quadrathydrierende. Viermal die Woche eine Maske, komme man nicht drum herum, da könne man alles Obst und Gemüse verwenden, was so im Kühlschrank sei, ganz easy.

Einmal die Woche zum Kosmetiker, einmal im Monat zum Dermatologen. Bei den Profis werde dann gepeelt, gepult, gekratzt, geschabt, werde gezupft und gerupft und gelupft und getupft, dass es eine wahre Freude sei. Da werde Laser und Phaser eingesetzt, ja, und auch, dass müsse man ehrlich sagen, gebotoxt, gebe niemand zu, aber alle täten es.
Und alle wollten die Ultima Ratio vermeiden, so lange wie möglich: Die OP, das Liften, das Straffziehen.

„Du brauchst für die Schönheit zwei Dinge, old boy“, flüsterte Jaques – wieso eigentlich immer old boy, old boy, aber wahrscheinlich sieht für einen Visagisten, einen Gesichtsprofi jemand, der mit 50 wie 50 aussieht so aus wie für uns eine Mumie – „du brauchst Zeit und du brauchst Geld. Gehe davon aus, dass ein Hollywoodstar bis zu 50.000.- im Jahr dafür hinlegt. Für Produkte und Spezialisten. Ganz, ganz teuer wird es, wenn du zwei Tage vor den Academy Awards irgendetwas Hässliches in deinem Face entdeckst, eine Flechte, eine Rose, einen Pickel oder einen Kratzer, das gibt dann eine Notbehandlung und die wird richtig teuer.“

Inzwischen stolzierte die Blanchett über den Red Carpet und was vorher bei der Knightley noch Admiration gewesen war, kippte jetzt in pures Mitleid. Sie dauerten mich, diese Stars und Starlets, denn wie blöd ist es, in so etwas Vergängliches wie die Schönheit so viel harte Arbeit zu investieren. Alles Fleisch ist wie Gras – Gras gehört natürlich auch zu den absolut, absolutest verbotenen Sachen.
Ja, und hat man dann 2 Millionen für einen Werbeauftritt der Kosmetikbranche bekommen, muss man schon wieder aufpassen, wie man das Geld einsetzt: Party, Saufen, Drogen – geht ja nicht! Auf die Bahamas – ja, aber nicht zu viel ins Salzwasser (trocknet aus) und nur wenig in die Sonne (Rötungsgefahr) und die vierzehn Koffer mit all den voll- und halbfettenden Produkten, all den Cremes auf X- und Y-Basis, all den Obst- und Gemüsemasken, all den Tuben, Döschen, Schächtelchen und Fläschchen muss man ja auch erst einmal transportieren.

„Weisst du“, sagte ich zu Jaques, „ich bin 50 und sehe aus wie 50. Und in zehn Jahren bin 60 und sehe aus wie 60. Und das ist, glaube ich, ok so.“  
Und dann tat ich noch etwas für meinen Körper.
Auf Traubenbasis.
Und auf Teerbasis.

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