Montag, 16. Februar 2015

in vitro

Wilhelm Busch schreibt in einem seiner Gedichte aus Kritik des Herzens an eine Dame, sie sei ein kleines Mädchen gewesen, als sie die Frage gestellt habe, wo die kleinen Kinder herkommen. Als er sie Jahre später getroffen habe, habe sie die Frage schon hübsch praktisch gelöst und aufgeklärt.

Ja, so war das früher. Man erzählte den Kindern vom Klapperstorch, der in seinem Schnabel die Windel trägt, in der ein Baby liegt, das er bei den Eltern abliefert. Schnell fanden die jungen Menschen heraus, dass das so nicht ganz stimmt, man reimte sich zusammen, dass das Kleine, das die Cousine auf dem Arm hatte, irgendwie damit zusammenhing, dass man sie mit dem Knecht im Heu erwischt hatte, oder man kam darauf, dass die Ferkel immer dann erschienen, wenn der Eber auf der Sau gewesen war…

Dann kam die Epoche der behutsamen Aufklärung, der Bienchen und Blümchen, in der dann immer der Spruch fiel, dass, wenn Mama und Papa sich so ganz doll liebhaben... wobei die Kinder nie kapierten, was das mit den Blümchen und Bienchen eigentlich sollte und das mit dem Liebhaben stimmte ja auch nicht, denn man kann eine Frau auch schwängern, wenn man sie überhaupt nicht doll liebhat.

Die 68er räumten dann mit Bienchen und Blümchen auf, jetzt wurde schonungslos gezeigt, was zu zeigen war, bloss nicht etwa einen Bademantel anlegen, wenn man aus dem Bad kam, die Kleinen sollten sehen, was zu sehen war, am besten liess man sie gleich zuschauen, eine ganze Generation hat man so traumatisiert, indem man Fragen, die gar nicht gestellt waren, beantwortet hat. Viele Autoren haben diese Jugend in den Kommunen und Haushalten der 68er erzählt.

Was sagt man aber nun heute?

Vielleicht sagt man: Weil der Papi und die Mami sich so liebhaben, ist der Papi in eine Klinik, und da hat er dann in so ein kleines Röhrchen onaniert und dabei ganz fest an die Mami gedacht, und die Mami ist auch in eine Klinik, und da hat man ihr ganz zärtlich eine Eizelle rausgenommen, und sie hat auch ganz fest an den Papi gedacht, und dann hat man das Zellmaterial ganz zärtlich im Reagenzglas vereint.

Gut, sich einen Kinderwunsch so zu erfüllen, ist absolut legitim. Schwieriger wird es, wenn da noch ganz andere Leute mit im Spiel sind. Da hat dann ein Mann in Asien seinen Saft in das Glas kommen lassen, und der hat NICHT an die Mami gedacht, weil er die nämlich gar nicht kennt, und die Eizelle wurde in Südosteuropa herausgenommen, und die Frau in Mazedonien hat NICHT an den Papi gedacht, weil sie nämlich auch gar nicht weiss, wer das ist. Und ausgetragen wurde das Baby in Südamerika, auch hier dachte niemand an Mami und Papi, alle dachten nur an das Geld.
Ich erfinde das nämlich nicht, Leihmutter und Eizellenspenderin sind schon richtige Jobs geworden.
Und die Repro-Medizin ein wachsender Geschäftszweig, wo man viel, viel Kohle machen kann.
Das arme Kind hat also nun drei Mütter und zwei Väter und wenn es weiss, in welchem Land die Leihmutter sass, weiss es immerhin, warum es beim Klang einer bestimmten Sprache immer so glücklich ist.

Eine Supermethode ist auch das Sozial Freezing, hier werden der Frau Eizellen entnommen, die sie dann auf Eis legt, eingefriert. Auch völlig legitim, wenn man z.B. in der fruchtbarsten Phase mit einer schweren Krankheit kämpft und nach vollständiger Genesung mit 41 noch Mutter werden möchte, problematischer, wenn der Chef bei der Einstellung sagt:
„Frau Müller, wir haben hier Grosses mit Ihnen vor, Gebietsleitung China, das ist eine Riesenkiste, also schminken Sie sich Nachwuchs erst einmal ab, später, wenn alles in trockenen Tüchern ist, gerne, ich empfehle Ihnen dringend, ja, wirklich dringend erst einmal Eizellen ins Gefrierfach zu legen, Sozial Freezing, die Firma übernimmt selbstverständlich alle Kosten…“
Was die Firma nicht übernehmen kann, ist das Risiko, das doch besteht, immerhin werden die Eizellen unter Narkose herausgepult und es kann Komplikationen geben, das ist nicht wie beim Mann, der ja bei der Abgabe in das Röhrchen etwas betreibt, was er eh schon tut, nur eben nicht in ein Glasröhrchen.

Wilhelm Buschs Gedicht geht noch weiter. In der 3. und 4. Strophe ist die Dame bejahrt und stellt die Frage, wo denn die alten Leute hingingen. Der Autor meint nun, die praktische Lösung DIESER Frage sei eigentlich recht unbequem.
Aber vielleicht in Zukunft nicht mehr. Vielleicht kann man uns in 40 Jahren ganz sanft in Moleküle auflösen, wir werden in der Klinik ganz zärtlich analysiert und aufgespalten und enden dann da, wo wir unser Leben begonnen haben:
Im Reagenzglas.
Und bei Trauergottesdiensten wird das schöne Lied gesungen: Aus dem Labor kamst du, ins Labor gehst du.
Wer weiss.

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