Freitag, 29. Juni 2012

SMS am Feierabend oder Tapasrundgang


„Leg doch endlich das Handy weg, deine Tapas werden kalt!“ „Das ist die kalte Vorspeise.“ „Trotzdem, es nervt.“ Ich sitze mit meiner guten Freundin Mary im Spalenbergspanier beim Tapasrundgang für 60.- Franken. Vor uns stehen Oliven, getrocknete Tomaten, eingelegter Knoblauch, Schinken und Salami. Und natürlich eine wunderbare Flasche kalten Weissweins. Und genau in dem Moment, als der Service alles vor uns drapiert hatte, brummte eine SMS herein, die Mary jetzt seit zwei Minuten beantwortet. „Wer ist das denn?“  „Mein Chef, er wollte nur meine Meinung zu…“ „Dein Chef, kann der dich nicht mal in Ruhe lassen, du hast Feierabend.“ „So ein bisschen Präsenz gehört bei uns zur Firmenkultur, und mal kurz simsen ist ja keine Arbeit.“ Wirklich? Beim Fischgang erkläre ich Mary dann, wie die Arbeitsschutzgesetze das eigentlich geregelt haben wollen: Zwischen zwei Arbeitstagen elf Stunden Pause und nach fünf Tagen zwei Tage Pause und Ferien, in denen man nichts tut. Mary seufzt: „Und wenn der Boss am Freitag kommt und sagt, ich könne das ja morgen im Liegestuhl durchlesen, es seien ja auch nur zwei Seiten, er werde sich dann melden?“ „Dann sagst du ihm, er dürfe es sehr gerne auf dein Pult legen und du würdest es dann gleich am Montag anschauen. Und im Liegestuhl läsest du einen Krimi oder die GALA. Mensch, wenn es nur ein einziger Satz ist, über den du nachdenken sollst, es ist dann einfach keine Freizeit, weil du dich gedanklich schon wieder mit der blöden Firma beschäftigst.“
Was Gewerkschaften und Angestelltenverbände in hartem Kampf erstritten haben, die moderne Technik scheint es aufzuheben. Wir sind permanent mit dem Smartphone und dem Blackberry erreichbar, wir lesen unsere Mails, wir stehen für die Roche, die Novartis, Nestlé und die UBS Gewehr bei Fuss und merken gar nicht, dass wir die Arbeitszeitgesetze unterlaufen.
Beim warmen Hauptgang, Hackfleischbällchen, Tortilla, kleine Rindstückchen, Lammröllchen und der zweiten Flasche Wein fangen wir dann an zu spinntisieren: Man müsste das machen, was die Arbeiter früher taten: Streik (kommt übrigens vom englischen „strike“ und heisst „Schlag“) An einem bestimmten Wochenende geht keiner und keine an das Handy oder den Computer. SMS und Mail bleiben ungelesen.
Beim Dessert - Creme catalane -  kommen wir darauf, warum das nicht gehen wird: Irgendjemand wird nicht mitmachen, sich so einschleimen und den Job des anderen ergattern, es fehlt das, was die Arbeiter früher hatten: Solidarität.
Beim Kaffee piepst wieder Marys Handy. Und sie antwortet auch wieder prompt. "Was schreibst du schon wieder?" "Dass ich Feierabend habe und dass er sich ins Knie f.... soll." "Der schmeisst dich raus." "Und wenn schon, mein Gebiet ist gesucht, und die RAV schreibt wenigstens keine SMS am Wochenende."

Dienstag, 26. Juni 2012

Ronaldo und die Statistik

Unser Portugiese bleibt Thema. "Maschine Ronaldo" titelt am Freitag die andere Wurfzeitung, und fügt beeindruckende Zahlen hinzu: Seine Bälle beschleunigten dreimal schneller als Weltraumraketen, er habe weniger Körperfett als ein Topmodel, er springe höher als NBA-Stars. Schön und gut, aber wenn man sich die Zahlen ein wenig genauer ansieht, schmelzen sie like ice in the sunshine.
Fussbälle sind rasend schnell, weil hier ein kleiner, leichter Gegenstand auf kurze Distanz in Fahrt gebracht wird. Mondrakete? Hier werden doch nicht Äpfel mit Birnen, sondern Äpfel mit Baumnüssen verglichen. Es wäre doch viel spannender, die Beschleunigung von Ronaldo mit der von Streller und Schweinsteiger zu vergleichen.
Christiano hat eine enorme Muskelmasse, und diese Muskeln liegen direkt unter der Haut, die androgynen Hungerharken-Bubi-Boy-Models haben keine Muskeln, und wenn sie nicht ein bisschen Fett (14%, Ronaldo 10%) hätten, sähen Catwalks wie Onkologie-Ausflüge aus.
NBA-Spieler müssen gar nicht so hoch springen, sie sind vier Köpfe grösser wie unser Portugiese und reichen mit ausgestrecktem Arm schon an den Korb.
"Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selber gefälscht habe." So Churchill.
Richtig heikel wird es aber bei Statistiken, die gefährliche, unsinnige oder auch nur kostspielige Massnahmen begründen. Die regelmässige Mammographie erniedrige die Todesrate bei Brustrebs um 20%, damit wirbt man für eine - inzwischen sehr umstrittene - jährliche Untersuchung bei Frauen. In absoluten Zahlen sieht das so aus: Von 1000 Erkrankten mit Mammographie sterben 4, ohne sind es 5. Das sind die 20 Prozent. Es gäbe im medizinisch-pharmazeutischen Bereich noch hundert Beispiele.
Warum sind die Menschen so vernarrt in Statistiken, Zahlen, Superlative, Ranglisten?
Eine der absurdesten habe ich neulich gelesen: In der Altstadt Kleinbasel gehen die Menschen am häufigsten fremd (12%), es führt damit die Rangliste an, die auf dem Bruderholz endet, kein Wunder, in einem Quartier, in dem jeder jeden bespitzelt, ist es einfach nicht möglich, den Milchmann ins Haus und auf den Flurteppich zu ziehen.
Unsinnig auch die Angabe von Seitenaufrufen. Die Mezzosopranistin Carla Maggi gibt 20.000 Aufrufe auf ihrer Homepage an. Ob die alle zu ihrem würzigem Gesang wollten oder vielleicht eher zu würziger Suppe?

Freitag, 22. Juni 2012

Erlöser Ronaldo


„Christiano Ronaldo erlöste Portugal“, so prangt mir die Schlagzeile von 20min heute Morgen entgegen. Gut, Fussball ist eine wichtige Sache, aber ist da nicht ein etwas starkes Verb gewählt? Ist „Erlösung“ nicht eine Vokabel, die eigentlich auf den religiösen, den spirituellen Bereich anspielt? Fehlt Ronaldo nicht noch eine Kleinigkeit zum Messias? Da kommt mir einer meiner Lieblingswitze in den Sinn:
Mutter und Sohn sitzen in einem Café am Place de la Concorde.
Sohn: „Monsieur Le President hat Frankreich gerettet?“
Mutter: „Ja, mein Kind.“
Sohn: „Monsieur Le President hat Frankreich gerettet?“
Mutter: „Ja, mein Kind.“
Sohn: „Gerettet wie die Jean d’arc?“
Mutter: „Ja, mein Kind.“
Sohn: „Warum verbrennen sie ihn dann nicht?“
Zum wahrhaften Heiligen gehören also Aufstieg, Vernichtung und Rehabilitation. Gut, gehen wir daran Ronaldo systematisch zu vernichten. Behaupten wir  etwas Fieses, Gemeines, Wüstes über ihn. Geht nicht? Ich habe in den letzten Monaten den Kurs „Mobbing für Anfänger“ belegt, und einer der Grundsätze lautete: Es bleibt immer etwas hängen, wo Rauch sei, sagt der Volksmund, sei ja auch Feuer, also viel schwarzen Qualm aufsteigen lassen, den Brand braucht man dann nicht nachzuweisen. BILD funktioniert seit Jahren so.
Was dichten wir uns unserem Kicker nun an? Nein, Doping ist wirklich zu abgedroschen, abgesehen davon sind Fussballer selten gedopt, weil man sie bei einer Erschöpfung ja kurz auswechseln kann. Nein, Sex mit einer Minderjährigen würde einem so sportlichen, hübschen, knackigen und potenten jungen Mann als eine lässliche, verstehbare Sünde aufgefasst werden. Behaupten wir doch das Schlimmste, was man einem Kicker andichten kann, den SuperGAU für jeden Ballsportler, die Katastrophe in jeder Liga: Ronaldo ist schwul. Als Beweis sagen ein paar gekaufte Masseure und Balljungen aus, Fotoshop tut das Übrige, Bilder, auf denen sich Christiano sein Shirt abzieht, hat es ja genug. Für absolute Sportmuffel: Trikottausch – ein Ritual des Profifussball.
In ein paar Jahren können wir dann alles aufdecken und Ronaldo rehabilitieren.
Wie gesagt, es geht uns nicht darum, den guten Mann kaputt zu machen. Er soll die Laufbahn des Heiligen einschlagen, um das zu werden, was er angeblich heute schon ist: Der Erlöser.


Montag, 18. Juni 2012

Picknick

Ich habe heute in einer Wurfzeitung einen Bericht über Picknick gelesen, gespickt mit Empfehlungen für ein gelungenes Essen im Freien. Da war zunächst der Koffer, handgekorbt und reich bestückt für 499.- (ein Muss!), dann die Decke mit Motiven von Chagall für 299.- (auch ein Muss!), schliesslich Kleinigkeiten wie eine mundgeblasene Cake-Box, ein Weinkühler, ein Designhocker, Servietten im Provence-Look und ein tragbares Gewürzkästchen. (Muss! Muss! Muss!) Ich hätte mir auch alles sofort gekauft - man gönnt sich ja sonst nichts - wäre mir nicht das Folgende in den Sinn gekommen: Hat Picknick nicht auch irgendwas mit Essen zu tun? Müssten nicht in einem solchen Artikel Tipps für den Gourmeteinkauf stehen? Es wäre doch viel spannender, zu wissen, wo es in Basel die besten eingelegten Tomaten, die frischesten Brötchen, den würzigsten Käse und die deliziöseste Wurst gibt. Was nützt einem der Vitra-Tisch, wenn Dennerschinken darauf liegt? Was nützt einem der handgetöpferte Teller, wenn er mit nichtssagendem Gemüse belegt wird?
Freunde von mir berichteten von einem Picknick in Paris und zeigten mir Fotos: Vor der Kulisse des Chateau de Vincennes war ein Baumstamm reich gedeckt. Zwar Pappteller und keine Stühle, dafür eine Quiche, eine Terinne, Hähnchen, Wurst und Käse, die alle im *****-Bereich lagen. Das hat doch viel mehr mit Essen zu tun.
Aber wir leben in einer Welt des Scheins. Die Leute können ja sehen, wie meine Decke aussieht, aber nicht genau, was darauf liegt. Die Menschen nehmen die Swarowskigläser wahr, aber nicht, ob ein Fusel oder eine Chateau Brisante darin funkelt. Wir präsentieren den grössten Schwachsinn in absolut perfekten Powerpoints, wir glauben einem Politiker alles, weil seine Krawatte modisch sitzt, wir füllen alte Waren in neue Schläuche, wir renovieren aussen und lassen innen verfallen.
Neuerdings wird sogar bei Fussballern auf die Frisur geachtet: Da hatte doch tatsächlich einer sich in der Spielpause die Haare gerichtet!
Dabei würde es doch darauf ankommen, die Qualität im Inhalt und nicht in der Verpackung zu suchen.
Also, wenn Sie mal wieder ein Picknick machen: Ihr alter Weidenkorb tut es völlig, Ihre IKEA-Gläser auch, aber wenn auf der ALDI-Decke eben dann Pfefferkäse aus der Bretagne, echte Mozarella aus dem Mezzogiorno, ein originales Brot aus Andorra und dazu ein trockener, vollmundiger Rotwein von der Rhone steht, dann haben Sie gewonnen.

Donnerstag, 14. Juni 2012

16. Juni

Morgen ist Bloomsday,
da muss man den ganzen Tag Joyce lesen und Guiness trinken, da ist nämlich Bloomsday,
der Ulysses spielt ja an einem 16.6., in Dublin, wobei ich den Ulysses ja gar nicht gelesen habe,
ich sollte glaube ich das Fenster im Bad schliessen, war schon zu,
wo waren wir,
wir waren beim Bloomsday,
der Tag, an dem der Held des Ulysses den ganzen Tag durch Dublin läuft und irgendwelche Sachen macht
und denkt, vor allem denkt...
Joyce hat das ganz ausgiebig ausformuliert,
das Küchenfenster ist auch noch auf,
also schliesse ich das doch auch,
also Joyce hat da ganz viel erzählt,
aber ich habe das nicht gelesen, wer braucht schon einen Bloomsday,
und Gedankenstrom, hat ja auch der Joyce erfunden,
den Gedankenstrom,
einfach aufschreiben, was einem so durch den Kopf geht,
braucht kein  Mensch,
ist auch völlig unsinnig, kann man doch nicht machen,
einfach so die Gedanken schreiben,
gilt aber seit der Zeit als total tolle wahnsinnig moderne Technik
und der Schnitzler hat das nachgemacht in Leutnant Gustl,
Gedankenstrom, stream of conciousness,
totaler Müll, literarisch unbrauchbar, genauso unbrauchbar,
wie wenn ein Mensch den ganzen Tag durch eine,
dieselbe, eben nur eine Stadt läuft, und das einen Tag und 1500 Seiten lang,
und dann auch noch Gedankenstrom, Gedankenstrom ist Quatsch.
Neuen Wein müsste ich aufmachen,
Joyce und Schnitzler und Bloomsday erträgt man ja nur mit Alkohol,
ja, Wein,
ich werde auch morgen Wein trinken
und kein Dunkelbier
ich trinke ja auch Kaffee
ich bin Kaffetrinker
das ist Bernhard AM ZIEL
aber wir waren ja eigentlich bei Joyce und Schnitzler,
und dem schwachsinnigen Gedankenstrom,
ich mache jedenfalls so etwas nicht,
ich strukturiere meine Texte,
und der Bloomsday kann mir gestohlen bleiben,
betrinken kann ich mich auch so,
wo ist denn eigentlich der Korkenzieher.

Dienstag, 12. Juni 2012

Trends und Tipps für Ihre Ferien

Die Sommerferien nahen mit Riesenschritten und Sie wollen sicher wissen: Wie mache ich am Strand in Gran Canaria, Mallorca oder Zypern eine gute Figur, einen guten Eindruck? Nun, hier kommen die ultimativen Trends:
1.) Buch am Strand.
Es wird wieder gelesen, und zwar durchaus anspruchsvolle Sachen. Mit Celan oder Bachmann sind Sie mega-in! Der Ferienkrimi ist definitiv out. Und: Sehr im Trend sind eigene Bücher, nachdem in den letzten Jahren ja eine Tendenz zum Zweitbuch festzustellen war, geht es jetzt sogar in Richtung Drittbuch. Angeblich sollen Trendscouts sogar schon vier Bücher besitzen, aber man soll nichts übertreiben...
2.) Muskeln
Der Bodybüilder (so gelesen in Brindisi) ist out, die neue Regel heisst: Der Oberkörper sollte auf die Strandliege passen. Wenn Ihr Oberarm schon jetzt einen Umfang von mehr als einem Meter hat, sollten Sie eine Studiopause einlegen.
3.) Hawaiihemd
Heute bei Hasi und Mausi (H&M) gesehen: Es ist zurück! Grufties, guckt in eure Kleiderschränke! Das scheusslichste und perverseste Kleidungsstück der letzten Jahrzehnte kehrt wieder!
4.) Land und Leute
Mega-in: An ein, zwei Tagen ein Auto mieten und ins Inselinnere fahren. Ja, da gibt es ein Inneres der Insel. Was hatten Sie denn gedacht? Dass Malle und die Kanaren so Ringe im Meer sind und hinter dem Hotel schon wieder Wasser kommt? Nee, da gibt es Binnenland mit Bergen, reizenden Dörfchen, Seen, Wälder, Ruinen, Städtchen mit Mauern und Keipen. Wenn Sie das überfordert, dann machen Sie die kleine Tour und verlassen den Hotelpool, da ist nämlich ein Strand vor Ihrer Nase...
5.) Ein paar Worte in der Landessprache
Nicht schwer, erfordert nur ein bisschen geografische Recherche: Ein Freund von mir beschwerte sich, dass die Leute auf Madeira auf "Buon giorno. Come sta?" nie reagiert hätten. Ich musste ihm klarmachen, dass Madeira zu Portugal gehört. Auf Mallorca und Gran Canaria spricht man übrigens Spanisch.
6.) Freundlichkeit
Mega-out: Auf den Hotelrezeptionstisch schlagen und rumbrüllen, weil der Wasserhahn tropft. Mit einer höflichen Frage ist man sehr im Trend.
7.) Badekleidung
Die Badeshorts und der Tanga sind out, man trägt wieder ganz normale Badehosen (ich bin schon seit Jahren im Trend!), und mal ganz ehrlich: Wer sah denn im Tanga wirklich gut aus?
In diesem Sinne: Viel Spass bei der trendigen Ferienvorbereitung.

In diesem Sinne: Gute Reisevorbereitungen!

Donnerstag, 7. Juni 2012

Zum Glück Protestant!

Die katholische Kirche kommt ja aus den Schlagzeilen nicht heraus. Da stehe ich jeden Morgen mit Freude auf und rufe: "Zum Glück bin ich Protestant!" Denn die evangelische Kirche ist anständig, sauber, rein und gut.
Nehmen Sie zum Beispiel die Kreuzzüge: Da waren wir nicht dabei, absolut nicht, und dass es uns da noch gar nicht gab, ist ein schwaches Argument. Oder nehmen Sie die Hexenverbrennungen, auch da herrscht Unschuld auf der lutherischen wie auf der reformierten Seite, und auch wenn der gute Martin gesagt hat: "Ich will der erste sein, der Feuer an sie legt", Fakt ist, er hat es nicht getan, vielleicht auch mangels Macht und Möglichkeit, aber: Luther HAT keine Scheiterhaufen angezündet.
Der Vorwurf übrigens, Calvin sei schuld am modernen Kapitalismus, ist falsch. Ich habe alle Werke Calvins studiert und bin nirgendwo auf Begriffe wie Aktie, Mehrwert, Firma oder Gewerkschaft gestossen.
Oder wenden wir uns dem schwäbischen Pietismus zu: Ursprünglich eine Reformbewegung, die sich gegen den Prunk, die Eitelkeit und die Verschwendung bei Hofe richtete - ihre schwarzen Klamotten wurden später von den Existenzialisten wieder aufgenommen - und einen deutlichen Akzent setzte. Dass man dabei manchmal den Falschen traf und den Juden Süss Oppenheimer auf die Garrotte schickte: Kollateralschaden. Später verband sich der Pietismus sogar mit dem Sozialismus - 1900 wurde der Altpietist Christoph Blumhardt Landtagsabgeordneter für die SPD - eine Kombination, die heute in Menschen wie Eppler und Geissler weiterlebt. (Geissler ist Jesuit? Seit wann? Gut, streiten wir nicht um Kleinigkeiten).
Oder schauen Sie auf das Dritte Reich: Bonhoeffer! Scholl! Stauffenberg! Bodelschwingh! Klepper! Niemöller! Alles Prostestanten! Wie viel Prozent der Deutschen....? Aber jetzt doch keine Statistik! Es geht hier um Leuchtgestalten! Nun, wenn Sie es wissen wollen, die Deutschen Christen waren eindeutig in der Mehrheit, aber so etwas von eindeutig...
Ich war 1980 auf dem Kirchentag in Hamburg und habe eine glühende Predigt von Ernesto Cardenal gegen die Politik der USA erlebt, so eindeutige, klare Worte... Wie? Der ist auch Katholik? Gut, Ausnahme.
Dann sehen wir uns doch das Hauptproblem der Katholischen Kirche an: Den Missbrauch. Katholische Geistliche missbrauchen fremde Kinder, evangelische nur ihre eigenen, das ist doch ein klarer Unterschied. Ich lüge? Vor zwei Jahren trat Bischöfin Maria Jepsen zurück, weil sie den Pastor Dieter K. geschützt hatte, der seine Adoptivsöhne vergewaltigt hatte.
Nun, hören wir doch auf, mit Fingern auf einander zu zeigen.
Ach, Freikirchler! Auf euch habe ich ja noch gewartet. Wer hat Bush die Waffen vor dem Irakkrieg gesegnet? Der Evangelist Billy Graham.
Ich denke, dass Glaube und Macht einfach eine schlechte Kombination sind. Wie der Ring jeden korrumpiert, der, von edlen Motiven durchdrungen, ihn nimmt.
Daher warne ich Sie: Ich bin überzeugter Christ. Sollte ich irgendwo kandidieren: WÄHLEN SIE MICH NICHT!!!

Montag, 4. Juni 2012

Zwergen-EM

Völlig unbemerkt und total im Schatten von Polen/Ukraine ging letzten Samstag in Reykjavik die so genannte Zwergen-EM zu Ende. In diesem Wettbewerb messen sich Fussballmannschaften von Ländern, die eine gewisse Grösse nicht überschreiten und niemals eine Chance haben, an einer normalen Meisterschaft teilzunehmen: Island, Luxemburg, Liechtenstein, Andorra, Monaco, San Marino und der Vatikanstaat. Es war insgesamt ein grossartiges Ereignis. Gut, Querelen gibt es überall und gerade bei kleinen, eigenwilligen Nationen fallen diese irgendwie spezieller, aber auch farbiger aus als bei den grossen. So musste zum Beispiel eine Regel der isländischen Stadien von den anderen Mannschaften erst geschluckt werden: Wenn irgendwo auf dem Spielfeld ein Troll auftaucht, darf diese Stelle nicht angespielt werden, tut man es doch, gibt es gelbe oder - bei Verletzung des Trolls -  rote Karte, ein bisschen kompliziert daran ist, dass die nicht-isländischen Mannschaften diese kleinen Zwerge gar nicht sehen.
Die Mannschaft des Vatikan lief - übrigens ganz reizend statt im Fussballdress in Kurzkutte - ohne Ehrenbuben ein, die Jungens hatten sich schlicht und einfach geweigert, mit dem Rücken vor einem Priester zu stehen.
Der Schiedsrichter aus Monaco eckte an, weil er, statt einen Anpfiff zu machen, stets "faites vos jeux" brüllte und bei einem Foul "rien ne va plus" schrie, wo er einfach hätte pfeifen sollen. Aber auch er gewöhnte sich um.
Eine brutale Art von Vandalismus legten die Fans aus Andorra an den Tag. Das Grandiose an der Innenstadt von Reykjavik sind ja die bunten Häuser, aber immer wieder erwischte man Hooligans aus dem Pyrenäenstaat, wie sie in äusserster Brutalität versuchten, die Hauswände weiss anzustreichen.
Die Liechtensteiner und Luxemburger Anhänger gerieten immer wieder in Streitereien, die sich aber weniger um Fussball, als um die Frage, wer am meisten illegales Geld im Land habe, drehten. Wohl gemerkt, jeder wollte das meiste gebunkert haben, aber bei geheimem Geld ist der Nachweis ja schwer.
Der Sieger des Turniers hiess schlussendlich San Marino, was den kleinen Staat zwischen der Emilia Romagna und den Marken in einen Freudentaumel versetzte. Die Mannschaft hatte nämlich erst ein einziges Mal überhaupt ein Spiel gewonnen (29.4.2004 gegen Liechtenstein) und nimmt mit 5 anderen Ländern den letzten Rang der FIFA-Liste ein. (das stimmt echt)
Das zeigt aber nur deutlich, dass es eine solche Zwergen-EM braucht.