Freitag, 6. Februar 2015

Warum erkennt man Nutten nicht mehr am Aussehen?


Es ist doch wirklich schrecklich, dass man heute die Nutten, die Huren, dass man die Damen der Halbwelt, die Prostituierten und Dirnen, dass man die Stricher und Callboys nicht mehr klar erkennen kann. Es ist schrecklich, dass man es mit solchen Leuten zu tun hat und gar nicht weiss, dass sie solche sind.
In einem ihrer herrlichsten Sketsche der Serie LADYKRACHER spielt Anke Engelke eine Nutte, die ihrem Mann, mit dem sie seit Jahren zusammen ist und zwei Kinder hat, plötzlich klar macht, dass sie eigentlich eine Käufliche ist: „Schatz, es sind jetzt fünf Jahre und wir müssen nun mal abrechnen.“ Der Mann fällt aus allen Wolken, das Witzige ist, dass die Nachbarn und auch die Kinder das wussten.
Im Mittelalter gab es ein wasserklares Zeichen für die Frauen des ältesten Gewerbes: Rote Schuhe. Obwohl das eigentlich, der Exkurs sei gestattet, gar nicht das älteste Gewerbe ist, die ältesten Gewerbe sind der Musiker, der Arzt und der Priester, die wurden schon von den Nomaden in einer Person, dem Medizinmann oder Regenmacher, freigestellt, Prostitution brauchte die Kultur der Stadt. Aber sei’s drum. Wie man den Stricher und Callboy erkannte, weiss ich nicht, wahrscheinlich gab es den gar nicht, weil schwuler Sex ja vom Teufel war. Später gab es wieder ein eindeutiges Zeichen: Rauchen. Eine Frau, die auf der Strasse rauchte, war eine Dirne.

Aber abgesehen von solchen Dingen war es doch die Kleidung, das Outfit, die Aufmachung, die einem Indizien lieferte. War der Rock sehr eng und kurz, war die Schminke sehr dick, war das Top geschmacklos und auffällig, waren die Absätze meterhoch und die Haare gefärbt, war das doch sicher eine Hure. War die Hose so eng, dass sich die Arbeitsmittel abzeichneten, betonte noch ein schillernder Gürtel das Ganze, war das Top hauteng, glitzernd und ärmellos und der Träger jung, sehr jung, dann konnte man von einem Callboy ausgehen.

Aber heute? Wenn man durch die Konzerthallenfoyers und Hotellobbies schlendert, sieht man so viel grelle und geschmacklose, so viel ordinäre und schrille Kleidung, dass man sich einfach nicht mehr sicher sein kann. Die Dame da drüben, die genauso aussieht wie die Roberts in Pretty Woman VOR ihrer Shoppingtour, ist vielleicht Kuratorin der Richter-Retrospektive, die man so toll fand. Der junge Mann da drüben, der genauso aussieht wie Layke Anderson in House of Boys, ist vielleicht ein CEO eines mittelständischen Unternehmens im Casual-Look, die CEOs werden ja auch immer jünger.

Insofern: DSK ist in dem Punkt entschuldigt! Ihm war einfach nicht klar, dass seine Sexorgien Orgien mit Nutten waren, er hielt sie (O-Ton) für Damen der Gesellschaft und wir haben ja gezeigt, dass man das wirklich nicht mehr sehen kann. Nein, Strauss-Kahn kann man nichts vorwerfen, wie soll er denn wissen, dass er da 10 Huren so in seinem Bett hat wie Mackie Messer die Damen von Turnbridge. Und deswegen stehen die Franzosen ja immer noch hinter ihm, ja, viele halten ihn immer noch für den besseren Präsidenten.

Gut, Nutten kann man nicht mehr auf den ersten Blick erkennen, aber würde man es nicht beim ersten Kontakt merken? War DSK da nicht ein wenig naiv? Würde eine Dame der Gesellschaft nicht beim Vorschlag, sie für harten Gruppensex zu engagieren, laut aufschreien? Ich glaube, wenn ich eine noch so nuttig angezogene Dame im Festspielhaus Baden-Baden an der Sekttheke anspräche, würde sie mir das Programm von Mahler VIII so heftig ins Gesicht schlagen, dass der Name des Dirigenten, der auf dem Schriftstück in erhabenen Buchstaben steht, sich auf meiner Backe einprägen und ich eine Weile mit Barenboim auf der Wange rumlaufen würde.
Ich glaube, wenn ich den smarten Boy an der Theke früge, ob ich ihn engagieren könnte, würde er antworten: „Ich arbeite schon lange nicht mehr als Unternehmensberater, aber ich kann Ihnen ein paar gute Kollegen nennen. Oder was hatten Sie gedacht – Sie perverses Schwein?“

Nein, so ganz glaube ich DSK seine Ausrede nicht. Abgesehen davon, wie verachtend er seine Damen bezeichnete, von Material war da die Rede, Material sollten seine Assistenten liefern, er brauche Material. Das ist menschenfeindlich.
Aber die Franzosen scheinen ihm das nicht übel zu nehmen. Was ist mit denen los? Sie leiden am JFK-Syndrom: Einen Politiker besinnungslos zu lieben und ihm ALLES, aber auch ALLES zu verzeihen, so wie die Amis Kennedy jeden seiner 567 Seitensprünge nachsahen. Kennedy meinte wahrscheinlich auch, die Dame, die an seinem Wiegenfest "Happy Birthday" ins Mikro hauchte, sei seine Gattin gewesen, nur dass sie eine blonde Perücke trug.

Nein, ich habe da meine Zweifel an DSK.

So, genug für heute. Jetzt gehe ich in die Disco. In meiner engsten Hose und in meinem glänzendsten Top. Und in meinen grellsten Schuhen. Und ich lege ganz viel schweinesüsses Parfüm auf. Aber keine Angst: Ich bin längst aus dem Alter, in dem man mich für einen Callboy halten könnte.      

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