Freitag, 29. Mai 2015

Eine Frau darf nicht die FIFA anlangen



Es gibt Witze und Wortspiele, die so auf der Hand liegen, dass sie nicht mehr besonders originell sind. Wenn mir jemand sagt, dass das Leben hart und ich Herter sei, dann entlockt das mir nur noch ein sehr müdes Gähnen. Als der Semiotiker aus Bologna seine Weltkarriere startete, machten sämtliche Feuilletons Sprüche wie L‘autore qui fa l’eco (der Autor, der Echo hervorruft) und fanden sich überschäumend einfallsreich. Genauso ist es jetzt mit Loretta Lynch: Wenn eine mit diesem Namen in der Justiz arbeitet, hat sie das Wortspiel Lynch-Justiz schon so oft gehört, dass sie nicht einmal mehr mit der Augenbraue zuckt.
Und dennoch ist es wahr: Die Dame, die hier meint gegen die FIFA stürmen zu dürfen, betreibt genau das.
Ich bitte sie: Das geht doch gar nicht.
Das geht doch gar nicht, dass hier eine Frau (!) in Sachen Fussball (!) ermittelt und Massnahmen ergreift.
Es ist für Männer ja schon schlimm genug, wenn sie von Frauen gedemütigt, beleidigt, wenn sie von Weibern geschlagen, getreten und verletzt werden. Umgekehrt natürlich auch, aber da ist es natürlich, eine mächtige Frau IST gegen die Natur. Hunderte von Geschichten, Theaterstücken, Opern und Operetten wissen davon zu erzählen: Falstaff wird zu seiner grossen Schande von den Merry Wives in einen Waschkorb gesteckt und Oberst Ollendorf, der im Bettelstudent nur ein Kompliment machen wollte, wird mit einem Fächer geschlagen, worauf er traurig singt:
Ach, ich hab sie ja nur auf die Schulter geküsst…
Donizettis Don Pasquale bringt es auf den Punkt:
Bist verloren, Don Pasquale, bist verloren, Don Pasquale, von der eignen Frau geschlagen
Und mir bleibt ein einzig Mittel: Ich geh fort und häng mich auf…

Schlimmer ist es dann, wenn Frauen als Amtspersonen agieren. Welcher Mann lässt sich gerne von einer Frau kontrollieren? Natürlich keiner. Welcher Mann lässt sich gerne von einer Frau anklagen, verurteilen, welcher Mann steht gerne einer Frau Rede und Antwort? Welcher Mann erträgt es, wenn eine Frau in seinen Sachen herumschnüffelt, in seine Schränke guckt, in seinen Mails liest, welcher Mann würde einer Frau freiwillig seine Akten, seine Belege und Scheine, seinen Schreibtisch und seinen Hobbyraum zeigen?
Keiner. Keiner. Keiner.
Und so sollte es auch keine Staatsanwältinnen, keine Richterinnen und Polizistinnen, keine Zollbeamtinnen und Steuerfahnderinnen geben, es sollten keine Frauen bei Ämtern und Behörden und Grenzwachen arbeiten. Oder nur für Weiber zuständig sein.
Denn es ist für einen Mann entwürdigend, einer Person des schwachen Geschlechts sein Leben oder seinen Koffer zeigen zu müssen. Umgekehrt ist es etwas anderes: Die Frau soll dem Manne untertan sein, so steht es geschrieben.

Wenn nun aber so ein Weib (!) als Amtsperson (!) in Sachen herumagiert, die eine klare Männerdomäne sind, dann ist das der Gipfel, der Mount Everest, der Mont Blanc. Es verletzt uns Männer so tief, so grundlegend, dass eigentlich die Menschenrechtsstelle einschreiten müsste. Bereiche, aus denen sich Amtsfrauen fernhalten sollten, sind:
Bier
Autos
Angeln
Fussball
Die EU-Richtlinie über den Hopfengehalt von Weissbier MUSS von einem Mann geschrieben werden, Tempolimits auf Autobahnen MÜSSEN von Kerlen verhandelt werden und die Fischereigesetze MÜSSEN von Leuten überprüft und durchgesetzt werden, die nicht nur etwas im Kopf, sondern auch etwas zwischen den Beinen haben.
Und die FIFA darf nicht von einem Weibsbild angegriffen werden, das ist klar.

Die Frau hat sicher ein Fussballproblem, wahrscheinlich schaut ihr Mann zu viel Major League Soccer, und jetzt muss sie irgendwie um sich schlagen. Die FIFA ist nämlich sauber, sie hat das selber immer wieder intern kontrolliert und überprüft. Alle diese aufwändigen Eigenevaluationen ergaben: Null Kriminalität, null Korruption. Siehste.
Ich meine, kennt diese Tusse überhaupt die Fussballregeln? Weiss sie, was eine Abseitsfalle ist? Kann sie die WM-Austragungsorte der letzten 150 Jahre aufzählen? Weiss sie, wer Pelé, wer Maradona, weiss sie, wer Uwe Seeler und Franz Beckenbauer waren oder sind? Hat sie überhaupt schon einmal in einem Stadion gestanden? Also, wer nicht weiss, wann ein Eckball gepfiffen wird, hat keinerlei Befugnis, in Sachen Fussballverband etwas zu unternehmen. Und wer eine Schwalbe für ein Vögelein hält, das in singulärem Auftritt noch keinen Sommer macht, soll die FIFA in Ruhe lassen.

Frau Lynch mag eine tolle Juristin sein, sie mag fair, klar, direkt und offen sein, studiert, gebildet und intelligent.
Aber sie ist eine Frau.

P.S. Ich habe diesen Post am Donnerstagmorgen geschrieben. (Ehrlich! Indianerehrenwort! Isch schwör!) Am Donnerstagabend erschien in BLICK AM ABEND ein Artikel, in dem dargelegt wurde, dass Loretta Lynch nur an ihrer Karriere arbeite, dass es bei ihr nicht um Fussball ginge, dass sie von Fussball keine Ahnung habe… In der Schlagzeile fand sich das schöne Wortspiel LYNCH-JUSTIZ. Hier sind Redakteure wieder einmal zu geistigen Höhenflügen aufgestiegen, die einen staunen machen.





Montag, 25. Mai 2015

Gebühren(?) für Sauna, Badehose, Duschen und Handtuch

Ich stosse auf eine Anzeige:

Neueröffnung: ELDOBADO® in Bagglingen-Wüllinshofen
20 Rutschbahnen, 50m-Becken, 25m-Becken, Planschbecken, Sprungturm (15m, 10m, 5m, 3m), 3000qm Saunalandschaft, grosse Liegewiese, Cafeteria.
Mo-So 7.00 – 22.00
Tageskarte Erwachsene 10.-

Wow, denke ich, wow, das ist ja ein Superpreis, und obwohl ich ja nur schwimmen will (vielleicht einmal rutschen und ein wenig in der Sonne liegen), beschliesse ich, nach Bagglingen-Wüllinshofen zu fahren und das Eldobado – welcher Texter hat das wohl wieder verbrochen? – in meine Schwimmbadsammlung einzufügen. Die Fahrt kostet mich ja dank meines Generalabonnements nichts.
Ich reise an, finde das imposante Gebäude, trete ein, finde die Kassa und lege der Kassiererin lächelnd einen Corbusier (s.unten) hin.
„Danke, aber da kommt noch die Saunagebühr dazu.“ „Die Saunagebühr?“ „Ja, es gibt eine obligatorische Saunagebühr.“ Als ich sie darauf hinweise, dass ich gar nicht saunieren WOLLE, erklärt sie mir, es gebe zwischen Bade- und Schwitzbereich keine Schranke, ich KÖNNE also jederzeit in den Saunabereich gelangen, KÖNNE das klassisch finnische, aber auch das türkische, das mongolische, das indianische und persische, sowie das chinesische, indische und baskische Dampf- und Schwitzbad benützen. Ich wiederhole, dass ich nicht dampfen, brodeln und schwitzen WOLLE, aber das ändert nix.

Ich stecke den Corbusier ein und zücke zwei Honegger. „Rutschbahngebühr“, sagt sie mit süssester Stimme. Es wiederholt sich der Dialog mit anderen Worten, ich bestehe darauf, nicht rutschen zu WOLLEN, sie weist darauf hin, ich KÖNNE für die Gebühr auch alle Rutschen berutschen, die Looping-, Kessel- und Pfeilrutsche, die Bahnen Hellsangels, Blautrichter und Highspeed, sowie viele andere mehr.
Ich stecke meine Honegger weg und zücke eine Taeuber-Arp und wieder den Corbusier.

Aber es bleibt nicht bei diesen 60 Franken:
Für das Ausleihen einer Badehose, eines Handtuchs und einer Schwimmbrille werden noch einmal Gebühren fällig. Meine inzwischen flehentlich, ja bittigst, ja tränenreich dargebrachten Ausführungen, dass ich alles dabei hätte, Badehose und Brille, und schliesslich - ich bin ja Adamianer - wüsste ich auch, wo mein Handtuch ist, werden abgewiesen, für die kleine(?) Gebühr von je 15.- KÖNNE ich in einer schwarzen Superelastanbadehose schwimmen, einem Kleidungsstück, das meinen Hintern wie einen 20jährigen Po aussehen liesse, das Handtuch, das ich nehmen KÖNNE, sei aus echter Pandawolle gewebt und würde mich beim Rubbeln in philosophische Dimensionen befördern und die Brille: Marc Spitz habe keine bessere gehabt. Ich zetere und schreie, ich hätte ein Tuch und eine Schwimmaugenschützung und mein Hintern würde, egal in welcher Hose, halt wie 50 aussehen. Vergebens.

Am Ende liegt ein Giacometti und ein Honegger auf dem Drehteller, 15.- zahle ich noch fürs Duschen, dafür KANN ich auch eine ganze Stunde unter dem Prasselwasser bleiben, bis ich schrumpele. Das ELDOBADO® in Bagglingen-Wüllinshofen ist somit teurer als alle anderen Spassbäder (eigentlich heisst es "freizeitorientiert", weil Streckenschwimmer das scheins beruflich machen...) der Schweiz.

Nun aber mal ehrlich:
Das sind doch keine Gebühren.
Wenn ich ständig für etwas zahlen muss, dass ich gar nicht will, dann ist das einfach ein überhöhter Eintrittspreis.
Das wäre so, wie wenn man von Leuten, die keinen Fernseher haben, eine TV-Gebühr verlangte, das wäre so, wie wenn man eine Internetrundfunkgebühr einzöge, auch wenn die Person gar keinen PC hätte, ja so, wie wenn man selbst von Waldbewohnern, die nicht einmal Strom haben, den vollen Betrag verlangte.
Aber auf so eine blöde Idee kommt ja niemand. Wer Radio hört, zahlt Radio, wer fernguckt, zahlt TV, wer einen PC hat, zahlt auch das Webradio mit, alles andere wäre ja Schwachsinn.
Eine Gebühr, die man blechen muss, obwohl man das begebührte nicht nutzt, ist keine Gebühr.
Sondern ein Eintritt.
Oder eine Steuer.
Oder eine Zwangsabgabe.

Auf eine W-Lan-Gebühr kommt das Spassbad sicher auch noch, dann sind wir wahrscheinlich bei einem Giacometti und einer Taeuber-Arp.

P.S. Für meine nichtschweizer Leserinnen und Leser:
Auf den CH-Geldscheinen sind die folgenden Persönlichkeiten abgebildet:
10.- Le Corbusier
20.- Arthur Honegger
50.- Sophie Taeuber-Arp
100.- Alberto Giacometti

Freitag, 22. Mai 2015

Über (F)anale und (D)ummheit



Es ist von meiner Qualitätskontrolle minutiös gecheckt worden, ob im letzten Post wirklich kein P drin ist: Es war keines drin.
Aber es hat Spass gemacht, das mit dem fehlenden „P“. Die berühmte Pariser Schreibschule Oulipo hat ja ihren Studenten Aufgaben dieser Art gegeben, um ihre Kreativität durch Suchen eines Umwegs zu fördern: Da musste man Texte ohne „E“ schreiben, ohne männliche Wörter, ohne Partikel, da wurde der Wortwert (A=1, B=2) und der Satzwert errechnet, da wurde anagrammiert und palindromisiert. Einer meiner QAs hat dann tatsächlich im Roman Fortgang, der ohne „E“ auskommt – man stelle sich das einmal vor, das ist im Deutschen wie im Französischen eine Herkulesaufgabe – ein „E“ gefunden, allerdings nur eines.
Ein „P“ wegzulassen ist da natürlich viel einfacher, aber es bringt manchmal witzige Wörter hervor.

Man kann das übrigens mit jedem Buchstaben machen, hätten Sie nicht gedacht, gell? Früher kursierten bei uns zwei Sätzlein, die man rufen sollte, wenn man an einer guten Echostelle ist, so in den Bergen und so:

Wie heisst der Bürgermeister von Wesel? – (Esel)
Was hat der Jäger in der Tasche?– (Asche)

Hat übrigens nie funktioniert. Auch wenn Böll in seinem Roman Haus ohne Hüter das Echo der Kapellenwand den Pfarrer wiederholen lässt, der von -ührer, -olk und -aterland  redet (!!!), dann geht das technisch nicht, wird aber zu einem der Leitmotive dieses Buches.

Viele Sprichwörter funktionieren nach dem Muster Erster-Buchstabe-weg:

Eile mit Weile.
Nomen est Omen.

Gut, treiben wir das Spiel ein bisschen.
Da sind z.B. die Romane und Texte von Autorinnen und Autoren, die früher Fanal waren, jetzt aber feuchtgebietsoid nur noch anal sind, da sind die Waffenhändler und Waffenlobbyisten, die, sieht man ihnen ins Gesicht, sich als affenlobbyisten entpuppen. Da sind Trostworte, die so vergammelt sind, dass es rostworte werden, noch zynischer ist der Gedanke, dass der Priester der Hexe auf dem Scheiterhaufen rostworte zuspricht.
Wollte man früher ein bisschen Tapetenwechsel, machte man eine Wallfahrt, heute, wo man schon die ganze Welt gesehen hat, wird es halt eine allfahrt, kostet – welch schönes Wortspiel – gar nicht die Welt, sich ins All schiessen zu lassen.
Wollte man früher gesund werden, ging man in Kur und liess sich eine Zeit lang ausgiebig behandeln, ausgiebig gibt es nicht mehr, der frisch operierte Patient wird mit blutigen Bandagen auf die Strasse gesetzt, man braucht  wieder Betten, es wird ihm noch genau erklärt, wie er die Verbände wechseln soll, hier ist also aus der Heilkunde eine eilkunde geworden.
Früher nahm man den anderen, die andere beim Wort und konnte ihn oder sie auch beim Wort nehmen, heute nimmt man seine Mitmenschen nur noch beim ort. (Ich weiss, wo du bist, ob du lügst, kann ich nicht sagen.)
Und der Gang von Steuer zu teuer ist ja fast schon sprichwörtlich.

Das Schönste aber ist die ummheit.
ummheit ensteht, wenn die Zeit eines dummen Menschen um ist, und zwar wegen seiner Dummheit. ummheit  ist, sich parlamentarische Vorstösse von ausländischen, vorzugsweise lybischen oder syrischen Lobbyisten schreiben zu lassen, ummheit ist auch, wenn zwei Politikerinnen die tupfen- und tüpfeligleiche Rede halten, weil sie dieselbe PR-Agentur haben. (Zu sehen bei Giacobbo/Müller) ummheit ist aber auch, sich VOR Stellenantritt oder WÄHREND der Probezeit negativ über Chef, Mitarbeiter, Arbeitspensum und -gebiet, negativ über Kantine und Kunden zu äussern, und zwar auf Facebook, WhatsApp UND Twitter, dann ist man so etwas von umm, ummer geht gar nicht. – Und ich verstehe den Shitstorm nicht, der über die Chefs hereinbrach, wer die Arbeit so Scheisse (s.v.v.) findet, dass er oder sie es 5000 Followern mitteilen muss, muss den üblen Job auch nicht weiter machen.
ummheit gibt es übrigens für umme.

So, liebe LuL, jetzt können sie ein wenig selber spinnen. Ja, auch pinnen, wenn sie etwas Lustiges gefunden haben. Lassen Sie einfach bei jedem Nomen und bei jedem Verb den Anfangsbuchstaben weg.

Es war kein p in meinem letzten Post, das habe ich genau gecheckt. Eigentlich hat es WORD® geprüft, denn das Suchprogramm findet jedes Zeichen eines bestimmten Typs im Text.

Es gibt leider noch kein Suchprogramm, dass (D)ummheit in Texten aufstöbert.

Leider.

Dienstag, 19. Mai 2015

Streik!



Nein, nein, keine Angst, die Glosse ist nicht im Streik. Das geht ja auch gar nicht; da ich Ideengeber, Rechercheur, Schreiber, Redaktor und Chef in ersonalunion bin – nur die Qualitätssicherung ist outgesourct, Erzengel und artner - würde das keinen Sinn machen.

Sehen Sie, früher hatten die Schweizer doch ein klares Bild ihrer Nachbarn: Im Osten wurde Sachertorte gebacken und Walzer getanzt, im Westen Liebe und Revolution gemacht, im Norden wurde gearbeitet und im Süden gestreikt. Wer erinnert sich nicht an die leeren Bahnsteige in alermo oder isa, genauso wie die sich staelnden Müllsäcke in den Strassen von Neael. Nun ist es aber ganz anders: Die Leute in Deutschland haben den Streik entdeckt. Erst streikten die Lokführer(innen) und trieben Tausende in die Arme des Fernbusses, dann die Kita-Mitarbeiter(innen) und jetzt auch die ost.  Und es scheint ihnen Sass zu machen, die Lokis bekommen ja gar nicht genug davon, die nächsten Streiks sind schon angekündigt.

Deiner Dränger Schar erblasst
Wenn du, müde deiner Last
In die Ecke lehnst den flug
Wenn du sagst: Es ist genug.

Mann der Arbeit, aufgewacht
Und erkennen deine Macht
Alle Räder stehen still
Wenn dein starker Arm das will.

Kleiner Schönheitsfehler ist, dass die aktuellen Ausstände eben nicht die Schar der Dränger, die Bonzen, die Scheisskaitalisten, die Imerialisten und Monoolisten, die durch das Eigentum an den roduktionsmitteln das roletariat an der kurzen Leine halten, treffen, sondern eher die kleinen Leute. Ein freischaffender Musiker im Ruhrott, der darauf angewiesen ist, irgendwie von Castro-Rauxel nach Wanne-Eickel zu kommen, ein Eheaar, das zusammen eine eigene Agentur betreibt und sich darauf verlässt, dass der Kleine in die Kita kann, ein Miniunternehmer, der dringend Rechnungen verschicken muss, sie alle heben, wenn es HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT  heisst, erstaunt die Köfe und fragen: Gut, wir sind ja schrecklich solidarisch, aber wer ist solidarisch mit uns?  Der Bonze, der Scheisskaitalist mit Chauffeur und Kindermädchen bekommt von den Streiks gar nichts mit.

Vielleicht streiken die falschen. Vielleicht sollten mal andere den flug in die Ecke stellen und die Räder stillstehen lassen. Hier ein aar Vorschläge:

Die Lehrer
Sie sind die einzigen, deren Klientel hocherfreut über eine solche Aktion wäre. Kein Schüler, keine Schülerin würde sich fragen, wie jetzt Ersatz eingestellt werden kann, nein, sie verbrächten die Tage im Freibad oder vor dem Comuter. Man könnte die verasste Zeit nach einem vierwöchigen Streik auch mühelos aufholen, indem man a) den Unterricht ünktlich und nicht erst 10 Minuten nach dem Klingeln beginnt und b) vor der Klasse keine Stories labert sondern Stoff vermittelt.

Die BILD-Zeitungs-Macher
Welche Wohltat! Wer würde leiden, wenn es drei Wochen keine Lügen und Vorverurteilungen, keine nackten Weiber und keine Fettzeilen gäbe? Niemand. Eine Notbesetzung könnte aber auch die Geschichten von 2004 wieder hervorholen. Da die Dame, in deren Vorgarten wilde Kamfkaninchen ihr Unwesen treiben und die nicht mehr aus dem Haus kann, eh erfunden war, kann man sie jetzt auch nochmal bringen.

Die izzaboten
Wer braucht sie? Man kann eine izza mühelos selber herstellen: Teig kaufen, Tomaten drauf, nach Wahl belegen, Käse streuen, fertig. Wer das nicht hinbekommt, hat irgendwie ein Intelligenzroblem.

Kleiner Schönheitsfehler an meiner Idee: Das geht nicht alles nicht. Die Lehrer sind Beamte und haben Streikverbot, die BILD-Leute werden sofort erschossen, da herrscht bei Sringer Kriegsrecht und die izzaboten arbeiten als Scheinselbständige
(hoffentlich ohne ÖV-Anfahrt und ohne Kinder,
 siehe oben)

Die Deutschen haben das Streiken entdeckt. Und wir können nur hoffen, dass das neue Siel, wie jedes neue  Siel auch wieder langweilig wird.

.S.
Der Buchstabe „ “ befindet sich zurzeit in einem Warnstreik. Seine Forderung: Nicht mehr für so schlimme Wörter wie leiten, ech und annen oder arteienlandschaft und ädagogik verantwortlich zu sein.


  


Freitag, 15. Mai 2015

Klotzen!



Ich habe – wieder einmal – ein Problem mit Trauermotten. Wobei sie eigentlich kein Problem darstellen: Sie nicht giftig, sie sind nicht laut, sie schaden der Pflanze nicht, sie fressen keine Nahrungsmittel und sie machen nichts kaputt. Sie schweben einen Tag herum und lassen sich dann zum Sterben nieder und ebendas ist das Problem: Du wirst am Herd, auf dem Sofa, beim Rasieren und am PC von kleinen schwarzen Punkten umschwirrt und beim Putzen fegst und wischst du gefühlte 1.000.000 tote Tiere weg. Ich habe Gelbfallen aufgestellt, ich habe Sticks in die Erde getan, alle noch ohne den wirklichen Effekt. Nun habe ich aber heute noch einmal auf die Stickpackung geschaut und gemerkt, dass ich einfach zu wenig genommen habe. Für einen 45 cm- Durchmesser-Topf brauche ich nicht zwei sondern sechs! Ich muss also hier klotzen und nicht kleckern, ich muss hier mal richtig verschwenden und nicht sparen, hier muss eine ganze Menge ran.

Manchmal muss es einfach viel sein.
Manchmal muss man einfach übertreiben.
Manchmal ist die homöopathische Dosis die falsche.

Das ist jetzt ein relativ revolutionärer Satz, denn die Devise des 21. Jahrhunderts ist Mässigung.
Wollen Sie Beispiele?
Während früher Tee ein goldgelbes, aromatisches, belebendes und putschendes Gesöff war – Mach ihn stark, hörst du? Ich will den Tee stark haben sagt die Mutter bei Thomas Bernhard in Am Ziel – trinkt man heutzutage ein gefärbtes Wasser, das sich Chai nennt und mischt dieses Spülwasser auch noch mit Milch, was einen Chai Latte ergibt, eine Flüssigkeit, bei der mir die Leute, die sie vor sich haben immer entsetzlich leidtun: Müssen sie dieses etwas, das aussieht, als hätte man einen Pinsel mit weisser Farbe zum Auswaschen reingestellt, wirklich in ihre Speiseröhre leiten?

Wenn ich nach einem Tag Aufbaustudium Dirigieren in Trossingen am Abend auch noch einen Termin in Freiburg hatte, nahm ich einen Ristretto in der Kolben-Kaffee-Akademie am Martinstor, eine Adresse, die auch Baslern bekannt ist. Dieser Hypercaffè fuhr wie ein LSD-Schub in dein Zentralnervensystem und riss dich wie eine Marionette, die am Boden liegt und nun an allen Schnüren gezogen wird, hoch. Heute trinkt man koffeinfreien Cappuccino – wenn es geht, auch lactosefrei – lassen Sie sich das mal auf der Zunge zergehen, nein, natürlich nicht diese Perversion eines Kaffees, sondern die Vorstellung: Ein Getränk, dem das entscheidende fehlt, gemischt mit artfremdem weissen Zeug.

Heutzutage kann es sein, dass Sie auf eine Party eingeladen werden, bei der Sie mit drei Millilitern Prosecco begrüsst werden, vom Hinweis sekundiert: „Das ist nur zum Anstossen, der Rest des Abends ist natürlich alkoholfrei.“ Und Sie hoffen, dass irgendjemand den Gastgeber gut kennt und heimlich ein paar Drogen (Beaujolais, Dôle oder Montepulciano) eingeschmuggelt hat.

Nun werden Sie einwenden, dass Hypotoniker und Herzkranke, dass Menschen mit gesundheitlichen Problemen doch eher… Einverstanden.
Aber das ist es ja gerade: Während früher der KAFFEE HAAG® ein typisches Altherren- und Altdamengetränk war, während früher die Über-80-Jährigen bei Wein, Bier und Schnaps „ein bissle aufpassen“ mussten, sind es heute topfitte, junge, durchtrainierte Leute, die sich zum Fitnessteller ein alkoholfreies Weizenbier bestellen und das Menü mit einem kalorienreduzierten Dessert und einem koffeinfreien Cappuccino oder einem Chai Latte abschliessen. Leute, deren Körper ein Heute-Schlagen-Wir-Über-Die-Stränge-So-Jung-Kommen-Wir-Nicht-Mehr-Zusammen gut verarbeiten könnte.

All das kommt wieder einmal aus Amerika, und so ist es besonders schön, wenn es in Klara oder die Liebe zum Zoo von einer in den USA lebenden Deutschen heisst:

Sie wollte jetzt vor allem Alkohol.
Und fettes, ungesundes Essen.
Und von allem viel.

Das ist unglaublich frech in einem Staat, in dem Fitness Religion ist und jeder seinen Hometrainer unter dem Bett hat, in dem der Satz „Ich gehe jetzt eine rauchen“ gleichkommt mit „Ich gehe jetzt einen Knaben schänden“ oder „Ich gehe jetzt eine Bank überfallen“, ein Land, in dem ganze Bundessstaaten von Joggern (California) oder Antialkoholikern (Utah) regiert werden, ein Land, das den Entkoffeinierten Cappuccino und wahrscheinlich auch den Chai Latte erfunden hat, da ist dieser Satz fast wie ein Fanal.

Sie wollte jetzt vor allem Alkohol.
Und fettes, ungesundes Essen.
Und von allem viel.

Manchmal muss es eben viel sein, manchmal braucht es unhomöopathische Mengen, manchmal muss man klotzen.
Und wenn mich jetzt jemand für einen kettenrauchenden Delirier hält, der eine Fresswampe vor sich trägt, wenn jemand mich als völlig unverbesserlich ansieht, dann hat er ein Wort überlesen:
Manchmal.
Nicht immer.
Manchmal.

So, und nun werde ich meine Töppe mit 500 Sticks versehen. Und danach gibt es fettes, ungesundes Essen. Und Alkohol. Und danach gibt es einen Ristretto, denn für mich ist alles andere immer noch Opa-Kaffee, denn immerhin sagt die reizende junge Dame in dem Spot, indem in den (verwechselten) Koffer von George Clooney geschaut hat: „I thought you were more… Ristretto. Good night, Mr. Decaffeinato.“