Freitag, 13. Februar 2015

Buch, Haus, Sohn und Baum

Einen Sohn zeugen.
Einen Baum pflanzen.
Ein Haus bauen.
Ein Buch schreiben.

Dies die Dinge, die ein Mann in seinem Leben erledigen sollte.
Jetzt werde ich morgen 50 - in Worten: FÜNZIG! - und habe noch keine von diesen Sachen gemacht. Ich erreiche morgen ein biblisches Alter, das Seniorentum beginnt, der Rollator ist bestellt und ich für die Wohnung mit integrierter Pflege vorgemerkt, ich werde 50 und habe noch nix getan.

Einen Sohn zeugen.
Einen Baum pflanzen.
Ein Haus bauen.
Ein Buch schreiben.

Wobei das ja heute doch alles etwas anders aussieht: Buch und Haus sind Geldfragen. Wer "ein Haus baut" mauert und zimmert ja nicht mehr, er setzt keine Steine und Balken aufeinander, er rührt keinen Mörtel und keinen Leim, er sucht sich einen Bauplatz und einen Architekt und einen Bauunternehmer - und (am wichtigsten) eine Bank. Den Rest erledigen die Fachleute vom Bau und die Fachleute des Geldinstitutes bezahlen. Mit dem Buch ist es genauso: Jeder kann ein Buch herausbringen - in einem dieser Verlage, die so gerne Ihr Machwerk drucken lassen, wenn Sie denen einen Druck- und Marketingvorschuss von ca. 10.000.- überweisen.

Mit dem Zeugen ist es inzwischen noch mal anders, ich werde am Dienstag ausführlicher darauf eingehen. Auf jeden Fall heisst "zeugen" nicht mehr unbedingt, Sex zu haben, seinen erigierten Penis in eine Scheide zu führen und dort zu einem Samenerguss zu kommen. Der Erguss kann auch in ein Reagenzglas erfolgen, den Rest erledigen Repro-Mediziner.
Aber müsste der Satz nicht sowieso heissen: Einen Sohn grossziehen? Ich meine, eine Frau zu schwängern ist ja nicht die allergrösste Kunst, das bekommen sogar Teenager aus Versehen hin, ist es nicht die grosse Kunst, einen jungen Menschen so ans Leben heranzuführen, dass aus ihm - ich lehne mich an Brecht (sic)- weder ein Einbrecher noch ein Bankdirektor wird, weder ein Mörder noch ein HR-Typ, weder ein Aktionär noch ein Türenknacker?

Einen Sohn zeugen.
Einen Baum pflanzen.
Ein Haus bauen.
Ein Buch schreiben.

Wenn ich die Sache aber ein wenig kleingliedriger sehe, ein wenig aufspalte, splitte, teile, dividiere und aufdrösele, dann habe ich doch alles gemacht.

Ich habe kein Buch geschrieben, aber inzwischen 340 Posts veröffentlicht, die im Durchschnitt von 44 Leuten gelesen wurden. Damit habe ich mehr Leser als die Kulturgeschichte der Hethiter in 14 Bänden von Prof. Dr. Scheitz-Gröbel (Frankfurt 1999), der Lyrikband Nasen im Nebel von Griefhold Seibest (Berlin 2007) und das 1000seitige Handbuch der modernen Ikebana von Mashuki Tonobashi (Stuttgart 2001). Dass diese Dinger in Bibliotheken stehen, heisst nix, jede historische Abteilung z.B. MUSS den Hethiterschinken kaufen, ich rede von lesen.

Ich habe kein Haus gebaut, aber bei x Häusern umbauen geholfen. Staunen Sie, wenn man mir nämlich was gut erklärt und mich ein wenig beaufsichtigt, bin ich gar nicht sooo ungeschickt. So habe ich tapeziert und gestrichen, ich habe Mörtel, Gips und Kleister gerührt, ich habe Bäder gefliest und Böden verlegt. Ich habe keinen Baum gepflanzt, aber geschätzte 800x Blumen ein- und umgetopft, Ableger gezogen und in die Erde gebracht, ich gab Schefflera, Forellenbegonien in die Erde, ich setzte Rosen und Kakteen, Wasserlilien und Sukkulenten in ihre neue Behausung.

Ich habe keinen Sohn gezeugt, weder im Bett noch im Glas, ich habe auch keinen grossgezogen, aber ich habe bei Hunderten von jungen Burschen ein wenig, ganz ein wenig mitgeholfen, sie fürs  Leben auszurüsten, zu schauen, dass sie in keine Banken einbrechen und keine gründen, dass sie keine Leute töten und keine einstellen, dass sie weder Aktien noch Dietriche besitzen. 

Kleinvieh macht auch Mist, viele Kekse sind auch ein Kuchen und ein paar Lehraufträge sind auch eine Professur. Viele Charakterstücke sind auch eine Sinfonie und viele Punkte geben ein Bild (zumindest wenn man Seurat ist)
Sagen wir also:

Einen Sohn zeugen oder viele miterziehen.
Einen Baum pflanzen oder ganz viele Zimmerblumen.
Ein Haus bauen oder ganz viele umbauen.
Ein Buch schreiben oder ganz, ganz, ganz emsig posten.

In diesem Sinne: Happy birthday to me!


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