Donnerstag, 29. September 2011

Blog-Ferien: Leseempfehlung

Die nächsten zwei Wochen bin ich fort und schreibe aktuell nichts.
(Und stelle auch keine Möwenfotos ins Netz)

Damit euch nicht langweilig wird, hier ein paar Buch"empfehlungen", sortiert nach Zielgruppe:

1.) Für Zornige:           Helene Hegemann: Axolotl Road Kill

Baut alle eure Aggressionen ab, es hat 600 mal  "Scheisse" und viele andere schöne Wörter in dem Text, am besten laut lesen, dann ist es besser als Scheiben zerschmeissen.

2.) Für Entdecker:       Der Mann ohne Eigenschaften   (ab Seite 1500)

Neuland! Dort war noch niemand, ich auch nicht, der Roman von Musil ist auf der Hitliste der "nicht weitergelesenen  Bücher" die Nummer 1. Vielleicht erwartet euch dort immer nur das gleiche Wort, oder nur leere Seiten? Wer weiss.

3.) Für Bodensee-Fans:      Alles von Martin Walser

Auch wenn das Buch in Mexiko oder auf dem Mond beginnt, bei Walser führt alles immer wieder an den Bodensee, schöne Heimatliteratur für gemütliche Kaffeestunden.

4.) Für Masochisten:          Bloch: "Tübinger Einführung in die Philosophie"

Kostprobe gefällig? "Das Aussen ist dunkel, das Wir ist Innen. Alles Innen ist hell. Das Bin ist mit dem Wir..."

5.) Für Schadenfrohe:      Goethe:  Schluss vom "Werther"

Ich freue mich immer, dass auch der grosse Geheimrat auf den Ossianschwindel hereingefallen ist. (Wir erinnern uns: Der angebliche altirische Dichter hatte nie existiert. Seine Texte waren vom "Entdecker", einem englischen Pfarrer, selbst gemacht.)

Und nun: Schöne Zeit!

Montag, 26. September 2011

Meine Partei

Ich habe vor einigen Jahren eine Partei gegründet; und weil mich Wischi-Waschi immer abstösst, hatte die Partei klare, konkrete Ziele:
·        Aufhebung aller Rauchverbote
·        Gratis-Kaffeeautomaten in allen öffentlichen Gebäuden
·        Ein zweites Hallenbad in Basel
·        Verbesserung des ÖV Richtung Birstal und Allschwil
Eindeutig formulierte, gute Ziele. Vielleicht ein wenig zu sehr an meinen persönlichen Interessen orientiert. So kam ich bei Podiumsdiskussionen doch ein wenig in Schwitzen, wenn ich gefragt wurde, warum ich nicht auch für Tee als Gratisgetränk sei. Ich konnte ja schlecht sagen: „Weil ich gerne Kaffee trinke.“ Also faselte ich von Wachheit und Wachsamkeit und mein Slogan „Koffeinschub für die Basler Wirtschaft“ geisterte immerhin zwei Tage durch die Medien. Auch, dass ich nicht generell für den Ausbau des ÖV war, sorgte etwas für Missstimmung.
Meine Partei hatte als Ziel 5% und kam auf 0,5%, teilt damit ihr Schicksal mit der deutschen FDP (Parole von Westerwelle war einmal 18%, letzte Berlinwahl 1,8%). Anders ausgedrückt haben Guido und ich beide unsere Marke erreicht, wenn man es mit Prozent und Promille nicht so genau nimmt.
Ich habe die Partei aufgelöst und eine neue gegründet. Da ich aus meinen Fehlern lerne, wurden die neuen Ziele allgemeiner formuliert:
·        Liebe
·        Frieden
·        Freiheit
·        Toleranz
Nein, das wird nicht mehr konkretisiert, denn konkretisieren heisst einschränken, und das will ich nicht. Und gegen meine Ziele kann niemand etwas haben.
Also: wählen Sie mich! Meinen Namen zweimal auf jede Liste! (Gleich unter oder auch über oder auch zwischen die zwei Malamas, das bleibt Ihnen überlassen)

P.S. Natürlich ist das alles Quatsch, ich darf ja erst in ein paar Jahren überhaupt abstimmen. (Und dann gründe ich mit anderen Neubürgern eine Anti-Einwanderungspartei, nach dem Motto: Wir sind drin, jetzt werden die Türen zugemacht.)

Donnerstag, 22. September 2011

Kenianisches Baumkänguru

"Haben Sie einen Moment Zeit?" Vor mir steht ein braungebrannter, junger Kerl mit kurzgeschnittenem, blonden Haar. Ich checke das Design seiner Jacke und werde fündig: PRO NATURA. Er will mir eine Mitgliedschaft verkaufen.Ich sage mein übliches Sprüchlein auf: Ich spende schon einer internationalen (Save the children) und einer regionalen Organisation (IVB) und möchte mich nicht verzetteln, wenn ich Geld habe, bekommen die etwas. "Aber die Umwelt fehlt noch in Ihrem Spektrum." Der ist gut, der Mann, denke ich, der ist gerissen, das wird nicht so einfach. Ich wiederhole mein Sprüchlein und füge hinzu, dass die Hinzunahme der Umweltschützer zwar keine thematische, aber eine finanzielle Verzettelung wäre."Das Aussterben des Kenianischen Baumkängurus ist Ihnen egal?" Der ist clever, denke ich nochmal, der ist gut, der wird es weit bringen. Ich schaue mir mein Gegenüber erneut an: Unter der aufgeknöpften Jacke spannt sich ein enges weisses T-Shirt über kräftigen Muskeln, wenn es zum Kampf kommt, sehe ich alt aus. Trotzdem sage ich ganz frech: "Ja! Es ist mir egal! Ein Tier, das ich bis vor zwei Minuten gar nicht kannte, geht mir schlicht nicht so zu Herzen." "Und der Tibetische Schlappschwanztiger? Die Argentinische Halbmaus?" "Jetzt mach aber mal einen Punkt! Die Tiere sind dir genauso wurscht wie mir, du machst das hier, weil du Geld kriegst!" Seine Beine zucken, sein Bizeps spannt sich und ich suche das Weite.
Schlappschwanztiger...Wann fing das eigentlich an mit den Profi-Fundraisern, mit den Callcenterboys? Seit wann gibt es hier kein Herzblut mehr? Früher waren die Diskussionen spannender, als noch Leute da waren, die für eine Sache kämpften, die ihnen wichtig war.
Heute habe ich in der Zeitung gelesen, dass in Afrika das Problem einer Überpopulation von Baumkängurus besteht. Sie fressen alles kahl, zerstören den Regenwald, dringen in Häuser und Scheunen ein. Zudem sind sie sehr intelligent. Ein Kenianer behauptet, ein Baumkänguru habe von seinem Handy aus eine obszöne SMS verschickt. Gut, ob das stimmt? Jedenfalls: Wenn eine Organisation Geld für das Abschiessen dieser Tier sammeln sollte: Ich bin dabei.

Montag, 19. September 2011

Deutsche Utopien III / Nr.1

Die „Deutschen Utopien I und II“ wurden Ende der 70er Jahre von Heinrich Böll veröffentlicht. Er malt in ihnen kleine surreale Bilder wie „Dutschke bei Strauss zum Kaffee“ und ähnliche Situationen. Die Utopien III sind eine Hommage an den grossen Autor und erscheinen in lockerer Folge. Natürlich haben sie einen leicht bissigen Unterton; es möge sich niemand auf den Schlips getreten fühlen.

Deutsche Utopien III/1

Bei seiner Predigt im Freiburger Münster betont Benedikt XVI die Rückkehr zur froh machenden, fröhlichen, wilden Botschaft des Evangeliums. Als sichtbares Zeichen kündigt er für 2013 ein drittes Vatikanisches Konzil an. Es gibt spontanen Beifall, Menschen fallen sich in die Arme, die Orgel intoniert ein südamerikanisches Gloria, es werden Bongos geholt, es wird getanzt.
Die „Freiburg ohne Papst“-Leute auf dem Münsterplatz bauen ihre Stände ab, fassen sich an den Händen und singen „Der Himmel geht über allen auf.“ Sie wollen ein Kloster gründen, leider sind ihre Wunschkandidaten für die geistliche Leitung, Uta Ranke-Heinemann und Hans Küng, nicht bereit dazu. „Das dann nun doch nicht!“, soll Ranke-Heinemann gesagt haben.
Eine gewisse Ernüchterung macht sich breit.
In Erfurt stösst die Idee der Kurie, das Abendmahl nur noch als Symbol zu sehen, auf Widerstand bei den Lutherischen Theologen. Sie beharren auf der Präsenz Jesu in Brot und Wein und tun den Vorschlag aus Rom als „Reformierten Unsinn“ ab.
Dafür ist die Rede in Berlin ein voller Erfolg: Standing Ovations, Bravorufe aus der Grünen- und Linksfraktion. Enttäuschend ist das Fernbleiben von vielen CSUlern. „Frauen als Minister sind schlimm genug, aber als Priesterinnen...“, soll der Abgeordnete H. gesagt haben, die Aussage konnte aber nicht belegt werden.

Freitag, 16. September 2011

Das OK

Der Gesangverein Dimpflingen wird in zwei Jahren hundert, Grund genug jetzt schon ein OK zu gründen. Es trifft sich heute zum ersten Mal.
Für das Essen wird Toni, der Bärenwirt, sorgen. Er hat ein schönes Menü zusammengestellt (Spargelcremesuppe, Blattsalate, Lendchen mit Gemüse und Kroketten, Vanillecreme), hat schon Leute für den Service an der Hand, die Chormitglieder müssen nur beim Auf- und Abbau helfen. Marco, der junge Dirigent übernimmt das Musikalische, er wird Kontakt mit den Gastchören aufnehmen und die Liedbeiträge koordinieren. Zum Abschluss wird "Kein schöner Land" gemeinsam von allen Chören erklingen. Beat, gelernter Grafiker, wird bis zum nächsten Mal drei Entwürfe für Plakat und Flyer präsentieren. So weit, so gut, die Aufgaben sind verteilt, man geht zum gemütlichen Teil über, eine Käseplatte wird geholt und ein guter Merlot aufgemacht.
Kann es so laufen? Ja, ich habe es schon erlebt, nicht zuletzt bei meinem Chor, dem Cäcilienchor Münchenstein.
Meist wird es aber so aussehen: Rudi meldet sich zu Wort und meint, Spargelcremesuppe sei schon recht, aber Lauchcremesuppe, es kürzlich habe er eine so gute Lauchcremesuppe..., das Thema Essen wird nun in allen Variationen durchgekaut. Dann macht man sich über das Schlusslied her, wobei Hans sagen muss, dass er ein lüpfiges Lied wolle, und "Kein schöner Land" sei eben nicht lüpfig.., worauf sich 30 Minuten Diskussion über das Wort "lüpfig" anschliessen.
Wir verlassen kurz unsere Dimpflinger, um uns die Frage zu stellen: Warum müssen immer alle überall ihren Senf dazu geben? Warum gehen solche Treffen immer bis Mitternacht? Ich glaube, es ist ein falsches Verständnis von Demokratie, dass immer jeder mitentscheiden muss, wenn wer die meiste Ahnung hat, sollte er allein die Entscheidung treffen dürfen.
Aber nicht, dass Sie denken, ich hätte etwas gegen Vereine! Sie sind das Wertvollste, was wir haben.
In der Industrie läuft es nicht besser, nur aufgemotzt durch PPT-Spielereien, Flipcharts, Memos, Folien usw. Dort nennt man das Ganze "Meeting" und ist das Grauen für jeden, der eigentlich etwas arbeiten muss. Das Prinzip ist das Gleiche: Jeder, der einen Laptop besitzt, darf zur IT etwas sagen und jeder, der schon einmal etwas gekauft, hat zum Marketing.
Unsere Dimpflinger sind jetzt beim Plakat angelangt. Auch hier werden jetzt alle Farben durchgenommen: Ist Gelb nicht zu knallig, ist rot nicht zu erotisch, ist blau nicht zu blau?
Wir verlassen sie endgültig und mit Schaudern. Die erste OK-Sitzung war noch kein voller Erfolg, aber sie haben ja noch zwei Jahre Zeit.
Übrigens ist Champignoncremesuppe auch etwas feines...

Dienstag, 13. September 2011

Kaffee am Morgen oder Bin ich schön?


Ich brauche morgens meinen Kaffee. Ohne zwei Tassen starkes Koffeingebräu, kombiniert mit einer Zigarette, bin ich zu nichts zu gebrauchen. Ich bin nicht ansprechbar, schlapp, unlustig und zu keiner gedanklichen Minimalleistung fähig.
Früher konnte man das auf meinen zu niedrigen Blutdruck zurückführen, jetzt hat man ein wenig Erklärungsnot. Seit nämlich die Hochdruckligen in Zusammenarbeit mit den Pharmakonzernen die Hochdruckmarke immer weiter herabsetzen, hat man entweder hohen oder normalen Blutdruck, da können sie weiss und anämisch durch den Tag schlurpen: Ihr Blutdruck ist normal!
Wer legt eigentlich wie irgendwelche Normen fest?
Wenn Sie sagen, ihr Bizeps habe zu wenig Umfang und Ihr Sixpack sei zu schlecht definiert, was ist dann ihr Massstab? Schwarzenegger? Wenn Sie sagen, Sie hätten zu dünne Beine und zu viel Speck auf der Hüfte, was ist dann die Messlatte? Brad Pitt?
Wir sind alle dumm – im Vergleich zu Einstein – und potthässlich – im Vergleich zu Angelina Jolie. Und wenn Sie meinen, Sie hätten beruflichen Erfolg gehabt: Können Sie Bill Gates das Wasser reichen?
Lassen wir doch die Kirche im Dorf: Wir alle sind in Ordnung, obwohl wir alle irgendwo Normwerte nicht erreichen. Manchmal kann das natürlich fatal sein, zum Beispiel wenn die Kleidungsschnitte enger werden; und das werden sie bei den Männern zur Zeit, vielleicht, weil man in einer grossen Gleichberechtigungsaktion nun auch die Buben flächendeckend in die Bulimie treiben möchte. Ich trage Shorts Grösse S, gekauft vor drei Jahren, heute komme ich in die kleinsten Hosen gar nicht mehr hinein, und ich bin halt auf die Läden angewiesen, Selberschneidern und Masshosen scheitern an meinen linken Händen und meinem Geldbeutel.
So, jetzt mache ich mir einen Kaffee, der ist übrigens schuld, dass die Abschaffung der Hypotonie den Pharmakonzernen egal war: Die Niedrigdruckmittel verkauften sich nicht, ein starker Espresso tat das Gleiche. Und so einen braue ich mir jetzt, und wenn ich mich dann in der Küchenscheibe spiegele, denke ich:
Eigentlich ein verdammt hübscher Kerl!

Freitag, 9. September 2011

www.as darf es denn sein, Fremder?

Glaubt man den Berichten meiner Altersgenossen, sah der Alltag eines Jugendlichen um 1980 folgendermassen aus: Nach der Schule – die wir gerne und wissbegierig besuchten – ging man zur Klavierstunde, zum Handballtraining oder ins Ballett, um 18.00 wurde die Abendmahlzeit im trauten Familienkreise eingenommen, bei der man kulturelle oder politische Themen erörterte, danach machten wir unsere Hausaufgaben, schrieben Briefe oder kamen endlich einmal wieder dazu, uns durch ein weiteres Kapitel Adorno zu arbeiten. Um zehn war Nachtruhe, die wir aber dadurch umgingen, dass wir unter der Bettdecke Hesse, Böll oder Mann lasen.
Aber: Stimmt das denn?
Warum haben wir dann immer noch die gesamte Genealogie dieser bescheuerten Familien aus Denver oder Dallas im Kopf? Warum bekommen wir leuchtende Augen, wenn einer „WAS DARF ES DENN SEIN, FREMDER?“ sagt, warum kann jeder von uns folgenden Vers ergänzen:
Klimbim ist unser Leben,
Und ist es mal nicht wahr...
(Für die heutigen Teenies: Es heisst übrigens: Dann mach ich mir ´nen Schlitz ins Kleid und find es wunderbaaaaaaaar)
Es ist schon merkwürdig, dass wir alle diesen Schrott immer noch in unseren Hirnen haben, wohl sortiert und aufbewahrt, obwohl ja keiner von uns ferngesehen hat, und wenn, dann nur Bildungssendungen wie die des Herrn von Dittfurth, von der mir jetzt – das ist bezeichnend – der Name nicht mehr einfällt.
Ich war an Ostern in Berlin und habe dort das Deutsche Film- und Fernsehmuseum besucht. In einer – übrigens sehr gut gemachten – Multimediashow erlebt der Zuschauer 60 Jahre deutsches Fernsehen. Ein Teil ist eine Umfrage aus den 70gern zum Fernsehkonsum: Viele Befragte gaben an, sich direkt nach dem Abendessen vor die Glotze zu setzen und erst zum Sendeschluss (gab es damals noch!) wieder aufzustehen, sodass der Rekordhalter der Befragten auf fünfzig Stunden Mattscheibe kam.
Ich glaube inzwischen nicht mehr, dass das Internet das Buch verdrängt, das Internet verdrängt andere zweifelhafte Medien. Die heutige Jugend hat nicht mehr Müll im Kopf als wir damals, und wer jetzt behauptet, die „Himmlischen Töchter“ (daraus ist „Was darf es denn sein, Fremder?“) hätten irgendein Niveau gehabt, soll sich bitte wieder einmal einen Ausschnitt ansehen, es gibt sie auf You Tube.
Mich jedenfalls machen meine Deutschklassen sehr glücklich, wenn die Hälfte nach einer Woche nicht nur die zehn befohlenen Seiten, sondern das ganze Buch gelesen hat.
Und wenn sie auch manchmal ein wenig zuviel surfen oder chatten, wir sind trotz „Riiiiiiiiisiko“, „Das war Spitze“ und „Welches Schweinderl?“ doch ganz brauchbare Menschen geworden.

Montag, 5. September 2011

11 für 10 oder die Pässe

„Nimm Döner-Pass“, sagt Ali von „Ali´s (!) Döner“ in Wuppertal, „ich mach Stempel, hast elften gratis.“ Ich sage ihm, dass ich sicher nicht so schnell wieder an die Wupper komme, ich hätte mir die Stadt angesehen, sei Schwebebahn gefahren, sei auf den Höhen spaziert hätte das Freibad genossen, so bald würde ich nicht wieder erscheinen. „Gefällt dir doch jetzt, kommst du wieder!“ Ich werfe ein, dass, sollte ich doch noch einmal aufkreuzen, ich dann vielleicht gar keine Lust auf Döner ...
„Döner geht immer!“ Der Mann sollte unbedingt Politiker werden. („Tiefbahnhof geht immer!“)
Ich nehme also den Döner-Pass, stecke ihn zu der Ausbeute der letzten Stunden (drei Kaffee-Pässe, drei Brötchen-Pässe, zwei Bier-Pässe, ein Seifen-Pass) und beschliesse, sie in einer spektakulären Anti-Rabatt-Littering-Perfomance in kleinen Schnipseln aus der Schwebebahn in die Wupper rieseln zu lassen.
Während ich mit Blick auf den Marktbrunnen meinen Döner jongliere – warum tropft es eigentlich immer auf die Stelle meiner Hose, die ich nicht mit Wasser bearbeiten kann? – überlege ich mir, warum mich diese Pässe so aufregen.
Zwei Gründe fallen mir spontan ein:
Früher gab es Stammkunden, sie kamen oft, jeden Tag oder ein paar mal die Woche, sie waren bekannt und man servierte ihnen auch ohne Rabattpass gelegentlich etwas „aufs Haus“, ein paar Erdnüsse, ein kleines Bier, einen Kaffee. Heute muss man die Treue zu einem Laden mit zehn Stempeln quasi beweisen.
Zweitens ist „der elfte gratis“ natürlich eine Lüge, da die Stempelpässe nach dem Giesskannenprinzip verteilt werden, ist die Vergünstigung ja schon längst in die Preise mit eingerechnet. Es gibt nichts umsonst auf dieser Welt.
Ich zereisse also die acht Papiere und streue sie genüsslich zwischen Oberbarmen und Unterbarmen in den blaugrün leuchtenden Fluss.
„100 Euro Busse.“ Neben mir hat sich ein Schwebebahnpolizist aufgebaut, ich zahle widerspruchslos. „Ich gebe Ihnen einen Stempelpass, dann kostet die elfte Ordnungswidrigkeit nichts.“
Also schön, werde ich doch öfter nach Wuppertal fahren, und in ein paar Jahren – vielleicht so 2015 – werde ich nach drei Kaffees, drei Brötchen, zwei Bier, einem Seifenkauf und einem Döner nackt in der Wupper stehen und die Leute in der Schwebebahn beleidigen. Aber vielleicht gibt es den Döner auch hinterher als Belohnung.

Sonntag, 4. September 2011

Warum ein Blog?

Warum ein Blog?
Die Antwort ist leicht gegeben: Ich möchte spätestens 2021 den Büchner-, spätestens 2031 den Nobelpreis erhalten haben. Leider ist die Resonanz auf meinen philosophischen Romanzyklus („Boccia um Mitternacht“, „Rousseaus Kuh“, „Nachdenken über Rolf P.“, „Gipsfabrik“) eher gering. Dies liegt wahrscheinlich weniger an der Komplexität der Themen und der an Hölderlin und George geschulten Sprache als an der Tatsache, dass ich noch keinen Verleger gefunden habe. Dies wiederum könnte zur Ursache haben, dass ich noch keine Zeile geschrieben habe, ich komme einfach nicht dazu, immer ist irgendetwas wichtiger. Da ich es nicht schaffe, meinen Beruf zu vernachlässigen, soziale Kontakte auf Eis zu legen, meine Wohnung nicht mehr aufzuräumen, nicht mehr zu schlafen, habe ich einfach zu wenig Zeit zum Schreiben. Mit einem Wort: Ich bin zu wenig Bohemien.
Also nun ein Versuch mit der kleinen Form.
Vielleicht wird ein Verleger auf mich aufmerksam und gewährt mir den Vorschuss, den ich brauche, um mein epochales Werk zu vollenden (oder erst einmal zu beginnen).
Der Blog wird zweimal in der Woche weitergeschrieben und bringt Glossen zu allen möglichen Themen, Gedanken, die mir durch den Kopf gehen, Fragen, die mich beschäftigen, eigene Erlebnisse. Letzteres ist besonders reichhaltig, Leute, die mich kennen, wissen, dass mir die unmöglichsten Dinge passieren: Ich werfe Schlüssel in Liftschachte, ich schüttle Salatsaucenflaschen ohne Deckel und verliere jede Art von Dokument. Ich bin die Reinkarnation des Monsieur Hulot, ich bin das Vorbild für Signore Rossi. Ich stehe mit der Materie auf Kriegsfuss.
Der Blog wird ein reiner Textblog sein, es gibt keine Videos, keine Musik, erst recht keine Bilder von meiner Wollkleidung oder meinem letzten Frühstück.
Nun viel Spass beim Lesen: dienstags und freitags!
P.S.: Es MUSS nicht der Büchnerpreis sein, ich nehme alle Literaturpreise, wenn sie zwei Bedingungen erfüllen: medienwirksam und verdammt gut dotiert (100.000.- aufwärts)