Freitag, 3. Juli 2015

Sachsen-Anhalt II

FÜRSTENTÜMER

Deutschland hat Bundesländer, eingeteilt in Regierungsbezirke, eingeteilt in Landkreise, so ist die normale politische Struktur. Abgesehen davon, dass kein Mensch weiss, warum es Regierungsbezirke braucht und was die sogenannten Regierungspräsidenten in ihren millionenteuren Regierungspräsidien überhaupt den ganzen Tag treiben (Facebook? Gamen? Pornos?), ist das eine ganz sinnvolle Einteilung. Sie gilt aber nur staatlich-politisch, bei Gewerkschaften, Verbänden, Kirchen stösst der unbedarfte Ausländer, z.B. der Eidgenosse immer wieder auf merkwürdige Strukturen. Warum gibt es die Tarifbezirke Nordwürttemberg-Nordbaden, Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern? Wieso finden wir eine Landeskirche in  Hessen-Nassau und eine in Kurhessen-Waldeck? Was ist mit diesen ganzen bescheuerten Sondernamen? Hier haben sich die alten Herzogtümer, Fürstentümer, Grafschaften, die alten Reiche und Kleinreiche, die alten Kleinstaaten voll erhalten. Auch in den Köpfen der Leute. „Ich komme aus Anhalt“, sagt der Dessauer, „Ich komme aus Lippe“, sagt der Herforder, „Ich komme aus dem Herzogtum Lauenburg“, sagt der Möllner. Und wenn Sie in Idstein Ihr Geld vom Automaten der SPARKASSE NASSAU beziehen und von Hechingen nach Sigmaringen mit der HOHENZOLLERISCHEN LANDESBAHN fahren, wissen Sie: Die Kleinstaaten leben! Der Deutsche ist einfach kein Mensch für grosse politische Würfe, trotz Kaiserreich, trotz Nazireich, trotz Wiedervereinigung und Berlin als Hauptstadt: Er ist aus Anhalt. Er ist aus Nassau. Er ist aus Lippe, aus Oldenburg, Lauenburg und Hohenzollern. Und wird das auch im 22. Jahrhundert noch sein.

ANHALTEN

Der Name des früheren – oder wir müssen ja sagen heutigen – Fürstentum Anhalt wird auf verschiedene Weise gedeutet. Klar ist, dass da irgendwie angehalten wurde. Irgendwie fuhren da Postkutschen und Privatkutschen, später dann die Dampfzüge erst mal nicht weiter. Eine alte Frau erklärte mir im Café am Markt die Sache so: Die Menschen seien von Stuttgart, Bruchsal oder Augsburg losgefahren, nach dem Norden, und dann hätten sie einfach gemerkt, dass sie gar nicht nach Berlin oder Rostock müssten, denn hier sei es ja so schön. Und dann hätten sie eben angehalten. Eine andere Deutung dünkt mich plausibler: Die Postkutschen schafften, auch wenn sie schon bei Sonnenaufgang in Bruchsal, Augsburg oder Ravensburg starteten, es schlicht und einfach nicht ganz nach Preussen;  Pferde sind keine Autos, sie machen irgendwann schlapp, und wenn die Rösser nach Heu und Wasser lechzten, dann lechzte der Mensch auf einmal nach einem kühlen Bier und einer Bockwurst, vielleicht auch nach drei Bier und zwei Würsten, auf jeden Fall hielt man erst einmal in Anhalt an.
Ganz fies ist die dritte Version: Schwaben seien nicht nur heute in Berlin unwillkommen, sie seien es immer schon gewesen, und weil die Berliner, die Preussen, aber auch die Hansestädter an der Ostsee nicht wollten, dass da Massen von Häberles, Schäufeles und Pfluderles eintrudeln, habe man sie schon in Köthen oder Dessau mit Waffengewalt abgefangen und zum Anhalten gezwungen. Und dann, nach einem Bier (oder zwei) und einer Bockwurst am nächsten Tag wieder nach Hause geschickt.

BAUHAUS EVERYWHERE

Ist Wittenberg verluthert, dann ist Dessau verbauhaust. Ein Tapaslokal bietet tatsächlich einen Teller an, auf dem die spanischen Vorspeisen so angeordnet werden, dass sie an Schlemmer erinnern. Ein Schlemmer-Teller oder eine Schlemmer-Schnitte kommt also in der Bauhausstadt nicht von Schlemmen, sondern von Oskar. Kein Hotel, kein Restaurant, kein Möbelhaus und kein Supermarkt lässt sich nehmen zu betonen, dass sie mit ihren Zimmern, ihren Produkten, ihrem Verkaufsraum der Bauhaus-Idee folgen. Nun ist die damals revolutionäre Sache inzwischen natürlich absolut normal, „form follows function“ ist bei uns Alltag, und so ist natürlich alles auch irgendwie Bauhaus. Haben Sie schneckenförmige Schnörkel an ihrer Küchenmaschine? Natürlich nicht. Also Bauhaus. Haben Sie ornithologische  Ornamente an ihren Tischbeinen? Auf keinen Fall. Also Bauhaus. Bauhaus ist überall, also kann auch jeder mit Bauhaus werben.
Und wenn ein Hotel, was wirklich vorkommt, im Prospekt schreibt, es habe die Bauhaus-Idee in den Zimmern, den Bädern, in den Schränken und Betten verwirklicht, dann ist das Schwachsinn. Das Gegenteil wäre aufsehenerregend: Wenn Hotels, Restaurants, Supermärkte und Möbelhäuser zum Schnörkel, zum Ornament, zum Mäandern und Ziselieren, zum Weit- und Ausschweifigen zurückkehren würden. Und ehrlich gesagt: Manchmal wünsche ich mir das auch. Nichts ist doch schöner als Wasserhähne in Schwanform mit viel Gold und Geschneukerl. Wenn man sie nicht selber saubermachen muss.

ESSEN

Das Essen in Sachsen-Anhalt ist die typische deutsche Küche des 21. Jahrhunderts: Burger, Döner, Pizza und Wok-Gerichte. Eine Spezialität fiel uns allerdings auf: Ein Dessert, das aus Milchreis, Zimt, Zucker und Knackwurst bestand.


In diesem Sinne: Guten Appetit.

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