Manchmal ist
die Realität genauso, wie man sie als Satiriker beschreibt.
Das ist
manchmal gut und manchmal schlecht.
Wenn z.B.
vor 20 Jahren ein Glossist geschrieben hätte, die GRÜNEN würden auch noch
bürgerlich, im SW-Staat die stärkste Partei werden und mit der CDU koalieren,
dann könnte er jetzt feiern. Wenn jemand schreibt, man könne doch mal alle
Pannen ins Netz stellen und nicht weiss, dass es FAIL OF THE WEEK schon gibt,
ist das doof.
Ich habe
neulich einem schwäbischen Kabarettisten, der sich beklagte, dass man nichts
über Kretschie machen könne, die Worte in den Mund gelegt:
Er habe auch einen guten Draht zu den Amis,
und er wisse aus zuverlässiger Quelle, dass die AAC sie seine Politik gut
fänden, sondern weil sie endlich wieder Arbeit wollten. Die Amerikanische
Satire leide ja – wie die Baden-Württembergische – seit Jahren unter einem
Präsidenten, der dem Kabarett, der Glosse, den Comedians und Sketschschreiber
nichts biete. Obama sei so etwas von anständig und sauber, dass man an ihm
abgleite wie an einem rutschigen Fisch. «In Trump investieren heisst in die
Zukunft investieren» sei der Slogan der AAC, an diesem Kerl sei nun alles
unmöglich, der sei nun wirklich eine Goldgrube, ein Eldorado, ein Garten Eden
der Kleinkunst. Wo man hingreife, sei dieser Mensch peinlich: Peinliche Frisur,
peinliche Ansichten, peinliche Äusserungen, wo man hinlange, sei Trump
geschmacklos, geschmacklos sei seine Wohnung, seine Bilder an den Wänden, seine
Tischdekoration, geschmacklos seine Einstellung zu jeder und jedem, der nicht
ins Raster W-M-W (working, married, white) passe.
Ein Beitrag
in SWR2/Kultur am Mittag belehrte mich jetzt neulich, dass ich genau ins Schwarze
getroffen hatte: Die US-Comedians schwimmen gerade in einem Wonneschaumbad.
Über keinen Politiker konnten sie so viel machen wie über Trump. Während der
10minütigen Reportage machte ich eine Flasche Sekt auf und feierte mein
Wie-recht-du-doch-hattest.
Blöder ist,
wenn man als Verulkung etwas erfindet, was es schon gibt, da holt einen die
Realität auf ganz fiese Weise ein, da macht man dann keinen Sekt auf, man
stellt sich in die Ecke und schämt sich und murmelt den Sokratischen Satz mit
Ergänzung: «Ich weiss, dass ich nichts weiss und das ist Scheisse (s.v.v.)» Ich
habe neulich gepostet:
Und jetzt? Erdi versteht die Welt nicht
mehr. Das kann doch nicht sein, dass den Heinis in Berlin die Hände gebunden
sind, dass sie sich an Gesetze halten müssen, an die verfassungsmässig
garantierte Freiheit von Medien, von Kunst und Kultur, das kann doch nicht
sein, dass da gar nix geht? Die sind doch Regierung, oder? Und die Regierung
macht die Gesetze, oder? Da kann man doch kurz einen StGB-Paragraphen entwerfen,
wie z.B.
§ 45367 Wer ausländische Regierungschefs
auf unangemessene Weise darstellt, sie verhöhnt oder beleidigt, wird mit
Zwangsarbeit in Oberbayern, Vorpommern oder Niedersachsen nicht unter 3 Monaten
bestraft.
Das muss doch gehen, wenn man Regierung ist,
oder?
So, Freunde,
hier wurde ich nun eines Besseren belehrt. Es gibt den Paragraphen! Es ist
nicht der § 45367 StGB sondern der § 103 und die Strafe ist nicht Zwangsarbeit
in Oberbayern, Vorpommern oder Niedersachsen (Warum habe ich eigentlich nicht noch
Unterfranken genannt, das wäre doch auch schlimm?) sondern Gefängnis, aber im
Prinzip steht genau das drin: Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt beleidigt,
kann mit bis zu 3 Jahren Gefängnis bestraft werden.
Nun gilt der
alte Grundsatz: Wo kein Kläger, da kein Richter. Aber genau diese Kläger haben
sich anscheinend nun gefunden.
Anzeigen
sind eingegangen, Anzeigen nicht gegen EXTRA 3, sondern gegen Jan Böhmermann,
der den guten Erdi schmähte und gegen den jetzt ermittelt wird.
Wieso hatte
ich – und das ist wohl die entscheidende Frage – von diesem § noch nix gehört? Wurde
noch nie ein ausländisches Staatsoberhaupt durch den Kakao gezogen? Das kann ja
wohl nicht sein. Wie ich oben schon sagte, fehlt, wo der Kläger fehlt auch der
Richter und damit sein Henker, wenn also niemand eine Anzeige erstattete, dann
passierte auch nichts.
Zum Beispiel
wären die vor dem Mittelafrikanischen König Bubn Ib Mussa geflohenen Untertanen
ja ganz froh gewesen, wenn dieser auch in der BRD nicht so beliebt gewesen
wäre, sie hätten jede Bubn-Parodie und jede Mussa-Persiflage mit Genugtuung
gesehen. Die Anhänger Ib Mussas aber wären nicht in Deutschland gewesen,
sondern daheim, wo der Verehrte seinen treuen Fans Ämter und Geld zuschanzte.
Bürger
anderer, demokratischerer Nationen hätte jede Satire mit Humor genommen, wären
vielleicht nicht begeistert, aber auch nicht totalsauer gewesen, so kann ich
mich nicht erinnern, dass Elke Heidenreich alias Else Stratmann wegen ihrer
Royal-Satiren («Lisbeth, hallo bis du’s?») einmal von Briten verzeigt worden
wäre.
Nein, der
103er schlummerte bislang friedlich in der Ecke, bis, ja bis irgendwelche
Menschen, die – ich kann mir es nicht anders vorstellen – erdogantreu und humorlos sind (was fast das Gleiche ist)
und ihn jetzt aus seinem Schlaf reissen. Das ist genau der Menschentyp, der Tag
und Nacht seine Nachbarn beobachtet, stets mit dem BGB in der Hand und
permanent nachschlägt:
Dürfen die
das?
Ist das
nicht verboten?
Was sagt das
Gesetzt?
Dürfen zwei
alte Tanten in der Nacht Tango tanzen?
Ist denn das
legal? Ist denn das normal? Ist denn das erlaubt?
Seien wir
gespannt.
Ich aber
werde aufpassen und alle meine Post noch einmal durchforsten.
Denn ins
Gefängnis möchte ich nun wirklich nicht.
#JeSuisBöhmermann
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