Freitag, 28. Mai 2021

Es liegt nicht am Equipment

Jack McBack, der CEO des Computergiganten TELPIM, träumt von Hauskonzerten in seiner Villa am See. Er stellt sich das richtig schön vor, so eine Stunde Mozart, Chopin oder Bach mit Blick auf die Wellen, und danach ein schönes Glas Wein und ein paar Häppchen.
Nur wer soll spielen?
Judith, die Frau von Jack, hat in ihrer Jugend nun tatsächlich Klavierstunden genommen und ist – gemäss ihrer eigenen Angaben – ziemlich weit gewesen, Beethoven op. 111, Kreisleriana und Faschingsschwank, natürlich den ganzen Chopin op. 10 und op. 25 und – das war ihr Liebstes – die Kartinki s wystawki, die Bilder einer Ausstellung.
Schön und gut. Wird also alles gut werden, worauf Judith allerdings beharrt, ist das korrekte Equipment, sie wird ihre Studien nicht auf einem Schimmel oder Yamaha wieder aufnehmen, ein wirklich guter Flügel muss schon her, und ist bei einem Jahressalär von Jack von 2 Millionen auch möglich. Also ein Bösendorfer Imperial für zweihunderttausend.
Judith übt nun fleissig, sehr fleissig, extrem fleissig, muss aber irgendwann zugeben, dass die Aufgabe der Idee, Musik zu studieren, nicht am Equipment lag, auch auf dem Imperial ist die op.111 weit entfernt, bekommen weder die Kreisleriana noch der Faschingsschwank den richtigen Schwung, und die Chopin-Etüden kann sie höchstens im halben Tempo. Von Kartinki ganz zu schweigen.
Gut.
Jacks Lohn reicht auch noch für die Gage eines guten Pianisten, das Hauskonzert kann dennoch stattfinden.

Popl Hoppel will endlich auf den Ruttenpass. Und zwar mit dem Velo, dem Fahrrad, dem Bike. Er hat es schon ein paar Mal versucht, ist aber immer am schlechten Equipment gescheitert. Nun leistet er sich ein Gourmet-Rad, eine Höllenmaschine, ein BMC Timemaschine Road 01 Two. Ein BMC Timemaschine Road 01 Two kostet zehntausend Euro, 10000.--, die aber gut angelegt sind, denn ein BMC Timemaschine Road 01 Two ist ein Rad, mit dem man Tour de France fährt. Oder den Giro. Oder die Tour de Suisse. Ein Profirad.
Trotz des BMC Timemaschine Road 01 Two muss aber Popl 3 Kilometer vor der Passhöhe aufgeben. Auch die x Gänge und die extrem leichte Bauart halfen nicht. Vielleicht liegt es an drei Dingen:
Popl raucht.
Popl hat bei einer Grösse von 180 Zentimetern ein Gewicht von 100 Kilo.
Und das sind keine Muskeln, Muskeln hat Popl fast keine.
Und gegen die Kombi von Raucher, fett und muskelarm kommt auch das BMC Timemaschine Road 01 Two nicht an.

Muss ich nun noch von Adele erzählen, die immer meinte, eine gute Köchin werden zu können, wenn sie nur nicht so miese Töpfe hätte, die aber auch nach einer Kauforgie im Shop KITCHENFORYOU®, die sie ein paar tausend Franken kostete, immer noch Speisen fabriziert, die man nicht einmal Muz, dem Kater und Hupo, dem Hund vorsetzen will?

Muss ich von Gunter erzählen, der sich (endlich) einen richtig guten Laptop angeschafft und sich in Textverarbeitung und Internet eingearbeitet hat, um endlich seinen grossen Roman zu schreiben? Und der jetzt vor einem leeren Bildschirm sitzt und merkt, dass es auch auf dem teuersten HP® oder acer®, auf dem teuersten MAC®, dem edelsten Lenovo® nur Text-Verarbeitung, nur Text-Speicherung gibt, aber keine Text-Herstellung…

Muss ich noch von Lucy erzählen, die ein malerisches Talent in sich spürt und sich eindeckt mit Leinwänden, Paletten, Ölfarben, die Tuben und Pinsel und Staffeleien kauft, und die trotz einer Investition von 6578,34 Euro sich eingestehen muss, dass sie mangels Talent NICHT in die Fussstapfen von Angelika Kaufmann oder Lee Krassner treten wird?

Leute, Leute…
Es liegt nicht immer am Equipment. Anders formuliert: Man sollte erst einmal testen, ob man für irgendetwas taugt. Das kann man auch mit einfachsten Mitteln, mit einfachsten Dingen, mit simpelsten Geräten und mit Null-Budget-Equipment.
So könnte Judith sich für eine Woche ein Studio mieten und ein wenig üben und dann einem Experten vorspielen, der ihr offen und ehrlich seine Meinung sagt.
Popl könnte einfach mal joggen und schwimmen, nicht um dann den Iron Man zu machen, sondern einfach um zu testen, ob seine Kondition reicht.
Adele könnte an einem einfachen Salat und dessen Sauce ausprobieren, ob sie Geschmacksknospen besitzt, die sauer und süss auseinanderhalten können.
Gunter würde auch mit einem simplen Notizbuch merken, dass er kein zweiter Grass wird.
Und Lucy könnte ihr Kunstkünste (was für ein Wort!) auch mit einem Kohlestift und einem Skizzenbuch testen, und dann entscheiden, ob sie Farben kauft.

Stöhnen Sie also nicht, wenn Ihnen Dinge misslingen. Es liegt nicht am Equipment. Sie sind vielleicht einfach nicht begabt.
Das macht gar nichts. Kein Mensch kann alles können.

Dumm wäre, wenn die Sache Ihr Brotberuf wäre.

Aber dazu mehr beim nächsten Mal.



 

 

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