Freitag, 4. April 2014

It's a wonderful (????) BASELWORLD

Am 27.3. stehe ich wie jeden Morgen an der Haltestelle Mustermesse, sinniere so vor mich hin, warte auf die Linie 2 zum Bahnhof und denke an nichts Böses. Auf einmal trifft mich von hinten ein massiver Wasserstrahl. Demo? Autonome? Wasserwerfer? Polizei? denke ich noch bruchstückhaft, als ich durch die Luft segle, mein Ende schon vor Augen, aber bevor ich auf dem Boden aufschlagen kann,  fängt mich ein Orange-Männchen auf und wirft mich in eine Tonne. Dann verliere ich endgültig das Bewusstsein. Ich erwache in einem Büro der Stadtreinigung. Ein Mann, er nicht in Orange, sondern in dezentem Anzug und passender Krawatte, erklärt mir, es sei ihnen sehr, sehr peinlich, aber die Arbeiter stünden halt sehr unter Druck, heute beginne doch die BASELWORLD, und da müsse das Messeareal  völlig sauber sein, man sollte praktisch vom Boden essen können, nicht auszudenken, wenn ein Singalese eine Kippe auf dem Boden sähe, ein Sakrileg, was in seiner Heimat ja mit Auspeitschen bestraft werde. Nicht auszudenken, wenn irgendwo noch Räppli herumführen, die Räppli seien ja das Schlimmste, er raufe sich ja den ganzen Tag die Haare, weil die Uhren&Schmuck-Messe so nah an der Fastnacht liege, er habe auch schon Vorstösse beim Grossrat gemacht, die Räppliwerferei  ganz zu verbieten, aber da stiesse man ja auf taube Ohren, weil die Fastnachtsfunktionäre so eng mit der Politik verfilzt seien. (Für meine deutschen Leser: gemeint sind Konfetti) Jedenfalls, er bittet sehr um Verzeihung und drückt mir als Entschädigung einen Scheck über 10 000.- Franken in die Hand, auf meinen Hinweis, das sei jetzt doch ein wenig übertrieben, meint er, er bezahle das aus der Portokasse.

Ich nehme mir einen Tag frei und bummle durch das Kleinbasel.

Vor  COOP, MIGROS (für nichtschweizer Lautleser: Bitte, bitte, bitte das „s“ nicht mitsprechen) und dem DENNER sitzen Angestellte und fragen sich bezüglich der während der BASELWORLD akzeptierten Währungen ab.
„100 Yen.“ „Falsch, 50 Rupien. Jetzt ich.“ Der andere hält einen Schein in die Höhe. „20 Rubel.“ „Falsch, 100 Leva.“ „Was soll denn das sein?“ „Bulgarien. Hast du komplett geschlafen bei der Schulung?“

Vor einer Bar überpinselt ein Maler das Eingangsschild: Aus „2 HOT 4 U“ wird „Too Hot for You“. Die Zahl 4, erklärt er, die Zahl vier, sei für Asiaten die Unglückszahl, keiner würde in eine Bar, an der die 4 draussen prangt, gehen, so sei jetzt zwar der Gag weg, aber sie hätten Kundschaft.

Ruedi, der Wirt meiner Stammbeiz , wechselt gerade die Speisekarten aus. „Ruedi“, quatsche ich ihn an: „25 Franken für einen Grünen Salat und 53 Franken für ein Cordon Bleu? Ist das nicht ein wenig Abzocke?“ „Sie zahlen es, Schätzchen, sie zahlen es, sie würden auch das Doppelte zahlen, wer gerade 1000 Luxusuhren à 200 000.- eingekauft hat, zahlt auch 40.- für einen Kaffee.“ „Und ich?“ „Du kriegst alles zum Normalpreis. Ich bin aber eh ausgebucht.“ „Und was mach ich dann?“ Ruedi schlägt selber kochen vor. Selber kochen, auf keinen Fall, nicht so nah am Messegelände. Ein Freund von mir machte letztes Jahr Pizza und hatte das Fenster offen gelassen, vom Duft angelockt, sassen plötzlich drei Japaner an seinem Esstisch, und weil sie nur Japanisch konnten, war ihnen ganz schwer begreiflich zu machen, dass sie sich in keinem Restaurant befanden. Nein, nein, ich gehe in die Agglo, ins Rössli nach Binningen oder in den Schwanen nach Flüh, da war ich eh schon lange nicht mehr.

Um die Mittagszeit bricht der Sturm dann los. Horden von Anzugträgern und Damen in Pumps. (Das grausamste Schuhwerk, wenn man 8 Stunden auf einer Ausstellung herumdackelt!) Die Taxis rasen durch die Stadt und spucken unentwegt Leute aus, die von Hotellobbies aufgesaugt werden und sich  nach einer halben Stunde wieder Richtung Messe ergiessen. Es hat etwas von Lemmingen. Allerdings ohne Selbstmord.

Ich mache erst einmal einen Mittagsschlaf.

Als ich um Mitternacht von Flüh heimkomme, wo ich für 40.- ein Dreigang hatte, ist das Messegelände völlig eingesaut, Tausende von Kippen und leeren Bierdosen. Ich glaube, deshalb kommen die mandeläugigen Einkäufer auch so gerne her: Hier dürfen sie mal rumschweinen ohne gleich die Todesstrafe zu fürchten.       
Und wir machen es ja weg. 
Mit Wasserwerfern. 
Morgen passe ich auf und halte Abstand, das nächste Mal fängt Orange-Man vielleicht nicht so gut.

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